SWR1 3vor8

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Das Sakrament des Zigarettenstummels. Davon erzählt der brasilianische Theologe Leonardo Boff. Um 1970 ist er nach Deutschland gekommen, um hier Theologie zu studieren. Eines Tages bekommt er aus Brasilien von seiner Familie einen Brief mit einem Zigarettenstummel darin. In dem Brief steht, dass sein Vater plötzlich gestorben ist. Seine Geschwister schicken ihm den Stummel der letzten Zigarette, die sein Vater kurz vor seinem Tod geraucht hat. Über Tausende von Kilometern bekommt er etwas, das mehr ist als ein Ding und auch mehr als ein Souvenir. In dieser letzten Zigarette wird für Leonardo Boff sein Vater gegenwärtig, ihm nahe. Und er findet dafür das Wort vom Sakrament. Mich rührt diese Geschichte, auch ich habe Dinge, in denen mir geliebte Menschen über ihren Tod hinaus sehr nahe sind, die Armbanduhr meiner Mutter, die warme Jacke eines Freundes. Mir hilft Leonardo Boffs Zigarettenstummel, diese Erinnerungsstücke zu würdigen und die Nähe zu diesen beiden Menschen auch zu spüren. Sie hilft mir auch, die kirchlichen Sakramente zu verstehen. Natürlich ist die Uhr, die Jacke, der Zigarettenstummel etwas ganz anderes als die Eucharistie, das Abendmahl. Das lässt sich nicht vergleichen. „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist", sagt Jesus im Johannesevangelium. „Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben." (Joh 6,51) Und wenn Christen das Brot brechen, denken sie an den gewaltsamen Tod Jesu. Nach den biblischen Texten hat er selbst uns das Zeichen des Brotes, das Zeichen des Mahles hinterlassen und zugesagt, dass er darin da ist, sich uns Menschen immer wieder verbindet. Durch Leonardo Boffs Zigarettenstummel habe ich besser verstanden, dass in so einem Zeichen ein Mensch tatsächlich gegenwärtig sein kann. Erklären kann ich das nicht. Ich denke, es lässt sich erfahren, und ich glaube daran.
Von diesen Gedanken her sehe ich auch einen Zugang zum heutigen Tag, zum Fest Fronleichnam und seinen Riten und Bräuchen. Das Zeichen des Todes und der Liebe Jesu durch die Städte und Landschaften tragen. Dieses Zeichen zeigen, es ehren, damit hinausgehen aus den Kirchen - das drückt Glauben aus, damit laden Christen andere Menschen ein. Diese Welt ist nicht gottlos. Gott ist da, ist Nahrung, ist Leben für alle Menschen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10779
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