Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wer Gott liebt, hat keine Religion außer Gott" - Der persische Dichter und islamische Mystiker Rumi hat das gesagt. Er lebte im 13. Jh. In seinen Gedichten spricht er von der „Sehnsucht des Menschen nach der Wiedervereinigung mit Gott." „Wer Gott liebt, hat keine Religion außer Gott" - das klingt so einfach und selbstverständlich. Mir gefällt das.
Religion ist ein schwer zu fassender Begriff, offen für die unterschiedlichsten Deutungen. Das Wort kommt vom lateinischen „religio" und bedeutet „zurück binden" („religare"). Frühe christliche Theologen verstanden daher unter Religion die „Zurückbindung" des Menschen an Gott oder die „Hinwendung" des Menschen zu Gott. Für Thomas von Aquin - bedeutender christlicher Theologe des Mittelalters - ist jeder religiös, hat jeder Religion, der nach Gott fragt und nach dem Sinn des Lebens. - Ich sehe darin ein schönes Zeichen: der christliche Theologe Thomas von Aquin und der islamische Mystiker Rumi lebten zur selben Zeit, im 13. Jh. Räumlich weit voneinander entfernt, in unterschiedlichen Religionen und Kulturen beheimatet - und so eine großartige gemeinsame  Botschaft! „Wer Gott liebt, hat keine Religion außer Gott." - Ich fühle mich beschämt, wenn ich darüber nachdenke: Mit welchen Wichtigkeiten und Rechthabereien haben Kirchen und Religionen so oft die Menschen überfordert und einander bekämpft. Wie viel Schlimmes haben sie einander angetan. Und das im Namen und im Angesicht Gottes, der die Menschen, der alle Menschen liebt und der möchte, dass wir ihn wieder lieben. Ich sehe keinen Unterschied zwischen dem Wort von Rumi: „Wer Gott liebt, hat keine Religion außer Gott" - und einem Wort im Neuen Testament: „Gott ist Liebe ... und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott." (1 Johannes 4,7-8)

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