Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR4

 

Autor*in

 

Archiv

SWR4 Sonntagsgedanken

-Glaube und Einsatz für den Nächsten.
Der Glaube an den Gott der Bibel ist nicht bloß ein innerliches Gefühl. Nein, wer an den Gott der Bibel glaubt, der wird das auch in seinem Verhalten zeigen. Wer sich im Gottesdienst zu Hause fühlt, der wird sich für andere einsetzen, die es schwer im Leben haben. Beides gehört unauflöslich zusammen.

Einer, der das verstanden und gelebt hat, war Dietrich Bonhoeffer, der Theologe, Christenmensch und Widerstandskämpfer. Im April 1943 wurde er verhaftet, weil er sich am Widerstand gegen das Naziregime beteiligt hat. Zwei Jahre später – kurz vor Ende des Kriegs – wurde er auf persönlichen Befehl Hitlers hingerichtet.

Was hat er heute noch zu sagen? Warum an ihn denken im Juli 2018? Bonhoeffer hat schon früh gemerkt, was damals los war. 1933 im April, kaum ein Vierteljahr nach der Machtergreifung durch die Nazis, da hatte die Ausgrenzung der jüdischen Mitbürger schon begonnen. Bonhoeffer hat damals nicht geschwiegen. „Öffne deinen Mund für die Stummen!“ In diesem Satz aus der Bibel hat er einen Auftrag für sich gesehen. Und die Stummen, das waren für ihn die Juden. „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen“, sagt er später immer wieder.

Bonhoeffer ist auch selber aktiv geworden. Er hat Juden über die Grenze ins sichere Ausland geholfen. 1940 hat er sich dem Kreis der Verschwörer gegen Hitler angeschlossen. Er knüpft Kontakte zur Widerstandsbewegung im Ausland. Irgendwann fliegt das alles auf. Dann wird er verhaftet und landet im Gefängnis. Er hat um das Risiko gewusst, das er eingegangen ist, als er sich dem Widerstand angeschlossen hat. Aber das nicht zu tun, wäre keine Alternative gewesen für ihn. Kurz bevor er verhaftet wird, sagt er: „Mag sein, dass der jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gerne die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.“

Der Aufenthalt im Gefängnis setzt ihm körperlich und seelisch zu, Angst vor dem Tod und dann wieder hoffnungsvolle Momente. Aber er spürt auch: In größter Not ist Gott ganz nah. Immer wieder haben Menschen diese Erfahrung gemacht und weiter gegeben. Dietrich Bonhoeffer hat darüber ein Gedicht geschrieben. Viele kennen das als Lied. Gerade in dunklen Stunden kann es einen trösten: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

II.
„Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.“ So fängt Dietrich Bonhoeffers Gedicht an, das er im Dezember 1944 im Gefängnis geschrieben hat. Davon habe ich Ihnen gerade hier in den SWR4-Sonntagsgedanken erzählt.

Für Dietrich Bonhoeffer sind Engel die guten Mächte. Sie haben ihn und seine Lieben behütet und getröstet. Das hat er geglaubt und gespürt.. Der Gott der Bibel lässt sich von der Not seiner Menschen anrühren. Er schickt ihnen seine guten Mächte. Er ist bei den Verfolgten. Bei denen, die nicht wissen, wie es weitergehen soll. Er ist bei den Gefangenen. Ich finde: Das gilt doch nicht nur für mich! Da kann ich doch nicht still bleiben, wo Menschen in Not geraten. Engel, glaube ich, das sind doch nicht nur Männer mit Flügeln. Kann ich nicht auch einer sein, für jemanden, der mich braucht? Dietrich Bonhoeffer hat sich im Gefängnis auch durch seine Familie getragen gefühlt. Einmal schreibt er in einem Brief an seine Braut: „Du, die Eltern, die Freunde, ihr alle… ihr seid mir immer ganz gegenwärtig.“ Das hat ihm im Gefängnis geholfen.

Ich sitze heute nicht im Gefängnis. Was kann ich tun für andere? Für Menschen, die keine Familie haben. Für Kinder, um die sich keiner kümmert. Für Alte, die allein sind. Damit sie die guten Mächte um sich spüren?

Am 9. April 1945, einen Monat vor Ende des Krieges, wurde Dietrich Bonhoeffer hingerichtet. Die Nazis wollten ihn noch beseitigen. Aber seine Botschaft haben sie nicht auslöschen können. Von Gottes guten Mächten hat er sich behütet und getröstet gewusst. Sie haben ihn bis zum Schluss stark gemacht – und ich glaube: sie ermutigen Menschen bis heute.

Gott ist mit seinen guten Mächten bei mir, auch wenn ich scheinbar alleine bin. Das bleibt, gerade heute, im Juli 2018.
Gott sei Dank ist es heute nicht so gefährlich wie zu Bonhoeffers Zeiten, den Mund aufzumachen und für andere da zu sein. Ich finde, das ist ein großes Glück und eine große Chance. Der Glaube an den Gott der Bibel ist nicht bloß ein innerliches Gefühl. Er setzt mich in Bewegung, weil ich darauf hoffen kann: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Ich wünsche Ihnen einen frohen Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26729
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

In dem Dorf, in dem ich lebe, gibt es noch einen Schäfer. Ich schätze mal, rund zweihundert Schafe hat er. Mit ihnen beweidet er die Wiesen rund ums Dorf. Vor allem die steilen und die mit den alten Obstbäumen, die sonst nicht mehr gemäht würden. Ich schaue ihm gerne zu, wenn er mit seinen Schafen von einem Weideplatz zum nächsten zieht. Weil mich das an ein altes Bild aus der Bibel erinnert. Das Bild vom guten Hirten, der für seine Schafe sorgt. In den Gottesdiensten in den evangelischen Kirchen wird heute darüber gepredigt.

Psychologen sagen nämlich, dass das Bild vom guten Hirten, der für seine Schafe sorgt, eine Tiefenschicht habe. Es sei ein Urbild für die Sehnsucht von Menschen nach Geborgenheit. Wir Menschen wollen frei entscheiden können, was wir tun und was wir lassen. Was wir denken und was wir glauben. Was wir für richtig halten und wofür wir uns einsetzen. Aber zugleich brauchen wir das Gefühl, dass wir, etwas altmodisch gesagt, gehalten und getragen sind. Ein Urvertrauen, aus dem heraus wir leben können. Für dieses Urvertrauen steht das Bild vom guten Hirten, der für seine Schafe sorgt. Der Gott, von dem die Bibel erzählt, ist wie ein guter Hirte. Er ist einer, der für seine Menschen sorgt. Einer, bei dem sie sich geborgen und getragen fühlen können. Der seine Schafe nicht auch allein lässt, wenn Sie Schweres durchmachen müssen. Psalm 23 beschreibt dieses Urvertrauen, Sie kennen ihn vielleicht: „Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln … Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.“

Vielleicht denken Sie jetzt: Das ist doch ein ziemlich veraltetes Bild, der gute Hirte, der für seine Schafe sorgt. Ein wenig vergilbt, wie ein altes Foto. Ein bisschen sentimental, gute alte Zeit halt. Manche sagen auch, Christenmenschen sind doch keine Herdentiere. Die haben ihren eigenen Kopf. Aber Schafe trotten halt hinterher, wie dumm. Freie Menschen laufen doch niemandem einfach hinterher. Die wollen selber entscheiden, haben einen eigenen Willen. Warum soll man dann dieses alte Bild vom guten Hirten, der für seine Schafe sorgt, nicht einfach in der Schachtel lassen, in der die alten Bilder aufbewahrt sind?
Aber manchmal tut mir das gut, wenn ich spüren kann, es wird für mich gesorgt. Und manchmal bin ich auch vielleicht auch wie der Hirte in diesem Bild.

Ich  glaube, dass das ganz gut beschreibt, was mich als Menschen eben auch ausmacht. Wie jeder Mensch habe ich doch immer andere Menschen, für die ich sorge. Für die ich verantwortlich bin. Die mir anvertraut sind. Ob das die Kinder sind oder die Enkel. Oder die alten Eltern, die sich selber nicht mehr versorgen können. Die Menschen am Arbeitsplatz, für die ich als Vorgesetzter Verantwortung trage. Oder wenn ich mich für andere einsetze in einem Verein oder in der Kirchengemeinde. Da sorge ich für andere. Aber da habe ich auch Macht über andere.

Macht, meine ich, ist an sich nichts Verwerfliches. Jeder Mensch hat in einem gewissen Sinn Macht. Jeder Mensch, der in der Welt ist, wirkt durch seine Art, sein Handeln, durch das, was ihm wichtig ist. Auch durch das, was ihm an Fähigkeiten und Gaben geschenkt ist. Und übt dadurch natürlich auch Macht und Einfluss auf andere aus. Entscheidend ist allein dabei, wie ich das mache. Wie ich meine Macht gebrauche. Dass ich meine Fähigkeiten und Möglichkeiten für andere einsetze. Man kann seine Macht auch missbrauchen. Wenn ich mich nur für mich selbst einsetze und nicht für die, für die ich Verantwortung habe.

Menschen können und sollen füreinander gute Hirten sein. So beschreibt es die Bibel. Und Gott ist wie ein guter Hirte, von dem Menschen das lernen können. Füreinander Hirte sein. Ein Beispiel? In dem Dorf, in dem ich wohne, gibt es seit einigen Jahren die Wurzel. Das Wurmlinger Zentrum für Lebensqualität. Dort setzen sich viele für andere im Dorf ein. Betreiben ein Begegnungszentrum für kulturelle Zwecke und zur gegenseitigen Hilfe von Jung und Alt. Erarbeiten Konzepte, dass alte Menschen durch die Vernetzung verschiedener Dienste möglichst lange im Dorf und damit zu Hause leben können. Bringen Menschen mit ihren Talenten, Bedürfnissen und Kenntnissen zusammen. Steigern die Lebensqualität im Ort und sind für mich Hirten füreinander.

Das Bild vom guten Hirten, der für seine Schafe sorgt. Mir fällt es immer ein, wenn ich dem Schäfer aus meinem Dorf begegne. Es erinnert mich daran, dass Gott wie ein guter Hirte für mich sorgt. Und dass ich von ihm gerade das für andere Sorgen lernen kann. Da, wo ich Verantwortung für andere habe.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26261
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Ich bin nicht gut im Warten. Muss ich echt zugeben. Morgens oder abends im Stau, wenn’s nicht vorwärts geht, da könnte ich manchmal aus der Haut fahren. Bringt natürlich nichts. Aber vielleicht kennen Sie das auch, dass einen das Warten zermürben kann. Im Stau oder beim Arzt im Wartezimmer oder wenn einer nicht pünktlich ist. Ich bin nicht gut im Warten. Weil es mir so oft pressiert, wie man im Schwäbischen sagt.

Aber nicht nur in diesen alltäglichen Erfahrungen merke ich, wie schwer mir das Warten fällt. Je älter ich werde, desto mehr denke ich: So, wie es ist, kann es doch nicht bleiben. Es muss sich doch was ändern, damit es gut wird. Ich warte darauf, dass es gerechter zugeht in der Welt. Dass die Armen nicht ärmer werden. Dass nicht Kriege auf dem Rücken unschuldiger Menschen ausgetragen werden wie im Jemen gerade. Dass die Gier nicht alles bestimmt, die Gier nach Einfluss und Macht, nach Rohstoffen, nach Geld. So vieles schreit doch zum Himmel.

Ich bin nicht gut im Warten. In einem alten Adventslied höre ich von einem, der das auch schier nicht aushält, das Warten-Müssen. Und das Unrecht, das er erlebt. Vielleicht kennen Sie das Lied. „O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf! Reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für!“

„Heiland, komm und mach endlich was.“ Hören Sie auch die Ungeduld? Dass einer es schier nicht aushält, warten zu müssen? Das Lied stammt aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs. Ein Jesuitenpater hat es gedichtet, Friedrich Spee von Langenfeld. Friedrich Spee von Langenfeld hat sein halbes Leben im Schatten des Dreißigjährigen Krieges verbracht. In diesem schrecklichen Krieg haben sich die Völker Europas aus religiösem Fanatismus und nationalistischen Eigeninteressen abgeschlachtet. Und haben erst aufgehört, als sie nicht mehr konnten. Als die deutschen Fürsten- und Herzogtümer 40 Prozent ihrer Bevölkerung und ihres Volksvermögens verloren haben. In manchen Regionen Württembergs haben von 100 Einwohnern keine 10 überlebt. Und er, der Jesuitenpater, erlebt das alles hautnah. Die Kranken, Verwundeten und Sterbenden in den Spitälern, denen er Trost spenden soll. Denen er an Weihnachten von der Liebe Gottes predigen soll. Gottes Liebe wird sichtbar in einem Kind in der Krippe. Ja, und?? „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm, ach komm vom höchsten Saal, komm tröst uns hier im Jammertal!“ heißt es in seinem Lied.

Die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs war auch die Zeit der Hexenverfolgung. Spee war ihr leidenschaftlicher Gegner – und er war Beichtvater ihrer Opfer. Er beschreibt die Ausweglosigkeit der Frauen, die der Hexerei angeklagt waren. Er hat Partei für sie ergriffen. Er hat bezweifelt, dass Aussagen unter Folter in irgendeiner Weise zur Klärung beitragen können. Er hat sich gefragt, was er tun kann, um diesen Frauen zu helfen. Er fragt Gott, wie es um seine Gerechtigkeit steht. „Hier leiden wir die größte Not, vor Augen steht der ewig Tod; ach komm, führ uns mit starker Hand vom Elend zu dem Vaterland.“

Den Terror der Hexenverfolgung konnte Spee nicht stoppen. Aber er hat getan, was ein Einzelner tun kann: er hat nicht geschwiegen. Er hat nicht resigniert. Nicht die Hände in den Schoß gelegt. Nicht gedacht und gesagt: Kannst eh nichts machen. Er hat getröstet und Bücher geschrieben gegen diesen Wahnsinn. Er tritt darin für die Unschuldsvermutung ein. Für faire Verfahren vor Gericht. Er wirbt für Menschen- und Frauenrechte. Und er hat Gott angefleht um Hilfe und Trost. Er ruft nicht nach dem süßen Christkind, sondern nach dem Heiland. Nach dem Mann, der selbst unter das Rad der Geschichte geriet und ein Opfer von Gewalt wurde.

Heute ist auch der Internationale Tag der Menschenrechte. Am 10. Dezember 1948 haben 56 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte unterschrieben. Zu den Menschenrechten gehört das Recht auf Leben, Eigentum, Gesundheit. Die Menschenrechte fordern die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Sie garantieren die Meinungsfreiheit und die Religionsfreiheit, um nur einige zu nennen. Diese Menschenrechte sind ein Gradmesser. Ein Gradmesser dafür, wie es um die Menschlichkeit in der Welt bestellt ist. Gott sei Dank gibt es Organisationen wie amnesty international. Organisationen, die nicht nur an diesem Tag den Finger in die Wunde legen und weltweit Menschenrechtsverletzungen benennen.

Ich bin nicht gut im Warten. Aber das lerne ich von Friedrich Spee: Man kann schon etwas tun. Nicht wegschauen, wenn sie einen anderen verächtlich machen oder herabwürdigen. Den Mut haben, was zu sagen, wenn über andere abfällig geredet wird. Ich finde, ohne diese Haltung kann es nicht richtig Weihnachten werden.

Ich wünsche Ihnen einen frohen Adventssonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25490
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Wovon lebt ein Mensch? Nicht vom Brot allein, sagt die Bibel. Aber doch jedenfalls auch vom Brot, also von Essen und Trinken. Und jeder Mensch braucht zum Leben auch andere Menschen, denen er vertrauen kann. Nur so kann das Leben sich regen und entfalten. Jesus hat das alles in das Bild des Brotes gefasst: „Unser täglich Brot gib uns heute“ hat er gebetet. Was wir zum Leben haben, ist eigentlich doch ein Geschenk. Ein Geschenk von Gott. Das meint dieses Bild.

Und Martin Luther hat später dazu erklärt, Brot sei alles, was man zum Leben braucht: also Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung und ein Einkommen, von dem man leben kann. Aber genauso hat er dazu gezählt: eine gute Regierung, gutes Wetter, Friede, Gesundheit, gute Freunde und Nachbarn und anderes mehr. Wenn Menschen das nicht haben, hungern sie.

Hunger, Brot und Sattwerden, das taucht alles auch in einer Geschichte der Bibel auf, die ich Ihnen heute Morgen erzählen möchte. Reichlich dick trägt die auf. 5000 Menschen werden satt von fünf Broten und zwei Fischen und am Ende ist mehr übrig, als vorher da war (Joh 6, 1-13). Fast aus dem Nichts ist genug für alle da.

Am Anfang erzählt die Geschichte, dass Jesus in ein Boot steigt und über den See wegfährt. Und viele Menschen folgen ihm, 5000 sollen es gewesen sein. Die Leute laufen Jesus nach, weil sie mitbekommen haben, dass er Kranke geheilt hat. Weil wohl eine besondere Faszination von ihm ausgegangen sein muss. Erwarten sie wieder etwas Spektakuläres von ihm? Auf jeden Fall knurrt auch nach der schönsten Predigt irgendwann der Magen und Jesus fragt Philippus, einen seiner Jünger: „Wo kaufen wir Brot, damit die Leute zu essen haben?“

Und Philippus weiß auch gleich, dass das eigentlich nicht geht: „Das schaffen wir nicht. Zweihundert Silbergroschen bräuchten wir, unmöglich. Selbst wenn wir das Geld hätten, satt würde davon keiner. Und überhaupt, wo sollten wir hier draußen Brot kaufen können?“ So ist Philippus, skeptisch und ein Realist.

Diese Seite kenne ich von mir ja durchaus auch, wenn ich ehrlich bin. Wie soll das gehen, denke ich manchmal, wir haben doch viel zu wenig Mittel und Möglichkeiten? Das schaffen wir auf keinen Fall. Niemals. Das ist völlig hoffnungslos. Lasst uns die Sache abblasen, bevor es peinlich wird.

Was kann man denn schon tun gegen das Elend in der Welt? Und ich als Einzelner? Natürlich ist das ein Skandal, dass Menschen hungern wie gerade in Ostafrika und im Jemen und dass andere im Überfluss leben. Doch was kann ich schon daran ändern? Aber – ist das eine Lösung, diese Haltung?

Aber zum Glück ist da noch Andreas, ein anderer Jünger von Jesus. Der schaltet sich ein. Er hat wenigstens eine Idee: „Schaut mal, das Kind hier hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische.“ Andreas, das ist einer, der mit einem vorsichtigen Optimismus ausgestattet ist. Und der sagt ihm: Irgendwie müssen wir was versuchen. Auch wenn ihm sicher sonnenklar ist, dass davon die fünftausend Leute niemals satt werden können. Aber Nichtstun ist doch keine Lösung!

So denken wie dieser Andreas. Das kenne ich auch. Man kann sich doch nicht einfach zurücklehnen und die Dinge so laufen lassen. Wir Menschen haben doch Verantwortung füreinander und für die Verhältnisse, in denen wir leben. Wir müssen es doch wenigstens versuchen, etwas mehr Gerechtigkeit und Hoffnung in die Welt zu tragen. Auch wenn es schwer ist. Auch wenn ich oft mutlos bin. Wenigstens etwas versuchen, irgendwo anfangen: Das ist doch allemal besser, als die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun. Lieber klein anfangen als gar nicht.

Und Jesus? Er nimmt das bisschen Brot, spricht das Dankgebet und verteilt es an die Leute, die dort sitzen. Genauso macht er es mit den Fischen. Und: Alle werden satt! Zum Schluss bittet Jesus, die Reste einzusammeln, damit nichts verdirbt. Da werden zwölf Körbe voll. Am Ende ist mehr übrig, als am Anfang da war.

Wie das gegangen ist, erzählt die Geschichte nicht. Ob sich das Brot verwandelt hat – oder die Menschen? Vielleicht hatten ja auch noch andere Leute was zu essen dabei. Das haben sie dann nicht für sich behalten, sondern ausgepackt und miteinander geteilt. Wenn man sich wirklich als Gemeinschaft versteht, ist so was ja durchaus möglich.

Für mich bringt diese Geschichte vieles durcheinander, was ich für selbstverständlich halte. Wenn ich bete: „Gib uns unser täglich Brot“ und dann mehr habe, als ich brauche – das lässt mich doch nicht unberührt. Sollte ich dann nicht auch teilen mit denen, die zu wenig haben?

Mich ermutigt diese Geschichte, großzügig zu sein. Man kann etwas tun gegen Armut und Hunger– man muss bloß anfangen! Die Geschichte von den 5000 hungrigen Menschen sagt mir: Das hat Sinn! Teilen macht Sinn. Es könnte für alle reichen – wie durch ein Wunder.

Ich wünsche Ihnen einen frohen Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24715
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

„Du siehst mich!“ Wenn ich das zu einem anderen Menschen sage, dann ist da immer auch Dankbarkeit dabei. Wenigstens Du siehst mich. Wenn auch alle anderen mich übersehen, nichts von mir wissen wollen. Du siehst mich, und dafür bin ich Dir dankbar. Weil ich mich bei Dir aufgehoben und verstanden fühle.
„Du siehst mich!“ Das sage ich zu einem anderen, wenn ich die Erfahrung mache, ich bin dem anderen wichtig. Er sieht mich, so wie ich bin. Sieht mich so, wie das Leben mich gemacht hat. Sieht mich mit allem, was mir gelingt, und mit allem, was schief geht.

Diese Erfahrung hat das Motto des evangelischen Kirchentags in diesem Jahr aufgenommen. „Du siehst mich“, steht auf den orangefarbigen Plakaten unter zwei großen Augen. Der Kirchentag hat von Mittwoch bis gestern in Berlin stattgefunden. Kirchentag – das ist alle zwei Jahre ein großes Fest des Glaubens. Menschen ganz unterschiedlichen Alters, ganz verschiedener Herkunft sprechen miteinander über biblische Geschichten, sie denken über die Fragen der Zeit nach und diskutieren, sie hören Vorträge, feiern Gottesdienste, und besuchen Konzerte. Sie holen sich Anregungen für ihr eigenes Leben. Und machen hoffentlich die Erfahrung, Mensch ich bin nicht allein mit meinen Fragen, mit dem, was ich glaube, und mit dem, was mich beschäftigt. Und ich komme weiter, wenn ich mit anderen darüber reden und mich austauschen kann. Wenn ich spüre, ein anderer sieht mich, nimmt mich wahr und ich bin ihm wichtig.

Heute ist der Abschlussgottesdienst in Wittenberg. Zweihunderttausend Menschen werden erwartet. Kirchentag und Wittenberg, natürlich geht es da heute auch um das Reformationsjubiläum. In Wittenberg soll ja vor 500 Jahren Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an die Tür der Schlosskirche angeschlagen haben. Luther hat es anfangs als Bedrohung erlebt, dieses „Du siehst mich“. Für ihn hieß das: Die anderen Menschen, und auch Gott beobachten mich. Ob ich alles richtig mache. Aber dann hat er erkannt: Gott sieht mich – weil ich ihm wichtig bin, so wie ich bin. Weil er will, dass es mir gut geht. Luther ist diese Erkenntnis durch das Lesen in der Bibel klar geworden. Sie hat sein Leben radikal verändert. Und seine Sicht auf die Kirche seiner Zeit.


In der Bibel sind die Erfahrungen von Menschen festgehalten, die das zu Gott sagen: „Gott, du siehst mich!“ Eine davon ist Hagar. Ganz am Anfang der Bibel wird von ihr erzählt. Ihre Geschichte führt einen in eine fremde, vergangene Welt. Und doch ist diese Geschichte aufgeschrieben und in der Bibel weitergegeben worden. Weil sie diese Erfahrung festhält: „Gott, du siehst mich!“

Aber ich will der Reihe nach erzählen: Es fängt an mit Abraham und Sarah. Die sollen ihre Heimat verlassen und in ein fremdes Land gehen. Dafür verspricht Gott ihnen seinen Segen und zahlreiche Nachkommen. Aber das mit den Nachkommen zieht sich hin. Nachdem sie schon zehn Jahre in der neuen Heimat leben und Sarah immer noch kein Kind geboren hat, nimmt sie die Sache selbst in die Hand. Sie greift auf ein damals übliches Verfahren zurück. Sie verlangt von ihrem Mann, er solle mit ihrer Sklavin Hagar ein Kind zeugen. Gefragt wird Hagar nicht. Sie ist die Leihmutter, die nichts zu sagen und keine Rechte hat.

Als Hagar schwanger wird, kommt es zum Konflikt. Hagar wird so schlecht behandelt, dass sie keinen anderen Ausweg weiß und wegläuft. Dort auf der Flucht durch die Wüste an einer Wasserstelle findet ein Fremder die verzweifelte junge Frau. Er macht ihr Mut, zurückzugehen, auch wenn die Situation bei Sarah und Abraham nicht leicht für sie sein wird. Er verspricht ihr, dass auch sie viele Nachkommen haben wird. Und er befiehlt ihr, den Sohn, den sie bekommen wird, Ismael zu nennen. Ismael, das heißt: Gott hört. Und Hagar? Für sie ist diese Begegnung eine Begegnung mit Gott. Von da an nennt sie ihn: „Gott, der mich sieht!“

„Gott, du siehst mich!“ Als sie sich ganz verlassen fühlte, war Gott für Hagar da – durch diesen Fremden am Brunnen. Durch ihn spürt Hagar: Gott lässt mich nicht allein. Er sieht, wie es mir geht. Er wird mir helfen. Auch wenn die Wende der Not nicht sofort geschieht. Sie vertraut jetzt darauf: Gott ist einer, der das Elend sieht. Wen Gott sieht, den lässt er nicht im Stich.

Für Martin Luther übrigens war dies auch ganz wichtig. Gott sieht „in die Tiefe, in Not und Jammer ... er ist nahe allen denen, die in der Tiefe sind.“ Du siehst mich! Ich finde, dieses Motto des Kirchentags passt auch prima zu Wittenberg. Dort wo heute der Abschlussgottesdienst des Kirchentags gefeiert wird. Nachher um 12. Er wird auch im Fernsehen übertragen. Wenn Sie also Lust und Zeit haben, schalten Sie ein. Sie können mit dabei sein bei den zweihunderttausend Menschen auf einer Wiese an der Elbe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24266
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Glauben gibt es nicht ohne Zweifel. Leider. Dabei wäre das so leicht und schön, wenn man fest und sicher auf Gott vertrauen könnte, in jeder Situation. Wenn man keine Angst haben müsste vor der Zukunft. Wenn Schicksalsschläge einen nicht umwerfen würden. „Gott ist mein Licht und mein Heil“, heißt es in einem Gebet in der Bibel. „Wovor sollte ich mich fürchten?“ Wie schön, wenn ein Mensch so glauben kann.

Aber meine Lebenserfahrung sagt mir: Irgendwie kann der Zweifel jeden erwischen. Mir ist das vor einiger Zeit so ergangen. Da ist ein Verwandter von mir gestorben. Mit 36. Ganz plötzlich. Völlig unerwartet. Ehemann, Vater einer kleinen Tochter. Hat sich nach dem Sport nicht gut gefühlt und ist allein heimgegangen. Niemand war zuhause. Seine Frau hat ihn später tot gefunden. Mitten aus dem Leben gerissen. Ein geschätzter Kollege in seinem Geschäft, aktiv in der Kirchengemeinde seines Heimatorts. Und niemand konnte es verhindern, dass er einfach so starb. Viel zu früh. „Hätten wir doch gewusst, was passiert“ haben hinterher viele gesagt. „Hätten wir ihn doch nicht alleine nach Hause gehen lassen“.
Hält der Glaube das aus? Wie soll das noch gehen, auf Gott vertrauen, wenn so etwas Schlimmes passiert? Wenn es einem den Boden unter den Füßen wegzieht?

Mir ist damals der Petrus eingefallen, von dem die Bibel erzählt. Der Jünger von Jesus. Der musste auch mit Zweifeln fertig werden. Es wird erzählt, dass Jesus seine Jünger mit dem Boot losschickt. Sie sollen hinüberfahren über den See Genezareth. Und als sie weit draußen auf dem See sind und es schon mitten in der Nacht ist, kommt ein Sturm auf und sie geraten in Seenot. Da kriegen sie Angst. Warum ist Jesus jetzt nicht da? Jetzt, wo sie ihn am meisten brauchen würden?

Dann erzählt die Bibel, was die Jünger wohl später so berichtet haben: Auf einmal sehen sie, dass ihnen jemand entgegenkommt. Übers Wasser. Und mitten in ihrer Angst hören die Jünger eine Stimme: „Fürchtet Euch nicht, ich bin es, habt keine Angst.“ Es muss wohl die Stimme Jesu gewesen sein, die den Jüngern ihre Angst nimmt. So stelle ich mir das vor. Wenn Du eine vertraute Stimme hörst, dann wird die Angst kleiner.
Aber warum kommt er erst jetzt? Warum müssen die Freunde Jesu so lange aushalten? Darauf gibt es anscheinend keine Antwort. Aber auf einmal ist er da. Und sie merken: Er lässt uns nicht allein in unserer Angst und Not. Gott ist da, ganz nahe, auch in größter Angst. Auch, wenn die Zweifel kommen.

II.
Aber wie soll das gehen? Dass jemand übers Wasser geht, das kann doch nicht sein. Und ich kann das gut verstehen, dass man so einer Geschichte vielleicht nicht trauen will. Petrus ging es anscheinend auch so. Er war misstrauisch und wollte es genau wissen. „Wenn Du es wirklich bist“, ruft er in die Nacht und den Sturm hinein, „dann befiehl mir, übers Wasser zu Dir zu kommen.“

Und er hört Jesus rufen: „Komm!“ Da wagt es Petrus, steigt aus dem Boot und geht einen Schritt um den andern auf Jesus zu. Aber das ist riskant. Der Glaube ist immer ein Risiko. Keiner weiß, wie lange er einen trägt. Nach einigen Schritten begreift Petrus, welches Risiko er tatsächlich eingegangen ist. Unmöglich, dass das gehen kann. Die Wellen, der Sturm, es zieht ihm den Boden unter den Füßen weg und er sinkt ein. Das ist wie im Leben, wo man plötzlich den Halt verliert und spürt, wie stark der Sturm ist und wie stark der Tod. „Herr, rette mich“, schreit er noch. Da packt ihn Jesus bei der Hand und sagt zu ihm: „Warum hast du gezweifelt?“

Ja, warum zweifelt Petrus? Weil es menschlich ist. So verstehe ich diese Geschichte. Jesus sagt ja nicht zu Petrus, „was bist Du nur für ein Versager. Recht geschieht Dir, wenn Du untergehst“. Jesus gibt dem Petrus die Hand und hält ihn. Hält ihn fest, den Zweifler. Dass er nicht untergeht.

Mir sagt das: Ja, der Glaube, das Vertrauen auf Gott ist immer ein Wagnis. Keine Sicherheit. Man kann auch untergehen, gerade wenn man denkt, man müsste es doch selber schaffen. Dann muss ich mich auch nicht schämen, wenn mir angesichts des Todes das Vertrauen auf Gott verloren geht. Und wenn ich das Gefühl habe, dass nichts mich trägt.

Aber der Zweifel ist nicht das Ende. Das war auch damals bei Petrus so. Sein Glaube, sein Gottvertrauen wird klein draußen auf dem See, in den Wellen und im Sturm. Aber Petrus macht eine Erfahrung, die ich Ihnen und die ich auch mir selber wünsche, wenn uns der Zweifel packt. Gott hält mich auch wenn mir das Vertrauen ausgeht, gerade wenn es darauf ankommt. Das Vertrauen auf Gott ist ein Wagnis. Aber es ist ein Weg, auf dem ich gehen kann, auch wenn es manchmal nur ganz kleine Schritte sind. Und wenn ich es nicht weiter schaffe, dann kommt er mir entgegen. Ich wünsche Ihnen einen frohen Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23966
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Einen guten Morgen wünsche ich Ihnen. Ja, manchmal denke ich: wie gut, dass es Morgen wird, jeden Tag. Dass jede Nacht ein Ende hat, ganz gleich wie dunkel, wie schlaflos sie war. Wie gut, dass jeden Morgen ein neuer Tag anbricht.

Diese Erfahrung beschreibt der Journalist und Schriftsteller Jochen Klepper in einem Gedicht. Es ist zu einem der bekanntesten Lieder im Advent geworden. Mir ist es eines der liebsten. „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern. Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein. Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.“

1937 schreibt Jochen Klepper dieses Lied. Im Frühjahr desselben Jahres erschien sein Roman „Der Vater“. Ein höchst erfolgreiches Buch, das zur Pflichtlektüre für Offiziere damals wurde. Sechs Jahre zuvor hatte er Johanna Stein geheiratet, eine Witwe jüdischen Glaubens, die zwei Töchter mit in die Ehe gebracht hat. Obwohl Johanna Stein sich taufen ließ, galt sie für die Nazis weiterhin als Jüdin. Die immer brutaler werdenden Gesetze haben auch für sie gegolten. Die ältere Stieftochter konnte zum Glück ausreisen. Aber die Situation hat sich schließlich immer mehr zugespitzt, obwohl sie miteinander versucht haben, ein irgendwie normales Leben als Familie zu führen. Ich stelle mir vor, dass es ein ständiges Hoffen und Bangen war, in dem sie lebten.

Am Morgen des 10. Dezember 1942 erfährt Jochen Klepper, dass die Genehmigung der Ausreise für seine jüngere Stieftochter endgültig abgelehnt worden war. Die Deportation in ein Konzentrationslager stand unmittelbar bevor. Was konnten sie noch tun? Um niemand anders zu gefährden, bringen sie in der Nacht an der Wohnungstür einen Zettel an: „Vorsicht Gas.“ Dann öffnen sie den Gashahn in der Küche. Und am nächsten Morgen werden sie tot gefunden, Jochen Klepper, seine Frau Hanni und deren Tochter Renate.

Es war nach langem Ringen und vielen Abwägungen der letzte Ausweg, den sie miteinander gesehen haben. Sich scheiden zu lassen von seiner jüdischen Frau, das war für Jochen Klepper keine Entscheidung, die er hätte tragen können und wollen. Er hätte sich wohl dadurch retten können, aber Hanni und Renate sicher nicht.

Das gibt es wohl, dass einer keinen anderen Ausweg sehen kann als den Tod. Aber Jochen Klepper wusste sich und seine Familie auch dann noch von Gott gehalten und getragen. Gott lässt uns nicht los, ganz gleich, wie dunkel es geworden ist um uns herum und in uns.

Wenn der Morgen gerade anfängt zu dämmern, wenn die Nacht vergeht oder schwindet: Klepper schreibt, dann kann man wieder Hoffnung schöpfen, wenn man in der Nacht kein Auge zugetan hat. Dann kann man gewiss sein, dass es wieder hell wird, auch wenn noch nichts zu sehen ist.

II.

Der Morgenstern, die Venus, ist der hellste Stern vor Sonnenaufgang. Wenn er zu sehen ist, dann weiß man sicher, dass die Nacht bald zu Ende ist. Der Morgenstern schickt schon vor Tag ein Licht auf Angst und Sorgen, die einen in der Nacht plagen können. Dass sie nicht das letzte Wort haben werden.

Jochen Klepper bringt hier seine Erfahrung zum Ausdruck: Auch wenn ich nicht mehr weiter weiß, kann ich mich daran festhalten: Gott kommt zu mir. Ich muss mich nicht vorbereiten, muss mich nicht herrichten, er kommt zu mir, wie ich bin.

Für mich ist das die Botschaft von Weihnachten. Gott kommt dahin, wo Menschen in Not sind. Wie im Stall in Bethlehem. Wie Jahrhunderte später Jochen Klepper und seine Familie. Wie manchmal auch ich. „Die Nacht ist schon im Schwinden, macht euch zum Stalle auf! Ihr sollt das Heil dort finden, das aller Zeiten Lauf von Anfang an verkündet, seit eure Schuld geschah. Nun hat sich euch verbündet, den Gott selbst ausersah.“ Ich muss nicht Angst haben, dass ich nicht recht bin. Ich muss niemandem etwas vormachen. Das ist für mich Weihnachten.

Für mich ist das Lied Jochen Kleppers deshalb so wichtig, weil es ein „Dagegen-Lied“ ist. Ja, ein Protestlied. Gegen die Erfahrung, es ändert sich doch eh nichts, steht die Erfahrung von Weihnachten. Gott kommt zur Welt, wo es ganz dunkel ist. Nicht nur die hellen Feste und die schönen Momente machen Gottes Nähe fühlbar. Er ist auch da, wo man nichts mehr spürt. Für jeden, der keinen Ausweg mehr sieht, für jeden, den die Angst niederdrückt, für jeden Armen, Vereinsamten ist Gott nahe. Sogar über den Tod hinaus. Das scheint als Licht in die Finsternis und tröstet in finsterster Nacht. „Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.“

Da, wo Gott Mensch wird, da wird die Welt heller. Wie im Stall in Bethlehem, wo ein Kind den Menschen das Herz erweicht hat. Wo sie Hoffnung und neue Kraft gefunden haben, weil dieses Kind ihren Beistand gebraucht hat.

Wie gut, wenn einen das anrührt. Dann kann ich vielleicht selber mithelfen, dass es ein wenig heller wird und menschlicher zugeht in der Welt. Da, wo ich lebe. Bei denen, die mir begegnen. Gott schenke es, dass auch ich sein Licht weiter tragen kann. Klepper verspricht in seinem Lied: Es „wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte hält euch kein Dunkel mehr. Von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.“

Ich wünsche Ihnen einen frohen Adventssonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23285
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Manchmal muss man Grenzen überschreiten, wenn man etwas erreichen will. Da darf man nicht stehen bleiben und denken: Das klappt ja sowieso nicht. Und darf sich nicht durcheinander bringen lassen von denen, die sagen: „Das wird nie was.“ Und auch Angst darf man keine haben, oder unnötigen Respekt.

Ich will Ihnen heute Morgen von einer Frau erzählen, die das einfach gemacht hat: die Grenze überschreiten, die ihr Anstand, Religion oder Kultur gezogen haben. Eine gehörige Portion Mut braucht es dazu und der beeindruckt mich an dieser Frau. In der Bibel wird diese Geschichte berichtet.

Sie spielt im Grenzland. Dort, wo Zollstationen und Wachposten markieren, wer wohin gehört. Und wer wo Fremder ist und dazu gehört oder eben auch nicht. Jesus hat sich mit seinen Freunden ins Grenzland begeben. Eine Weile Ruhe hofft er zu finden, drüben auf der anderen Seite. Dort im Ausland taucht dann plötzlich diese Frau auf, mit lautem Geschrei. Sie hat Jesus erkannt und schreit: „Ach Herr, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir, meine Tochter wird von einem bösen Geist furchtbar gequält!“ Eigentlich hat sie keinen Anspruch auf Hilfe, wenn man sich an die Grenzen hält, die Menschen gezogen haben. Sie ist für Jesus eine Ausländerin. Und in ihrem Land wird ein anderer Gott verehrt. Aber sie ist eine Mutter, die es nicht mehr aushält, das Leid ihrer Tochter mitanzusehen. Da überschreitet sie die Grenze.

Menschen in Not klammern sich an jeden Strohhalm, das geht doch jedem so. So wie dieser namenlosen Frau, die nach Hilfe schreit für ihr Kind und für sich selbst. Ob sie von Jesus gehört hat, dass er auch in aussichtslos scheinenden Fällen helfen kann? Die Geschichte in der Bibel lässt das offen. Aber sie schreit und hört nicht auf damit: „Ach Herr, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir und mit meiner Tochter. Aber Jesus antwortet ihr kein Wort. Er schweigt. Und hilft nicht. So kennt man ihn gar nicht. Hat er nicht zugehört? Sieht er sie nicht? Oder hält er sich einfach an die Grenzen, die für die Menschen in der Gegend dort gelten?

Ich glaube, wer es schon einmal mit dem Beten probiert hat, kennt diese Erfahrung. Dieses schreckliche Schweigen. Wo ein Mensch um Antwort bittet, um Heilung oder um ein Zeichen. Und das Gefühl bekommt, dass Gott gar nicht zuhört, einen womöglich vergessen hat. Dann muss ja der schreckliche Gedanke kommen: Ich also nicht. Für mich ist er nicht da. Er sieht mich nicht und er hört mich nicht. Ich bin draußen. Ich gehöre nicht dazu.

II.
Eine Frau findet den Mut und bittet Jesus um Hilfe. Obwohl sie wissen könnte: Weil er von jenseits der Grenze kommt, ist er hier nicht zuständig. Und Jesus schweigt, scheint sie gar nicht zu bemerken. Als ob wirklich eine unsichtbare Grenze zwischen ihnen wäre.

Selbst den Freunden Jesu wird das unangenehm, weil die Frau nicht aufhört, Jesus nachzuschreien. Aber Jesus sagt, was die Freunde wahrscheinlich auch denken: Ich bin nicht zuständig. Hinter der Grenze bin ich nicht zuständig für die Not dieser fremden Frau. Und was macht die Frau? Aufgeben? Sich schicken in ihr Schicksal? Sie wirft sich vor ihm nieder. Noch eine Grenze, die sie überschreitet: „Herr, hilf mir doch!“ Sie hat nichts mehr zu verlieren.

Und wie reagiert Jesus? Er richtet sie nicht auf. Er besteht auf der Grenze und sagt: „Es ist nicht richtig, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden vorzuwerfen.“ Es ist irgendwie kaum zu ertragen, finde ich: Mit einem Straßenköter vergleicht Jesus die Frau und sagt es ihr ins Gesicht. Und sie? Hat sie jetzt endlich genug?

Nein, sie antwortet ihm: „Ja, Herr, aber die Hunde fressen doch von den Krümeln, die vom Tisch ihrer Herren herunterfallen!“ Ja, ich weiß, dass es da eine Grenze gibt. Ich habe vielleicht keinen Anspruch. Aber ich bitte Dich dennoch und ich höre nicht auf, Dich zu bitten. Ich höre nicht auf, weil ich weiß: Du kannst mir helfen.

Da erreicht sie Jesus. Jetzt erst scheint er die Frau wirklich wahrzunehmen. Jetzt ist sie nicht mehr die Fremde, für die er sich nicht zuständig gefühlt hat. Sondern eine Mutter, die in der Not für ihr Kind bittet. Eine Frau mit dem mutigen Zutrauen, dass Jesus und sein Gott nicht so eng sind, wie Jesus selbst gerade noch behauptet hat. Dass für Gott die Grenzen nicht gelten, die Menschen aufgerichtet haben. Dass Gott das Leid aller seiner Menschen sieht und ihr Klagen und Schreien hört. Ganz gleich, auf welcher Seite der Grenze einer lebt. Ganz gleich, ob er glaubt oder nicht. Davon lässt Jesus sich anrühren: „Frau, Dein Vertrauen ist groß! Was Du willst, soll geschehen.“, sagt er. Gottes Barmherzigkeit kennt tatsächlich keine Grenzen.

Eine Frau, die sich von Grenzen nicht beeindrucken lässt und nicht aufhört, Jesus um Hilfe zu bitten. Weil es um einen anderen Menschen geht, der in Not ist. Dieses Grenzen überschreitende Vertrauen möchte ich lernen von dieser Frau. Dass Gott da ist für die Not aller Menschen. Auch für meine. Ich glaube, dieses Vertrauen hilft, die Grenzen, die auch in meinem Kopf sind, zu überschreiten. Und mutig zu sein, sich nicht abspeisen zu lassen oder zu schnell aufzugeben, wenn es um die Not eines anderen geht – oder um meine eigene. Die Begegnung von Jesus und dieser namenlosen Frau zeigt mir – es wird gut, wenn man Grenzen überschreitet. Und dran bleibt an Gott.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22844
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Fronleichnam – das ist schon ein seltsamer Name für einen kirchlichen Feiertag. Aber der Name kann einen auf eine falsche Spur führen. Denn mit einem fröhlichen Totenkult hat dieser Feiertag ganz und gar nichts zu tun. Im Gegenteil. Es wird ein richtig lebendiges Fest gefeiert. „Vrone lichnam“, von diesem alten Wort aus dem Mittelalter stammt das Wort Fronleichnam. Und übersetzt heißt es „Leib des Herrn“.

Ich lebe seit vielen Jahren in einer katholisch geprägten Gegend. Fronleichnam ist hier ein wichtiger Festtag, der irgendwie alle Sinne anspricht. In mühevoller Arbeit werden einen Tag vor Fronleichnam aus Blüten und anderen kleinen Dingen kunstvolle Blütenteppiche gestaltet. Sie sind oft der Stolz des ganzen Ortes. Die Straßen werden geschmückt mit Birkenbäumchen. Das alles passt im schönen Monat Mai ganz wunderbar zur Natur. Die zeigt sich jetzt ja auch von ihrer schönsten Seite.

Am Fronleichnamstag selber findet dann eine Prozession statt. Die führt aus der Kirche durch den Ort und durch die üppige Natur. Der Musikverein und der Kirchenchor voraus, dann die Fahnenträger und schließlich der katholische Pfarrer. Er trägt die Monstranz. So heißt das oft kostbar geschmückte Gerät zum Zeigen. Ein Fenster ist darin, in dem das Abendmahlsbrot gezeigt wird. Für Christen ist das ein Zeichen für Jesus Christus. In manchen Gemeinden sind die Evangelischen eingeladen, auch mitzumachen beim Zug durch die Gemeinde und über die Fluren. Die Pfarrerin oder der Pfarrer trägt dabei die Bibel während der Prozession. Und oft macht dann der evangelische Posaunenchor Musik zur Prozession.

Christen tragen ihren Herrn Jesus Christus durch die Gemeinde. Und das Buch, in dem man von ihm lesen kann. Er soll mitten drin sein im Leben. Weil wir ihn da doch brauchen. Da wo wir leben, da wo wir wohnen, da wo wir vielleicht einmal sterben werden. Da brauchen wie das Brot, das satt macht. Da brauchen wie ein gutes Wort, das aufrichtet und tröstet.

Je älter ich werde, umso wichtiger finde ich das: An Fronleichnam geht der Glaube auf die Straße. Er bleibt nicht hinter Kirchenmauern oder in Gemeindehäusern. Er zeigt sich in der Öffentlichkeit. Trägt Christus dahin, wo das Leben spielt. In den Alltag. Weil Jesus Christus doch gesagt hat: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr Hunger haben.“

Christen zeigen, wovon man satt werden kann, an Leib und Seele. Ich glaube, das kann gut tun in unserem Land. Warum, das will ich nach der Musik erzählen.

 

II.

Der christliche Glaube gehört in den Alltag. Das wird an Fronleichnam besonders sichtbar. Davon habe ich vorhin in den SWR4-Feiertagsgedanken gesprochen. Die Kirche geht demonstrieren. Da wird durch den Ort und über die Felder getragen, was Christen glauben. Was ihnen Halt und Kraft gibt zum Leben.

Gott meint es gut mit seinen Menschen. Er gibt, was sie zum Leben brauchen: Nahrung für Leib und Seele. Brot, Glauben, Gottvertrauen, Orientierung durch sein Wort in der Bibel. Das glauben Christen und das zeigen sie öffentlich. Nicht nur an Fronleichnam. Sondern hoffentlich an vielen Stellen.

Ich finde das wichtig, denn: Kein Mensch lebt ohne Angst. Ich auch nicht. Gerade heute, wo so vieles aus den Fugen gerät  in unserer Welt. Aber ich spüre, dass das Vertrauen auf Gott mich doch die Ängste aushalten lässt, die mir den Boden unter den Füßen wegziehen. Die Angst vor dem Altwerden, vor dem Sterben, davor, dass es mich einmal nicht mehr geben wird. Die Angst vor den Veränderungen, die womöglich auf mich zukommen. Immer wieder spüre ich: Das Vertrauen auf Gott, das trägt mich. Warum sollten wir Christen das für uns behalten? Das kann doch auch anderen gut tun!

Ein zweiter Gedanke: Als Christ ist es mir nicht gleichgültig, was in dieser vielfältigen Gesellschaft geschieht, in der wir leben. Das fängt im Kleinen an. In der Nachbarschaft, wo man sich hilft, wenn es notwendig ist. Wo man nacheinander schaut und sich umeinander kümmert, wenn der andere einen braucht. Ich meine, deshalb muss ich als Christ auch den Mund aufmachen. Und zum Beispiel sagen: Wenn nur noch das Nicht-genug-bekommen das Zusammenleben bestimmt – dann läuft etwas falsch in dieser Welt. Deshalb ist es wichtig, den Glauben öffentlich zu zeigen und öffentlich davon zu reden, finde ich.

Aber manche fragen, darf das überhaupt sein? Ist Glaube, ist Religion nicht vielmehr eine Privatsache? Privat und sonntags in der Kirche kann jeder glauben, was er will. Aber im öffentlichen Miteinander bringt der Glaube nur Streit.

Natürlich ist klar: Wenn der Glaube sich äußert, geht das nicht ohne Toleranz. Niemand soll bevormundet werden. Aber Christen können ihre Meinung sagen zu dem, wie wir miteinander leben. Genau wie die, die etwas anderes glauben. Christen beziehen Stellung. Damit wir ins Gespräch kommen. Um gemeinsam herauszufinden, was das Beste für das Zusammenleben in unserer vielfältigen Gesellschaft ist.

Ich finde das gut, dass die Kirche einmal im Jahr auf die Straße geht. Und so demonstriert für den barmherzigen Gott, von dem wir Menschenfreundlichkeit lernen können.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Feiertag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22060
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Es ist wichtig, dass wir bei Verstand bleiben. Alle miteinander. Eine Schülerin hat mich darauf gebracht, wie wichtig das ist. Ja, genau so hat sie es gesagt: Sind wir denn noch bei Verstand? Und wo sind die Leute, die vernünftig bleiben und ruhig? Wir haben im Religionsunterricht an der Berufsschule darüber gesprochen, dass es so viel Hass und Wut, so viel Geschrei gibt: bei Demonstrationen, vor Flüchtlingsunterkünften und im Internet. Man kann doch bei so viel Wut und Hass und Geschrei die Probleme nicht lösen, die es natürlich gibt, hat die Schülerin gesagt.

Ich kann verstehen, dass ihr die lautstarke Streiterei Sorgen macht. Auf der einen Seite Leute, die sich einsetzen für die Flüchtlinge, manchmal bis zur Erschöpfung. Sie haben Angst, dass wir nicht in Frieden miteinander leben können, wenn wir den Fremden nicht helfen bei der Integration. Und andere haben Angst, dass unser Land sich verändern wird durch die vielen Fremden. Und aus dieser Angst wird Hass und Wut.

Ich glaube, sie hat Recht, meine Schülerin. Angst hilft nicht weiter. Und Wut erst recht nicht. Wir müssen bei Verstand bleiben. In einem Brief in der Bibel hat einer an die ersten Christen geschrieben: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim 1, 7) Furcht hat es immer schon gegeben, auch damals. Doch Verfasser des Briefes sagt: Gott schenkt uns etwas gegen die Angst: Besonnenheit, dass wir bei Verstand bleiben.

In meiner Schulklasse habe ich gefragt, was wir denn tun können, jeder einzelne. Damit wir besonnen reagieren. Da, wo wir leben. Mit den Menschen, mit denen wir es zu tun haben. Einer hat gesagt: Schwarz-weiß malen hilft nicht. Die Welt ist viel komplizierter. Man muss viel genauer hinschauen. Und man muss das aushalten, dass die Welt so kompliziert ist. Es gibt keine einfachen Lösungen. Eine Schülerin hat gefragt: Warum fliehen Menschen? Natürlich weil sie dem Elend entkommen wollen und dem Krieg. Sie hungern und wissen nicht, wie es weitergehen soll. „Was würden wir tun, wenn wir in diese Lage kämen?“, wollte sie wissen. „Wir würden doch auch versuchen, uns und unsere Familien in Sicherheit zu bringen. Wir würden doch auch dahin gehen, wo wir uns eine bessere Zukunft erhoffen“. Und einer hat gemeint: Unsere Art zu wirtschaften erzeugt eben auch erst Not in armen Ländern. Die Altkleider zum Beispiel, die wir billig in afrikanische Länder verscherbeln, nehmen den Menschen dort die Arbeit weg. Nein, Schwarz-weiß-Malen hilft wirklich nicht. Was dann?

II.

Ein Schüler hat gesagt: Wir leben mit bestimmten Menschen zusammen, haben mit bestimmten Menschen zu tun. Bei der Arbeit, in der Freizeit, in der Familie. Deren Meinung hören wir, denen sagen wir, was wir denken. Da brauche ich Besonnenheit, da muss ich doch bei Verstand bleiben, damit ich vernünftig und besonnen argumentieren kann. Und ich brauche den Mut, dafür den Mund aufzumachen und zu sagen, was ich denke.

Als Beispiel fällt mir die Journalistin Dunja Hayali ein. Vor ein paar Wochen hat sie die goldene Kamera erhalten. In ihrer Dankesrede hat sie etwas gesagt, was mich sehr berührt hat. Sie hat von dem Hass und der Wut erzählt, die sie erlebt, wenn Sie versucht, objektiv zu berichten. Und auch sie hat gesagt: „Glaubt eigentlich irgendjemand, dass das etwas bringt, dieser Hass? Beim Suchen nach Lösungen, beim Ringen nach Kompromissen? Ich setze immer noch auf den Dialog. In einem Land, in dem die Meinungsfreiheit so ein hohes Gut ist, darf und muss jeder seine Sorgen und seine Ängste äußern können, ohne gleich in die rechte Ecke gestellt zu werden. Aber wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie verdammt noch mal ein Rassist.“ Und sie hat dazu aufgerufen, offen zu bleiben, fair zu bleiben und miteinander im Gespräch. Das hat mich sehr berührt. Andere und Andersdenkende zu respektieren und, Menschen in Not zu helfen. Ich finde: Hinter diese Haltung, können wir doch in unserem Land nicht zurück, das können wir doch nicht aufgeben!

Und, vernünftig und besonnen betrachtet, geht es uns eigentlich doch ganz gut. Das Leben ist doch gar nicht so aufgewühlt und durcheinander, wie manche behaupten. Wir gehen arbeiten und planen das Wochenende. Das Leben verläuft längst nicht so aufgeregt, wie manche uns weiß machen wollen. Sollen wir da wirklich unsere Menschlichkeit und unseren Anstand verlieren? Ich meine: Jetzt, wo es schwierig wird, sollten wir bei Verstand bleiben. Besonnen bleiben. Meine Schülerin hat Recht. Irgendwelchen unklaren Ängsten sollten wir nicht nachgeben. Sondern schauen auf das, was ganz normal und gut läuft. Ja, ich glaube, das brauchen wir. Bei Verstand bleiben: Besonnenheit und Zuversicht. Dazu helfe uns Gott, denn der „hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21577
weiterlesen...