Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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 Guten Morgen an diesem Pfingstsonntag! - Gehören Sie einer Kirche oder einer kirchli­chen Gemeinschaft an? Dann möchte ich Ihnen heute persönlich gratulieren! Denn Pfingsten gilt als das Geburtsdatum der christlichen Kirche. Also dürfen heute etwa 2,2 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt quasi Geburtstag feiern. Denn sie alle zusammen sind ja die Kirche.
An Geburtstagen erzählt man gern, wie es denn war, damals bei der Geburt vor vielen Jahren oder Jahrzehnten. Auch von der Kirche kennt man bis heute sozusagen die Ge­schichte ihrer Geburt. Am Anfang war ein Wort, ein Gruß: Der Friede sei mit euch! Das war das erste Wort des auferstandenen Jesus an seine Jünger. 
Es begann in einem Haus in Jerusalem, mit einer Handvoll Männern und Frauen, die selbst nicht mehr wussten, was sie denn noch glauben sollten. Vielleicht war ja was dran, an den Berichten und Gerüchten, die durch die Stadt liefen und sagten, dass Jesus wieder lebe. Dann hatten sie allen Grund, sich bedroht zu fühlen. Denn die Machthaber würden so was nie und nimmer dulden. Mit der Hinrichtung wollten sie Jesus ja ein für allemal zum Schweigen bringen. So sind die Freunde vorsichtig geworden, haben sich eingeigelt, hin­ter verrammelten Türen, verunsichert und verängstigt. Und auf einmal ist alles anders. Auf einmal steht Jesus vor ihnen. Anders als sie ihn kannten und doch ohne jeden Zweifel er selbst. Und in all die zweifelnde Mutlosigkeit hinein fällt das Wort vom Frieden. 
Das Gegenteil von Frieden ist nicht der Krieg, sondern die Angst. Die Angst, aus der her­aus alles Mögliche entstehen kann, auch der Krieg und alle seine Ableger, die Unter­drückung, die Bewaffnung, die Drohung mit Gewalt. Auch die Angststarre, die einen läh­men kann und jede Bewegung unmöglich macht. 
Manchmal meine ich fast, meine Kirche sitzt heute wieder in jenem engen Zimmer in Jeru­salem, ängstlich und ratlos. Ich sehe sie vor mir, wie sie sich einschließt mit ihren Schät­zen an Glaubenssätzen und Traditionen, damit ihr die ja nicht gestohlen werden oder in den Dreck gezogen. Und ich frage mich: Wovor haben wir solche Angst? Haben wir etwa vergessen, dass in unserer Gründungsurkunde das Wort vom Frieden steht?
Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstfest - friedlich und angstfrei. Und unseren Kirchen wünsche ich, dass es für sie wirklich Pfingsten wird. Dass sie sich nicht von ihrer Angst leiten lassen, sondern der Verheißung des Friedens trauen. 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10860
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