Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Am Tübinger Wesen soll die Welt genesen." Eine Freundin aus der Schweiz hat mir ihre Zeitung von Anfang Juni mitgebracht. Da stand auf Seite drei diese Überschrift: „Am Tübinger Wesen soll die Welt genesen." Ich mag die kleine Universitätsstadt am Neckar und habe weiter gelesen. Sie haben über das Klimaschutzprogramm der Stadt berichtet, über Sonnenkollektoren auf den Dächern und über Broschüren, die erklären, wie man reisen kann ohne die Umwelt zu belasten. Eigentlich wusste ich das meiste schon und fand es bis dahin ganz erfreulich: Eine Stadt, die sagt: Wer, wenn nicht wir - und ernst macht mit dem Klimaschutz so gut es geht.
Aber dann kam in dem Zeitungsartikel auf einmal die Frage: „Wie kann Tübingen das Weltklima beeinflussen, wenn eine Milliarde Inder und Chinesen konsumieren und Autofahren wollen?" Und gleich drauf noch eine Frage: „Das Meer soll weniger ansteigen, weil ein Universitätsstädtchen Strom spart"? Eine bizarre Vorstellung haben sie das in der Zeitung genannt. Und wer das liest, kann zunächst wirklich den Eindruck bekommen: Das ist doch lachhaft. Vollkommen sinnlos, so ein Klimaschutzprogramm in einer kleinen Stadt. Der Ton im Zeitungsartikel war hämisch.
Als Christin finde ich das zynisch. Denn von Jesus habe ich gelernt, dass man anders denken muss, wenn man etwas erreichen will. Zu Jesus haben sie nämlich auch mal gesagt: das ist doch lächerlich. Was wir an Möglichkeiten haben, das ist doch viel zu wenig. Es ist sinnlos, damit überhaupt anzufangen. Damals ging es um sehr viele hungrige Menschen und viel zu wenig Brot. Was ist das schon, haben seine Jünger Jesus da gefragt und vorgeschlagen: Schick die Leute weg. Wir können nichts für sie tun. Aber Jesus hat es anders gemacht. Er hat dankbar das genommen, was sie hatten. Das hat er ausgeteilt. Und die Bibel erzählt: Alle wurden satt.
Das klingt unglaublich. Wahrscheinlich war es ein Wunder. So, wie es immer ein Wunder ist, wenn das Unglaubliche wahr wird. Aber eines ist sicher: Wenn sie damals nicht angefangen hätten, das wenige zu teilen, was da war, wenn sie die Leute nach Hause geschickt hätten: Dann hätten alle gesagt, „Seht ihr, wir wussten es doch: Es funktioniert nicht." Und die Menschen wären hungrig geblieben.
Wir Christen haben in unserer Bibel noch mehr Geschichten, die von solchen Wundern erzählen. Wir sollten deshalb den Zynikern widersprechen, die sagen: es hat doch keinen Sinn. Auch wenn so ein  Zeitungsartikel ganz witzig formuliert ist  - sie haben nicht recht. Denn nur, wenn man an das Unglaubliche glaubt, wird sich etwas ändern. - Das gilt in Tübingen und überall sonst auch - Ich glaube, sogar in der Schweiz.

Quelle: Basler Zeitung vom 7. Juni 2011 S. 3

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10988
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