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SWR4 Abendgedanken

Abschiede sind wichtig. Es ist nicht egal, wie eine Sache zum Abschluss kommt. Eine Beratung, eine Arbeit, ein Ausflug. Ein guter Schluss ziert alles, sagt das Sprichwort. Das gilt für jeden Tag, für die Woche und das Jahr. Ganz zum Schluss gilt es auch für mein Leben.

Am Abend geht der Tag zu Ende. Die Nacht kommt. Wir ruhen aus von der Mühe des Tages. Ich denke zurück, was an diesem Tag alles geschehen ist: Menschen sind auf die Welt gekommen. Im Nachbarort ist eine Bäckerei überfallen worden. Ein Mann ist mit dem Rad gestürzt. Eine Firma hat dem Kindergarten eine Puppenecke gespendet. Meist hatte ich freundliche Kontakte. Auf der Post. Am Gemüsestand. Meine Freundin hat mir eine Karte aus dem Urlaub geschrieben. Sie hat an mich gedacht. Das ist schön! Vieles konnte ich heute erledigen. Einiges ist nicht fertig geworden. Das muss ich nochmals aufnehmen oder eben unvollendet lassen. Auch das gibt es am Abend: Unfertiges, Offenes, auch Zerbrochenes.   

Am Abend schaue ich zurück und bin dankbar für diesen Tag. So schließe ich den Tag ab mit allem, was darin vorgekommen ist, und lege es in Gottes Hände. Es heißt: dass er es am Ende gut macht. Er kann auch auf krummen Linien gerade schreiben.

Manchmal denke ich: Die vielen kleinen Abschiede und jeder Abschluss am Abend sind wie ein Training, in dem ich den großen Abschied üben kann. Ich weiß nicht, wie ich ihn erleben werde. Gewiss wird auch beim letzten Abschied nicht alles getan sein, was ich mir vorgenommen habe. Nicht alles gesagt, was ich habe sagen wollen. Nicht alles geglückt, wie ich es mir gewünscht habe. Aber auch dann wird es ganz entscheidend darum gehen, dass ich lassen kann. Mich lassen. Fallen lassen in die liebende Hand, von der ein Dichter sagt:

Wir alle fallen und da ist einer, der dieses Fallen
Unendlich sanft in seinen Händen hält.

Jeden Abend mache ich eine kleine Übung im Fallen. Ich lasse los, mich und diesen Tag. Ich lasse mich hinein fallen in Gottes Hände.

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SWR4 Abendgedanken

Überall ist von Angst die Rede. Sie durchzieht wie ein scharfer Geruch das Haus der Welt. Unser Land. Unsere Stadt. Jeden Tag lese ich von Gefahren und schlimmen Ereignissen. Sie machen Angst. Und was macht die Angst mit uns?    

Es gibt kein Leben ohne Angst. Es gibt immer etwas, was uns Angst macht. Angst kann ja auch ein Schutz sein. Sie hält mich ab, Dinge zu tun, die mein Leben gefährden.

Aber was zu viel ist zu viel. Wenn ich im Hauptbahnhof einen Menschen anspreche und spüre, der bleibt aus Angst nicht stehen, dann frage ich mich, wohin uns die Angst führt. Wenn keiner sich kümmert, wenn einer um Hilfe ruft, oder im Bus niemand sich neben einen offensichtlich Fremden setzt, dann erschrecke ich. Angst macht Menschen abweisend und unmenschlich.

Natürlich habe auch ich Angst. Aber ich will nicht, dass sie über mich bestimmt. Dabei helfen mir Menschen, die sich nicht einschüchtern lassen von der Angst. Die mit Fremden reden, die Auskunft geben und weiterhelfen.

So ein Mensch war auch Jesus. Ich würde nicht sagen, dass Jesus keine Angst gehabt hat. Aber ich glaube, er war mutig. Es war ihm wichtig, dass er sagt, was er für richtig hält und dass getan wird, was den Menschen hilft. Er wusste, dass er untrennbar verbunden war mit Gott.

Kein römischer Soldat, kein Verräter aus der eigenen Gruppe, kein Verführer zu Reichtum und Größenwahn konnte ihn einschüchtern. Woher hat er die Kraft genommen? Wie konnte er der Angst die Stirn bieten? Es wird erzählt, dass Jesus sich immer wieder zurückgezogen hat. Er hat die Stille gesucht. Er hat sich Zeit genommen alleine zu sein. Er hat gebetet und hat mit Gott gesprochen, wie mit einem Freund oder einem guten Vater.

Auf der anderen Seite hat ihm die Freundschaft mit seinen Weggefährten den Rücken gestärkt. Und was ich für besonders wichtig halte: Er war davon überzeugt, dass sich etwas ändern kann in der Welt. Dieser Traum war stärker als die Angst. Sie hat ihm Kraft gegeben, sich dafür einzusetzen: dass Menschen fair miteinander umgehen, dass sie einander vertrauen können und gerechte Verhältnisse schaffen. Damit die Welt so wird, wie Gott sie haben will. 

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SWR4 Abendgedanken

Manches Mal geschieht ein Wunder. Es gibt keine Erklärung, wie und was geschieht. Aber es ist so. Es verändert sich etwas zum Guten. 

Dazu habe ich vor ein paar Tagen ein Beispiel aus dem Krankenhaus gehört: Auf der Station gibt es einen Patienten, dem es keiner recht machen kann. An allen hat er etwas auszusetzen. Dank kommt ihm nicht über die Lippen und sein Gesicht kennt kein Lächeln.    

Dann hat eine neue Schwester angefangen. Freundlich ist sie auf den unfreundlichen Mann zugegangen. Alle haben gemerkt, die kann mit ihm umgehen. Wenn Zimmer 14 geklingelt hat, dann haben alle gelacht und gesagt: Gabi für dich. Wer weiß, woran es lag. An wen sie ihn erinnert hat. Jedenfalls war er wie ausgewechselt, wenn sie in sein Zimmer gekommen ist.     

Vielleicht war es so auch bei Hananias. In der Bibel lese ich von ihm: Gott hat ihn zu Saulus geschickt. Vor dem hatten alle Angst, weil er so grausam die Christen verfolgt hatte. Aber Gott gibt dem erfahrenen Hananias den Auftrag: Geh zu Saulus. Hananias hatte Angst und sagte: Ich habe von vielen gehört, wie viel Schlimmes dieser Saulus den Christen in Jerusalem angetan hat. Was wird er mit mir machen? Gott aber ist dabei geblieben und hat gesagt: Geh nur, Hananias. Ich habe ihn ausgewählt und dafür bestimmt, dass genau er auf der ganzen Welt von mir erzählen soll. (Apostelgeschichte 9,13.15)

Sicher konnten es sich damals viele Menschen nicht vorstellen, dass dieser Saulus sich so grundlegend verändern könnte. Auch Hananias hatte Bedenken. Aber dann ist er doch bereit gewesen Saulus zu treffen. Er hat ihn mit Bruder angesprochen und ist ihm von Mensch zu Mensch begegnet. Hananias hat sich darauf verlassen: Wenn Gott mich zu diesem Menschen schickt, dann ist er auch beim Treffen dabei.   

So verändert sich etwas zum Guten. Menschen hören nicht auf das, was andere sagen. Sie hören auch nicht auf die Stimme ihrer Angst. Sie hören auf das, was Gott mit ihnen vorhat. Sie gehen auf den anderen zu und verlassen sich darauf, dass Gott an ihrer Seite bleibt. Dann kann ein Wunder geschehen – wie bei Schwester Gabi und ihrem schwierigen Patienten in Zimmer 14.

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SWR4 Abendgedanken

Jeder Mensch hat einen Großvater. Aber nicht alle kennen ihren Großvater. Manche haben keinen Kontakt. Das kann wehtun.
Kennen Sie Ihren Großvater? Nicht besonders gut, hat ein Mann gesagt. Mein Großvater hat sich nicht sonderlich für mich interessiert. Eine Frau dagegen hat sich erinnert: Mein Großvater war ein toller Mensch. Er hat uns Enkelkinder mitgenommen zu seinem Wiesengrundstück. Dort hat er für uns ein Baumhaus gebaut.

Eine andere Frau erzählt, wie sie darunter gelitten hat und noch leidet, dass sie ihren Großvater nicht kennt. Sie erinnert sich, dass sie in der ersten Klasse einmal gesagt hat: Ich habe keinen Großvater. Da haben alle gelacht. Manche haben sie bedauert. Natürlich hatte sie einen Großvater. Aber sie kannte ihn nicht. Nicht einmal den Namen. Ich weiß nur, hat sie erzählt, dass meine Großmutter sehr jung war, als sie meine Mutter geboren hat. Darum haben sie ihr das Kind weggenommen. Es kam in eine Pflegefamilie. Später nahmen die Pflegeeltern Kontakt auf mit der leiblichen Mutter. So hat meine Mutter ihre richtige Mutter kennengelernt. Aber vom Vater, meinem Großvater, fehlte jede Spur.

Ich frage mich, was für ein Mann er gewesen ist. Hat ihn nicht interessiert, wie seine Tochter aufgewachsen ist? Sagt sie nachdenklich. Er hat sich nie gemeldet. Deshalb hat meine Mutter ihren Vater nicht gekannt. Ob sie darunter gelitten hat, das weiß ich nicht. Jedenfalls war die Frage nach dem Großvater in unserer Familie immer ein Tabu. Niemand schien etwas zu wissen. Da war eine Lücke in der Reihe der Familie. Daher hatte ich keinen Großvater. 
Je älter ich wurde, hat die Frau noch gesagt, umso mehr hat mir das zu schaffen gemacht.

Als ich der Frau zugehört habe, ist mir eine Bekannte eingefallen. Die hat mir neulich erzählt, dass sie jetzt Ersatz-Omi geworden ist für ihre Nachbarskinder. Wenn es brennt, ist sie zur Stelle. Sie holt die beiden ab zum Spielen. Sie sammeln bunte Blätter und die Überraschung für die Mama wird bei ihr versteckt.

Natürlich ist sie nicht die leibliche Großmutter. Aber sie gibt Kindern, was sie brauchen, Geborgenheit und Zeit. Wie eine Oma eben. Oder ein Großvater.  

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SWR4 Abendgedanken

Schön, schöner, am schönsten – billig, billiger, am billigsten. Menschen sind verliebt in Superlative. Doch Superlative sind gefährlich. Im Kampf um die ersten Plätze bleiben viele auf der Strecke.

Jeder möchte gern günstig einkaufen. Und wer freut sich nicht über ein Schnäppchen. Aber der Wettlauf um die billigsten Preise bedeutet oft das Aus für die kleinen Läden. Sie müssen schließen. Es gibt kaum noch ein Sportgeschäft, das nicht zu einer Kette gehört.

Aber Superlative gefährden nicht nur kleine Läden. Sie bedrohen auch das Leben der Menschen im Süden der Erde. Wir wollen ein schönes Leben haben und leisten uns gerne ein bisschen Luxus, vor allem, wenn es nicht viel kostet. Dafür verbrauchen wir jedes Jahr mehr Energie und belasten die Umwelt. Das geht oft auf Kosten der Menschen in Afrika, in Asien und Südamerika. Auf ihren Feldern sollten Gemüse und Mais für ihre Kinder wachsen. Aber es wird dort Soja angebaut als Futtermittel für Rinder. Wir in den reichen Ländern können uns so häufiger ein Steak leisten. Urwälder werden abgeholzt und Kokospalmen angepflanzt. Aus dem Palmöl wird billige Kosmetik hergestellt. Für nur 1,49 gibt es bei uns ein Duschgel zu kaufen.

Die Bibel macht nicht mit beim Kampf um die Superlative. Wenn es nach ihr geht, stehen die Besten nicht immer oben auf dem Treppchen. Keck behauptet sie: Bei Gott bekommen die den ersten Preis, die nicht zuerst möglichst viel für sich selbst herausholen wollen. Und Gott gefällt es auch nicht, wenn die einen superreich und die anderen immer ärmer werden.

Deshalb kaufe ich gerne Kaffee und Reis aus gerechtem Handel. Das ist vielleicht ein wenig teurer, aber ich unterstütze eine Sache, die mich überzeugt. Und wo es geht kaufe ich in Hofläden ein. Ich finde es prima zu kaufen, wo es wächst. Und wenn ich das wähle, was gerade geerntet wird, jetzt z. B. Kürbis und Äpfel, dann komme ich auch so recht günstig zu Obst und Gemüse.  

Nichts gegen günstig einkaufen, aber die Frage, wer dabei auf der Strecke bleibt, darf nicht unter den Tisch fallen.

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SWR4 Abendgedanken

Ich spüre oft eine große Unruhe in mir, hat mir eine Frau erzählt. Sie sagt: Ich fühle mich hin und her gerissen. Was ist stärker? Meine Wut oder meine Geduld? Meine Ängstlichkeit oder mein Mut? 

Das ist nicht nur ihr Problem. Ich kenne das auch. Und Paulus, der Lehrer und Prediger in den ersten christlichen Gemeinden, hat das auch erfahren. Er hat gewusst, wie es sich anfühlt, hin und her gezerrt zu werden zwischen dem Guten und dem Bösen. In einem Brief schreibt er: Das Gute, das ich tun will, das tue ich nicht. Aber das Böse, das ich nicht tun will, das tue ich.

Ich verstehe das so: Das Gute, das ich will, fällt mir nicht in den Schoss. Ich muss mich dafür entscheiden und es versuchen. Paulus gibt praktische Tipps, wie das aussehen kann. Ich kann zum Beispiel die Sorgen meiner Schwester ebenso ernst nehmen wie meine eigenen. Die Partnerin so nehmen wie sie ist und nicht versuchen, sie nach meinen Vorstellungen zu ändern. Meinem Kollegen seinen Erfolg gönnen und mich mitfreuen.

Es gibt viele Wege, das Gute in mir zu nähren und das Böse, alles was Unfrieden bringt, auszuhungern. Nicht nur Christen müssen lernen mit dem Bösen umzugehen. Das ist für alle Menschen wichtig. Davon erzählt eine indianische Geschichte:  

Ein Mann sagt zu seinem Enkel: „Manchmal hab ich das Gefühl, dass in mir ein Kampf tobt. Ein Kampf zwischen zwei Wölfen. Der eine Wolf ist böse. Er ist der Wolf, der Zorn und Sorgen bringt. Der andere Wolf ist gut. Er ist der Wolf der Freude und der Gemeinschaft. Er legt mir nahe zu vergeben. Er macht mir Mut, dass ich mein Schicksal selbst in die Hand nehme und er zeigt mir, wie ich das machen kann.

Eine Weile hat der Enkel nachgedacht. Dann hat er gefragt: Großvater, sag mir, welcher der beiden Wölfe wird gewinnen? Der alte Mann antwortete: Der Wolf, den ich füttere.

Die Geschichte zeigt mir: ich kann mich entscheiden. Der Wolf, den ich gewinnen lassen will, den muss ich füttern und pflegen: immer neu versuchen, das Gute zu tun. Das macht das Gute stark.

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SWR4 Abendgedanken

Wasser kommt aus der Leitung. Und Strom aus der Steckdose. Montags wird der  Müll abgeholt und die Zeitung steckt jeden Morgen im Briefkasten. 
Es ist schön, wenn das immer gut klappt. Fast immer. Neulich habe ich es anders erlebt.

Ich wollte noch schnell die Bluse bügeln. Ich hole also das Bügelbrett hervor, stelle das Bügeleisen darauf. Stecker rein. Temperatur einstellen. Los geht es. Aber nichts tut sich. Das Eisen wird nicht warm. Da fällt mir ein: vor ein paar Tagen ist ein Brief gekommen. Darin stand: am Montag von 9 bis 13 Uhr wird der Strom abgestellt.

Ich habe es meiner Nachbarin erzählt. Sie hat gelacht und dann ihr Beispiel dazu gesetzt. Sie hatte einem Gast einen Kaffee angeboten. Erst nach ein paar Minuten hat sie bemerkt, dass das Wasser nicht heiß wurde. Es gab keinen Strom. Klar, so war es angekündigt worden. Der Gast musste mit einem Glas Wasser vorlieb nehmen. 

Später habe ich gedacht: vielleicht ist es ganz gut, wenn ab und zu etwas nicht klappt. Sonst vergesse ich, wie gut es uns geht und wie viele angenehme Dinge mir das Leben erleichtern. Schon ein Gebet in der Bibel erinnert mich: Nimm das Gute und Angenehme nicht zu selbstverständlich. Vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat und jeden Tag tut. 

Anscheinend braucht man ab und zu eine Erinnerung. Wenn das Konzert ausfällt wegen Krankheit oder der Kindergarten geschlossen bleibt wegen Scharlach, dann stört das den gewohnten Ablauf. Ich bin enttäuscht und es bringt meine Pläne durcheinander. Aber es hat auch eine positive Seite. Es lässt mich neu sehen, wie gut ich es habe und wie sehr ich davon ausgehe, dass vieles selbstverständlich zur Verfügung steht. 

Unterbrechungen lassen mich erkennen, es liegt viel Gutes in meinen Tagen. Ich will es nicht übersehen, sondern es wertschätzen. Wenn ich über den deutschen Tellerrand hinausschaue in andere Länder, dann sehe ich erst recht viel Grund, dankbar zu sein. Ich freue mich und bin dankbar für das Gute und Angenehme, das mir Tag für Tag zur Verfügung steht und mein Leben erleichtert.

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SWR4 Abendgedanken

Viele Menschen ziehen die Schuhe aus, wenn sie heimkommen. Sie schaffen sich dadurch einen besonderen Ort. Sie beachten den Übergang von draußen nach drinnen. Sie machen sich bewusst: ich betrete jetzt unsere Wohnung. Mit den Schuhen streifen sie auch den Lärm und die Hektik des Tages ab. Lassen alle Anstrengungen und unfreundlichen Worte hinter sich.

Eine Geschichte in der Bibel erzählt auch vom Schuhe ausziehen. Mose, der später das Volk Israel aus Ägypten führte, hat die Herden seines Schwiegervaters gehütet. Da hört er eine Stimme: Mose, bleib stehen. Lauf nicht hier rein. Ziehe deine Schuhe aus. Der Ort, wo du gerade stehst, ist heiliges Land. Für Mose ist klar: Das ist Gott, der so mit mir spricht. Gott selbst fordert Mose auf, seine Schuhe auszuziehen. Doch da ist kein Haus oder keine Kirche zum Hineingehen. Das Ganze spielt sich im Freien ab. Aber Mose spürt, da ist etwas Besonderes. Da ist Gott bei mir. Ich bin nicht allein.   

Eine Bekannte hat mir erzählt: Wir glauben, dass Gott bei uns wohnt. Er ist uns nahe, da wo wir zu Hause sind. Er wohnt mit uns wie in einer WG. Das ist der Ort, wo wir geschützt sind und uns geborgen fühlen. Der Gedanke gefällt mir: Menschen wohnen miteinander und Gott wohnt mit dabei. Das macht eine Wohnung zu einem besonderen Ort.

Schuhe ausziehen oder nicht, das kann jeder selbst entscheiden. Es kann aber helfen, einen Ort bewusst zu erleben. Als einen Ort, der anders ist als die Straße, der Sportplatz und der Supermarkt.

Auch in meiner Wohnung gibt es einen Platz, wo ich einfach still dasitzen kann und zurückschauen in den Tag. Wo ich an andere Menschen denke und für sie bete. Dass Gott mit ihnen ist, gerade wenn eine Operation bevorsteht oder eine Prüfung oder wenn ein neues Leben auf die Welt kommt.   

Das gehört für mich zum Abend. Den Tag ausklingen lassen. Von der Arbeit und Mühe des Tages ausruhen. Bis morgen früh die Sorgen lassen. Und darauf vertrauen, dass Gott bei den Menschen wohnt und sie behütet.   

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SWR4 Abendgedanken

„Heimat im Wandel“ heißt das Motto der Heimattage Baden-Württemberg. Sie finden in diesem Sommer in Karlsruhe statt.
Heimat – das ist mehr als zu Hause. Wenn ich gefragt werde: wo sind Sie zu Hause, dann gebe ich meine Adresse an, den Ort und die Straße mit Hausnummer. Wenn ich umziehe, dann ändert sich meine Adresse. Ändert sich auch meine Heimat? Nein. Vielleicht fühle ich mich erst nach Jahren in meiner neuen Region daheim. 

Zu Heimat gehören: Menschen und Landschaften, Mundart, Brauchtum und Speisen. Für mich gehören Erinnerungen dazu: an Schulfreundinnen, spielen am Bach, die alte Steinmauer um den Friedhof und der Schlag der Glocken vom Kirchturm. Für jeden ist etwas Anderes wichtig, wenn es um Heimat geht.

Dennoch klingt Heimat für mich auch belastet. Rückwärtsgewandt. Heimat kann auch heißen, die von anderswo gehören nicht dazu. Die sind nicht wie wir. Die passen nicht zu uns. Wir bleiben lieber unter uns.

Wie Heimat verstanden wird, kann sich wandeln. Es muss sich wandeln. Menschen sind unterwegs, aus ganz verschiedenen Gründen. Sie finden vielleicht Arbeit in einem fremden Land. Oder sie müssen fliehen und anderswo Sicherheit suchen. Deshalb muss Heimat sich öffnen – wie ein Haus. Da bin ich daheim. Da kenne ich mich aus. Daher kann ich andere einladen. Ich kann ihnen zeigen, was mir wichtig ist. Ich kann anbieten, was mir schmeckt. Ich kann teilen, was mir vertraut ist. Das hat auch Jesus erfahren. Er hatte kein eigenes Haus. Aber andere haben ihn eingeladen. So konnte er sich auch unterwegs zu Hause fühlen.

Menschen aus allen Teilen der Welt kommen zu uns nach Baden-Württemberg. Sie kommen als Reisende. Sie kommen, um hier zu arbeiten oder zu studieren. Und seit 2015 kommen auch viele als Flüchtlinge zu uns. Ihre Heimat können wir nicht ersetzen, aber wir können ihnen doch ein Zuhause bei uns anbieten. Viele Menschen machen dabei mit. Andere wehren sich dagegen.

Was Heimat ist und wo, das wird in Zukunft ein wichtiges Thema sein, nicht nur bei den Heimattagen. Für meine Heimat wünsche ich mir, dass unterschiedliche Menschen friedlich miteinander wohnen können.  

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SWR4 Abendgedanken

Danken hat schlechte Karten, denke ich manchmal. Danken liegt nicht im Trend. Es ist uncool geworden. 
Eine Frau sagt zu einer anderen: Dein Geschenk hat mich sehr gefreut. Vielen Dank. Die andere antwortet: Nichts zu danken.

Ich finde es schön, wenn Menschen schenken und einander helfen. Und es gefällt mir, wenn sie kein großes Tamtam darum machen. Aber schade finde ich, wenn ich mich bedanke und zur Antwort bekomme: nichts zu danken. Das heißt ja so viel wie: Du brauchst nichts zu sagen. Was ich getan habe, ist nicht der Rede wert. Es gibt nichts zu danken.

Warum ist das so? Ist das pure Bescheidenheit? Jesus war bestimmt kein Wichtigmacher. Er hat den Menschen gerne geholfen. Aber auch er fand danken wichtig und hat sich darüber gefreut. Einmal hat er zehn Männer von ihrer Krankheit geheilt. Nur einer von ihnen ist zurückgekommen und hat sich bei ihm bedankt. Das hat Jesus gefallen. Es hat ihn aber gewundert, dass die anderen einfach weitergegangen sind. Sie fanden nicht, dass es da etwas zu danken gab.

Ich finde Danke sagen wichtig. „Danke“ ist so eine Art Feedback, eine Rückmeldung. Ich sage dem anderen, wie gut es mir getan hat, dass er an mich gedacht hat. Wie soll er das sonst wissen? Ich glaube, das stärkt die Hilfsbereitschaft. Es ermutigt, anderen Gutes zu tun. Deshalb finde ich Danken so wichtig.

Ich stehe an der Straße. Die Autoschlange scheint endlos. Da kommt schon die Straßenbahn. Gott sei Dank, einer hält an. Ich kann schnell überqueren und bekomme gerade noch die Bahn. Dass einer aufmerksam gewesen ist, hat mir eine halbe Stunde geschenkt. Ich hätte sonst auf die nächste Bahn warten müssen.  

Ein anderes Mal bringe ich einen Brief zur Post. Alle Parkplätze sind belegt. Da streckt mir ein Mann seinen Parkschein hin und sagt: Ich fahre weg. Wenn Sie wollen – es sind noch 8 Minuten drauf.  

Und da soll ich nicht danke sagen. Soll einfach davonrennen, ohne dem anderen zu zeigen, wie hilfreich sein Verhalten für mich gewesen ist? Es müssen nicht immer Worte sein, ein Zeichen mit der Hand, ein Lächeln oder auch mal ein großzügiges Trinkgeld – ich kann auf viele Weisen danke sagen.   

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