Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die Wahrheit tut manchmal weh. Deshalb will ich sie lieber nicht hören. Die Leidensgeschichte Jesu, an die Christen in dieser Karwoche erinnern, erzählt auch davon.

Zitat 2:
In Jerusalem ging Jesus wieder in den Tempel. Dort begann er, die Händler und Käufer hinauszujagen. Er stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenverkäufer um und ließ nicht zu, dass jemand irgendetwas durch den Vorhof des Tempels trug. Dazu sagte er ihnen: »Steht nicht in den Heiligen Schriften, dass Gott erklärt hat: Mein Tempel soll eine Stätte sein, an der alle Völker zu mir beten können? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!« Als das die führenden Priester und die Gesetzeslehrer hörten, suchten sie nach einer Möglichkeit, Jesus umzubringen. Sie fürchteten seinen Einfluss, denn die Volksmenge war tief beeindruckt von dem, was er sagte.


Die Tempelbehörde damals wollte es den Menschen leichter machen. Die Leute kamen von weit her, zu Fuß, auf dem Esel, manche gar aus dem Ausland mit dem Schiff oder mit einer Karawane. Sie wollten beten, aber auch wie es damals üblich war, ihre Opfer bringen: um ihre Dankbarkeit zu zeigen oder ihren Bitten Nachdruck zu verleihen. Die Opfertiere aber, Tauben oder Lämmer in der Regel, die konnten sie von weither ja schlecht mitbringen. Also gab es Händler im Tempel, bei denen man die Opfertiere kaufen konnte. Für jede Lebenslage und jeden Geldbeutel wurde das richtige angeboten. Und Geldwechsler musste es geben, weil im Tempel die Münzen mit dem Bildnis des Kaisers darauf verboten waren. So konnte jeder ohne großen Aufwand im Tempel seine religiösen Bedürfnisse und Pflichten erfüllen. „Kundenorientiert“ würden wir diesen Service der Tempelbehörde heute nennen.
Für jedes religiöse Bedürfnis wird etwas angeboten, auch in der Kirche: Meditative Tänze, Krabbelgottesdienste für unter 3jährige, Männervesper, Frauenfrühstück, Basteln im Advent, Ostergarten, Fronleichnam mit dem Fahrrad, Weltjugendtag, Filmabende, Gospelservice, Seniorennachmittage, Abendgottesdienste, Tanztee am Samstag für Senioren.
Man will es den Leuten leichter machen, Zugang zu finden. Ist ja eigentlich gut so. Aber manchmal macht mich die Geschichte von Jesus im Tempel unruhig und ich überlege: Was er wohl heute zu all dem sagen würde, was in unseren Gemeinden und Kirchen passiert?
Die Wahrheit tut manchmal weh.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1018
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