Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wir Menschen neigen zur Maßlosigkeit. Glück wäre, das rechte Maß zu finden" - hab ich gelesen. Stimmt. Und passt gut zum heutigen Aschermittwoch, zum Beginn der Fastenzeit vor Ostern. Spontan denke ich bei maßlos an Essen, Trinken, Rauchen. Maßlos ist es auch, immer mehr und mehr haben wollen. Mit dem maßlos kann aber noch was ganz anderes gemeint sein. Ich bin drauf gestoßen bei Thomas von Kempen, Mystiker und Augustinermönch, er lebte im 15. Jh. (1380-1471). Eine seiner ziemlich irdischen Ansichten lautet: „Wer zu viel pilgert, wird selten heilig." - Ich verstehe das so: Manch einer kommt von einer langen und beschwerlichen Pilgerfahrt zurück, ohne sich geistlich und menschlich auch nur um einen Millimeter vorangebracht zu haben. Mir gefällt diese nüchtern-kritische Einschätzung. Verbunden mit dem Appell, das rechte Maß zu finden. Das gilt auch für die Frömmigkeit. Sie ist kein Selbstzweck. Ich möchte diesen Faden aufgreifen und etwas weiter spinnen. Etwa: „Wer zu viel fastet, wird selten weise." - Wenn ich nur hohlwangig hungere und vorgebe, auf diese Weise Abstand zu den irdischen Freuden zu gewinnen. Und wenn ich auch noch meine, Gott damit einen Gefallen zu tun - was soll das? Wenn ich dabei die wirklich Hungernden vergesse und für mein Umfeld unausstehlich werde. „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer" - das sagt Jesus im Matthäus Evangelium (9,13) Oder: „Wer zu viel betet, vergisst Gutes zu tun." - Ich vermute, Jesus sagt nicht von ungefähr und sehr eindringlich: „Plappert nicht, wenn ihr betet, und meint nicht, ihr werdet erhört, wenn ihr viele Worte macht!" (Matthäus 6,7) Oder: „Wer zu viel redet, sagt wenig." - Es gibt Leute, die über alles und jedes reden, obwohl sie von einer Sache höchstens zehn Prozent begriffen haben. Manche reden viel nach dem Motto: „Es ist zwar alles gesagt, nur noch nicht von mir." Wie sehr wünschte ich mir, immer mal wieder dieser Bitte nachzukommen: „Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen." Diese Bitte stammt von der Theologin und Mystikerin Theresa von Avila. (1515-1582) Wer solchen Viel-Rednern ausgeliefert ist, der preist vielleicht still im Herzen die segensreiche Erfindung, dass im Rundfunk nicht länger als „2 Minuten 30" am Stück gesprochen werden soll. Und dieses Limit ist hiermit erreicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10167
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