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SWR2 Wort zum Tag

13APR2024
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Echte Freundschaft stelle ich mir – ehrlich gesagt – ein bischen anders vor. Als Freundin oder Freund wartest du doch auf den anderen, zumal wenn du weißt, dass der ja sicher alles andere tut als zu trödeln, sondern dass er noch bei den Leuten bleiben muss, die seine gute Nachricht hören wollen oder mit einer Krankheit gekommen sind, von der sie geheilt werden möchten. Seltsam, wie es die Bibel da berichtet: Die Freunde des Jesus von Nazaret gehen schon mal zum Boot voraus; sie wollen heimfahren, auf die andere Seite des Sees. Schließlich sind die Abend-Winde gefährlich und gefürchtet. Und Jesus kennt sich damit ja vielleicht weniger aus. Aber als der immer noch nicht da ist, fahren sie einfach schon mal los… Ungeduldig, die Freunde – sie stechen in See.

Und wie erwartet: Der Abendwind kommt von vorn und macht die Ruderei noch schwieriger als üblich – scheint, dass sie echt in Panik geraten. Es ist schon dunkel, berichten die Evangelien, und reden von einem heftigen Sturm. Als sie etwa sechs Kilometer gefahren sind, also mitten auf dem See, da sehen sie, wie Jesus über den See geht und sich dem Boot nähert; und sie fürchten sich noch mehr.

Schon klar: die Lage ist offenbar angespannt. Aber da ruft er ja schon: Ich bin es; fürchtet euch nicht! Und ehe sie ihn zu sich ins Boot nehmen können, sind sie schon am Ufer, das sie erreichen wollten. Das zweite Wunder: sechs Kilometer bei Gegenwind und Wellengang im Nu zurückgelegt…

Das ist mehr als nur eine Wundergeschichte. Es geht doch um sehr menschliche und für viele Menschen alltägliche Erfahrungen. Geduld und Ungeduld in einer Freundschaft; Gefahren, die plötzlich auftauchen und mit denen du doch eigentlich hättest rechnen können: Abends ist der See Gennesaret einfach immer unruhig…

Und hoffentlich gibt es oft oder sogar fast immer Beistand; direkt von Gott selbst – und häufiger noch durch Menschen. Beistand ist bitter notwendig und kommt gern unerwartet – und hilft dir manchmal mehr als du dir selbst wünschen konntest: dass der Freund oder die Freundin, dass Mutter oder Vater oder dass jemand Wildfremdes da ist und dir zur Seite steht.

Dass echte Hilfe eben doch näher ist als befürchtet: Das wünsche ich Ihnen und mir auch für mich selbst. Auch wenn ich an meiner Zuversicht sicher noch arbeiten muss…

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SWR2 Wort zum Tag

12APR2024
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Zwei- oder dreimal in der Woche schickt die Nachbarin gegen neun Uhr abends so eine Nachricht: Es gibt wieder viele leckere Sachen – heute vor allem Brot und Brötchen – und sehr gutes Gemüse und Salate… Dazu stellt sie ein oder zwei Fotos mit den Kisten, die ab sofort vor ihrem Haus stehen. Bitte bedient euch reichlich…

Die Nachbarin und ihr Mann retten Lebensmittel – und brauchen uns dazu, weil es oft wirklich große Mengen sind. Rekord bisher: sieben tiefgekühlte Enten – eigentlich noch lange haltbar, aber durch leichte Macken an der Verpackung offenbar unverkäuflich. War ein leckeres Neujahrs-Essen, muss ich sagen.

Lebensmittel retten immer mehr Leute, fast überall in der Republik. Sie haben eine Abmachung mit einem oder zwei Supermärkten vor Ort oder mit anderen Läden. Die sortieren aus, was weniger gut ausschaut, manchmal ein bisschen angewelkt scheint, zu kurz vor dem sogenannten MHD oder sogar schon drüber; Brot von gestern oder vorgestern – jedenfalls alles, was den tollen Eindruck in Regalen oder Theken beeinträchtigt. Und statt es wegzuschmeißen, stellen sie es eben in großen Kisten hin für die Retterinnen – foodsaver nennen die sich auch. Motto: zu gut für den Container. In vielen Städten gut organisiert – und keine Konkurrenz zu den Tafeln, weil die sich strikt ans MHD halten müssen.

Haben übrigens ein biblisches Vorbild – auch wenn manche mit der Bibel weniger am Hut haben. Heute steht es in der katholischen Leseordnung: Jesus hat gerade mit einem Wunder ein paar tausend Leute satt gemacht – obwohl es eigentlich nur fünf Brote und zwei Fische gab. Und dann sammeln seine Leute die Reste ein – zwölf Körbe voll. Der pure Überfluss – der ist ja schon selbst ein Wunder.

Da sollte es kein Wunder sein, wenn in unseren Tagen wieder mehr Leute versuchen, mit diesem Überfluss gut umzugehen. Weniger zu produzieren und in die Regale legen, fordern sie von Industrie und Handel. Wer braucht denn in der Bäckerei bis Ladenschluss das ganze Sortiment frisch?

Und wenn schon mehr da ist als eigentlich gebraucht wird: Gottes gute Gabe ist zu gut für die Tonne – sie kann Leben möglich machen und abwechslungsreicher und interessanter. Ganz selten sogar mit Ente für den Grill oder den Backofen. Jedenfalls ist es immer wieder spannend, wenn die Nachbarin abends wieder funkt!

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SWR2 Wort zum Tag

11APR2024
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Heiliger Rock? Na ja – die Musikrichtung kenne ich zwar noch nicht. Aber wenn da eine Veranstaltung für Kindergartenkinder dazugehört, mache ich doch einfach mal mit. Eine junge Kollegin meiner Frau hat das gesagt, als die Frage im Raum stand, ob sie eine Aktion gestalten sollen, beim Kita-Tag des Bistums-Festes „Heilig Rock-Tage“. Da kommen tausende Kinder aus den Kitas im Bistum nach Trier und erleben was – rund um den Heiligen Rock eben.

Schon klar: Es geht nicht wirklich um Rockmusik – obwohl sowas schon auch auf dem Programm der Heilig Rock-Tage steht, die morgen in Trier anfangen. Heiliger Rock – das Wort haben die in Trier sich angewöhnt, wenn sie von einem Stück Stoff reden, das spätestens seit dem Mittelalter im Dom aufbewahrt wird. Sie sehen darin die Tunika des Jesus von Nazaret, sein letztes Hemd sozusagen. Laut Bibel sollen die Soldaten es ihm vom Leib gerissen haben, als sie ihn am Stadtrand von Jerusalem ans Kreuz nagelten, um ihn öffentlich hinzurichten. Unbarmherzig – Henker eben. Auch daran erinnert die Tunika: Wie leicht ein Mensch nackt dastehen kann.

Mantel und Obergewand hätten die Soldaten einfach grob in vier Teile gerissen. Das Unterhemd sei ihnen zu edel vorgekommen – darum hätten sie gewürfelt.

Bisschen abenteuerlich ist die Geschichte, wie das Hemd dann nach Trier gekommen sein soll. Aber das ist eigentlich egal – und ob da wirklich ein Stück letztes Hemd in dem kostbaren Holz- und Glas-Kasten liegt, zu dem die Leute im Trierer Dom immer wieder hinpilgern: Geschenkt.

Mir sind zwei Sachen wichtig: Seit fast tausend Jahren versuchen Christen,  mit Jesus in Berührung zu kommen, wenn sie die Tunika sehen und in ihre Nähe pilgern. Eine so lange Glaubens-Geschichte trägt auch heute noch.

Und: der alte Stoff, das unzerteilte Untergewand sagt uns, dass die Christen eigentlich zusammengehören; aufgeteilt in zig Konfessionen und Kirchen stehen sie eigentlich selbst nackt da. Ungeteilt und an einem Stück – wie die heilige Tunika sollte die Kirche sein.

Darum beten wir ab morgen wieder zehn Tage lang hier in Trier. Und daran bleibt noch zu arbeiten – hoffentlich deutlich weniger als weitere tausend Jahre.

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SWR2 Wort zum Tag

28FEB2024
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Dafür sind „die Deutschen“ ja berühmt-berüchtigt –  oder ist es nur Satire? Dass sie schon frühmorgens aus dem Hotelbett am Strand aufstehen, zum Strand oder zum Pool laufen und dort schon mal einen Liegestuhl besetzen: Handtuch drauf oder so… Und dann geht’s erst mal zurück ins Bett oder ans Frühstücks-Buffet; der Liegeplatz an der Sonne ist ja gesichert.

An diese Unsitte hat eine Kollegin gedacht,  als sie das Evangelium dieses Mittwochs aufschlug:  „Damals kam eine Frau mit ihren Söhnen zu Jesus  und fiel vor ihm nieder, weil sie ihn um etwas bitten wollte. Er fragte sie: Was willst du?  Sie antwortete: Versprich, dass meine beiden Söhne in deinem Reich  rechts und links neben dir sitzen dürfen.“

Ja gut – im Himmel rechts und links vom Chef sitzen –  das ist deutlich mehr als Handtuch auf die Sonnenliege für heute. Aber auch da geht es darum, die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Sich selbst oder die Ihren in Sicherheit zu bringen. Ist doch eigentlich toll, dass diese Helikopter-Mutter  für die Söhne so weit vorausdenkt – und sich selbst dabei vergisst!? Aber da ist sie bei Jesus an den Falschen geraten. „Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet.  … den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe  nicht ich zu vergeben;  „Dort werden die sitzen, für die mein Vater diese Plätze bestimmt hat.“

Was er eigentlich auch sagen könnte: Die Sicherheit, die ihr da sucht, das ist eine falsche Sicherheit. So weit im Voraus – und dann auch noch gleich die Plätze ganz oben wollen: Keine gute Idee –  und außerdem wäre doch die Gegenwart viel wichtiger.

„Als die zehn anderen Jünger das hörten,“ wird weiter erzählt,  „wurden sie sehr ärgerlich über die beiden Brüder.  Und Jesus sagte zu ihnen: Ihr wisst, dass die Mächtigen ihre Macht über die Menschen ausnutzen. Bei euch soll es anders sein: wer bei euch groß sein will,  der soll euer Diener sein…“

Das gilt – und es hätte auch schon immer für die Kirche gelten müssen: Stellt die Anderen in den Vordergrund; kümmert euch; sorgt für sie. Das schafft wirkliche Sicherheit – auch für eure eigene Zukunft im Himmel; weil auf Gottes Seite steht, wer für die anderen Menschen da ist. Ganz ohne Badetuch auf Sonnenliege: Wer Gott so vertraut, schafft einen wirklichen Platz an der Sonne –  für die anderen und für sich selbst auch.

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SWR2 Wort zum Tag

27FEB2024
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Beim Zweiten Vatikanischen Konzil haben Bischöfe und Papst  vor mehr als sechzig Jahren darüber beraten, ob der Mensch frei ist;  jedenfalls so frei, sich für eine Religion zu entscheiden,  solange sie oder er dem eigenen Gewissen folgt…. Wir nennen das heute „Menschenrecht auf Religionsfreiheit“.  Ein Kardinal aus der ganz konservativen Blase hat damals spitz erklärt:  Von Menschenrechten liest er nichts in der Bibel. Punkt. Er wäre besser mal in sich gegangen – bzw. in die eigene Bibel.

Da ist zwar nie das Wort „Menschenrechte“ zu finden –  und von „Menschenwürde“ ist auch keine Rede. Aber schon gleich am Anfang ist doch davon die Rede: „Gott erschuf den Menschen als sein Bild“, steht da;  Menschenrechte und Menschenwürde von Gott gegeben  heißt das modern gedacht. Jeder Mensch von Gott beauftragt  zum Leben und zur Sorge für die Schöpfung:  Wer so in sich geht und auch nach außen aktiv wird,  wäre schon auf dem richtigen Weg.

Nach Gottes Bild geschaffen und zum Leben gerufen;  das ist und bleibt Menschenwürde und Menschenrecht,  auch wenn rechte Menschen glauben, sie könnten da sortieren nach irgendwelchen Bio-Eigenschaften, nach Blut und Boden, nach Bildung oder Besitz oder was auch immer.

Deswegen finde ich wichtig,  dass so viele christliche Menschen und Gruppen  aus sich herausgegangen sind und weiter -gehen,  dass sie auf Straßen und Plätzen sozusagen außer sich geraten, dass sie mitgehen und mitdemonstrieren mit vielen anderen.  Dass sie die Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa und überall auf der Welt aufrütteln wollen.

Bischof Stephan Ackermann stand  mit zehntausend Demonstrantinnen und Demonstranten  vor der Porta Nigra in Trier und sagte den SWR-Kollegen ins Mikro:  Er ist froh, „dass die Mehrheit eben nicht schweigende Mehrheit ist, sondern dass sie sich zeigt und auftritt  gegen die, die Demokratie und Menschenrechte mit Füßen treten“ –  und dass er dafür auch gern selbst auf die Straße geht.

Doch doch – von Menschenrechten und Menschenwürde  findet sich ziemlich viel in der Bibel. Das ist nämlich auch ein richtig politisches Buch –  und zwar für alle.

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SWR2 Wort zum Tag

26FEB2024
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Manchmal ist ja der Name Programm –  und im fünften Jahrhundert war das schon ganz sicher so. Um 435 wurde ein relativ junger Mann Bischof von Karthago in Nordafrika; Der hieß Quodvultdeus – übersetzt bedeutet dieser Name: Was Gott will. Und sehr überzeugt, dass er Gottes Willen tut,  waren Quodvultdeus und seine Leute in Opposition  gegen die Besatzung durch die feindlichen Vandalen. Deshalb wurden sie zusammen auf alten Schiffen  ins Mittelmeer hinausgetrieben.

Das Elend ist also noch viel älter als ich dachte: Flüchtlinge, an den Küsten von Tunesien Marokko Algerien auf Schrott-Boote oder kaputte Schlauchboote gezwängt und auf den Weg nach Norden geschickt – mit miserablen Aussichten, heil in einem Land anzukommen, das sie dann auch noch aufnimmt! Ich würde bezweifeln, dass Gott das so will. Heute so wenig wie damals.

Immerhin: damals ist Quodvultdeus die Landung in Kampanien gelungen.  Gottgewollt kommt also nach Neapel, und da hat der Bischof ihm Asyl gewährt. Seltsam, finde ich, dass das mit dem Asyl auch für die Zeit schon erinnerungs-würdig scheint. Schließlich kommt Quodvultdeus sozusagen aus dem Inland,  aus der afrikanischen Provinz, ist wahrscheinlich sogar römischer Staatsbürger. Verjagt oder auf der Flucht vor den Eroberern. Aber klar: kommt aus einer anderen Gegend,  bringt womöglich fremde Glaubens-Sätze mit. Denn konfessionelle Kämpfe gibt es schon vor anderthalb tausend Jahren.

Übrigens auch im Stammland, auch in Neapel.  Quodvultdeus beteiligt sich. Und da kommen mir Zweifel, ob er seinem Namen da immer noch Ehre antut –  oder ob er ihn in Wirklichkeit Lügen gestraft hat. Ob Gott das wirklich gewollt hat: Dass Christenmenschen einander vorwerfen, die jeweils andere Seite glaube das Falsche;  und dass sie deswegen manchmal auch zur Gewalt greifen?  Auf keinen Fall!

Allerdings: die Grundfrage des Konfliktes damals stellen manche sich auch heute wieder. Braucht der Mensch Gottes Gnade – oder ist er von selbst gut und heil und kommt mit ein bisschen eigener Anstrengung auch so in den Himmel?  Ich glaube einfach beides: Ja, im Grunde ist der Mensch gut; und ja, der Mensch soll und darf sich anstrengen,  damit sie oder er selbst gut wird und Menschheit und Welt insgesamt besser. Und alles Bemühen, alle Anstrengungen nimmt Gott liebevoll auf und verspricht, alles zu einem besseren Ende zu führen.

Das nenne ich Gnade – und das ist, glaube ich,  was Gott will – quod vult Deus also.

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SWR2 Wort zum Tag

09NOV2023
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Eine der wichtigsten Kirchen von Trier heißt Liebfrauen. „Unsere Liebe Frau“ war ja in älteren Zeiten ein Name der Gottesmutter Maria. Triers Liebfrauen ist eine wunderbare gotische Kirche gleich neben dem Dom, fester Bestandteil jeder Touristischen Stadtführung…  Aber zwei weniger liebe Frauen am Portal der Basilika  ziehen gerade heute die Blicke auf sich.

Im Portal von Liebfrauen also stehen viele kleinere und sechs große Statuen –  je drei Frauen und Männer, was ja schon mal beachtlich wäre: Adam und Eva sind zu sehen, die Apostel Petrus und Johannes –  und zwei mehr symbolische Figuren: Synagoge rechts und Ecclesia links. Die Judenheit ist gemeint – und die Christenheit oder die Kirche. Eigentlich großartig – eine mittelalterliche Szenerie hätte schon gewusst, dass christlicher und jüdischer Glaube Geschwister sind, weil ja der Jude Jesus Grund und Anfang der christlichen Kirche ist…

Das wäre schön und hätte ja was Prophetisches gehabt. Aber leider ist gerade das Gegenteil beabsichtigt: Kirche und Synagoge sind schöne Frauengestalten –  aber siegreich tritt die Ecclesia auf, die Kirche: mit dem Kreuzstab in der Hand und erhobenen Hauptes.  Synagoge dagegen ist – heute würdest du wohl „loser“ sagen; sie wendet den Kopf zur Seite, ihre Augen sind verbunden,  die Krone verrutscht. In den Händen hält sie ein abgebrochenes Szepter,  und die Gesetzes-Tafeln mit den zehn Geboten – allerdings falschherum.

Die „Kirche siegt über die Synagoge“ –  wie schräg ist das Bild!

In Trier wird jetzt debattiert, ob das Portal von Liebfrauen so bleiben kann oder ob es erklärt wird oder ob die Figuren weg müssen. Die Pfarrei hat dazu Fachleute eingeladen – und die Diskussion wird dauern. Das ist okay; es erinnert hoffentlich auch noch mal die Schuld,  die Kirche und Christenheit auf sich geladen haben  mit ihrem Hass auf alles Jüdische und auf „die Juden“. Dabei sind sie doch unsere älteren Geschwister im Glauben!

Gerade heute blicke ich noch anders auf das Portal der Liebfrauen-Kirche.   Heute vor 85 Jahren haben in Deutschland Synagogen gebrannt und aller Welt gezeigt, wie Hitlers Deutschland Jüdinnen und Juden vernichten wollte. Auch die Kirchen hätten da mehr Widerstand leisten müssen!

Darüber wäre noch mal intensiv nachzudenken! Und auch über die Figuren von Kirche und Synagoge an Liebfrauen in Trier…

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SWR2 Wort zum Tag

08NOV2023
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„Unsere Mission: Ihre persönliche Einrichtung”… Zugegeben: da musste ich zweimal hingucken.  „Unsere Mission“ – das sah ja erst mal irgendwie nach Kirche aus. Aber „Ihre persönliche Einrichtung“?  Ach so: das war ein Einrichtungs-Haus mit Möbelladen. Und deren Versprechen: Wir denken ganz von dir aus, wollen dir dein Haus und deine Umgebung so einrichten, wie du das willst… Kann man ja mal glauben – bis zum Beweis des Gegenteils im Zweifel.

Und jedenfalls – hätte es früher sicherlich geheißen –  jedenfalls wäre unsere kirchliche Mission anders gewesen. Deren Mission war doch immer eine Bekehrung zum Glauben; Kirche und ihre Leute wussten, was für die Menschen in den fremden Ländern, in Afrika, in Asien und Amerika – was für die gut und zu glauben war. Statt Ihre persönliche Einrichtung also glaube bitte, was wir dir vorsagen und vorschreiben – und dann kommst du hoffentlich in den Himmel.

Das haben die Kirchen, glaube und hoffe ich mal, längst hinter sich gelassen. Mission ist heute mehr –  und sicher ein bisschen schwieriger, aber jedenfalls auch schöner. Mission heißt heute, Menschen zum Glauben einladen; also mit ihnen unterwegs sein, Freude und Leid, Hoffnung und Trauer mit ihnen teilen. Aushalten und zuhören. Und gern mit ihnen zusammen um ihre Rechte kämpfen.

Wer das schafft, wer die Geduld dazu hat  und das Vertrauen der Anderen gewinnen kann –  und das braucht eher viel Zeit und Aufmerksamkeit und Einfühlung… Wer das fertigbringt, kann dann auch von der eigenen Hoffnung erzählen und davon, was sie oder ihn selbst im Leben trägt, was Zuversicht gibt und Freude schenkt,  was dich durch Trauer und Not hindurch ein wenig stärker macht.

Für Christenmenschen ist das der Glaube an einen Gott, der für jede und jeden da ist – und zwar so, wie sie selbst sind. Sie haben das von Jesus gelernt, der sich immer ganz auf die oder den eingelassen hat, wie sie vor ihm standen. Ich glaube an und vertraue auf einen Gott, der bereit ist, sich auf jeden Menschen ganz individuell einzustellen und auch mit mir und dir mitzugehen auf dem persönlichen Lebensweg.

Kirche und Christenmenschen laden alle dazu ein: das eigene Leben an ihrem persönlichen Glauben auszurichten. Dann geht der Himmel auf – für alle gleich und doch individuell. Das ist auch meine Hoffnung und meine Mission:  dass Sie so auch Ihre persönliche Einrichtung finden!

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SWR2 Wort zum Tag

07NOV2023
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Im niederländischen Utrecht steht eine Kirche,  die schon als Gebäude – ja eigentlich ein Mahnmal ist. Ursprünglich hatte der Friesen-Missionar Willibrord  die Martins-Kirche gestiftet; mehrmals ist sie abgebrannt und wieder aufgebaut worden.  Als gotische Kathedrale hat sie nur ein paar hundert Jahre ausgehalten.. Und dann hat vor fast 350 Jahren ein gewaltiger Sturm das Langhaus zum Einsturz gebracht. Kein Geld mehr vorhanden für einen Wiederaufbau –  und so steht da bis heute der Turm –  mit heute noch 15 Glocken, die funktionieren;  dann liegt da der Domplatz –  und dann mit einer eher provisorischen Außenwand der Rest vom Dom aus Querschiff und Chor-Raum mit Altar und Kapellen.

Für mich ist dieses Ensemble wirklich ein Symbolbild. Es sagt einiges über den Zustand von Kirche heute. Turm und Glocken stehen dafür, dass Kirche immer noch weithin sichtbar ist und hörbar bleibt – manche beschweren sich ja sogar über „den Lärm“, wie sie es nennen. Altarraum und Kapellen ringsum stehen noch da –  vor allem der Klerus hält Gottesdienst und Liturgie noch am Laufen –  selbst wenn es immer weniger Pfarrer und Pfarrerinnen und Personal gibt.

Was fehlt, ist eigentlich der Haupt-Raum, der Platz für das Gottesvolk. Da liegt in Utrecht eine freie Fläche unter Sonne und Regen, wie der liebe Gott sie schickt. So erinnert und mahnt der St. Martins-Dom,  dass Kirche eigentlich anders zu sein hat. Kirche soll einladen und Raum bieten und Heimat für Menschen, die mehr suchen in ihrem Leben als das bisschen Glück aus Arbeit und Freizeit, aus Essen und Trinken und anderem Vergnügen. Scheint in Utrecht zu fehlen.

Aber für so eine Kirche, denke ich, war auch der heilige Willibrord unterwegs, von Irland aus, im siebten Jahrhundert.  Er hat in Friesland und Holland und weit darüber hinaus gepredigt  und Menschen zum christlichen Glauben eingeladen und sie getauft. Hoch attraktiv war die gute Nachricht von Freiheit und Nächstenliebe  damals offenbar für viele Menschen…

… und ist sie heute eigentlich auch noch.  Auch ohne große Kirchenbauten kann der Glaube Heimat sein für Menschen, die für sich selbst einen guten Weg suchen und für andere Menschen da sind und Gutes tun.

Das, finde ich, soll die Kirche bitte auch weiterhin und immer wieder neu tun: Die Botschaft sichtbar und hörbar machen, wie in Utrecht und auch sonst; Gottes Dienst an den Menschen feiern, also etwa am Altar. Und Gottes Volk kann sich überall versammeln –  im Zweifel gern auch unter freiem Himmel. 

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SWR2 Wort zum Tag

06NOV2023
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Der kleine Tino hat ein Problem: zum ersten Mal hat ihn jemand zum Kinder-Geburtstag eingeladen –  seine Kindergarten-Freundin Sanne.  Die findet er sowieso so nett und lieb; und sie hat gedacht, dass sie jetzt mal richtig groß feiern muss,  wo wir schon in der zweiten Klasse sind…

Was willst du ihr denn schenken?, fragt Tinos Mutter; aber da hätte der junge Mann schon eine Idee. Sanne freut sich doch immer so über so bunte selbst geflochtene Armbänder. Und wie stellst du dir das vor, wenn du dann im Frühjahr selbst acht wirst? Kinderparty in unserer Miniwohnung? Und wer soll das denn bezahlen…

Tino wird Sanne absagen müssen. Keine Chance, ihre Einladung zu erwidern. Vermutlich sind beide traurig; und so wie Tino und seiner Mutter  geht es ja vielen anderen Familien auch: Im Alltag kommen sie einigermaßen zurecht – sparsam sein haben sie gelernt, Sonderangebote und ähnliches stehen immer auf dem Speiseplan. Aber Sonder-Ausgaben und besondere Ereignisse: Schwierig schwierig. Betroffen: mehr als drei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland, die in einem so reichen Land unter oder knapp an der Armutsgrenze leben. Die mehr als jeden Euro umdrehen müssen,  bevor sie ihn ausgeben dürfen.  Die sich selbst ausschließen müssen oder ausgeschlossen werden vom gesellschaftlichen Leben – also etwa von Sannes Kindergeburtstag, zu dem Tino so gern hingehen würde.

Wenigstens für dieses Problem hätte die Bibel übrigens einen Vorschlag: „Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst“, sagt Jesus einmal, „so lade nicht deine Freunde, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein;  sonst laden auch sie dich ein, und damit ist dir wieder alles vergolten. Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel,  Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten…“ (aus Lk 14, 12-14) Das lässt sich auch anders lesen:  Jemand hat dich eingeladen? Geh hin – vielleicht sogar ohne  Geschenk  und ohne jede Aussicht, sie oder ihn demnächst zu dir einzuladen. Du bist gemeint; habt gemeinsam ein schönes Fest, hoffentlich – mit allen, die dabei sind – und ganz egal,  ob es eine Gegen-Einladung gibt.

Sollte vielleicht mal jemand Tinos Mutter vorschlagen –  die Eltern seiner Freundin Sanne scheinen ja schon so unterwegs zu sein. Hoffe ich mal. Sie denken an Sannes  Geburtstags-Party –  und ob und wie Tino sich revanchieren wird mit einer GegenEinladung:  ist doch eigentlich auch egal …

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