Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In diesen Wochen muss man sie wieder ziehen lassen, die jungen Leute. Viele Schulabgänger, Abiturienten, Studenten machen sich auf in die weite Welt. Wann, wenn nicht jetzt können wir die Welt sehen, sagen sie. In ein paar Jahren, wenn wir erst im Beruf eingebunden sind und womöglich eine Familie haben, dann geht das nicht mehr. Also ziehen sie los.
Und die Mütter und Väter machen sich Sorgen. Sie stellen sich vor, was unterwegs schon passiert ist und passieren kann. Aber ein bisschen bewundern wir unsere Kinder natürlich auch. Hand aufs Herz: Hätten Sie sich mit 20 oder 22 getraut, mit dem Rucksack durch die Anden oder mit dem Fahrrad durch Kanada?
Wenn es in meiner Familie wieder mal so weit ist und einer den Rucksack packt, dann denke ich an Tobias. Von dem jungen Mann mit dem modischen Namen erzählt die Bibel. Tobias war der einzige Sohn seiner Eltern und hatte auch eine weite Reise vor. Die Eltern werden sich nicht weniger Sorgen gemacht haben als Mütter und Väter heute. Da trifft, noch vor der Abreise, Tobias einen Menschen, der ähnliche Pläne und Ziele hat wie er. Weder er noch seine Eltern kennen den Fremden. Aber zu zweit ist besser als allein. Deshalb vertrauen sie ihm. Und die beiden machen sich zusammen auf den Weg. Es geht genauso zu, wie heute auch, erzählt die Bibel: Die Mutter weint ein bisschen und fragt: „Muss das wirklich sein?", der Vater versucht, sie zu beruhigen. Dabei macht er sich selbst wahrscheinlich genau so viel Sorgen. Dann hören Sie monatelang nichts von ihrem Sohn. Verglichen damit haben wir Mütter und Väter heute es eigentlich gut, finde ich: Im hinterletzten Kaff irgendwo in der Pampa gibt es ein Internetcafe und man kann hoffen, dass sie sich ab und zu melden, die Söhne und Töchter aus der weiten Welt. Damals mussten sie einfach warten. Je länger es dauerte, desto größer wurde die Sorge - der verabredete Termin für die Heimkehr war schon längt vorbei.
Dann endlich kommt Tobias zurück. Alles war gut gegangen. Erwachsen geworden war er unterwegs. Sogar ein Mädchen hat er mitgebracht, das er unterwegs kennen und lieben gelernt hatte. Ende gut, alles gut. Von den brenzligen Situationen unterwegs würde Tobias später erzählen.
Und jetzt, als er wieder da ist, wird den Eltern klar: der Fremde, der mitgegangen ist durch die weite Welt: das war ein Engel. Ein Bote Gottes. Das erzählt die Bibel ausdrücklich.
Wenn jetzt meine Kinder unterwegs sind, erinnere ich mich daran. Und versuche, auf die Menschen zu vertrauen, die mit ihnen gehen und die sie unterwegs treffen. Nicht immer - aber ganz oft sind das Engel, glaube ich. Boten Gottes, die mit den Kindern gehen, wenn sie unterwegs sind in der weiten Welt. Gott behüte sie alle!

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