Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manche e-Mails kommen wie aus der Pistole geschossen. Und zwar nicht nur genauso schnell, sondern auch beinahe so verletzend wie ein Pistolenschuss. Ich vermute, wenn Sie regelmäßig e-Mails bekommen, wissen Sie wovon ich rede. Und vielleicht, wenn Sie ehrlich sind, haben Sie selbst auch Mails in diesem Sinn missbraucht. Man kann ja sehr schnell damit kommunizieren, direkt, zielgenau. Aber weil sie so schnell ist, steckt auch die Versuchung drin, sie unbedacht einzusetzen. Und aus unbedacht wird leicht bedenkenlos, zack, aus der Hüfte, weg damit. Hauptsache sie trifft: Die Meinung eines anderen ärgert einen oder man findet sie daneben. Man kennt ihn oder sie nicht. Aber das ist beim mailen kein Hindernis. Vielleicht sogar im Gegenteil. Weil man den anderen nicht kennt, sitzt der elektronische Schuss bei manchem sogar lockerer.
Aber eines ist klar: Der E-Mail-Schuss eines Unbekannten tut nicht weniger weh. Könnte es sein, dass es E-Mailschreiber gibt, die das wollen? Sich nicht sachlich auseinandersetzen, sondern verletzen?
Mich erinnert das eine radikale Äußerung Jesu in der Bergpredigt. Auf den ersten Blick kann einem das überzogen vorkommen. „Ihr wisst", sagt er, „dass zu unseren Vorfahren gesagt ist ‚Du sollst nicht töten'; wer aber tötet, gehört vor Gericht.
Ich aber sage euch: Wer zu seinem Bruder sagt: „Du Dummkopf, der gehört vor schon vor Gericht; wer „Du Idiot" sagt, der muss sich vor Gott verantworten."
Das Strafmaß, das Jesus hier ins Spiel bringt, befremdet mich zwar. Aber eines finde ich sehr beherzigenswert: Jesus sieht es klipp und klar: Worte können wie Waffen sein. Wer sie benutzt, muss wissen, was er tut, was er damit anrichten kann, wenn er sie ausspricht oder bei der E-Mail auf den „senden -Knopf" drückt. Worte sind nicht harmlos. Sie haben Kraft. Sie können tief unter die Haut treffen, Wunden schlagen, Seelen vergiften. Sind so schnell abgeschossen und können so lange nachwirken.
Ich weiß nicht, was Sie dagegen tun, dass Ihre E-Mails zur Waffe werden können. Vielleicht haben Sie ja einen guten Tipp. Von mir weiß ich, dass es wichtig ist, Zeit zu gewinnen. Besser nicht sofort los schreiben. Je länger man es schafft, zu warten, umso mehr Zeit hat man, noch mal nachzudenken. Mit jeder Minute Geduld wird das Risiko kleiner, unbedacht zu schreiben oder gar bedenkenlos.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10631
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