Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Manchmal komme ich mir vor wie 80. Ich bin so schnell außer Atem. Das nimmt mir so viele Möglichkeiten," erzählt mir Andrea. Sie ist grade mal halb so alt wie sie sich manchmal fühlt, 40. Ihr Herz ist nicht gesund. Und das macht vieles schwer, sogar unmöglich, was Andrea gern tun würde. ZB. mit ihrer Tochter und dem Hund rumtollen. Und wie lang sie ihre Tochter ins Leben begleiten kann, weiß sie auch nicht.
Wir haben uns lange unterhalten: Warum ist das so hart, wenn einem Möglichkeiten genommen sind?
Es ist wohl fundamental für uns, dass etwas möglich ist. Heute und auch in Zukunft. Dieses Gefühl: Es geht etwas und ich kann teilhaben. Und Neues wird auch gehen. Andrea wünscht sich sehr eine Zukunft mit ihrer Tochter. Dass ihr Leben dafür offen ist. Da muss nicht jeder Tag Neues bringen. Es genügt die Aussicht.
Das Gefühl, es gibt Möglichkeiten, ist dasselbe wie Zukunft haben. Und das braucht man. Zukunft, Möglichkeiten. Das Vertrauen, Leben ist mehr als das, was immer schon war. Leben wird nicht weniger.
Als Christ glaube ich, dass Gott dafür steht, dass in jedem Leben Zukunft möglich ist. Das habe ich auch Andrea gesagt. Ihr krankes Herz gibt ihr zwar oft das Gefühl, dass vieles nicht möglich ist. Darum kommt es für sie sehr darauf an, die Möglichkeiten zu sehen, die sie leben kann. Nicht darauf zu schauen, was unmöglich ist, sondern zu ergreifen, was Gott ihr an Möglichkeiten hinhält. Auch an Zukunft.
Weil ich weiß, dass sie Humor hat, habe ich mich getraut, ihr eine Geschichte zu erzählen, die das für mich ausdrückt.
In der Geschichte geht es um einen frommen Mann. Er gerät in eine schlimme Überschwemmung. In Lebensgefahr. Er ruft Gott um Hilfe: „Rette mich." Die Feuerwehr kommt mit einem Rettungsboot vorbei. Aber er steigt nicht ein. Gott soll ihn retten. Einen halben Tag später entdeckt ihn ein Hubschrauber. Die Besatzung will ihn an Bord nehmen. Aber er lehnt diese Möglichkeit ab. Schließlich kommt es wie es kommen muss. Er ertrinkt. Als er Gott im Himmel gegenübersteht, macht er diesem Vorwürfe. „Warum hast Du mich nicht gerettet?" Da sagt der liebe Gott: „Ja, was soll ich denn noch mehr machen als die Feuerwehr zu schicken und sogar einen Hubschrauber."
Andrea kann über die Geschichte herzlich lachen. Wir sind uns einig: Wenn Gott mir Möglichkeiten hinhält, dann wäre es fahrlässig, sie auszuschlagen. Andrea z.B. hat kein starkes, aber ein unheimlich großes Herz und Mut, meistens jedenfalls.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10633
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