Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Ans Kreuz mit ihm!" - fordern die Leute auf Jesu letztem Leidensweg. Davon erzählen alle vier Evangelien. „Ans Kreuz mit ihm!" - die so geschrieen haben, haben sie wirklich gewollt, dass Jesus gekreuzigt wird? Er, der diesen Menschen nur Gutes gesagt und getan hat? Jedenfalls waren die Leute völlig verunsichert und aufgewiegelt von der religiösen und politischen Elite. Ihnen hat Jesus und seine Botschaft von einem bedingungslos liebenden Gott nicht ins Konzept gepasst. Wenn vom Kreuz gesprochen wird, macht das irgend wie sprachlos. Handelt es sich bei der Kreuzigung doch um eine besonders grausame Art, Menschen hinzurichten. Und: gekreuzigt werden, das bedeutet nach damaliger Vorstellung, nicht nur von den Menschen verlassen, sondern - weit schlimmer - auch von Gott verworfen zu sein. Das bedeutet auch, jeden Bezug zu Gott verloren zu haben. Gründlicher kann man einen Menschen nicht aus dem Gedächtnis seiner Zeit tilgen wollen. Deshalb hat es bei den frühen Christen auch keine Kreuzesdarstellungen gegeben. Dass Jesus so unehrenhaft sterben muss, das fordert die ersten Christen in ihrem Glauben stark heraus. Bei dem Theologen Dietrich Bonhoeffer hab ich  eine für mich schlüssige Deutung gefunden: „Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns." - So einen Gott kann man nicht erfinden. Für mich bedeutet das: Der Arme liebt nicht den, der ihm seine Armut erklärt, sondern den, der ihm auch in der Armut nahe bleibt. Der Leidgeprüfte liebt nicht den, der über sein Leid philosophiert, sondern den, der sein Leid mit ihm trägt. Wer glücklich ist, der liebt nicht den, der ihm sein Glück neidet, aber den, der sich mitfreut. Und genau das  hat Jesus getan, er war den Menschen in Freud und Leid ganz nahe. Und: Wie reagiert Gott auf all das, was mit Jesus passiert ist, der Gott, dem sich Jesus so sehr verbunden wusste? - Der christliche Glaube ist davon überzeugt: Gott bricht sein Schweigen, nicht mit einem Wort, sondern mit einer Tat, mit etwas radikal Neuem - seine Antwort lautet: Auferstehung! Gott holt Jesus in sein eigenes Leben und lässt ihn zugleich auferstehen für die, die ihm glauben und ihm im Leben folgen. Wie Gott zu uns steht, das ist für mich in Jesus glaubhaft vorgezeichnet. In der Art und Weise, wie er gewirkt und geredet hat und wie er gestorben ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10456
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