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SWR4 Abendgedanken RP

Singen ist was Wunderbares!
Aber wo wird heute noch gesungen?
In den Familien ist es eher selten geworden.
Und wenn in einer Kirche 100 Menschen zusammen kommen, hört man sie kaum singen. Oft können die Leute zwar singen, aber sie trauen sich nicht.
Die pfälzische Landeskirche hat ein Projekt ins Leben gerufen, das Mut machen will zum Singen. Und bei den Jüngsten setzt sie dabei an:
Das sog. König-David-Projekt, Singen fängt im Kindergarten an.

Teil I

Eins, zwei, drei... Kinder singen: „Fünf kleine Fische“

Singstunde in der Kindertagesstätte der Martin-Luther-Kirchengemeinde im saar-pfälzischen St. Ingbert. In einer großen Runde sitzen die Kleinen, so dass jeder jeden sehen kann, und man spürt sofort, wie viel Spaß sie dabei haben.

Die Erzieherin Katja Rebmann leitet die Singstunde.
Kinder singen sehr gern. Man braucht die eigentlich gar nicht viel zu motivieren. Wenn man ein Lied anstimmt, auch wenn‘s morgens nur während dem Spiel ist, dann steigen dann gleich einige mit ein, wenns bekannte Lieder sind, und singen mit. Und je sicherer sich die Kinder sind mit dem Lied, je besser sie’s kennen, desto freier singen sie’s auch raus und desto lauter wird’s auch als mal.

Der Singkreis von Katja Rebmann ist einer von vielen in den Kindergärten der Ev. Kirche der Pfalz, die beim Projekt „König David“ mitmachen.
Träger des Projektes ist der Landesverband für Kirchenmusik. Dem gehören pfalzweit mehr als 10.000 Menschen an, die in der Kirche singen und musizieren. Seit viereinhalb Jahren läuft das König-David-Projekt. Sein Ziel: in den ca. 250 evangelischen Kindertagesstätten soll das Singen gefördert werden.

Am Anfang eines Singkreises singen wir meist ein einfaches bekanntes Lied, bei dem dann sich die Kinder auch mit bewegen können, damit sie später für neue anspruchsvollere Lieder offener und aufmerksamer sein können.
Beim Einüben eines neuen Liedes lernen wir zunächst den Text Schritt für Schritt, dann die Melodie dazu, das wird dann mehrmals wiederholt, damit sich das gut einprägen kann... Ansonsten können sich die Kinder wünschen, was sie gerne singen und spielen möchten, und wir versuchen dann die Wünsche zu erfüllen.


Katja Rebmann und ihre St. Ingberter Kolleginnen sind im letzten Jahr auf das König-David-Projekt aufmerksam geworden. Und möchten das damit verbundene Schulungsprogramm für Erzieherinnen mitmachen. Sie versprechen sich davon eine bessere musische Bildung in ihrem Kindergarten. Die Kinder sollen singen lernen,
denn von daheim bringen sie dazu nur wenig mit.

... Wenn man im Kindergarten altes Liedgut anstimmt, sind’s nur einzelne Kinder, die da mitsingen können, wenn‘s jetzt nicht grade „Alle meine Entchen“ oder „Hänschen klein“ ist.
Und wenn man dann die Kinder fragt, woher sie die Lieder können, dann kommt meistens die Antwort, dass sie sie noch von der Oma gelernt haben.


Neuere Lieder kennen Kinder oft nur von Kassetten oder CD’s, die sie sich zuhause anhören. Dabei bringt selber aktiv singen so viel, weiß Katja Rebmann aus eigener Erfahrung:

In meiner Familie wurde und wird auch heute noch sehr viel gesungen.... Durch das Singen kann ich meine momentanen Gefühle halt sehr gut verarbeiten und auch ausdrücken. Wobei ich bei schlechter Stimmung genau so laut singe wie bei guter Stimmung, es kann sich lediglich die Musikrichtung dann ändern.

Wer singt, kommt in Kontakt mit sich selbst und mit anderen. Auch bei Kindern ist das so. Sie lassen sich davon berühren und in Bewegung bringen. Selten sind Kinder so aufmerksam wie beim Singen. Und deshalb kann man nicht früh genug damit anfangen.

Ich singe auch mit meiner Tochter sehr viel. Und das habe ich sogar schon getan, als sie noch bei mir im Bauch war. Und die ist heute auch ständig am Singen oder Musik hören. Und ich denke, das vererbt sich dann auch so ein bisschen weiter.

Katja Rebmann,
eine von bisher 50 Erzieherinnen in der pfälzischen Landeskirche, die über das König-David-Projekt sich fortbilden lassen für das Singen mit Kindern.
Wie eine solche Fortbildung aussieht, erfahren Sie gleich im Gespräch mit dem dafür zuständigen Bezirkskantor Winfried Kuntz.



Teil II

Winfried Kuntz
ist in der pfälzischen Landeskirche für das Singen mit Kindern mitverantwortlich.

Kinder zum Singen zu motivieren ist nicht schwer, weil Kinder handeln unbedarft und sind jeder Form von Ausdruck offen gegenüber.

Daran kann der Kuseler Bezirkskantor anknüpfen, wenn er im Rahmen des König-David-Projektes seine Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher anbietet. Die finden in Kaiserslautern zentral für alle Kindertagesstätten in der Pfalz statt. Teilnehmen können alle, die regelmäßig mit den Kindern singen und musizieren wollen.
Als Winfried Kuntz mit der ersten Schulung begonnen hat, ist ihm gleich aufgefallen:
die Erzieherinnen haben im musikalischen Bereich keine einheitliche Ausbildung.

Es gibt Erzieherinnen, die kommen aus anderen Bundesländern, die sind musikalisch sehr hoch sozialisiert, die können mehrere Instrumente spielen und auch singen. Es gibt Erzieherinnen aber, die können – man muss es leider sagen – die können gar nichts, die können noch nicht mal irgend ein Lied sich selbst erarbeiten. Und wenn in einer Einrichtung nur solche Kräfte sind, ist es sehr sehr schwierig, musikalisch den Kindern da ein Mindestmaß an Freude und Zugang zur Musikalität zu vermitteln.

Eine besondere Herausforderung für den Bezirkskantor. Ganz elementar muss er versuchen, Grundlagen zu schaffen, zB ein Gespür zu wecken für das, was mit einem passiert, wenn man singt.

In der ersten Einheit dieser Fortbildung mit den Erzieherinnen besprechen wir die körperlichen Befindlichkeiten, auch körperliche Probleme werden besprochen. Es geht um die Atmung, um die verschiedenen Typen der Atemtechnik, die es gibt. Es geht auch um einfache rhythmische Voraussetzungen, die für das Singen unerlässlich sind.

Danach heißt es „learning by doing“. Es werden viele Lieder gesungen, auch solche, die die Erzieherinnen aus ihrer Arbeit mitbringen. Und Winfried Kuntz stellt sein Repertoire vor: Stücke für die verschiedensten Gelegenheiten, die er für besonders kindgerecht hält. Und natürlich wird alles auswendig gesungen, weil auch mit Kindern am besten auswendig sich etwas einstudieren lässt.
Problematisch findet der Kantor in diesem Zusammenhang, wenn man Kinder singen lässt zu laufender Musik aus der Konserve. Live soll gesungen werden, ohne Playback:

Ich mache auch da den Erzieherinnen Mut, lieber mal ne Sache nicht ganz so perfekt hinzubekommen, aber dafür in einer Atmosphäre, die der Kinderstimme Freiraum ermöglicht. Und die Kinder nicht aus dem Hintergrund zudröhnen mit irgendetwas, wo sie sich dran hängen sollen oder hängen müssen!

Gegen Ende einer solchen Schulung geht es deshalb um das Experimentieren mit Musik.Die Erzieherinnen versuchen zB selbst einen kleinen Kanon zu entwerfen oder schreiben zu einem vorhandenen Lied eine Begleitung für mitgebrachte Instrumente.
Winfried Kuntz möchte zum eigenen kreativen Umgang mit dem Liedgut anleiten.

Man kann also aus einem ganz normalen Lied, zu dem kann man einen Tanz sich ausdenken. Man kann das sehr lebendig durch Stampfen, durch Klatschen, durch Schnipsen rhythmisch variieren, man kann eine Bewegung dazu machen, man kann verschiedene Kreise dazu bilden, und man kann so aus einem einzigen banalen Kinderlied ein richtiges zehnminütiges Stücklein machen, das also schon für ne Aufführung geeignet ist.

Eine Aufführung soll auch in den Kindertagesstätten, die beim König-David-Projekt mitmachen, den Abschluss bilden. Das Repertoire der Kinder wird dann bei einem Fest oder in einem Gottesdienst öffentlich vorgestellt.Und es wird gern gesehen,
wenn das Ganze in Zusammenarbeit mit einem örtlichen Erwachsenenchor oder einer Instrumentalgruppe geschieht. Und wenn das alles gelingt, kriegt der Kindergarten das Zertifikat „König David“ verliehen.
Warum gerade „König David“?
Das erfahren Sie gleich im Gespräch mit dem für Kirchenmusik zuständigen Speyerer Oberkirchenrat Christian Schad.

Teil III
Die Ev. Kirche der Pfalz will das Singen in den Kindertagesstätten fördern. Dazu hat sie das König-David-Projekt ins Leben gerufen. Warum gerade König David?

Dazu der Initiator des Projektes, der Speyerer Oberkirchenrat Christian Schad:
Also König David wird ja ganz oft auf Bilden mit einer Harfe oder singend dargestellt. Und der Grund besteht darin, dass König David eben der ist, der ganz eng mit dem Psalter, (dem Buch der Psalmen), in Verbindung gebracht wird, das Gebet- und Liederbuch Israels. Und wenn man die Psalmen genau sieht, dann stammen sie ja zum Teil auch von David, der selbst ein musikalischer Mensch war. Aber da ist auch von Instrumenten die Rede, die gestimmt werden müssen, weil im Grunde auch der Ton die Musik macht. Und von daher ist für uns in der jüdisch-christlichen Tradition David so etwas wie der Urvater des Singens und Musizierens. Und die Plakette, die wir dann im Blick auf Kindertagesstätten, die zertifiziert werden, ausgeben, trägt dann auch einen König David und die Kinder verstehen es gut und identifizieren sich mit ihm.

Christian Schad ist für Musik in der Kirche zuständig und will den Kindern das Singen lieb machen. Als er 6 Jahre alt war, hat ihn seine Mutter in den Kirchenchor von Ludwigshafen einfach mitgenommen, weil sie gesagt hat: Der soll lesen und singen gleichzeitig lernen.

Ich habe die berühmte große Karriere gemacht: vom Sopran in den Alt, und dann kam der große Absturz in den Bass nach dem Stimmbruch, das heißt: ich habe selber eine eigene Geschichte mit dem Singen und deswegen ist es mit so wichtig, sozusagen auch das Singen mit Kindern einzuüben. Ich selber habe das biographisch an mir selbst als sehr positiv erlebt. Und denke: wenn das Singen immer mehr abnimmt, dann ist es um so wichtiger, dass wir Räume eröffnen.

Singen und Musizieren gehören für den Theologen Christian Schad zum Kerngeschäft der Kirche. Der Gesang erreicht bei kleinen wie bei großen Menschen gleichermaßen Tiefenschichten des Lebens, in die bloßes Reden nicht eindringen kann.

Wenn Menschen gefragt werden, was sie mit dem christlichen Glauben verbinden, dann ist es ganz oft so, dass ihnen Melodien kommen. Ob das ihr Konfirmationslied ist, ob das ihr Traulied ist, bei älteren Menschen „So nimm denn meine Hände“, das wünschen sie sich bei Trauungen aber auch bei Beerdigungen. Und da stelle ich fest, dass oft ein Lied und da auch die Melodie etwas ist, was die Herzen rührt....

Da schwingt etwas mit, was man nicht greifen kann. Singen trägt uns hinaus über das,
was wir denkend erfassen und mit Worten beschreiben können. Darum kann Musik auf ganz eigene Weise zum Glauben hinführen.

Wir kommen ja jetzt von der Weihnachtszeit her. Und wir alle kennen das schöne Lutherlied „Vom Himmel hoch da komm ich her“ und da gibt’s diese schöne Strophe „davon ich singen und sagen will“. Singen und Sagen war für Luther das Medium, mit dessen Hilfe das Evangelium in die Herzen der Menschen gesprochen und gesungen wird.

Bis heute gehen von den Kirchen starke Impulse aus für das Singen und Musizieren in der Gesellschaft. In der Pfälzischen Landeskirche gibt es zur Zeit fast 360 Kirchenchöre,
40 Posaunenchöre und 57 Instrumentalkreise. Und das König-David-Projekt hat dazu geführt, dass mit den ganz Kleinen in den Kindertagesstätten wieder mehr und auch fachkundiger gesungen wird.

Eins, zwei, drei... Kinder singen: „Heute kann es regnen“

Wenn Sie sich für das König-David-Projekt interessieren, können sich informieren bei der Geschäftsstelle des Landesverbandes für Kirchenmusik in Speyer. https://www.kirche-im-swr.de/?m=638
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