Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ein seltsamer Heiliger, der gestern in der Katholischen Kirche gefeiert wurde: Josef, der Vater Jesu. Ein einfacher Bauhandwerker aus Nazareth in Galiläa. Nur kurz tritt er im Evangelium aus dem Schatten ins Licht und verschwindet dann wieder im Dunkel der Geschichte. Ein stummer Zeuge - in der Bibel ist kein einziges Wort von ihm überliefert. Wir kennen ihn als Krippenfigur. Dort steht er, ein unbedeutender Statist, zumeist in Gestalt eines alten Mannes - mühsam auf einen Stock gestützt. Wahrhaftig keine Lichtgestalt!
Warum genießt dieser Heilige dennoch so große Verehrung? Vielleicht, weil sich manche in Josef, in diesem kleinen, bescheidenen Mann wiedererkennen. Rein menschlich betrachtet, hatte ihm ja das Leben übel mitgespielt: Maria, seine Verlobte, so erzählt die Bibel, war ohne sein Zutun schwanger geworden. Was für eine Zumutung! Enttäuschte Liebe und verletzte Männlichkeit - das ist ja wohl das Letzte, was auch damals einem jungen Liebhaber widerfahren konnte! Aber als anständiger Kerl wollte Josef dieses Mädchen nicht öffentlich brüskieren, sondern sich in aller Stille von ihm trennen. Da bekam er im Traum von Gott die Weisung, Maria und das Kind zu sich zu nehmen, denn das Kind stamme vom Heiligen Geist. Nun beweist der kleine Mann wahre Größe: Er willigt in diesen Auftrag ein, ohne Wenn und Aber. Viermal, so erzählt das Evangelium, bekam Josef im Traum neue Direktiven, um das Kind und seine Mutter zu retten. Die Bibel zeichnet ihn dafür mit ihren höchsten Prädikaten aus: Josef ist „gerecht" und „fromm". Einer, der mit Gott rechnet in seinem Leben, der sich öffnet, hinhört und sensibel ist bis in seine Träume hinein. Und danach tut, was er gesagt bekommt, ehe er wieder in der Versenkung verschwindet. Kleiner Mann - ganz groß! Ein einfacher Bauhandwerker, der seinen bescheidenen Beitrag dafür leisten durfte, dass Gott in der Geburt im Stall Mensch geworden ist. Die Botschaft dieses Heiligen kommt so schlicht daher wie er selber: Wer von uns hellhörig ist und einfühlsam auf Gott hin, der kann und darf wie einst Josef an der Krippe dazu beitragen, dass Gott Mensch wird - nicht mehr im Stall von Bethlehem, sondern heute, in unserer Zeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10269
weiterlesen...