Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Beten kommt von Betteln. Doch ganz im Ernst. Beten kommt von Betteln. So habe ich es letzten Sonntag gelernt. In der Kirche ging es um das Thema Gebet. Am Anfang des Gottesdienstes habe ich die Kinder gefragt, wie sie es schaffen, beim Spaziergang ein Eis von ihren Eltern zu bekommen.
„Och, da muss man nur lang genug betteln", sagte ein Junge. Klar, wenn ich etwas will, dann muss ich dran bleiben und wer ein Eis will, der sagt es seinen Eltern nicht nur einmal, sondern so lange, bis sie klein beigeben.
Das war eine klasse Zusammenfassung der folgenden Predigt, denn im Lukasevangelium sagt Jesus selbst, dass Beten viel mit Betteln zu tun hat. So erzählt er von einem Mann, der mitten in der Nacht seinen Nachbarn aus dem Bett wirft: „Ich habe überraschend Besuch bekommen", ruft er seinem Nachbarn durch die geschlossene Tür zu, „und habe nichts mehr zu Essen im Haus. Kannst du mir nicht etwas Brot leihen?"
Jesus ist davon überzeugt, dass der so aus dem Bett Gerissene gibt, was er hat - alleine schon, um wieder seine Ruhe zu haben. Und so, sagt Jesus, sollen wir zu Gott beten.
Ich finde das schon einen echten Hammer. Aber hat Jesus nicht Recht? Jedes Kind wird ihm Recht geben: Wenn ich von meinen Eltern ein Eis möchte, dann muss ich dran bleiben, dann darf ich nicht so schnell locker lassen. Nur so bekommt man sein Eis. Und wissen Sie auch, warum Kinder so hartnäckig sind? Weil sie gar nicht darüber nachdenken, ob ihre Eltern genug Geld dabei haben. Sie sind einfach davon überzeugt: Meine Mutter, mein Vater können mir ein Eis kaufen, es lohnt sich also, dran zu bleiben.
Und so sagt Jesus, sollen wir auch beten. Gott reagiert auf unsere Gebete - wenn wir dran bleiben. Entweder wir bekommen, für was wir gebetet haben, oder es geht uns, wie meinen Kindern: Als sie mich das letzte Mal angebettelt haben, hatte ich zwar genügend Geld dabei, aber die Zeit drängte und ich musste heim.
Meine Kinder ließen nicht locker - was ich ihnen auch gar nicht verübelt habe. Unter anderen Umständen hätten sie ihr Eis auch bekommen. Jetzt aber fing ich an, sie zu überreden. Ich erzählte, dass wir neues Eis im Gefrierschrank haben und dazu noch heiße Himbeeren machen könnten. Es dauerte nicht lange und sie fanden das auch eine gute Idee.
Ob Gott nicht auch oft eine bessere Idee für mein Leben hat? Mir ist jedenfalls klar geworden, dass ich bei Gott betteln darf, mit anderen Worten: dran bleiben darf. Ich falle ihm damit nicht auf den Wecker. Vielmehr zeige ich ihm damit, dass ich überzeugt bin, dass er handeln kann. Aber manchmal hat er noch eine ganz andere Idee. Und ich bin offen, ja gespannt, ob die nicht besser ist als meine.

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