Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In Tokio gibt es eine evangelische deutschsprachige Gemeinde. In diesen schlimmen Tagen hat die dortige Pfarrerin einen Brief an Freunde und Bekannte geschrieben. Ihr Brief hat mich getröstet. Ja, wirklich. Der Brief aus der Unglücksregion hat mich getröstet. Denn es geht mir, wie Ihnen vielleicht auch in diesen Tagen: Die immer neuen Unglücksnachrichten machen mich betroffen und unruhig. Die Bilder aus Japan, aber auch der Gedanke zum Beispiel an die Protestierenden in der arabischen Welt, die jetzt ganz allein bleiben mit ihren Problemen: das Gefühl, so ganz hilflos zu sein, macht mich richtig verrückt. Da hat mich der Brief aus Tokio getröstet.

Die Kollegin schreibt: „Wir sehen Bilder von Menschen, die verzweifelt ihre Angehörigen suchen, in den Notunterkünften nachfragen und sich dann gegenseitig Mut geben: Gambatte kudasai! Halten Sie sich so gut Sie können! Und der Angesprochene bedankt sich für diese Ermunterung.

Ein Sender gibt uns Tipps, wie wir bei Stromsperre unsere Lebensmittel retten und andere Hilfe", schreibt Frau Umemoto und dann weiter:

Man ist einfach pragmatisch. Eine Freundin aus Deutschland sagt mir am Telefon, dass sie die Bilder aus Japan in Tränen aufgelöst verfolgt und es kaum erträgt.

Wir hier sind mehr mit der Anspannung beschäftigt, mitzubekommen, was jetzt zu tun ist, Entscheidungen zu treffen, Telefonate zu führen, alle zu informieren. Das Entsetzen ist so groß und so nah, dass ich es nicht fühlen kann. Es passt in eine Seele nicht hinein."

Und dann schreibt Frau Umemoto:

Was ist wichtig in solchen Erfahrungen? Ist unser sonst so wichtiges Leben und Geldverdienen und Beherrschen und Gestalten nicht einfach nur äußerlich? Die Maßstäbe verschieben sich. Das eigentlich Wichtige sind die anderen Menschen, sind die Beziehungen, der direkte Kontakt, das miteinander Teilen von Gedanken, Gefühlen, das Sich gegenseitig erzählen, wie es mir ergeht."

Und mit unglaublicher Sicherheit schreibt die Frau aus Tokio:

„Trotz allem machen wir weiter, tun, was uns aufgetragen ist und beten um die Gegenwart Gottes, die uns Kraft und Gelassenheit gibt. Begeben uns in die Obhut des Unverfügbaren. Mehr haben wir nicht: Beten und tun, was uns aufgetragen ist."

„Mehr haben wir nicht", schreibt die Kollegin aus Tokio, „aber das ist nicht wenig". Sie glauben gar nicht, wie sehr mich das getröstet hat. Wahrscheinlich sollte ich es machen wie sie: Beten, und tun, was mir aufgetragen ist. Ich glaube, auch das tröstet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10240
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