Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Fehlermachen gehört zum Leben dazu. Manche sind nicht der Rede wert. Andere liegen  schwer auf der Seele. Fehler machen gehört dazu. Aber mit den Fehlern leben- das ist gar nicht so einfach. Wie gehen Andere damit um, wenn ich Mist gebaut habe? Legen sie mich darauf fest? Lassen mich das immerzu spüren? Oft denke ich: Wie schön wäre das, wenn jemand den Mist, den ich verbockt habe, einfach wegwischen würde. So als wäre nichts passiert. Aber geht das?
Meine Großtante Frieda hat das gekonnt. Dabei war sie eine sehr strenge Frau. Als Kind war ich jede Woche bei ihr in dem kleinen Fachwerkhaus, wenn meine Mutter arbeiten war. Richtig wohl gefühlt habe ich mich bei ihr nie. Ich musste immer leise sein und mich selbst beschäftigen in der engen Küche. Tu dies nicht, tu das nicht, ständig kritisierte sie an mir herum. Und ich war immer krampfhaft darauf bedacht, keinen Anlass für Ärger zu liefern.
Doch eines Tages ist es dann passiert. Beim Mittagessen. Kartoffeln und Spiegeleier standen auf dem Tisch. Statt dem üblichen Leitungswasser spendierte Tante Frieda ein Glas Malzbier. Meine Freude war groß. So groß, dass mir das volle Glas aus den Händen glitt und sich die ganze klebrige Pracht auf den alten Bauerntisch ergoss.
Ich war entsetzt, zuckte zusammen, hatte Angst. Doch statt zu schimpfen, stand Großtante Frieda ruhig auf, holte aus der Spüle einen Lappen, legte eine Hand auf meine Schulter, beugte sich über den Tisch und wischte wortlos das Malzbier einfach weg, und mit dem Malzbier mein Gefühl, ungeschickt zu sein und etwas falsch gemacht zu haben.
Das Erlebnis am Mittagstisch hat mich tief beeindruckt: Später habe ich gedacht. So ist das mit der Schuld. Ich plage mich mit den Konsequenzen herum. Aber Gott wischt sie weg. Einfach so. Gott wischt die Schuld weg und ich muss keine Angst mehr haben. Ich kann und darf damit leben. Vor Gott sind Güte und Nachsicht das Normale, nicht Angstmachen und Bestrafen.
Gleich gibt es bei uns ein ausgiebiges Sonntagsfrühstück. Da ist der Tisch immer besonders schön gedeckt. Kann gut sein, dass eines der Kinder wieder den Kakao umwerfen wird. Wie so oft schon. Ich versuch es mal wie Tante Frieda: Mit einem Wisch ist alles weg!

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