SWR2 Wort zum Tag

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Sich verstecken macht Spaß. Die Identität wechseln, unerkannt in eine fremde Rolle schlüpfen.
Kinder lieben es, jemanden zu spielen, der groß und stark und schön ist, am besten schon erwachsen. Und Erwachsene verstecken sich auch mal ganz gern und spielen anderen was vor.
In der Regel freut man sich aber auch, wenn man die Maske wieder abnehmen, wieder man selber sein kann.
Das merkt man, wenn die Fasnet zuende geht. Die Narren steigen aus ihren Larven und nehmen ihre Masken ab. Menschliche Gesichter kommen zum Vorschein. Und auch das Böse, das sie spielten, ist - zumindest für den christlichen Glauben - längst entlarvt und entmachtet.
Maskerade und Theaterspiel sind jedenfalls nichts Außergewöhnliches, sondern alltäglich.
Menschen verstecken sich hinter unsichtbaren Masken, sie wollen oder müssen als etwas erscheinen, das sie gar nicht sind. Menschen spielen Rollen, die sie sich wünschen oder in die man sie zwängt. Eine Maske kann ihren Träger schützen, kann notwendig sein.
Sie kann aber auch Schaden anrichten, wenn sie zur zweiten Identität wird, wenn der Schein lügt.

Da spielt einer den Starken, obwohl er lieber weinen würde.
Da tragen zwei Partner die Maske der Harmonie, obwohl es Klärungsbedarf in der Familie gibt.
Da fangen Leute an zu lügen und zu täuschen, um sich keine Blöße zu geben. Und irgendwann gibt es kein zurück mehr - die Maske ist zur neuen Person geworden.
Der große Pantomime Marcel Marceau hält sich in einer Szene kurz die Hände vors Gesicht, und wenn er die Hände wegnimmt, ist er ein völlig anderer. So setzt er eine Maske nach der anderen auf und wieder ab, bis er eine Maske nicht mehr vom Gesicht wegbekommt. Er zieht und zerrt. Sie bleibt. Er muss sie tragen. Ein unheimlicher, aber, wie ich finde, sehr realer Gedanke. Das lateinische Wort für Maske und auch für die Rolle ist persona, wörtlich: das, was durch die Erscheinung nach außen dringt. Was mich im innersten ausmacht, das ist letztlich mein wahres Gesicht, meine Person - die kann ich nicht mehr wechseln.
Auf Dauer geht das Maskentragen nicht gut.
Irgendwann fliegt der Schwindel auf, oder die Maske klebt fest.
Ich brauche Zeiten und Orte, an dem ich persona sein kann, der Mensch, zu dem ich geschaffen wurde.
Wo ich meine Masken ablegen und das nach außen tragen kann, was mich im innersten bewegt.
Wie gut, wenn Menschen da sind, die mich ertragen oder sogar liebhaben, so wie ich bin.
Wie gut, dass Gott da ist, der mich versteht und mir vergibt.
Seine Augen sahen mich schon, als ich noch gar nicht geboren war.
So wird das Leben nicht zum Versteckspiel und die Maske nicht zur Gewohnheit.

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