Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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20NOV2006
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Glück

von

„Zum Geburtstag viel Glück“, haben wir gesungen und standen plötzlich vor der Frage: was ist für mich Glück?
Glück ist, wenn ich jeden Tag aufstehen kann und die Verdauung funktioniert, meinte eine Freundin mit Blick auf ihren Ruhestand.
Glück ist, wenn das Schlimme, das passiert, sich reparieren lässt, sagte eine andere, die gerade einen Wasserschaden in der Wohnung hatte.
Glück ist, wenn das Unglück ausbleibt, meinte die dritte.
Nein, wir suchten das Glück nicht in den Sternen wie vielleicht noch in jungen Jahren. Was wir unter Glück verstehen, verändert sich im Lauf des Lebens.
Ich denke an das Märchen vom Hans im Glück. Als Lohn für sieben Jahre Arbeit trägt er einen dicken Klumpen Gold nach Hause. Obwohl er zuerst überglücklich darüber ist, lässt er sich das Gold abschwatzen, weil er glaubt, ein Pferd mache ihn glücklicher. Bald darauf tauscht er das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans, die Gans gegen einen Schleifstein und dieser fällt in Wasser, so dass er am Ende mit leeren Händen heimkommt.Das Aberwitzige dran ist: Hans findet für jeden Tausch einen guten Grund. Er merkt nicht , wie er jedes Mal übers Ohr gehauen wird. Im Gegenteil: von Mal zu Mal steigert sich sein Glücksgefühl und am Ende nennt er sich den glücklichsten Menschen unter der Sonne. Als Kind war ich irritiert: wie kann man sein Glück nur so vermasseln? So was kann mir doch gar nicht passieren! Und doch: wie oft hab ich mir schon mein Glück abschwatzen lassen und gemeint, das, was andere können, was andere sind, was andere haben, wäre erstrebenswerter, besser, eben das größere Glück! Wie oft habe ich andere darüber bestimmen lassen, ob ich glücklich oder unglücklich bin. Mir sagt dieses Märchen noch etwas anderes. Mir gefällt, dass es so beharrlich an seinem Titel festhält. Es heißt nicht: Hans, der Trottel, sondern Hans im Glück. Als Hans nichts mehr hat, um sich mit anderen zu vergleichen; als er nichts mehr ins Tauschgeschäft einbringen kann, da ist sein Glück vollkommen.
Ich meine, das Märchen könnte auch in der Bibel stehen. Glück ist unbezahlbar. Glücklich bin ich dort, wo ich so, wie ich bin, geliebt werde und mich selber liebe. Da, wo ich bei mir zuhause bin. https://www.kirche-im-swr.de/?m=10
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