SWR4 Abendgedanken BW

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Wenn Weltmeister oder Olympiasieger kurz nach ihrem Sieg interviewt werden, sagen sie oft: Ich kann's noch nicht fassen. Ich glaub', ich brauche noch ein paar Tage, bis ich begreife, was passiert ist.
Den ersten Christen ging es so ähnlich. Sie brauchten aber nicht nur ein paar Tage, um zu begreifen, was zu Ostern geschehen war. Sie brauchten ein paar Wochen. Davon möchte ich Ihnen erzählen.
Wie sie es als Juden gewohnt waren, haben die ersten Christen fünfzig Tage nach dem jüdischen Osterfest das Wochenfest Schawuot gefeiert.
Dieses Fest erinnert daran, dass Gott das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten befreite und es dann zum Berg Sinai führte, um ihm die Zehn Gebote zu geben.
Und man erzählt sich: Gott habe seine Gebote allen Völkern angeboten, aber die hätten alle abgelehnt, nachdem sie den Inhalt der Gebote gehört hätten. Nur Israel hätte gesagt: Wir werden tun und hören!
Und so erhielt Mose am Sinai die steinernen Tafeln mit den zehn Geboten.
Allerdings zeigte sich schon bald, dass Israel damit überfordert war.
Die Gebote zu bekommen, ist das eine, sie zu erfüllen, etwas anderes.
Damit dieser schmerzhafte Zwiespalt überwunden werden kann, ließ Gott schließlich dem Volk Israel durch einen Profeten ankündigen:
Ich will ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben.
Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen,
die meine Gebote halten und meinen Willen tun.
Ihr sollt mein Volk sein und ich will euer Gott sein.
Und genau dies haben die ersten Christen am 1. Pfingstfest erlebt:
Gottes Geist ergreift sie und in aller Öffentlichkeit reden sie von Jesus, der in einzigartiger Weise gezeigt hat, was Gott will.
Und sie erleben: Menschen aus aller Herren Länder hören ihnen zu und verstehen sie.
Da wird ihnen klar: Das ist der neue Geist, den Gott unseren Vorfahren versprochen hat.
Und ich fange an zu begreifen: seitdem hat etwas Neues begonnen.
Wo dieser neue Geist ist, da sind Gottes Gebote den Menschen ins Herz geschrieben.

Da gibt es die Hoffnung, dass der Zwiespalt überwunden werden kann zwischen dem, was Gott will, und dem, was ich will. Dann muss es auch keinen Gegensatz mehr geben zwischen der freien Entfaltung des Einzelnen und dem, was der Gemeinschaft dient. Dann gibt es die Hoffnung, dass meine Freiheit die Freiheit des anderen nicht einschränkt, sondern fördert.
In der Liebe kann man dies ja schon dann und wann erleben.
Und dort, wo Menschen bitten: Komm, Heiliger Geist, gib uns ein neues Herz.

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