Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„In einer Stadt lebten zwei Männer, der eine reich, der andere arm. Der Reiche hatte viel Vieh, der Arme ein einziges Schäflein. Als der Reiche eines Tages Besuch bekam, nahm er dem Armen das Lamm weg, ließ es schlachten und bewirtete damit seine Gäste." (2. Sam 12) Diese empörende Geschichte hat Nathan, ein Gottesmann vor 3000 Jahren, seinem König erzählt. Dieser König David hatte, wie damals üblich, viele Frauen. Und nachdem er sie beim Baden beobachtet hatte, ließ er auch noch die Frau eines seiner Offiziere in seinen Harem holen. Nicht ganz zufällig kam der Offizier bald danach bei einem Himmelfahrtskommando ums Leben.
Als Samuel seinem König das Gleichnis von den beiden Männern und dem Lamm erzählt, gerät David in Zorn. Der Mann ist des Todes! Soll er gesagt haben, und außerdem soll er vierfachen Schadensersatz leisten. Er war ehrlich empört über den, der dem Armen sein einziges Schaf weggenommen hatte. So etwas, das war klar für ihn, dass darf man nicht tun.
Und Samuel, ganz ruhig, sagt zu ihm - du bist der Mann! Da begreift David, was er eigentlich getan hat. Vorher hatte er sich die Sache schön geredet: Ich bin der König, wird er gedacht haben. Die Frau hat doch Glück gehabt. In meinem Harem hat sie es viel besser als bei ihrem Mann. Vielleicht hatte er auch eine andere Ausrede - aber jetzt haben die Ausreden nicht mehr funktioniert. David hat sich erkannt, wie in einem Spiegel. Da hat er sich geschämt. Seine Schuld eingestanden. Und nach viel Leid ist doch noch etwas Gutes daraus geworden.
Wie hätte David wohl reagiert, wenn Samuel ihm auf den Kopf zugesagt hätte: Ich weiß, was du getan hast! Das ist Ehebruch. Gerade Du als König darfst das nicht tun. Wer so etwas tut, muss abdanken. Das ist das Mindeste. Wahrscheinlich hätte der König seinen Berater einsperren lassen. Vielleicht wäre er hingerichtet worden. Aber jedenfalls hätte David versucht, sich zu verteidigen. Argumente fallen einem schon ein, wenn man sie braucht. Geändert hätte sich nichts. Moralische Belehrungen, die machen einen nur bockig und stur.
Besser sind solche Geschichten, in denen man sich selbst erkennen kann. Geschichten, die einem ein Urteil abverlangen. Man kann gar nicht anders als zustimmen: Ja, so ist es gut. Oder urteilen: Das ist ja unmöglich. So kann man es nicht machen. Und auf einmal begreift man was los ist und wie es gut wäre. Auf einmal erkennt man sich selbst und findet vielleicht sogar einen neuen Weg für die eigenen Fragen.
Auch Jesus hat oft solche Gleichnisse erzählt. Überlegen Sie mal, ob ihnen eins einfällt. Vielleicht merken Sie dann: es funktioniert.

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