SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

An Gott zu glauben heißt: Existieren.
Das kommt vom lateinischen Verb exsistere und heißt wörtlich: außerhalb seiner selbst stehen.
Wer an Gott glaubt, geht sozusagen aus sich heraus.
Er verlässt sein bisheriges Leben, er gibt Altvertrautes auf.
Er macht er sich auf den Weg, um etwas Neues zu finden, um das Leben zu finden, das wirklich sein Leben ist, von ihm gestaltet und gelebt - nicht von anderen.
Dieses Neue ist wie ein Gewand, ein Kleidungsstück, das Gott sozusagen für mich bereitgelegt hat.
Ich probiere es aus, das neue Leben. Es paßt. Es sieht von außen vielleicht nicht toll aus, nicht groß und bedeutend. Aber ich kann mich gut darin bewegen. Nirgends zu eng. An manchen Stellen muss ich eher noch hineinwachsen.
Wie sieht das konkret aus, wenn ein Mensch sich selbst verlässt?
Kann man überhaupt seine bisherige Existenz ablegen wie ein altes Kleidungsstück?
Von dem Kirchenvater Augustin ist überliefert, dass ihn nach seiner Bekehrung zum Christentum eine frühere Geliebte aufsuchte. Als sie ihn fragt, ob er die Beziehung mit ihr nicht fortsetzen wolle, antwortet er: „Nein, das ist nicht möglich. Der Mensch, den du meinst, den gibt es nicht mehr."
Da hat einer sein altes Leben verlassen. Er exisistiert jetzt woanders, er ist nicht mehr dort anzutreffen, wo er einst war. Das kann ein radikaler Bruch mit dem alten Leben sein. Meistens ist es ein Hineinwachsen, ein tägliches ausprobieren. Ich nehme mir nichts besonderes vor, sondern ich bete zu Gott. Hilf mir, wenn ich jetzt ein schwieriges Gespräch führen muss. Mach mich sensibel, beim Einkaufen, beim Autofahren. Neulich wurde ich von einem wütenden Zeitgenossen böse abgebremst, als ich mich an die Geschwindigkeitsregel hielt.
Früher hätte ich ihn sicher angezeigt. Aber jetzt ist sowas nicht mehr nötig.
Ich finde, an Gott zu glauben, kann sehr entspannend, entlastend sein.
Manchmal ist es auch schwieriger.
Man fühlt sich schon mal fremd, wenn man so existiert.
Wenn man auf die Erfüllung eines Wunsches zu verzichtet.
Oder aus Überzeugung einen Weg zu geht, der einen zwischen die Stühle bringt.
Und doch kenne ich keinen, der zurückgehen würde.
Das hier, sagt mir einer, das ist genau das Leben, für das ich geboren wurde.
Das ist der Ort, wo ich mich gefunden habe - außerhalb meiner selbst. Was anderes ist unvorstellbar.
Nicht immer kann man das so konkret spüren, aber dann gibt es doch Momente, in denen ich mich gut fühle , heiter und leicht.
Auch schwere Zeiten, selbst der Tod wird nichts daran ändern:
Ich glaube, also bin ich.

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