Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wer macht den größten Gewinn? Der, der seine Ware zum Festpreis anbietet? Der, der mit sich handeln lässt? Oder der, der seine Kunden selbst den Preis der Ware bestimmen lässt? Ein Fernsehmagazin hat auf einem Flohmarkt den Test gemacht. Ich hätte vermutet, dass der Händler, bei dem die Kunden den Preis bestimmen, den schlechtesten Schnitt machen würde. Schließlich leben wir in der „Geiz ist geil"-Gesellschaft. Aber gerade er hatte am Ende das meiste Geld in der Kasse.
Ich frage mich, was solch ein Test wohl ergeben würde, wenn man ihn in unserer Arbeitswelt durchführen würde? Wenn Menschen selbst einschätzen sollten, was ihnen die Arbeit eines Menschen wert ist? Oder besser noch: wenn sie sich fragen würden, was sie für einen angemessenen Lohn halten würden, wenn sie selbst diese Arbeit ausübten?
Fände ich es gerecht, für eine Stunde Haareschneiden 4,12 Euro zu bekommen? Für eine Stunde Brot verkaufen 5,45 Euro? Für Putzen 4,71 Euro? Für Regale auffüllen 5,30 Euro oder für Taxifahren 4,44 Euro? Die Auflistung ließe sich lange fortsetzen.[1]
Eine Studie sagen, dass jeder 5. Deutsche Niedriglohn für seine Arbeit erhält.[2] Die Folge bei vielen: Armut trotz Arbeit. Und Familienväter oder -mütter, die fünf Tage in der Woche arbeiten und am Ende noch Zusatzleistungen vom Staat brauchen, damit ihre Familie überleben kann.
„Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert", lese ich in der Bibel (1 Tim 5,18). Das bedeutet für mich: Gerechte Löhne sind ein Menschenrecht, das schon die Bibel einfordert. Der Großteil der Länder in der Europäischen Union hat dieses Menschenrecht durch einen Mindestlohn gesichert. Für dessen Höhe kann man sich übrigens auch an der Bibel orientieren. In einem Gleichnis (Mt 20,1-16) benennt Jesus als gerechten Arbeitslohn für einen Arbeitstag einen Silbergroschen - das ist der Betrag, den eine Familie mit Kindern damals brauchte um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Ein Mindestlohn so hoch, dass er für eine Familie den Grundstandard zum Leben sichert - ich finde dieses Maß von Jesus auch für uns heute hilfreich.
Vielleicht sollten die deutschen Politiker und Arbeitgeber, die die Einführung eines Mindestlohnes ablehnen, sich mal die Frage stellen, was sie für angemessen halten würden, wenn sie im Niedriglohnbereich arbeiten würden? Und vielleicht sollten sie für ihre Entscheidung einfach mal einen Blick in die Bibel wagen.

[1] Die Stundenlöhne sind entnommen den Aufstellungen auf der Webseite: www.initiative-mindestlohn.de/dumpinglohn/.
[2] Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie, die das Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen 2010 veröffentlicht hat, ist zu finden unter: www.zeit.de/wirtschaft/2010-07/studie-niedriglohn.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10132
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