Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Was ist eigentlich Heimat?", wurde ein Kulturwissenschaftler einmal im Radio gefragt. Seine Antwort: „Heimat ist da, wo ich anschreiben lassen kann". Das hat mir gefallen.
Ich denke, das heißt: Ich fühle mich da zu Hause, wo Menschen mich kennen und mir vertrauen. Heimat ist da, wo ich auch mal - zumindest eine Zeitlang - hinter den Erwartungen  zurückbleiben darf. Wenn ich Samstagmittag im Metzgerladen nicht bezahlen kann, weil ich zu wenig Geld dabei habe und trotzdem mit einem Sonntagsbraten nach Hause komme, dann ist das ein Stückchen Heimat.
So verstanden, kann Heimat eigentlich überall sein. Es gibt Menschen, die sich weit weg von ihrem Geburtsort sehr wohl und zu Hause fühlen. Und umgekehrt kann ich mich sehr fremd fühlen, wenn ich nach Jahren an den Ort, an dem ich aufgewachsen bin, zurückkehre. Wichtig ist nicht der Ort, sondern wichtig sind die Menschen und die Beziehungen, die ich zu ihnen habe. Sie entscheiden darüber, ob ein Ort für mich Heimat ist oder - anders formuliert - ob ich anschreiben lassen kann oder nicht.
Ich denke, nicht nur die Beziehungen zu anderen Menschen, sondern auch die Beziehung zu Gott, der Glaube, kann eine Heimat sein. Das hat beispielsweise der Philosoph und spätere Kirchenvater Augustinus so erfahren. „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Dir" betet er zu Gott am Anfang seiner Lebenserinnerungen. Die Suche nach Heimat war für ihn in dem Augenblick zu Ende, als er angefangen hat, an Gott zu glauben.
Und wie ist das bei Gott mit dem anschreiben lassen? Augustinus hätte wohl geantwortet: Bei Gott kann ich nicht nur für begrenzte Zeit Schulden machen, sondern er erlässt mir meine Schulden sogar. Augustinus hat seine Lebenserinnerungen confessiones genannt. Das heißt übersetzt „Bekenntnisse". Er bekennt darin auch sehr offen, was er in seinem Leben falsch gemacht hat und wie er hinter den Erwartungen Gottes zurückgeblieben ist. Und er erzählt, wie Gott ihm mit diesen Schulden umgegangen ist. Er hat sie nicht angeschrieben, sondern durchgestrichen. Auch deshalb hat Augustinus bei Gott Ruhe und Heimat gefunden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10432
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