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SWR4 Sonntagsgedanken

20JUN2021
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Auf Ankündigungen muss man sich verlassen können. Ich finde das wichtig. Wenn ich meiner Mutter sage, dass ich mich bei ihr melde, dann würde ich sie enttäuschen, wenn ich nicht bei ihr anrufe. Auch Politiker kündigen viel an, besonders in einem Wahljahr. Wenn sie das dann nicht umsetzen, machen sie sich unglaubwürdig. Oder gar lächerlich. Ist Gott auch so ein „Ankündigungsminister“?

Diese Frage hat sich Jona gestellt. Die Bibel erzählt, wie Gott ihn in die Stadt Ninive geschickt hat. Jona sollte den Bewohnern dort ankündigen, dass ihre Stadt untergehen wird. Gott konnte es nämlich nicht mehr mit ansehen, was da los war. Ninive, das war eine Stadt voller Ungerechtigkeit und voller Egoisten. Deswegen sollte damit in 40 Tagen Schluss sein. Das war beschlossene Sache.

Aber dann ist etwas passiert, womit niemand gerechnet hat. Am allerwenigstens wahrscheinlich Jona selber. Die Leute in Ninive haben ihn nämlich ernst genommen. Was – 40 Tage noch? Das ist nicht viel Zeit. Aber immerhin  - in der Zeit können wir es wenigstens versuchen, es besser zu machen. Vielleicht lässt Gott sich ja doch noch umstimmen und wir können die Katastrophe abwenden. So stelle ich mir die Reaktion auf Jonas Bußpredigt vor, von der die Bibel erzählt. Eine ganze Gesellschaft in „Sack und Asche“. Ein König, der sein Volk zum Fasten aufruft. Alle sollen sich mäßigen. Und die Reichen und Mächtigen gehen mit gutem Beispiel voran. 40 Tage noch? 

Wunderbar, wie die Bibel das erzählt. Die Katastrophe scheint unausweichlich zu sein, und trotzdem ändern die Menschen ihr Verhalten. Das finde ich ermutigend, wenn ich an die Katastrophen denke, auf die wir heutzutage zusteuern. Vielleicht gelingt es ja doch noch, den CO 2-Ausstoß deutlich zu reduzieren und die Erderwärmung zu bremsen. Vielleicht schaffen wir es mit vereinten Kräften, die Pandemie weltweit zu bekämpfen und Impfstoff und Medikamente mit ärmeren Ländern teilen. „40 Tage noch – und Ninive wird zerstört.“ Ja. Aber solange gilt: Veränderungen sind möglich. Es ist nie zu spät, um die Chance zu nutzen, auch wenn sie noch so gering ist.

In Ninive haben sie ihre Chance genutzt. Und anscheinend war auch Gott total überrascht davon, dass man in so einer Stadt auf ihn gehört hat. Deswegen hat er es sich doch nochmal anders überlegt. Beachtlich! Ein Gott, der sich selber korrigiert und seine eigenen Ankündigungen nicht wahr macht. Ein Gott, der inkonsequent ist, weil er sich offenbar riesig darüber freut, wenn Leute auf ihn hören und die Hinweise ernst nehmen und sich dann auch tatsächlich ändern.

 Ja, ich hoffe darauf, dass Gott sich auch freut, wenn ich meine Fehler einsehe. Denn was gibt es Schöneres als wenn man sieht. Geht doch. Da will es jemand besser machen. Von mir aus soll sie ihre Chance bekommen. Ich will ihr dabei helfen.

Aber Jona hat sich nicht gefreut. Im Gegenteil, Jona war stinksauer auf Gott. „Du immer mit deiner Barmherzigkeit“, hat er Gott angemault. „Erst zwingst du mich, hier zu predigen. Ich sollte den Buhmann geben und den Leuten Angst und Schrecken einjagen – und dann steh ich hinterher dumm da.“ Richtig beleidigt muss Jona gewesen sein, erzählt die Bibel, Jona, ein grantelnder Mann, der sich unter einen Busch setzt und missmutig abwartet, wie in Ninive das Leben weitergeht.

Schade. Schade, wenn man sich so wenig mitfreuen kann. Schade, wenn man nicht einfach mal einen Schlussstrich ziehen und sagen kann:  Euer Verhalten früher war falsch, aber jetzt lasst uns nach vorn schauen. Schade, wenn mir jemand beim Trauergespräch erzählt, dass  eine Schwester oder ein Cousin nicht zur Beerdigung kommt, weil es vor 30 Jahren mal Streit gegeben hat. Mein Gott, denke ich dann, so kann man sich auch unglücklich machen. Einer rechnet dem anderen vor, was falsch gelaufen ist - ganz konsequent. Dadurch ändert sich aber nichts. Bei aller Konsequenz sollte ich  auch mal umdenken können und runterkommen von meinen festen Grundsätzen.  Ich muss jemandem auch die Chance geben, es anders und besser zu machen als bisher - und mir selber muss ich diese Chance auch geben.

Gott tut das jedenfalls. Lieber ist er barmherzig als konsequent. Und auch Jona hat er nicht vergessen, der sich in den Schatten verzogen hat und schmollt.  „Mensch“, sagt er zu ihm, „was sitzt du da und bedauerst dich selber?  Du findest es schlimm, dass ich meine Ankündigung nicht wahr gemacht habe. Aber wäre es nicht viel schlimmer, wenn eine ganze Stadt zugrunde gegangen wäre?“

Was ist mit dir, so fragt Gott zum guten Schluss. Kehrst du auch um? Lässt du dich von deinem Zorn heilen? Sei doch barmherzig und freu dich! Was meinst du?

Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir darauf gute, fröhliche Antworten finden und mit anderen und mit uns selbst barmherzig umgehen. Kommen Sie gut durch die Woche und bleiben Sie behütet!

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SWR4 Sonntagsgedanken

14FEB2021
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Manchmal ist es ganz stark da. Dieses Gefühl. Wir beide, wir gehören zusammen. Schmetterlinge im Bauch. Auch nach 33 Jahren Ehe. Man kennt sich in- und auswendig und möchte sich doch keinen Tag missen. „Wann kommst du heute Mittag nach Hause?“ „Vergiss nicht, dir einen Schal umzubinden.“ Irgendwie schön. Da macht sich jemand Gedanken um mich. Und freut sich auf mich. In solchen Augenblicken weiß ich: es gibt sie doch! Die große Liebe.
Dieses Gefühl, als käms direkt von Gott. Die Liebe, eine Himmelsmacht. So ist das wohl.

„Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf. … Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“ Wie Musik klingt das in meinen Ohren. Ein Hoheslied auf die Liebe. Es findet sich in der Bibel und zwar im neuen Testament. Paulus, der Apostel, hat es geschrieben in einem Brief, wo es um alle möglichen praktischen Fragen des Glaubens- und Zusammenlebens ging. Nach vielen praktischen Ratschlägen hat er  aufgeschrieben, worauf es ihm wirklich von Herzen ankommt: „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz und eine klingende Schelle.“ Richtig poetisch ist er hier geworden - Paulus wusste wohl, wie sich dieses Gefühl „Liebe“ anfühlt und worauf es dabei ankommt.

Natürlich, man muss reden, miteinander reden. Mit Menschen- und mit Engelszungen. Mit diplomatischem Fingerspitzengefühl und unaufgeregter, besonnener Sachlichkeit. Eine Beziehung kann nur funktionieren, wenn man viel miteinander redet, glaube ich. Damit man gut miteinander auskommt, muss man Verabredungen treffen und Kompromisse aushandeln. Manchmal muss es auch krachen und richtig laut werden.

Vor allem aber gehört die Liebe dazu. Sonst bleibt alles Reden Gerede. Oder wird zum Dauerkrach. Oder zum zerstörerischen Schweigen.

Liebe gehört dazu, damit man es miteinander aushalten kann „in guten und in schweren Tagen“. Richtig berührend finde ich das, wenn alte Paare ihr Hoheslied der Liebe anstimmen. Nicht in den höchsten Tönen und nicht mit dem Himmel voller Geigen. „Ganz ehrlich, wir hattens ja nun auch nicht immer ganz leicht miteinander.“ Seufzt da mancher. Ich denke auch an den alten Herrn, dessen Frau gestorben ist, hochbetagt, genauso wie er. 62 Jahre lang waren sie zusammen, und dann ist sie vor ihm gestorben. Er ist sehr traurig. Und sehr dankbar. Lächelnd und auch ein bisschen wehmütig sagt er zu mir: „Sie war die Gärtnerin meines Lebens.“ War das schön! Es gibt sie also doch. Die Liebe. Eine Himmelsmacht.

Das Hohelied der Liebe. Ein biblisches Liebeslied, in dem kein einziges Mal das Wort Gott auftaucht und das doch ganz viel über Gott erzählt.
Denn Gott ist doch die Liebe. Er hat sie uns geschenkt. Und zwar in allen ihren Spielarten. Auch die Erotik. Auch die Sexualität. Das überbordende Verliebtsein der Jugend genauso wie die alten Lieben. Gott ist die Liebe und die Liebe ist das Beste, was er zu bieten hat, glaube ich. Deswegen ist das Hohelied der Liebe bis heute ein echter Evergreen geblieben  „Die Liebe hört niemals auf…“ So tönt es mir entgegen. Ach ja, wie schön…

Und tröstlich finde ich es überdies auch.

Kürzlich erzählte mir eine Freundin, dass sie und ihr Mann sich getrennt hätten. Das hat mich sehr überrascht. Die beiden waren für mich nämlich ein tolles Paar. Gemeinsame Interessen. Die Kinder aus dem Haus und gut versorgt. „Wir haben uns einfach auseinandergelebt.“ hat meine Freundin gesagt. Da habe ich wieder mal erlebt: Die Liebe hört halt doch manchmal auf. Oder kommt einem abhanden „wie einem anderen Stock oder Hut“ (Erich Kästner). Die Liebe erträgt eben manchmal doch nicht alles. Übersteht nicht jeden Berufswechsel und jede persönliche Entwicklung, die sich im Laufe der Jahre einstellt. Die Liebe zwischen Menschen fühlt sich manchmal eben doch tief gekränkt und unverstanden und bringt beim besten Willen nicht mehr die Kraft auf, das zu erdulden. Manchmal verändert sie sich, verlagert sich. Jedenfalls: so richtig steckt letztlich keiner drin, dass das gelingt, was man sich einmal auf vollem Herzen vorgenommen hat, glaube ich. Ja, die Liebe ist eine Himmelsmacht. Und so richtig vollkommen und unendlich ist nur Gottes Liebe.

Was bleibt? „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen.“ So klingt das Hohelied der Liebe aus der Bibel aus und erinnert mich daran: Gott ist die Liebe. Und seine Liebe bleibt. Gottes Liebe erträgt und erduldet alles, trägt und erduldet auch mich, wenn ich mit meiner Liebe an Grenzen komme. Das hoffe ich und wünsche Ihnen und mir, dass dieser Dreiklang weiterklingt, heute, in den nächsten Tagen „Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen!“ Bleiben Sie mit dieser Liebe Gottes behütet!

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SWR4 Sonntagsgedanken

06DEZ2020
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„Ein kleiner Gruß zum Nikolaus“ hat dieser Tage  die Kassiererin im Supermarkt zu mir gesagt  und mir einen goldenen Schokoladentaler in den Korb gelegt. So hat sie mich erinnert: Ach ja: in diesem Jahr ist ja am Zweiten Advent auch Nikolaustag. Ich finde, das passt gut zusammen.

Der echte Nikolaus war nämlich ein durch und durch adventlicher Mensch, d.h. er hat fest darauf vertraut, dass Gott kommt und den Menschen hilft, besonders den armen Menschen.

Nicht erst als Bischof von Myra, einer Hafenstadt im Westen der heutigen Türkei, soll er sich für sozial benachteilige Leute eingesetzt haben. Schon als junger Mann wollte er es wohl Jesus nachtun. Mit dem Geld, das er von seinen wohlhabenden Eltern geerbt hatte, hat er andere unterstützt.

Nikolaus erfuhr, so eine Geschichte, dass sein armer Nachbar nicht für die Aussteuer seiner drei Töchter aufkommen konnte. Er hätte sie in die Prostitution schicken müssen. Da hat Nikolaus einige Goldmünzen in ein Tuch gewickelt und sie seinem Nachbarn des Nachts heimlich, still und leise über die Mauer geworfen. Als der Nachbar ihn dann doch entdeckt hat, da war ihm das richtig unangenehm. Er wollte doch einfach nur helfen und nicht als Wohltäter dastehen. Das ist eine Legende, aber den wahren Kern darin, den finde ich sehr schön.

„Wenn du Gutes tust, sollst du das nicht vor dir her posaunen lassen.“ So hat Jesus das gesehen, so lese ich es in der Bibel.  Da hat Nikolaus wohl ganz auf der Linie von Jesus gelegen, als er seine Goldmünzen heimlich über die Mauer geworfen hat.

Und die Frau, die mir fast verstohlen an der Kirchentür einen Briefumschlag zusteckt, die liegt auch auf der Linie von Jesus: „Hier, nehmen Sie´s, Sie wissen schon, wo das Geld gebraucht wird.“ Ich weiß, dass es ganz viele solcher Wohltäter gibt, die diskret und bescheiden das tun, was ihr Herz ihnen sagt. Fast schon sprichwörtlich ist der folgende Rat von Jesus geworden: Die linke Hand soll nicht wissen, was die rechte tut.

Die linke Hand galt nämlich als Seite der Missgunst. Die rechte Seite dagegen als Seite der Fröhlichkeit und des Glücks. Wenn die linke Hand nicht wissen soll, was die rechte tut, dann heißt das also: Sei nicht berechnend und überlege, was es dir bringt, wenn du gibst. Liebe lässt sich nicht kalkulieren. Denk auch nicht zulange darüber nach, ob´s zu viel oder zu wenig ist. Wenn es dir leid tut, etwas herzugeben, dann lass es besser ganz bleiben. Erwarte auch kein Dankeschön und freu dich umso mehr, wenn eines kommt. „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb!“ Für mich ist das ein wunderbares Plädoyer für eine Großzügigkeit, die von Herzen kommt. Ich bin davon überzeugt, dass darauf Gottes Segen ruht.

Ich denke an die Menschen, die das ganze Jahr über einfach ganz selbstverständlich „ihre Pflicht tun“ und dabei doch so viel Gutes bewirken. Ich kann mir gut vorstellen, dass manche dieser stillen Helfer sich manchmal fragen, ob das etwas bringt und ihre Hilfe gut ankommt. Manche sind vielleicht auch enttäuscht und verunsichert und hätten gerne auch mal ein „Dankeschön“. Umso mehr hoffe ich, dass Gott das sehr genau sieht, was auch im Verborgenen geschieht. Jesus war jedenfalls davon überzeugt, dass Gott es auf seine Weise danken wird. Gott, „der auch das Verborgene sieht, wird’s dir vergelten“, hat Jesus versprochen, so hat es die Bibel festgehalten. Oder kurz ausgedrückt: „Vergelt´s Gott!“

Wie er das wohl macht, wie Gott das Menschen im Einsatz für andere spüren lässt, dass er an ihrer Seite steht? Ich wundere mich manchmal, mit welcher großen Tapferkeit Angehörige einen kranken Menschen aus ihrer Familie begleiten. Manche wissen selber nicht, woher sie die Kraft dafür nehmen. „Wenn ich das vor einem Jahre gewusst hätte, was alles auf uns zukommt, ich hätte gesagt: das geht gar nicht, das schaffen wir nie.“ Hat mir eine Frau gesagt, die ich nach der Familie gefragt habe. Ich denke an den Opa, der mit leuchtenden Augen von seinem Enkel erzählt, der jetzt seine Ausbildung fertig hat - und eine nette Freundin. „Und was war das früher für ein fauler Bursche, stundenlang habe ich mit dem an den Hausaufgaben gesessen und immer sind wir aneinandergeraten.“

Vergelt´s Gott! Das wünsche ich auch denen, die mir ihre Hilfe und Unterstützung haben zukommen lassen und ohne die ich nicht das wäre, was ich heute bin. An manche kann ich mich auch gar nicht mehr erinnern. Sie waren einfach da und haben mir nie das Gefühl vermittelt, dass sie mir überlegen sind und von oben auf das herabschauen, was ich alles noch nicht so gut kann wie sie. Und am Ende muss man dafür auch noch Danke sagen.

Nein, da spricht mich die Nikolaus-Mentalität viel mehr an: freigiebig, hilfsbereit, respektvoll, diskret – adventlich halt. „Macht hoch, die Tür, die Tor macht weit!“ - Gott kommt und mit ihm ganz viel Hilfe und Barmherzigkeit – auch in meine Welt.

Ich wünsche Ihnen heute einen gesegneten Zweiten Advent – und einen frohen Nikolaustag. Kommen Sie behütet durch die neue Woche!

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SWR4 Sonntagsgedanken

30AUG2020
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Jetzt in der Ferienzeit mal weniger zu tun haben: das ist schön! Aber immer untätig sein, das kann ziemlich bedrückend sein, stelle ich mir vor.

Die Bibel erzählt von einer Frau, die war 18 Jahre lang verkrümmt und konnte nicht aufrecht stehen. Und niemand konnte herausfinden, was ihr gefehlt hat.

Ich glaube, das ist wirklich zum Verrücktwerden: Wie mag sich das anfühlen, wenn man praktisch nur noch nach unten gucken kann. Der Horizont wird sehr eng. Wer nur nach unten gucken muss, der merkt manchmal gar nicht mehr, wieviel Himmel über ihm ist.

Manchmal erzählen mir alte Menschen, dass es ihnen so geht. Sie können so vieles nicht mehr! Die Kinder haben ihnen das Autofahren verboten, das Hörgerät funktioniert nicht richtig und sie reagieren manchmal komisch, weil sie etwas falsch verstanden haben. Sie waren es ein Leben lang gewohnt, für sich selbst und für andere zu sorgen und nun müssen sie immer jemanden fragen, wenn sie was brauchen. Manche werden dann richtig grantig. Und manche einfach nur sehr, sehr traurig und ziehen sich zurück.  Immer weniger tun können, das bedrückt einen.

Die verkrümmte Frau, von der die Bibel erzählt, hat es immerhin noch bis zur Synagoge geschafft, sie ist also gewissermaßen „sonntags in die Kirche gegangen“. Mich erinnert das an manche Kirchgängerinnen bei uns in der Kirche. Wie müssen die sich manchmal einschränken. Und trotzdem sind sie so wichtig. Die sitzen nämlich da und beten. Sie nehmen vielleicht  ihre Enkelkinder mit ins Gebet, die vor lauter homeoffice und Kinderbetreuung nur noch gestresst sind und zu nichts mehr Zeit haben. Und wenn die Pfarrerin für die Flüchtlinge betet, dann wissen sie, wie sich das anfühlt, weil sie früher selber mal aus ihrer Heimat vertrieben worden sind. Diese alten Damen sind früher sicher auch einmal starke, tatkräftige Frauen gewesen, die ganz viel geschafft haben.

Und genau das hat Jesus damals auch gesehen, als er die verkrümmte Frau getroffen hat.  Nicht nur das „alte Mütterchen“ hat er gesehen, glaube ich, nicht nur „ein armes Menschenkind“, sondern einen Menschen mit seiner ganzen Lebensgeschichte. „Sei frei von deiner Krankheit!“ hat Jesus zu dieser Frau gesagt. Und da hat sie sich wirklich aufgerichtet. Er hat ihr diese Last abgenommen. 

Wunderbar, finde ich!  Ein freier, aufrechter Mensch, der da steht und gerade steht für sein Leben. Ein Mensch, der seine Frau steht. Seinen Mann steht. Ein Mensch, der sich nicht verbiegen lässt durch  Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle. Ein Mensch, der sich nicht schämt, dass er nicht mehr so kann wie früher, aber mit großem Selbstbewusstsein manchmal auch sagen kann: Danke, das kann ich alleine. Ein Mensch, der sich so sehen kann, wie Gott ihn sieht: Erlöst. Und befreit.

 

Mich kann das auch aufrichten, wenn jemand mich so sieht, glaube ich und denke dankbar an die Menschen, die mir mehr zugetraut haben als ich mir selbst. Früher waren das manchmal meine Lehrer. Was haben die mich manchmal vor Aufgaben gestellt. Manchmal hat mich das richtig genervt. Aber im Nachhinein war ich ganz stolz auf mich, dass ich es geschafft habe. Ich erinnere mich daran, wie mich ein Bekannter gefragt hat, ob ich für ein bestimmtes Amt kandidieren würde. Zuerst habe ich gedacht: o nein, bitte nicht das auch noch. Aber dann hats mich auch gefreut und ich hab mir gedacht: Na gut, wenn der meint, dass ich das hinkriege, dann versuch ichs halt mal.

Ob ich das selber wohl auch hinkriege: jemanden aufrichten, weil ich ihm etwas zutraue?
etzt in der Corona-Zeit versuche ich eigentlich, gerade die Leute aus den sogenannten „Risikogruppen“ zu schonen, damit sie möglichst wenig unter Leute kommen und sich dort nicht anstecken. Ich bringe ihnen lieber etwas vorbei oder kaufe für sie ein. 

Aber vielleicht müsste ich ihnen mehr zutrauen „Lassen Sie die Leute doch, die sind sehr vernünftig und können gut auf sich selber aufpassen.“ Hat ein Bekannter zu mir gesagt. Das hat mir zu denken gegeben. Zuviel Fürsorglichkeit ist wohl auch nicht immer gut, die kann manchmal auch ziemlich klein machen und entmündigen.  Ich habs immerhin mit erwachsenen Menschen zu tun.

Es stimmt: Man wächst an seinen Aufgaben. Man wächst an dem, was andere einem zutrauen.Die verkrümmte Frau, von der die Bibel erzählt, ist daran gewachsen, dass Jesus sie aufgerichtet hat. Für ihn war diese Frau eine Tochter Abrahams und damit von ihrem Schöpfer zu etwas Größerem bestimmt, als mit krummem Rücken und gesenktem Blick durch die Welt zu laufen.

Für mich ein ermutigender Gedanke: Gott will seine Menschenh aufrecht sehen. Auch mit krummem Rücken und all den Päckchen, die wir mit uns herumschleppen will er uns aufrecht sehen. Auch ich bin für ihn mehr als das, was ich im Augenblick darstelle.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie gut aufgerichtet und mit geradem Rücken durch die neue Woche kommen. Genießen Sie die Ruhe und freuen Sie sich auf die neuen Aufgaben. Einen schönen Sonntag heute! Bleiben Sie behütet!

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SWR4 Sonntagsgedanken

21JUN2020
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Heute ist Sommeranfang. Der längste Tag des Jahres. Ich freu mich: auf lange Abende, auf Hitzefrei und große Ferien, auf Kirschen und Pfirsiche und – auf Weihnachten!

Ja, diese herrlichen Tage mit den kurzen Nächten sind ein guter Anlass, um auch jetzt schon mal wieder an die Heilige Nacht zu denken. Erstens, weil Weihnachten genau in einem halben Jahr gefeiert wird, wenn die Tage am kürzesten und die Nächte am längsten sind. Und zweitens wegen Johannes. Johannes der Täufer. Der Mann, der Jesus angekündigt hat. In ein paar Tagen ist sein Geburtstag.

Johannes, so erzählt es die Bibel, war etwas älter als Jesus. Es war seine Aufgabe, auf Jesus hinzuweisen. Gott kommt, hat er gesagt, dann wird sich etwas verändern. Schon wie Johannes selbst zur Welt gekommen ist, zeigt mir, wie das ist, wenn Gott kommt. Da wächst und reift nämlich auf einmal etwas heran, womit kein Mensch gerechnet hätte. Die Bibel erzählt das so:

Für Elisabeth, seine Mutter, ist es ein ganz besonderes Wunder, dass sie und ihr Mann noch ein Kind bekommen. Sie sind doch eigentlich schon viel zu alt, um Eltern zu werden. Und eigentlich haben sie sich auch schon damit abgefunden. Aber dann wird die ältere Frau doch noch schwanger. Und als der kleine Junge gesund zur Welt kommt, staunen die Leute und freuen sich: So etwas, haben sie gedacht, da muss doch wohl Gott am Werk sein!

Ja, dass so etwas geschehen kann.
Ich staune da auch manchmal.
Fruchtbares Alter.
Junges Leben in einem alten Haushalt.
Wenn da nicht Gott am Werk ist.

Natürlich wachsen die Bäume irgendwann nicht mehr in den Himmel. Aber „Es ist alten Weibern nicht verboten, auf Bäume zu klettern.“ Hat Astrid Lindgren gesagt. Und ich merke an mir: Ich habe keine Lust, in meinen letzten Berufsjahren still auf den Ruhestand zu warten, ich möchte da schon noch etwas gestalten, mich zumindest nützlich machen. In den häuslichen Corona-Wochen habe ich tatsächlich noch das Skypen und Zoomen für mich entdeckt und finde das prima. Sommerzeit, auch wenns schon Richtung Herbst des Lebens geht, so kommt mir das vor. Auch die zweite Lebenshälfte kann eine ganz fruchtbare, lebendige, dynamische Zeit sein, wo es voran geht und wo ich etwas voranbringen kann. Anders als vor 30 Jahren, klar, ich muss mich gar nicht mit den Dreißigjährigen von heute vergleichen. Ich muss auch gar nicht versuchen, mit ihnen mitzuhalten und so zu sein wie sie. Ich möchte einfach darauf vertrauen, dass Gott bei mir etwas wachsen und reifen lässt, was mir und anderen gut tut. Daran erinnert mich Johannes, dieser Heilige des Hochsommers.

In seinem kratzigen Kamelhaarumhang hat Johannes in der Wüste gelebt, hat sich von Heuschrecken ernährt und hat den Leuten die Leviten gelesen.

Denkt dran, Leute! Gott wird kommen – und dann? Rechnet ihr überhaupt damit? Kalkuliert ihr das ein, wenn ihr eure Pläne schmiedet und eure Termine macht? Was wollt ihr? Dass möglichst schnell alles wieder so wird wie früher, wie vor der Krise? Fragen, die drängender sind als je und die auch mich zur Zeit beschäftigen.

Johannes erinnert mich daran, dass es durchaus gnädig sein kann, wenn man sieht und hört: So geht’s nicht weiter! Ich habe sogar den Eindruck, dass viele Menschen auf diese Veränderungen warten: Auch ich habe das ja in den letzten Wochen gesehen: Es geht auf einmal ganz viel, wenns nicht anders geht. Man muss nicht unbedingt fliegen, an der Ostsee ist es auch schön. Man muss nicht zu jedem Meeting durch halb Deutschland fahren. Vieles geht auch online – oder ist gar nicht nötig.

Ich glaube, wer kritisch in sich selbst hineinfragt, was er anders machen kann, der trägt wie Johannes auch dazu bei, dass Gott seinen Weg in diese Welt findet

Johannes erinnert mich daran, dass es durchaus gnädig sein kann, wenn man etwas von den Menschen fordert. Solidarität z.B.: „Wer zwei Hemden hat, der gebe eins weiter.“ Hat Johannes gesagt. Dann reichts für alle. Dann reichts vielleicht auch eher für die Betriebe und die Mitarbeiter, die jetzt so hart gebeutelt sind. Wahrscheinlich muss jetzt jeder seinen Beitrag leisten, damit die großen Einbußen in nächster Zeit zumindest etwas gelindert werden. Was ist mein Beitrag?

Johannes erinnert mich daran, dass gerade in Krisenzeiten das Leben nochmal eine ganz neue Tiefe und Intensität bekommen kann. Mit der Zeit ist der heißblütige Prediger dann sogar richtig gelassen geworden.

„Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ So hat er schließlich für sich erkannt und auf Jesus gezeigt. Etwas wehmütig, aber gleichzeitig auch sehr zuversichtlich klingt diese Erkenntnis für mich. Es läuft doch alles auf ein gutes Ziel zu. Christus wird geboren, Gott kommt, er kommt zu mir. Wenn wir anfangen, uns zu ändern.

Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Sommer und heute einen schönen Sonntag. Bleiben Sie behütet!

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SWR4 Sonntagsgedanken

19APR2020
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Ich bin ja gespannt, wie das ab morgen alles weitergeht. „Nach Ostern“, hat es ja geheißen. „Nach den Osterferien“. Da wird es anders. Da kann das Leben langsam wieder anfangen.

Die Bibel erzählt eine Geschichte, da ist es ganz ähnlich. Diese Geschichte erzählt, wie die Jünger, also die Freunde und Freundinnen von Jesus, die Ostertage verbracht haben: Sie sind - zuhause geblieben! Grad so wie Sie und ich in diesem Jahr an den Ostertagen zu Hause geblieben sind. Aber zusammen mit der ganzen Familie wärs halt doch schöner gewesen und die fünfte Woche ohne Schule – wer hätte es gedacht – richtig langweilig für unsere jungen Leute! Manche haben sich auch gar nicht getraut, ihre Wohnung zu verlassen.

So wie die Jünger. Die haben sich offensichtlich nicht vor die Tür getraut, weil sie einfach Angst hatten. Sicher, eine von ihnen, Maria, die hatte ihnen wohl erzählt, dass das Grab von Jesus leer war und dass sie Jesus mit eigenen Augen gesehen hatte, aber so richtig geheuer war ihnen das nicht. Auferstehen, aufstehen, neu anfangen, leben – wie soll das gehen?

Und dann haben sie plötzlich gemerkt: Jesus ist bei ihnen. Die Bibel erzählt, dass Jesus zu ihnen in den verschlossenen Raum gekommen ist und gesagt hat: „Friede sei mit euch!“ Und dann hat er ihnen seine Hände gezeigt, die von den Nägeln am Kreuz verletzt waren. Sie waren so froh, dass sie Jesus vor sich hatten.

Ich stelle mir vor, dass in diesem Augenblick wirklich eine tiefe Ruhe eingekehrt ist. Ja, diesen Frieden Gottes, den stelle ich mir als eine tiefe Ruhe vor. Du hörst die schlimmen Nachrichten Tag für Tag. Aber du lässt dich nicht davon verrückt machen. Du stellst dir vor, wie es jetzt wohl in den Krankenhäusern und Pflegeheimen zugeht, aber du machst dir klar: da sind jetzt verantwortliche Fachleute am Werk, die ihr Bestes tun. Ich spüre diesen Frieden, wenn ich abends mit einem Viertele Wein Feierabend mache. Danke, lieber Gott, bete ich dann, wieder ein Tag und wieder ist es irgendwie weiter weitergegangen. Ich habe getan, was ich heute tun konnte. Und nun möchte ich es auch abgeben und loslassen können. Danke, lieber Gott, und bewahre uns!

Es sind solche Augenblicke, da spüre ich etwas Österliches. Ich glaube, in solchen Augenblicken ist der auferstandene Jesus mit seiner Lebenskraft bei mir, bei uns daheim. Und in solchen Augenblicken weiß ich auch, was für mich dran ist: Aufstehen, weitermachen, nach vorn schauen und den Platz ausfüllen, an den Gott mich gestellt hat.

Jesus hat damals nach Ostern seine Jünger ins Leben geschickt. Und ich hoffe darauf, dass er mich genauso ins Leben schickt: zuversichtlich, besonnen und respektvoll und geduldig, wenn ich mit anderen Menschen zu tun habe. So wie Jesus halt auch den Menschen begegnet ist.

Aber: Ich bin ja nun nicht mit dabei gewesen und kann das nur glauben, was die Jünger damals erlebt haben. Deswegen finde ich es gut, dass die Bibel von dem Jünger namens Thomas erzählt. Der ist nämlich auch nicht dabei gewesen, als Jesus zu den anderen Jüngern gekommen ist. Der konnte nicht glauben, was die anderen ihm berichtet haben.

Deswegen war er zuerst ziemlich skeptisch. Er wollte Jesus selber sehen – sonst könnte er es nicht glauben, dass es wirklich Jesus ist und nicht eine Einbildung oder ein frommer Traum. So etwas gibt es ja, gerade in Krisen: Da flüchten sich manche Menschen in Hirngespinste und Wunschvorstellungen und sagen gar: Mir passiert schon nichts.

Da ist mir die Skepsis von diesem Thomas schon lieber. Er kann nur dann glauben, dass Jesus lebt, wenn es erkennbar derselbe Jesus ist, den er kennengelernt hatte. Ein Heiland eben, also einer, der die Not sieht und sich für die Menschen in Not einsetzt. Einer, der am Ende sogar das Leid und den Tod selbst auf sich genommen hat. Das ist der Jesus, den Thomas lebendig an seiner Seite haben möchte: Den mitleidenden Christus.

Ich glaube, Thomas hat da etwas begriffen, was ich mir auch immer wieder klar machen möchte: Jesus hat mit den Menschen mit gelitten. Er war allen nahe, denen es schlecht geht. Er war bei denen, die Angst hatten und sich große Sorgen gemacht haben. Deshalb ist Jesus hoffentlich auch bei mir, bei uns, wenn es uns so ergeht. Seine Wunden und sein Schmerz zeigen mir: Gott ist genau da am Werk und verändert das Leben.

Für mich ist das eine tröstliche Vorstellung, wenn ich an das Leid in diesen Tagen denke. Selbst wenn es jetzt irgendwann mit dem Einstieg in den Ausstieg vorangeht, ist doch für viele Menschen überhaupt noch kein Ende in Sicht. Viele müssen jetzt weiter zu Hause bleiben. Viele können immer noch nicht zu ihren Angehörigen im Krankenhaus und ins Pflegeheim und manche müssen sich wohl auch Sorgen machen, dass sie sie gesund nicht wiedersehen. Wenn es Ihnen so geht, dann wünsche ich Ihnen sehr, dass Gott sich Zugang verschafft. Zu Ihnen. Zu Ihren Angehörigen. Nicht sehen und doch glauben. Vertrauen Sie auf Gott, dass er Ihnen hilft, die Not und die Unsicherheit zu ertragen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen: einen guten Sonntag, eine gute Woche, viel Kraft und viel Gottvertrauen! Bleiben Sie behütet!

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SWR4 Sonntagsgedanken

08MRZ2020
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Wissen Sie, was Engel und Mütter gemeinsam haben? Sie können manchmal ziemlich nerven. Plötzlich stehen sie neben dir und sagen: „Steh auf und iss!“

Keine Chance, wenn du dich dann nochmal umdrehst und die Decke über den Kopf ziehst. Sie kommen wieder. „Los! Steh auf und iss!“ Du kriechst aus dem Bett. Er riecht nach Kaffee und frischen Brötchen. Der Tisch ist gedeckt. Er schmeckt wunderbar, der Tag kann beginnen.

Gut, dass es diese „Nervensägen“ gibt. Damit ich in die Gänge komme und nicht den Tag verschlafe. Damit ich das Gefühl habe: Wird schon gehen! Damit ich wieder Lust kriege, was zu machen. „Los. Du kannst das! Ich helfe dir auch dabei. Aber aufstehen musst du selber.“ Gut, wenn mir jemand so einen Anstoß gibt. So wie früher meine Mutter. Und jetzt mein Mann. Oder meine Kollegin. Oder welchen Engel auch immer Gott mir vorbeischickt, damit ich mich auf den Weg mache.

Wunderbar, wie auch die Bibel von so einem Aufbruch erzählt: Die Geschichte von Elia, dem Mann Gottes. Elia war ein total engagierter Mann, der sich mit ganz viel Herzblut für Gott eingesetzt hat und für Gottes Gebote und der das schrecklich fand, als das alles mit Füßen getreten worden ist. Und plötzlich kann er nicht mehr! Plötzlich wird ihm das alles zu viel und er will nur noch seine Ruhe haben: Schlafen. Decke über den Kopf. Rutscht mir doch alle den Buckel runter!

Ein biblisches Burn-out? Ein Spätwinter-Blues? Männliche Wechseljahre oder Midlifecrisis? Eine tiefe Lebenskrise gar?
Wie immer. Grad dann, wenn man sich mit ganzem Herzen für etwas einsetzt, kann das passieren, dass man an einen Punkt kommt, wos einfach nicht mehr weiter geht. Man möchte dem Ehemann genauso gerecht werden wie der alten Mutter. Man möchte den Enkelkindern nicht nein sagen, wenn sie anfragen: „Opa, kannst du am Mittwoch nicht…“ Aber im Garten draußen ist jetzt auch schon wieder einiges zu tun. Es ist schon ein Spagat zwischen der Verantwortung, die man in der Firma hat und dem Engagement im Sportverein. Und irgendwann dann der Punkt: So, jetzt ist gut!
Elia, vermute ich, ist auch an so einen Punkt gekommen, als er Bilanz gezogen hat.

Vielen geht das so. Die Kinder sind aus dem Haus. Das Haus ist allmählich abbezahlt. Man sitzt beruflich fest im Sattel und hat seinen Platz im Leben. Und was jetzt noch?
Ich glaube, wer sich diesen Fragen stellt, der braucht jemanden, der einen gerade nicht in Ruhe lässt, sondern mit einer gewissen Penetranz wachrüttelt. „Los, steht auf. Das Leben ist viel zu wertvoll, um es sachte verstreichen zu lassen.“ Deshalb hoffe ich: Gott ist kreativ und weiß, welchen Engel er vorbeischicken muss, damit ich mich aufraffe und die geschenkten Jahre nutze.

 

Erstmal was essen. Hat der Engel zu Elia gesagt. Es muss gar nichts Besonderes sein. Ein paar Scheiben geröstetes Brot, ein Krug mit Wasser. Erstmal essen, dann sieht die Welt schon wieder anders aus. Auch das so etwas, was Engel und Mütter gemeinsam haben. Dieser untrügliche Sinn fürs Praktische. Eine gute heiße Suppe kann manchmal schon Wunder wirken. Ein großer Topf Spaghetti kann ein wunderbarer Seelentröster sein. Kind, iss erstmal in Ruhe, reden können wir später.Keine guten Ratschläge. Schon gar keine klugen Belehrungen. Liebe geht durch den Magen. Das machen Mütter, Ehefrauen und Omas so. Und Gott hat es auch so gemacht, als er seinen Boten, den Engel, zu Elia geschickt hat.

Durch die Kraft der Speise – so hält es die Bibel ausdrücklich fest – hat es Elia geschafft, vierzig Tage und vierzig Nächte lang durch die Wüste zu gehen, um am Ende des Weges eine ganz intensive Erfahrung mit Gott zu machen. Aber vorher, glaube ich, hat er zunächst mal ganz viele Erfahrungen mit sich selber gemacht. Da ist wieder etwas lebendig geworden. Ein neuer Schwung gewissermaßen.

Ich hoffe, dass Gottes Engel bei mir auch so etwas in Bewegung bringt, wenns nötig ist. Aber das werde ich nicht rauskriegen, wenn ich mich verkrieche und mir die Decke über den Kopf ziehe. Dafür muss ich schon aufstehen, anfangen und einfach mal losgehen.

40 Tage und sicher auch so manche schlaflose Nacht wie bei Elia – so viel Zeit muss vermutlich schon sein, um klar zu kriegen, wies denn nun eigentlich weitergeht. Nach einem Abschied z.B., nach einer Trennung. Einfach einen Haken dran mache, das funktioniert meistens nicht. Oder wenn eine wichtige Entscheidung ansteht. Nicht von ungefähr sollte man mindestens einmal drüber geschlafen haben, bevor man eine neue Aufgabe annimmt, sich zu einer komplizierten Behandlung entschließt, das große Haus verkauft und in eine kleinere Wohnung zieht.

Der Engel Gottes gibt nur den Impuls. Die fertige Lösung zu präsentieren, ist offenbar nicht sein Auftrag. Steh auf und gönn dir die Zeit, die du brauchst. Und vergiss nicht zu essen!

Kommen auch Sie jetzt mit diesem himmlischen Impuls gut in die neue Woche! Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag – und bleiben Sie behütet!

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SWR4 Sonntagsgedanken

03NOV2019
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Heute möchte ich Ihnen von einem Mann erzählen, der davon gekommen ist. Er ist verschont geblieben, als es um ihn herum so richtig chaotisch zuging. Er und seine Familie: wohlbehütet und weit weg von der Gefahrenzone. Als ihm das klar geworden ist, da hat er seine Konsequenzen daraus gezogen.

Ich möchte Ihnen heute von Noah erzählen, Sie erinnern sich sicher an diese alte Geschichte aus der Bibel: Noah und seine Arche. Der große Holzkasten, der für Noah und seine Familie Platz bietet. Und für jeweils zwei Tiere von jeder Tierart. Als alle an Bord waren, so erzählt es die Geschichte, hat es tagelang geregnet und alles ist bei dieser großen Flut untergegangen. Die große Flut, das war die Folge der menschlichen Bosheit, erzählt die Bibel. Gott hat nur die Menschen und Tiere, die auf der Arche waren, verschont. Nur denen wollte er nochmal eine Chance geben.

Wenn ich es mir recht überlege, geht es mir ja so ähnlich wie Noah.

Ich sitze ja gewissermaßen auch auf einer Arche und bin durch meine Ausbildung, meinen Beruf, meine Gesundheit, meinen Lebensstandard bestens versorgt. Ich lebe nicht in einem Land wie – Nordkorea z.B. Muss nicht vor Bombenangriffen fliehen wie derzeit viele Menschen im Norden von Syrien.

Nicht nach mir, sondern neben mir eine Sintflut aus chaotischen Lebens- und Umweltbedingungen! Neben mir leiden viele Menschen und Tiere daran. Noah ist davon gekommen. Und was hat er da getan? Was hat er geglaubt?

Die Bibel erzählt, dass Noah als erstes einen Altar gebaut hat, als er aus der Arche gestiegen ist. Vor diesem Altar hat Noah dann als erstes gebetet. Und dann erst werden die Ärmel hochgekrempelt, um aufzuräumen.

Und Noah hat geopfert, erzählt die Bibel. Von dem, was ihm geblieben war, hat er geteilt. Opfern ist ja so, als würde man etwas von seinen Sachen mit Gott teilen. Ich finde das beachtlich, welche Konsequenzen Noah aus der großen Flut gezogen hat.

Noah denkt an Gott und dankt: Ich glaube, das macht sensibel und bewahrt vor Hochmut und Überheblichkeit. Danke, lieber Gott, dass es mir so gut geht. Aber vergiss bitte auch die nicht, die schlechter dran sind. Vielleicht kann ich sogar dabei mithelfen, dass die nicht vergessen sind.  Noah denkt an Gott und teilt:

Ein Teil, der meinem Zugriff entzogen bleibt, ein Teil, das nicht für mich etwas bringen muss, etwas für mich erwirtschaften muss. Das, was ich habe, gehört mir ja letztlich nicht: die Tiere, das Ackerland, die Rebflächen, der Wald, die Weltmeere. Die kann ich nutzen, darf davon leben. Aber ich muss respektvoll damit umgehen. Das ist doch Gottes Schöpfung. So wie Noah danken, teilen und darauf hoffen, dass auch nach der großen Flut ein Gott da ist, der es gut meint, und zwar nicht nur mit mir. Das gibt Halt, glaube ich. Und das motiviert, die Ärmel hochzukrempeln und ein wenig in dem großen Chaos für Ordnung zu sorgen. 

Und Gott? Der hat aus der Sintflut offensichtlich auch seine Konsequenzen gezogen. Nie wieder, so erzählt es die Bibel, sollte so etwas passieren. „Solange die Erde steht, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Hat Gott versprochen. So sorgt Gott also auch für uns, für mich, hoffe ich. Auch wenn er sich offensichtlich keine Illusionen darüber macht, dass wir Menschen so sind, wie wir sind. Keine Heiligen. Nicht perfekt. Manchmal nicht Herr über die eigenen Gefühle. Manchmal eben doch ziemlich egoistisch und neidisch. Oder einfach nur ein bisschen zu faul, um sich fürs Gutes tun aufzuraffen. Es ist nicht alles „sehr gut“ wie vormals im Paradies. Im Gegenteil, manchmal geht es sehr grausam und unfair zu. In sozialen Netzwerken z.B., da ist der Ton sehr sehr rau geworden:

„Das Dichten und Trachten des Menschen Herz ist böse von Jugend auf.“ So Gottes nüchterne Erkenntnis. Auch das hat die Bibel festgehalten. Umso tröstlicher für mich: Gott hat sich vorgenommen, trotzdem Geduld zu haben, damit so etwas wie die Sintflut nie wieder passiert. Und deswegen hat er diesen Bogen an den Himmel gesetzt. Der Regenbogen – ein Naturphänomen. Die Bibel sieht es als ein Zeichen, dass Gott zu dieser unvollkommenen Welt hält.

Der Regenbogen soll zeigen:  Von Gottes Seite aus nie wieder so ein Chaos, das alles mit sich reißt, vor allem Unschuldige. Tiere. Pflanzen. Das ganze Ökosystem. Sondern Bewahrung. Beistand. Segen. Sehr hoffnungsvoll, wie die Geschichte von Noah zu Ende geht, finde ich.

Der Regenbogen. Ein Hoffnungszeichen, das bleibt. Nicht nur für den Teil der Menschheit, der wirtschaftlich und klimatisch besonders gut aufgestellt ist. Nicht nur für die Anhänger einer Religion, einer Kultur. Ein Hoffnungszeichen für eine Welt, in der vieles wunderschön ist, aber eben manches auch fürchterlich. Nie wieder Sintflut. Gott wird dafür sorgen, dass es sich leben lässt. Auch wenn diese Welt kein Paradies ist.

Gottes Regenbogen: eine Ermutigung, auch in dieser zweitbesten aller Welten weiterzumachen, nach vorne zu schauen, die Ärmel hochzukrempeln. Glücklich zu sein. In diesen Sinn: Viel Glück für das, was Sie sich für die neue Woche vorgenommen haben. Viel Segen dafür. Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag. Bleiben Sie behütet.

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SWR4 Sonntagsgedanken

07JUL2019
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Für ein paar Tage wollte ich unterwegs sein und knapp 7 Kilo hatte mein Rucksack schließlich. Da war alles Nötige drin. Eine Flasche Sprudel und ein Taschenbuch hatten auch noch Platz. Und das hat vollkommen gereicht. Das war gerade so viel, dass ichs gut tragen konnte. Normalerweise bin ich viel komplizierter.

Ich gehöre auch zu den Leuten, bei denen immer alles gut zueinander passen muss und alles ganz schön aussehen soll. Außerdem, man muss doch für alle Eventualitäten gewappnet sein – es könnte regnen, es könnte heiß werden, es könnte überhaupt alles Mögliche passieren – und dann?

Unterwegs mit leichtem Gepäck. Das entlastet enorm. Das entlastet nicht nur die Knie und den Rücken. Das macht auch den Kopf frei und schafft Platz, auf neue Gedanken zu kommen und mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Das entlastet von der Sorge, dass irgendetwas nicht reicht oder fehlt.

So habe ich das jedenfalls bei meiner Wanderung erlebt. Ich kann jetzt gut verstehen, warum auch Jesus zu leichtem Gepäck geraten hat. Er ist ja schließlich auch viel unterwegs gewesen und wird deswegen gewusst haben, was es wirklich braucht. Ein Brot, einen Wanderstab, ein Hemd und ein paar Schuhe, das hat er es den Leuten, die er auf den Weg geschickt hat, auf die Packliste gesetzt. So erzählt es die Bibel an einer Stelle.  Sie brauchen noch nicht mal eine Tasche und müssen sich kein Geld in den Gürtel stecken.

Mir kommt das so vor, als hätte Jesus gewusst, wie schwer ich es mir manchmal mache.
Wenn ich nur daran denke, was ich so alles in eine Woche reinstopfe: Die täglichen Pflichten, ja, klar, das muss sein, aber dann eben noch die Stunde Sport und mal eben schnell den Garten auf Vordermann bringen und zum Frisör will ich auch noch. Und dann ist da noch ein schönes Konzert… Muss doch nicht sein! Zumindest nicht alles auf einmal.

Und dann denke ich an den Kleinkram. Ich reg mich über Sachen auf, die es gar nicht wert sind. Verzettele mich in Nebensächlichkeiten. Dieser Kleinkram bindet bei mir oft so viel Zeit und nimmt wichtigen Dingen den Platz weg. Also: Raus damit!
Und die alten Geschichten von früher, die immer wieder in mir hochsteigen, die möchte ich auch nicht mehr mit mir rumschleppen. Oder die guten alten Zeiten, denen ich nachtrauere.

Ich glaube, die könnte ich ruhig mal auspacken. Schluss mit dieser Nachtragerei! Unterwegs mit leichtem Gepäck: Für mich bedeutet das: Reduzieren, loslassen, abgeben und vor allem: vertrauen. Vertrauen, dass Gott es mir leichter machen will. Er sorgt dafür, dass es reicht. Mit so einem Gottvertrauen geht’s einfach leichter voran!

Als ich in den Pfingstferien auf dem Jakobsweg unterwegs war, habe ich da meine Erfahrungen gemacht. Ganz wichtig für mich:  Wo wenig ist, bleibt noch viel Platz, um etwas zu empfangen. Man wird sozusagen „empfänglich“.  Gastfreundschaft habe ich z.B. empfangen. Wie war das nett, wenn unsere Gastgeber nachmittags gesagt haben: kommt, gebt uns eure verschwitzten Sachen, wir haben eine Waschmaschine und einen Trockner, das ist bis morgen früh alles wieder fertig.

Hilfsbereitschaft habe ich empfangen. Du hast zu wenig zum Vespern besorgt: Hier, nimm was von meinem Baguette. Magst du auch ein Stück Käse? Ein Schlückchen Wein hätte ich auch noch dazu.

Manchmal habe ich auch ein Paar Schuhe oder den Anorak von anderen Leuten bei mir in der Rucksack gesteckt, weil da ja noch Platz drin war. Hat mich richtig gefreut, dass ich mich auch mal nützlich machen konnte, obwohl ich ja gar nicht zu den ganz Fitten aus der Gruppe gehört habe.

Ja, wer mit leichtem Gepäck unterwegs ist, der bleibt empfänglich. Ich glaube, auch deswegen fällt die Packliste so knapp aus, die Jesus seinen Freunden mit auf den Weg gegeben hat: Hemd, Schuhe, Wanderstab, keine Tasche und kein Geld im Sack. So sollen sie sich auf den Weg machen und auf die Menschen zugehen, erzählt die Bibel.

Empfänglich werden. Zuhören, ohne schon fertig Antworten zu haben. Sag du. Was brauchst du? Wie geht’s dir?
Bitte sagen können. Auch so eine Sache, die ich jedenfalls immer wieder lernen muss. Am liebsten möchte ich nämlich alleine zurecht kommen und selbständig sein. Manchmal bin ich auch ein bisschen zu stolz, um Schwäche zu zeigen. Aber es tut mir dann doch gut, wenn mir jemand was abnimmt.

Ich denke an meine Tante, die immer recht gelassen sagen konnte: „Ach weißt du, man nimmt ja nichts mit.“ Sie hat verstanden, was Gnade ist. Gnade, das ist das Gespür dafür, dass du eigentlich gar nichts in der Hand hast. Du hast deine Gesundheit nicht in der Hand, du kannst deine Familie und deine Freunde nicht ewig an dich binden. Du selbst bist nicht ewig. Aber du wirst beschenkt. Immer wieder. Mit Lebensfreude. Mit freundlichen Menschen. Mit guten Erfahrungen.  Das ist Gnade, glaube ich. Das ist Gottes Gnade: unverdient, unerwartet und so, dass es dir richtig gut tut.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag heute. Kommen Sie unbeschwert durch die neue Woche  - und bleiben Sie behütet!

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SWR4 Feiertagsgedanken

Der junge Mann war nett. Er hat sofort angehalten und uns gefragt, ob er irgendwie helfen kann. Wir waren wirklich erschrocken, als es mit unserem Auto batsch gemacht hat. Und wir waren heilfroh, dass da bei dem Unfall jemand bei uns war. Die Zierleiste von der Straße aufgesammelt und die Stoßstange so zurückgebogen hat, dass wir wenigstens nach Hause fahren konnten. Und das abends, im Schneeregen. Der junge Mann hätte ja auch weiterfahren können: Geht mich nichts an. Kann ich nicht. Ist nicht mein Ding. Warum ich?

Leider passiert das ja öfter so. Dass Leute sich drücken, weil sie keine Zeit oder Lust haben oder weil sie einfach zu ängstlich sind. Deswegen gefällt mir die Geschichte von Jona so gut. Die Geschichte steht in der Bibel.
Jona hatte auch eine Aufgabe. Gott hatte ihm den Auftrag gegeben, dass er den Leuten in der großen Stadt Ninive die Leviten lesen soll. Und da hat Jona gesagt: Mein Gott, nein, das mach ich nicht, das kann ich gar nicht, ich tauge nicht zum Propheten. Ich bin nicht der richtige Mann für dich. -  Ans Meer ist Jona gelaufen, rauf aufs nächstbeste Schiff, nur weg. Damit er ja nicht ran muss.

Er hätte sich auch die Krankheit flüchten können oder in die eigenen vier Wände oder in seine viele Arbeit.
Manche machen das ja so. Manche packen sich den Terminkalender voll und machen eine Überstunde nach der anderen, damit sie ja nicht so früh nach Hause müssen. Mit der Familie läufts im Augenblick gar nicht rund. Andere ziehen sich total ins Familienleben zurück, weil ihre Arbeit ihnen keinen Spaß mehr macht und gar nichts mehr so recht gelingt. Andere haben ständig Schwindel und fühlen sich schlapp und kein Arzt kann ihnen sagen, was das nun eigentlich ist. Und dann tauchen manche leider sogar wirklich ab, trinken zu viel. O ne, bitte nicht, das schaff ich nicht. Lasst mich alle.

Genauso wie Jona. Jona, erzählt die Bibel, hat sich sogar über Bord werfen lassen. Als er auf seinem Schiff saß, da ist ein großer Sturm gekommen und hat das Schiff fast zum Kentern gebracht und Jona hat gesagt: Schmeißt mich ins Wasser. Und wenn ich untergehe, auch gut. Dann hab ich wenigstens meine Ruhe.

Aber kann man sich auf Dauer wirklich wegducken vor einer Aufgabe, die dran ist? Zum Glück ist Gott ziemlich kreativ und findet eine Möglichkeit, dass ich doch noch da hin komme, wo ich gebraucht werde.
Bei Jona ist der Wal gekommen, erzählt die Bibel. Wie ein Rettungsboot auf hoher See. Und dieser Wal hat ihn in drei Tagen sicher und behütet Richtung Küste gebracht.´Ich hoffe, dass Gott auch für mich die passende Möglichkeit findet, um mich zu bergen und aufzufangen. Doch, du kannst das, du schaffst das. Mit Gottes Hilfe. 

 

Damals hat Jona zu Gott gebetet, ach was, geschrieen hat er, dass Gott ihm hilft. Das hat ihm bestimmt gut getan, irgendwann hat sich wohl das Gefühl bei ihm eingestellt: Gott hört mich. Auch jetzt, wo ich ganz unten bin, Gott hört mich und holt mich hier raus.

Und tatsächlich, nach drei Tagen war Jona wieder an Land. Und diesmal ist Jona gegangen! Seine Aufgabe war immer noch groß. Zu groß für seinen Geschmack, sicherlich. Und Angst hat er bestimmt immer noch davor gehabt. Aber inzwischen hatte er gelernt: Es bringt nichts wegzulaufen, schon gar nicht kann ich vor Gott weglaufen. Gott findet mich. In größter Not und ganz unten. Gerade dann laufe ich Gott in die Arme.

Das macht die Geschichte von Jona für mich zu einer richtigen Ostergeschichte. Auch wenns darin gar nicht um Jesus geht. Es geht auch nicht um das leere Grab und um die Leute, die es mit eigenen Augen gesehen haben, dass Jesus lebt.

Aber eine Auferstehungsgeschichte ist die Geschichte von Jona schon, finde ich. Und finde das sehr, sehr tröstlich: Wenn ich abtauche, dann taucht Gott auf, sucht mich, bleibt dran, damit ich aus dem Loch wieder rauskomme. Wenn ich mich bange mache und an mir selbst zweifle, dann sorgt er dafür, dass ich wieder Land sehe und die Füße auf den Boden kriege.

Aufstehen halt, loslegen, weitermachen, sich nicht unterkriegen lassen. Leben!
Auch das bedeutet für mich Ostern. Und ich denke dabei an die Leute, die genau das tun. Den alten Herrn z.B., der mir erzählt: Okay, dann lass ich mir jetzt halt die Hüfte operieren, kann doch nur besser werden, ich will doch noch was von meinem Leben haben.

Ich denke an die Frau, die sagt: Ich hab nicht viel Geld. Aber ich kann sparen. Und ich kann arbeiten. Das ist viel besser als zu Hause rumhängen und bitte, bitte machen. Stark, mit welchem Selbstbewusstsein die für sich sorgt, finde ich.

Und ich denke an den netten jungen Mann, der bei unserem kleinen Auffahrunfall dabei war. Vielleicht komme ich ja auch mal in so eine Situation, dass ich einen aufgeregten Autofahrer beruhigen und ihm die Zierleisten einsammeln kann. Wie hilfreich das ist, das hab ich ja selbst erfahren.

Geh, mach, tu einfach das, was dran ist! Und keine Bange! So möchte ich Ostern heute nachklingen lassen. So möchte ich diesen österlichen Schwung in die Woche mit reinnehmen. Ihnen einen wunderschönen Feiertag heute, bleiben Sie behütet!

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