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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Liebe dein Mutterherz, solange es lebt. Denn wenn es gestorben ist, ist es zu spät.“
Steht in meinem Poesiealbum. In Schönschrift, verziert mit Herzchen und Blümchen. Kinderhandschrift. Beim Aufräumen fiel es mir in die Hand. Und ich erinnere mich: Den Spruch mochte ich schon als Kind nicht.

Diesen Appell ans schlechte Gewissen! Liebe dein Mutterherz. Als ob man Liebe verordnen könnte! Haben etwa Mütter einen Anspruch auf die Liebe ihrer Kinder, einfach nur, weil sie Mütter sind!

Ich kenne eine Frau, die pflegt seit vielen Jahren ihre kranke Mutter. Sie opfert sich auf, ist selber krank. Asthma, Rückenschmerzen, dauernd was anderes. Die Mutter nimmt die Dienste ihrer Tochter als selbstverständlich, als hätte sie sie verdient. Und ich erfahre indirekt: Das war schon immer so. Herrisch und lieblos - behandelte sie die Tochter wie ihr Eigentum.

Wie sie das aushält, frage ich sie. „Man muss doch seine Eltern lieben“, sagt sie. „das steht schon in der Bibel, das 4. Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren.“ Dabei hätte sie schon manchmal auch eine Wut auf ihre Mutter, aber die muss man halt unterdrücken. „Wirklich?“ frage ich, „muss man das?“

Ich kann mir das nicht vorstellen. Das passt nicht zu dem, was ich sonst von Gott glaube. Das wäre ja schlimm, das 4. Gebot, wenn man es so verstehen würde. Da bliebe kein Platz für den Zorn auf jene Eltern, die ihre Kinder wirklich schlecht behandeln

Und überhaupt: Es steht gar nicht in der Bibel, dass wir unsere Eltern lieben sollen. Im 4. Gebot steht nur was von „ehren“. Und wenn wir uns den hebräischen Urtext mal genauer ansehen, dann müssen wir ihn so übersetzen: „Achte darauf, dass deine Eltern im Alter versorgt sind, genug zu essen haben und ein Dach über dem Kopf.“ Das wars. Mehr steht da nicht! Du musst dein Mutterherz nicht lieben, wenn du nicht kannst. Denn Liebe kann dir niemand befehlen, auch Gott nicht. Und er tut das auch nicht.

Das habe ich jener Frau mit der hartherzigen Mutter gesagt. Sie war überrascht und auch etwas erleichtert. Wut auf die Mutter darf sein. Denn es gibt manchmal auch gute Gründe dafür. Und wenn sein darf, was nun mal so ist, dann kommt vielleicht die Liebe zurück -ganz von selbst.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

In jedem Menschengesicht spiegelt sich das Gesicht Gottes. Steht in der Bibel, ziemlich am Anfang.
In jedem Gesicht das Gesicht Gottes. Auch in den trüben Gesichtern der Jungen und Mädchen in der Jugendarrestanstalt hier in Worms. Neulich war ich mit einer Konfirmandengruppe dort. Und da saßen sie zusammen – die Ebenbilder Gottes: die jungen Kriminellen, die Konfirmanden, 2 Beamte und wir Pfarrer. Meine Konfirmanden hatten vorher so ihre Vorstellungen und meinten, denen ginge es viel zu gut im Arrest. Aber jetzt begegnen sie den realen Arrestanten. Und die erzählen, wie das so ist - eingesperrt zu sein.

Dass sie sich tagsüber nicht aufs Bett legen dürfen und dass sie nur 15 Minuten Besuch pro Woche haben dürfen. Keine Handys, keine eigene Musik, selten Fernsehen. Am schlimmsten sei das viele Alleinsein auf der Zelle, sagt einer. Ein anderer sagt, er wünscht sich am meisten, endlich mal wieder aufs Klo zu gehen, ohne dass ihm dabei jederzeit einer durch die Klappe in der Zellentür zusehen könnte. Das macht zwar keiner der Beamten, aber aus Versehen passiert das schon mal. Und dann sagt ein Junge: „Passt bloß auf, dass ihr nie hier rein müsst. Und baut keinen Scheiß.“

Das sind ja Jugendliche wie wir, sagt hinterher eine Konfirmandin. Naja, nicht so ganz, meine ich. Die haben alle was angestellt. Aber sie sind Ebenbilder Gottes – so wie wir. Das vergessen manche, die das Jugendstrafrecht verschärfen wollen. Die Regeln im Arrest seien streng genug, finden die Konfirmanden. Mann müsste ihnen aber helfen, ihr Leben zu ändern.

Ja, das müsste man. Sie auf das hin ansehen, was sie sind: Ebenbilder Gottes, wertvoll und fähig etwas anderes zu bauen als Scheiß. Die Beamten und Sozialarbeiter hier in der Arrestanstalt versuchen es, die Würde dieser Jugendlichen zu achten.

Aber für Resozialisierung ist die ganze Gesellschaft verantwortlich. Die Politiker zuerst, aber auch wir. Das ist schwer, wenn man an die Straftaten denkt, die die Jugendlichen begangen haben.

Aber auch in ihren Gesichtern spiegelt sich das Gesicht Gottes. Mir hilft das, wenn ich einem von ihnen begegne.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Wir haben doch alle nur einen Herrgott“, sagt die alte Dame nach der ökumenischen Hochzeit. Sie freut sich über das Glück ihrer evangelischen Enkeltochter, die einen katholischen Mann geheiratet hat. Und dann erzählt sie, wie das zu ihrer Jugendzeit war. Da haben die Katholiken am Karfreitag Mist ausgefahren, und die Protestanten haben an Fronleichnam ihre Wäsche rausgehängt. Sich gegenseitig heiraten? Undenkbar.

„Wir haben doch alle nur einen Herrgott“ – ob die alte Dame das auch sagen würde, wenn ihre Enkeltochter einen Muslim geheiratet hätte?

Das sei was ganz anderes, meinen heute viele. Aber wieso eigentlich? Weil manche Muslime so gewalttätig oder intolerant sind? Das waren die Christen früher auch, leider. Jahrhundertelang haben sich Katholiken und Protestanten gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. Toleranz gab es selten. Die haben wir erst mühsam lernen müssen. Geholfen hat uns zu wissen: wir haben doch bei aller Verschiedenheit nur einen Gott. Und das kann uns auch im Dialog mit den Muslimen helfen.

Vor einigen Wochen haben Mitglieder der muslimischen Gemeinde einen Taufgottesdienst in unserer Kirche besucht. Im Gespräch anschließend sagten sie: „Wir glauben verschieden, und wir leben verschieden. Aber wir haben auch viel gemeinsam. Und das ist der Glaube an einen Gott.“

Klar - jeder denkt, dass seine Art zu glauben die richtige ist. Toleranz ist aber, wenn man das auch anderen zugesteht. Und das ist möglich, auch für Muslime.

In der 5. Sure des Korans steht: „Hätte Gott gewollt, so hätte Er euch alle (Juden, Christen und Muslime) zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Doch Sein Plan ist es, euch auf die Probe zu stellen durch das, was Er jedem von euch gegeben hat. Wetteifert darum miteinander in guten Werken!“

Ich finde, dem ist nichts hinzuzufügen: Wetteifern mit guten Werken. Da fällt mir eine Menge ein. Ach ja, und allen, denen es schwer fällt, die Andersgläubigen ernst zu nehmen, weil die halt so anders sind, gibt der Koran noch einen Satz mit auf den Weg:
„ Ihr werdet alle zu Gott zurückkehren, dann wird Er euch aufklären, worüber ihr uneinig wart.“
Also - da bin ich gespannt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Wir sind alle kleine Sünderlein. S’war immer so, S’war immer so“.
Sie erinnern sich? Das hat Willi Millowitsch gesungen.
Und das klang immer ganz versöhnlich, nach dem Motto: jeder hat so seine Macken.
Manchmal sind wir aber auch große Sünder - je nachdem.
Sünder sind wir allzumal - steht in der Bibel.
Das ist nun leicht gesagt - Aber wenn ich’s ernst nehme, merke ich:
Bei der Sünde geht’s um mehr als um die Einsicht: nobody is perfect.
Ich denke an eine Frau.
Die sagt mir: „Ich mache so viel falsch in der Kindererziehung.
Schon seit Jahren. Aber ich komme da nicht raus.
Ich habe manchmal solche Schuldgefühle meinen Kindern gegenüber.
Aber ich weiß nicht, wie ich das ändern soll.
Fühle mich wie auf einem Dampfer, der immerzu in die falsche Richtung fährt.
Ich müsste offen zugeben, dass ich was falsch gemacht habe,
müsste runter von diesem Dampfer, einfach ins Wasser springen.
Aber ich bin wie gelähmt.“
Was die Frau da von sich erzählt - das ist sie Art, wie Martin Luther einen Sünder beschreibt:
Ein Mensch, der sich in sich selbst verkrümmt.
Der sich nicht öffnen kann, der krampfhaft und manchmal sogar krankhaft an sich selbst festhält
und der nichts in seinem Leben ändern kann - oder will.
Ich stelle mir diesen Menschen immer hockend vor,
wie erstarrt, unfähig, sich zu bewegen.
So eingeschnürt, dass er kaum Luft holen kann.
Was hilft da?
Über die eigene Sünde nachdenken ist ein Anfang.
Das heißt: erst einmal genau hinsehen, was eigentlich ist.
Und dann aufstehen, sich aufrichten, den Sprung ins Wasser und einen neuen Anfang wagen.
Dazu braucht man natürlich Mut.
Und den hat man eigentlich nur, wenn man weiß, dass man nicht untergeht.
Wenn man weiß, dass es Vergebung gibt. Dass Gott, dass Menschen vergeben können, wenn man sie darum bittet.
Martin Luther sagt: Sündige tapfer, aber glaube noch tapferer.
Mit diesem „Tapfer sündigen“ meint er:
Hab den Mut deine Sünden anzusehen.
Guck genau hin, auf welchem falschen Dampfer du gerade bist. Du kannst das.
Und dann- versuche, dich so zu anzusehen, wie Gott dich ansieht.
Nämlich liebevoll und vergebend.
Denn Gott hilft dir da raus. Glaub ihm.
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Es war ein Tag der Arbeit für die Tagelöhner,
Arbeit im Weinberg.
Jesus erzählt von ihnen in einem Gleichnis.
Morgens um 6 hat der Weinbergsbesitzer sie eingestellt.
Man wurde sich schnell einig: ein Silbergroschen Tageslohn.
Um 9 Uhr hat er weitere Arbeiter eingestellt.
Um 12 und um 3 holt er sich noch ein paar vom Marktplatz.
Und am Nachmittag um 5 holt er die letzten - kurz vor Anbruch der Dunkelheit.
Ein Tag der Arbeit für alle.
Am Abend haben sie aber alle unterschiedlich lang gearbeitet.
Klar - wahrscheinlich waren die ersten die Leistungsträger, die fitteren.
Und die letzten die Schwächeren,
die Verlierer, die sonst keiner haben wollte.
Die hätten für’n Appel und n Ei gearbeitet. Zur Not auch unter Tarif.
Aber als der Chef den Lohn auszahlt, kriegen sie alle den selben Lohn, egal wie lange sie gearbeitet haben.
Sie kriegen alle einen Silbergroschen.
Sogar die, die den ganzen Tag geschafft haben.
Und die - na klar - beschweren sich.
„Das ist ungerecht, wenn man die anderen uns gleichstellt.
Der Abstand zu den anderen muss größer sein.
Entweder kriegen die weniger oder wir mehr.“
Der Weinbergsbesitzer antwortet ganz cool:
„Mein Freund, was willst du? Wir haben doch einen Silbergroschen ausgemacht, oder?
Gönnst du den andern den Lohn nicht?
So viel braucht man doch, um für diesen Tag genug zu Essen zu haben.
Du weißt, auf diesem harten Arbeitsmarkt haben sie wenig Chancen.“
In der Lutherbibel heißt es dann:
„Siehst du scheel drein, weil ich gütig bin?“
Güte - Barmherzigkeit -
das sind keine Begriffe, die in moderner Personalentwicklung an erster Stelle stehen.
Geht auch nicht anders, die Wirtschaft würde so nicht funktionieren.
Man kann das Gleichnis Jesu nicht einfach wörtlich übertragen.
War ja auch gar nicht seine Absicht.
Dieses Gleichnis weist seit Jahrtausenden immer auf dasselbe hin:
Vergesst die Loser nicht, die Verlierer auf dem Arbeitsmarkt.
Vergesst nicht die, die Leistung bringen wollen, aber nicht so gut können.
Und: “Schaut nicht scheel drein. Und auf sie runter.
Denkt auch an Güte und Barmherzigkeit.
Die Gesetze des Marktes brauchen das als Korrektur, als Ergänzung.
Damit es menschlich zugeht bei uns - heute am Tag der Arbeit und auch sonst.
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Eigentlich bin ich ein friedlicher Mensch.
Ganz schlimme Dinge könnte ich nicht tun, habe ich immer gedacht.
Aber dann habe ich den Roman von Friedrich Christian Delius gelesen:
Mein Jahr als Mörder.
Er erzählt, wie ein an und für sich friedlicher Student im Jahr 1968 beschließt, einen Mord zu begehen.
Auslöser war eine Nachricht im Radio.
Ein ehemaliger Richter des Volksgerichtshofes wurde freigesprochen.
Dabei hatte er mehrere Menschen zum Tode verurteilt, nur weil sie Juden geholfen haben.
Als der Student den Namen des Richters hört, erkennt er:
das ist der Mann, der den Vater seines besten Freundes auf dem Gewissen hat.
Er fühlt tiefen Hass und den Wunsch, diesen Mann zu töten.
So einer verdient es nicht zu leben, schon gar nicht in Freiheit, denkt er.
„Wenn der Hass in friedliche Menschen fährt, erschrecken sie selbst am meisten, denn sie wollen nichts zu tun haben mit solchen destruktiven Kräften“,
lese ich in dem Buch und verfolge die Geschichte weiter.
Wie der Student sein künftiges Mordopfer besucht,
wie der ehemalige Richter noch immer keine Reue empfindet.
Im Gegenteil. Der ist stolz auf seine Todesurteile.
Er zeigt seinem Besucher ein Poesiealbum, in dem er die originellsten Urteilsbegründungen aufgeschrieben hat.
Der Student spürt, wie der Hass ihm die Kehle zuschnürt.
Beim Lesen merke ich, wie es auch in mir rumort.
Ich verstehe ihn so gut, diesen potentiellen Mörder.
Und ich erschrecke über mich selbst.
Hass ist eine starke Kraft. Wohin damit?
In der Bibel gibt es viele Gebete, in denen Menschen ihren Feinden die übelsten Sachen an den Hals wünschen.
Gott soll dafür sorgen, dass sie leiden oder sterben.
Und genau das ist der Punkt.
Gott soll dafür sorgen, nicht wir selbst.
„Mein ist die Rache“, sagt Gott.
Ich atme innerlich auf, wenn ich daran denke.
Es gibt einen dritten Weg.
Ich muss meinen Hass nicht in die Tat umsetzen.
Und ich muss die Ungerechtigkeit auch nicht akzeptieren.
Gott wird für Gerechtigkeit sorgen.
Wie auch immer er das tut.
Ich kann das aus der Hand geben.
Und irgendwann mal werde ich Gott jede Mengen Fragen stellen.
Dann werde ich gespannt sein auf seine Antwort.
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Einen Engel, einen Engel, Gott, den brauch ich jetzt, einen Engel, einen Engel, der so richtig fetzt.“
So haben die Kinder gesungen.
Beim Engelsrap bei uns im Weihnachtskonzert.
Und dabei stampften sie mit den Füßen, wie man das halt so macht bei dieser Art von Musik.
Fetzig und Frech.
Es war nicht nur die Musik, die die Kinder so begeisterte.
Auch der Text.
Der war eigentlich ein Gebet.
Und was für eins!
„Lieber Gott, ich muss schon sagen, deine Welt hat viele Mängel,
darum gib dir einen Ruck, schick ihn runter deinen Engel.“
Selten hat jemand bei uns so in der Kirche gesungen.
Das war keiner von den zuckersüßen und blondgelockten Weihnachtsengeln,
den die Kinder sich von Gott wünschten.
Sie wollten einen handfesten Engel.
Einer der zupacken kann.
Und einer, der nicht lange fackelt:
„Vom Himmel hoch, da komm doch her.
Ach lieber Gott, ich kann nicht mehr“, sangen die Kinder nach jeder Strophe.
Die trauen sich was, die Kinder. Wie gut!
So mit Gott zu reden, so ungeniert.
Und das an Weihnachten.
Gerade dann, wenn aus allen Lautsprechern zuckersüße Musik tropft und alles nur nett und beschaulich sein soll.
Grade dann.
Was soll ich sagen?
Das Publikum war begeistert.
Die Leute schnippten mit den Fingern und gingen richtig mit.
Das war nicht die Art von Musik, die sie sonst hörten.
Und auch die Ausdrucksweise war nicht so, wie sie sonst sprachen.
Aber der Engelsrap traf trotzdem den richtigen Ton.
Und seine Botschaft:
Ja! Wir dürfen was von Gott erwarten.
Hilfe, wenn die Not groß ist.
Und ja! Wir dürfen diese Hilfe einklagen und fordern.
„Sei nicht sauer, wenn ich power, wenn drängel, wenn ich quengel.
Alles geht mir auf den Keks, ist er noch nicht unterwegs?“
Die Kinder lassen Dampf ab.
Und die Erwachsenen haben sich anstecken lassen.
Denn das brauchen wir doch auch. Dampf ablassen.
Aber in die richtige Richtung.
Gott sagen, was wir brauchen.
Manchmal auch quengeln und drängeln.
Mit Leidenschaft und Energie von Gott Hilfe fordern.
Das haben wir ja schon fast verlernt, vor allem in der Weihnachtszeit.
Eben nicht leise treten, sondern mit den Füßen stampfen und auch mit den Fingern schnippen.
Er wird’s hören.
Und: Er wird einen Engel schicken. Daran glaube ich.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Manchmal liegt der Trost in einem einzigen Wort: Jesus.
Bei Sophie Scholl und ihrer Mutter war das so.
Die 22Jährige hatte zusammen mit ihrem Bruder und anderen Studenten Flugblätter gegen Hitler verteilt.
Und deswegen sollte sie hingerichtet werden.
Kurz bevor sie starb, durfte die Mutter noch einmal ihre Tochter besuchen.
Sie schreibt in einem Brief an Sophies Verlobten:
„Ich sagte in den letzten Minuten, als ich ihrem lächelnden Gesicht ganz nahe war:
Aber gell; Jesus,
da sagte sie überzeugend: Ja, aber du auch.“
Jesus. Aller Schmerz und aller Trost in diesem Namen.
Und Hoffnung. Ja, auch Hoffnung.
Nicht dass Sophie Scholl doch nicht hingerichtet würde.
Sondern dass dieses junge Leben in Gott geborgen bleibt, auch im Sterben.
Jesus. Ein Name, der tröstet.
Da braucht man nicht viel Worte.
Ein Name, der über allen Namen steht.
In ihm schwingt so viel Heilsames mit.
Da wird die Macht eines Hitler unbedeutend..
In diesem Namen liegen Hoffnungen und Visionen von einer besseren Welt.
Da wird die Not des eigenen alltäglichen Leidens relativ.
Jesus - mit ihm bekommen wir es mit der Ewigkeit zu tun.
Eine Ewigkeit, die uns umfasst - mit einer Liebe, die unendlich ist.
Und eine Zuversicht, die uns einhüllen will wie in einen warmen Mantel.
„Gott ist bei uns, am Abend und am Morgen“,
so hat Dietrich Bonhoeffer zum Jahreswechsel 1944 gedichtet.
„Und ganz gewiss am jeden neuen Tag.“
Jesus. Aus diesem Namen schöpfte Sophie Scholl ihre Kraft zum Sterben.
Und ihre Mutter die Kraft zum Leben.
Ich saß im Auto, als ich im Radio diesen Brief von Sophie Scholls Mutter hörte.
Und mir kamen die Tränen.
So viel Wärme und Zuversicht in einer Gefängniszelle.
Mir war als strahlte diese Wärme auf unerklärliche Weise auf mich aus.
Als hätte etwas von der Ewigkeit mich eingehüllt.
Wärme und Geborgenheit auf der Autobahn.
Es gibt Momente, da ist alles Zweifeln und Fragen wie weggewischt.
Und man weiß: Es wird gut. Denn gell: Jesus. Ja, aber du auch.
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Die junge Mutter hat ihr Baby im Arm und will gerade etwas aus dem Keller holen.
„Da, halt mal so lange.“
Sie legt ihrem verdutzten Nachbarn das Kind in den Arm.
Der hatte noch nie ein Baby gehalten.
Und überhaupt ist der verschlossene Mann nicht gerade ein Kindernarr.
Und jetzt liegt da ein Bündel Mensch in seinem Arm.
52 cm lang.
Was für eine Verantwortung!
Dass es nicht runterfällt, dass er es nicht kaputt macht, dass es sich wohlfühlt.
An Weihnachten haben wir gefeiert, dass Gott sich uns in die Arme legt.
Als kleines, hilfloses Kind.
Was für eine Verantwortung!
Ob Gott sich wohl fühlt?
Wie hält man ein Kind am besten?
Bloß aufpassen, dass der Kopf gestützt wird.
Dem Nachbarn werden die Arme schwer,
das Gewicht des Kindes - als trüge er die ganze Welt.
Dann sieht er dem schlafenden Kind ins Gesicht und ist gerührt.
Auf eine Art, die er sich sonst selten erlaubt.
Er fühlt sich, als trüge er den Frieden der ganzen Welt.
Ein Kind öffnet das Herz eines Menschen einfach nur dadurch, dass es da ist.
Christus öffnet die Herzen der Menschen, einfach dadurch, dass er da ist.
In seiner Hilflosigkeit steckt eine Macht, der wir uns kaum entziehen können.
So wie die Soldaten im 1. Weltkrieg, Weihnachten 1914.
Die Engländer hatten den Plan, mit Gesang die Deutschen einzuschläfern und dann zuzuschlagen.
Nach dem ersten Weihnachtslied machten sie eine Pause.
Aber plötzlich hörten sie ein Weihnachtslied aus den deutschen Gräben aufsteigen.
Und die Deutschen begannen herüber zu rufen.
‚Frohe Weihnachten, Engländer, wir schießen heute nicht.’
Die Engländer stoppten die Vorbereitungen für den Angriff.
Stattdessen riefen sie ähnliche Botschaften zurück.
Auf solche freundlichen Feinde mochten sie nicht mehr schießen.
Und sie wagten sich heraus aus ihren Gräben,
brachten ihre Weihnachtsbäume mit und zündeten gemeinsam mit dem Feind Kerzen an.
Ähnliches ereignete sich über mehre Tage an vielen Abschnitten der Westfront.
Der Krieg ging trotzdem weiter.
Aber das gab es eben auch:
Menschen ließen sich anrühren von dem Kind in der Krippe.
Denn wenn sich Gott in die Arme von uns Menschen legt,
dann tragen wir den Frieden der Welt.
Wie soll man da ein Gewehr halten
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Was ihr getan habt einem von diesen geringsten meiner Brüder und Schwestern , das habt ihr mir getan.“ Jesus hat das gesagt.
Und die geringsten - das sind die Hungrigen, die Fremden und die Gefangenen. Die gering geachteten. Die Gering-Verdiener. Menschen in prekären Lagen - so sagt man heute. Und erfindet ein neues Wort: Prekariat. Ihr Leben ist so prekär, dass ihnen die Hoffnung fehlt, die Energie und die Möglichkeit, sich selbst aus ihrer armseligen Situation zu befreien. In solchen Menschen ist Gott. Wenn wir den Hungrigen zu essen geben, die Fremden aufnehmen und die Gefangenen besuchen, dann ist das, als hätten wir Gott zu essen gegeben, Ihn aufgenommen, Ihn besucht. Gott in den leidenden Menschen. Jesus drückt sich da ziemlich klar aus. Wenn wir über Arbeitslose hämisch herziehen, dann ziehen wir über Gott her. Wenn wir Ausländer hassen, hassen wir Gott. Wenn wir Straffällige verachten, verachten wir Gott. Steht so in der Bibel. Die Armen, die Fremden oder die Gefangenen - wir müssen sie nicht gut leiden können. Und ob sie an ihrer prekären Lage selber Schuld sind oder nicht, das ist vollkommen egal. In ihnen begegnen wir Gott. Was für eine Zumutung!
Wir können zwar Gott in uns selbst finden oder im Wald oder in der Kirche. Aber das wäre nur das halbe Christentum. „Wer in Gott eintaucht, taucht bei den Ärmsten wieder auf“, hat ein französischer Bischof gesagt. Das macht sie so unendlich wertvoll. Das gibt ihnen die Würde, die kein Mensch ihnen nehmen darf. Das ist wirklich eine Zumutung. Gott mutet es uns zu, dass wir jedem Menschen mit Achtung begegnen. Aber er gibt uns auch den Mut dazu. Denn es ist ja so:
Nicht nur in dem anderen begegnen wir Gott, auch in uns selbst ist er. Beides gehört zusammen, macht das ganze Christentum aus. Denn wer sich selbst für wertvoll hält, sieht auch den Wert der Elenden, sieht Gott in ihnen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=64
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