Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ein Manager hatte in die eigene Tasche gewirtschaftet und sollte gefeuert werden, so erzählt die Bibel im Matthäus-Evangelium (17). In höchster Not ließ er die Schuldner nacheinander antanzen: „Wie viel schuldest du unserer Firma?" „Hundert Fass Öl", war in einem Fall die Antwort. „Nimm deinen Schuldschein und schreib fünfzig". Mit einer groß angelegten Umschuldung rettete dieser Ganove seine eigene Haut. Ich fürchte, den Europäern bleibt auch nichts anderes mehr übrig als ein Schuldenschnitt, sonst fliegt ihnen bald der Euro um die Ohren. Nun rächt sich, dass man die gemeinsame Währung nicht mit einer einheitlichen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik unterfüttert hat. So steht sie auf tönernen Füßen. Wie bei einer Fahrt in der Geisterbahn schrecken uns täglich dubiose „Rating-Agenturen" mit neuen Gespenstern, stufen Volkswirtschaften herunter auf „Ramsch-Niveau" und wetten auf den Niedergang ganzer Staaten. Und die Politik wird nicht müde, mit Hilfe teurer Rettungsschirme „das Vertrauen der Märkte" wiederzugewinnen. Wer soll da - bitte - wem vertrauen? Wer sind denn die „Märkte"? Sind das nicht genau jene, die mit ihren „intelligenten Finanzprodukten" die Krise ausgelöst haben? Anonyme Investoren, Spekulanten, die aus Luft Geld schöpfen und aus ihrer eigenen Krise Kapital schlagen? Es war ein fataler Fehler, dass die Regierungen die Kontrolle über die Finanzen, das sensibelste aller Wirtschaftsgüter, aus der Hand gegeben und dem Markt überlassen haben. Nun wird an Börsen und Banken mehr Politik gemacht als in den Parlamenten. Das Kapital diktiert die Bedingungen und treibt die Regierungen vor sich her. Demokratie stellt man sich eigentlich anders vor. Von diesem Gutsverwalter im Evangelium nimmt man an, dass er bei seinem teilweisen Schuldenerlass auf den eigenen Reibach verzichtet hat. Wenn sie's schon nicht von sich aus tun, die privaten Geldgeber von heute, wäre es nur recht und billig, sie per Gesetz an den Kosten der Krise zu beteiligen. Ein „haircut", ein Schuldenschnitt - warum eigentlich nicht? In dieser biblischen Erzählung gibt's am Ende nur Gewinner: Der ungerechte Verwalter, wie man ihn nennt, wird am Ende sogar gelobt und behält seinen Job. Und die Schuldner haben endlich wieder Luft unter den Flügeln.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11134
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