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SWR2 Wort zum Tag

Der Prophet Ezechiel erzählt in der Bibel von einem Traum, der mir sehr gefällt. Darin wird er in den Jerusalemer Tempel geführt und sieht eine Quelle. Unter der Schwelle des Tempels strömt Wasser hervor, das später am Außentor hervorrieselt und ein Rinnsal bildet. Daraus wird langsam ein Fluss, der immer größer wird. An diesem Fluss wachsen Bäume, es gibt viele Fische im Fluss und viel Leben drum herum. Das Besondere daran: Der Fluss fließt ins Tote Meer und macht es „gesund", so dass wieder Tiere darin leben können. Und die Bäume am Ufer sind auch nicht gewöhnlich: die Blätter welken nie, und die Bäume tragen in jedem Monat frische Früchte. Die Früchte können die Menschen ernähren, die Blätter haben Heilkraft.
Mir gefällt dieses Bild der blühenden und der grünen Bäume, die voller Früchte am Flussufer stehen. Da steckt so viel Leben drin, so viel Frühling und Sommer, wie ich ihn mir jetzt auch langsam herbeisehne. So viel Leben, so viel Fülle wünsche ich mir überhaupt viel öfter. Meistens ist der Alltag doch eher das Gegenteil davon, eine Quelle, ein Fluss, der neue Lebenskraft schenkt, das wäre was.
Vielleicht ist es gut, das Bild vom Wasser im Tempel noch mal genauer anzuschauen. Das Wasser ist nicht auf Anhieb ein großer Strom. Wie jeder Fluss beginnt auch dieser ganz klein. Und erst am Ende seines Weges macht er das salzige Tote Meer gesund.  Zuerst ist da nur ein kleiner, aber überraschender Anfang: Das Wasser strömt unter der Tempelschwelle hervor, nicht gerade ein Ort, an dem man mit Wasser rechnen muss. Vielleicht gibt es in meinem Alltag auch solche kleinen überraschenden Lebensquellen? Die Blumen, die plötzlich an der Hecke blühen, obwohl ich da gestern noch gar nichts gesehen habe. Das Vogelgezwitscher, das ich wieder wahrnehme. Ein unerwartetes Lob für etwas, das mir gar nicht so besonders erschien.
Im Traum des Ezechiel läuft das Wasser später unten am Tempel herab und es rieselt an der Seite eines Tores hinunter. Das hat etwas Unbeobachtetes, Beiläufiges. Manchmal merke ich gar nicht, dass in meinem Alltagstrott schon so viel Leben ist. Zu sehen ist das oft erst im Rückblick: wenn die drei Menschen, die ich längst anrufen sollte, der Reihe nach bei mir vorbeischauen und wir dann von Angesicht zu Angesicht sprechen können. Wenn ich einen schweren Tag hatte, froh bin, dass er geschafft ist, und dann höre, dass jemand an mich gedacht hat.
Das volle Leben, das mir die Vision von Ezechiel schildert, ist nicht von heute auf morgen da. Das wächst nur sehr langsam. Ich möchte mich gern auf die Suche machen nach den kleinen Lebensquellen in meinem Alltag.

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SWR2 Wort zum Tag

In der Bibel werden ja ganz schöne Versprechen gemacht. Im Buch des Propheten Jesaja steht zum Beispiel: „Seht, ich erschaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde." Das sagt Gott seinem Volk zu, vor allem denen, die ihm treu sind. Und weiter heißt es: „Was früher war, wird vergessen, nur noch Freude und Jubel soll sein. Es soll kein Weinen und Klagen mehr geben. Kein Kind muss mehr sterben, alle Menschen erreichen ein hohes Alter. Wer als Hundertjähriger stirbt, gilt als jung."
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich wirklich hundert oder älter werden möchte, mit allem anderen wäre ich sofort einverstanden. Viel Freude, kein Leid mehr - das klingt verlockend. Aber dann frage ich mich: Hätte Gott die Welt nicht gleich so erschaffen können? Warum muss es so viel Umwege geben, warum immer wieder einen neuen Anfang? Wann werden die Versprechen endlich eingelöst?
Ich habe keine richtige Antwort, eher noch mehr Fragen. Ist Gott vielleicht nicht mächtig genug? Zumindest probiert er es nicht mit Macht, er setzt sie nicht ein.
Oder: Gibt es eine Gegenkraft, die das Böse in die Welt bringt, den Teufel? Das überzeugt mich nicht so recht, vielleicht, weil mir die Erklärung zu einfach erscheint.
Oder: Will Gott etwa selber das Böse? Das mag ich mir auch nicht vorstellen, auch weil ich nicht weiß, wozu das gut sein soll.
Mir leuchtet ein, dass Gott nicht erzwingen kann und will, dass wir Menschen ihn lieben und ihm vertrauen. Er nimmt uns als Gegenüber ernst und nimmt dabei in Kauf, dass wir uns anders entscheiden, selbst wenn das für uns nicht gut ist. Die Bibel beschreibt Gott oft als einen, der uns Menschen liebt, als einen, der um unser Vertrauen wirbt. Deshalb ist auch immer wieder zu spüren, dass er enttäuscht ist von den Menschen. Doch er fängt immer wieder neu an und verspricht, dass er es noch mal probiert.
Wenn ich so auf die Weltgeschichte schaue, dann sehe ich zwar immer wieder Neuanfänge, z. B. nach einem Krieg oder nach dem Fall der Mauer. Aber es ist kein Neuanfang, wie Jesaja ihn ankündigt, also nie wieder Leid. Ist das alles noch Zukunftsmusik? Oder sind wir nur nicht bereit, Gott alles neu machen zu lassen. Das kenne ich von mir selbst. Ich fange auch immer wieder neu an, manchmal erbitte ich sogar Gottes Hilfe dazu. Trotzdem bin ich immer wieder auf alten Gleisen unterwegs. Ich gestalte mein Leben so, wie ich es kann, wie ich es gelernt habe. Wege zu gehen, die ich nicht kenne, das macht mich unsicher. Genau darauf muss ich mich aber einlassen, wenn in meinem Leben wirklich Neues werden soll. Für mich persönlich hoffe ich immer, dass ich irgendwann dazu bereit bin, dass Gott mein Leben erneuert. Und wer weiß, vielleicht fängt das, was bei Jesaja versprochen wird, der neue Himmel und die neue Erde ganz langsam an, bei mir und bei Ihnen.

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SWR2 Wort zum Tag

Heute ist Mariä Lichtmess. Früher endete mit diesem Tag die Weihnachtszeit. Ein letztes Mal geht es um das kleine Kind Jesus. Mit diesem Kind kommen Josef und Maria in den Tempel, um Gott zu loben und ein Opfer darzubringen. Im Tempel halten sich zu diesem Zeitpunkt zwei alte Menschen auf. Simeon ist der eine, ein frommer und gerechter Mann. Er ist sich ganz sicher, dass er noch vor seinem Tod den verheißenen Messias zu Gesicht bekommt. Die Prophetin Hannah ist die andere, eine 84-jährige Witwe, die Tag und Nacht im Tempel ist, um zu beten und zu fasten. Hannah und Simeon warten beide auf die Rettung ihres Volkes durch Gott, oder wenigstens darauf, dass jemand diese Rettung ankündigt. Sie selber können dazu nichts beitragen, außer zu warten und zu beten. Und plötzlich betreten Maria und Josef den Tempel. Simeon geht auf sie zu. Er nimmt das Kind in seine Arme und preist Gott. Er sagt: „Meine Augen haben das Heil geschaut, das du geschaffen hast, damit alle Völker es sehen!"Auch Hannah hält es nicht mehr an ihrem Platz, sie kommt dazu, preist Gott und erzählt allen Umstehenden, dass dieses Kind sie erlösen wird.
Erstaunlich, wie diese beiden genau erfassen, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, auf den sie gewartet haben. Und dass sie auf dieses Kind gewartet haben.
Wir Christen feiern an Weihnachten, dass Gott in diesem Kind Jesus zur Welt kommt. Wir wissen auch, wie Jesu Leben weitergeht. Irgendwie ist das für uns Geschichte. Trotzdem warten wir noch auf sein Kommen. Damit meine ich nicht den nächsten Weltuntergangstermin. Nein, ich glaube, dass Jesus immer wieder bei mir ankommen will, schon zu meinen Lebzeiten. Aber auch das muss ich erwarten können. Wenn ich bete, dann suche ich von mir aus die Nähe Gottes, aber ich kann sie - wie in jeder guten Beziehung - nicht erzwingen. Ich kann mich bereit halten und warten.
Menschen, die lange genug warten, wissen manchmal ganz plötzlich - und auch ganz sicher: „Das ist es jetzt!" Oder so wie Simeon: „Dieses Kind wird die Rettung bringen!"
Manches Warten sortiert, lässt mein Für und Wider ins richtige Gleichgewicht rutschen oder macht mich sensibler für Hinweise, die von außen, vielleicht sogar von Gott kommen. Vielleicht kommt mir mit einem Mal in den Sinn, was der Freund am Vortag geäußert hat, und ich weiß, stimmt, er hat recht. Vielleicht habe ich im Moment das Gefühl, dass ich einfach gut aufgehoben bin, ohne dass ich darüber nachdenke. Das ist für mich die größte Aufgabe: auf Gott zu warten, ihn zu Wort kommen lassen. Da brauche ich noch Zeit und auch noch Übung

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SWR2 Wort zum Tag

Demut-  das ist eine Tugend, die recht altertümlich daher kommt. Aber ich entdecke sie gerade neu für mich. Zum Beispiel, wenn ich zu einem Abendtermin in den Nachbarort muss und - als Neuzugezogener recht hochmütig - denke, da muss ich nur mit dem Rad auf dem Feldweg einmal über den Berg und in 10 Minuten bin ich da. Im Dunkeln fahre ich querfeldein, dann komme ich wieder am Fuß des Berges an und muss doch die Straße nehmen. Zu meinem Termin komme ich zu spät, abgehetzt, verschwitzt und auch nicht mehr ganz sauber, aber demütig. Ich kann mir meinen Hochmut eingestehen und - in diesem Fall - auch über mich lachen.
Normalerweise fällt mir Demut aber nicht so leicht, weil ich mich nur schwer damit abfinden kann, dass ich nicht perfekt bin. In meinen Wunschträumen bin ich doch viel großartiger. Manchmal habe ich zum Beispiel das Gefühl, dass ich jetzt der einzige bin, der meinen Freund für immer auf den richtigen Weg bringen kann. Doch dann holt mich die Wirklichkeit ein und ich merke, wie vermessen mein Denken ist. Warum soll ausgerechnet ich so genau wissen, was für meinen Freund richtig ist.
Demut hat für mich viel mit der Wirklichkeit zu tun, mit einem realistischen Blick auf mich selbst und meine Fähigkeiten, zum Beispiel wenn ich jonglieren übe. Da merke ich, dass ich nie über drei Durchgänge hinauskomme. Dauernd muss ich mich nach heruntergefallenen Bällen bücken. Das muss ich akzeptieren. Die Demut sorgt dafür, dass ich trotzdem weiter mache, dass ich noch mal etwas ausprobiere, nicht mit dem Üben aufhöre. Ich bin eben noch kein Jonglierkünstler.
Ich gestehe mir ein, dass ich nicht alles kann. Ich lerne, mit dem zufrieden zu sein, was ich zustande bringe. Mit etwas Demut kann ich anderen ihre Aufgaben und ihre Zuständigkeit lassen. Ich bin nicht für alles verantwortlich, ich muss die Welt nicht alleine retten.
Demut ist Realitätssinn und gesunde Selbsteinschätzung. Ich habe meine Fähigkeiten und meine Aufgaben, ich kann was und darf mir einiges zutrauen, oft sogar mehr als ich denke. Aber mir sind auch Grenzen gesetzt, weil mir manche Fähigkeiten fehlen, viele Aufgaben nicht von mir allein gelöst werden können oder ich nicht der richtige dafür bin. Und als Christ glaube ich, vieles darf ich auch Gott überlassen. Nicht weil ich mich rausreden will, sondern weil ich mich nicht mit Wunschvorstellungen und unrealistischen Aufgaben überfordern muss. Mein Vertrauen auf Gott entlastet mich. Oder wie es mal jemand ausgedrückt hat: Ich weiß auch nicht, wie Gott ist, oder wer er ist. Nur eines weiß ich: Ich bin's nicht.
 

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SWR2 Wort zum Tag

Nach der Schule geht Max immer gleich nach Hause, seine Mutter wartet schon dringend auf ihn. Auch wenn Max erst acht ist, er wird gebraucht, um seiner Mutter auf die Toilette zu helfen. Allein schafft sie das nicht. Sie ist schwer krank. Oft muss Max auch das Essen kochen. Anderen davon erzählen oder gar Freunde mit nach Hause bringen kann Max nicht, dazu schämt er sich zu sehr. Für ihn ist es schlimm, dass seine Mama nicht so sein kann wie andere Mütter.
Ein wenig hört sich die Geschichte wie Erich Kästners „Pünktchen und Anton" an, wie etwas, das einer Familie zu Beginn des letzten Jahrhunderts passieren konnte. Aber solche Geschichten gibt es  auch heute. Und Kinder als pflegende Angehörige kommen gar nicht so selten vor. Als ich das gehört habe, bin ich erschrocken. Bisher habe ich nie darüber nachgedacht, vielleicht auch weil ich von solchen Kindern fast nichts mitbekomme. Sie haben ja kaum Zeit, auf der Straße zu spielen, sie laufen mir nicht so schnell über den Weg. Wenn ich dann aber von einem solchen Kind höre, dann bin ich sofort sehr berührt von seinem Schicksal, von der Last, die dieses Kind tragen muss, von der Verantwortung, die es übernimmt. Und es macht mich traurig, wenn Kinder kaum als Kind leben und keinen guten Kontakt zu Freunden aufbauen können. Ähnlich geht es mir mit sehr kranken, sterbenden oder mit trauernden Kindern. Sie alle sind viel zu „erwachsen" für ihr Alter, dabei brauchen sie doch eigentlich noch die Unterstützung von uns Erwachsenen.
Es gibt Menschen, die sich um diese Kinder kümmern, in Offenburg beispielsweise der Kinder- und Jugendhospizdienst, aber auch freie Trauerbegleiterinnen. Sie begleiten todkranke und sterbende Kinder. Kindern, die Angehörige pflegen, ermöglichen die Helferinnen eine Auszeit von der Pflege, ein Wochenende mit anderen Kindern oder sonst einen Ausgleich. Und denen, die sich von einem Elternteil, Schwester oder Bruder verabschieden mussten, helfen sie, ihre Trauer zu bearbeiten und neue Wege zu gehen.
„Den Kindern gehört das Himmelreich!" sagt Jesus einmal. Und mein erster Gedanke dazu ist in diesem Zusammenhang: „Wenn Kinder schon in jungen Jahren sterben müssen, dann ist das wohl auch das mindeste!"
Aber Jesus sagt diese Worte natürlich nicht in diesem Zusammenhang. Er sagt das, als die Jünger ihm Kinder und ihre Mütter vom Hals halten wollen. Er sagt das, damit die Kinder die nötige Aufmerksamkeit bekommen.
Und wenn ich bei diesen Worten trauernde oder pflegende Kinder vor Augen habe, dann ist das keine Vertröstung auf späteres Jenseits. Dann höre ich eine Aufforderung an uns alle: „Achtet auf die Kinder, lasst sie nicht allein, helft ihnen, wo Ihr könnt. Kein Kind soll abseits stehen und sich schämen müssen. Lasst die Kinder spüren, dass ihnen der Himmel gehört."

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SWR2 Wort zum Tag

„Von schönen Gegenständen und ihren Besitzern", so lautet der Untertitel eines Buches, das ich wieder mal in die Hand genommen habe. Die „schönen Gegenstände" werden seit 1906 im jüdischen Museum in Prag gesammelt. Sie stammen zunächst aus zwei abgerissenen Synagogen später auch aus dem privaten Besitz deportierter Juden und aus geschlossenen jüdischen Einrichtungen. Und sie erzählen ganz natürlich von ihren Besitzern, von jüdischen Gemeinden und Familien im 19. Jahrhundert.
Im Herbst 1941 sind die ersten Juden aus Prag deportiert worden, drei Tage dauerte jeweils die bürokratische Abwicklung: Zunächst wurden die Menschen zu einer Nummer. Dann wurde diese Nummer zu verschiedenen Schaltern gerufen: „Bei einem wurden die Wohnungsschlüssel abgegeben, beim nächsten die Lebensmittelkarten, beim dritten das restliche Geld, beim vierten Wertsachen, beim fünften Personaldokumente, und beim sechsten mussten verschiedene Fragebögen und Formulare ausgefüllt werden." Eine Treuhandstelle mit mehreren hundert Beschäftigten hat sich dann um die verlassenen Räume gekümmert. Das Inventar wurde sortiert, geschätzt und eingelagert, aber auch repariert und gereinigt. Man hat Inschriften und Monogramme entfernt. In 54 Lagerräumen in der Stadt wurden die Objekte fein säuberlich sortiert aufbewahrt, wie zum Beispiel 13.207 vollständige Küchen- oder Zimmereinrichtungen oder 603 Klaviere.
Aus den eingesammelten Schätzen haben Kunsthistoriker und Museumsfachleute Ausstellungen erstellt, die in verschiedenen Synagogen aufgebaut wurden, allerdings nur von der SS besucht werden konnten. Eine erste Ausstellung hat sich mit hebräischen Büchern und Handschriften befaßt, eine zweite mit jüdischen Festtagen und eine dritte mit der Geschichte der Prager jüdischen Gemeinde. Eine vierte Ausstellung sollte sich mit dem Leben der Juden in Böhmen beschäftigen, sie wurde jedoch nicht vollendet. Denn man hat Fachleute, die sie erstellen sollten, währenddessen deportiert.
Immer wieder erschreckt mich, wie bürokratisch und gründlich die Vernichtung von Menschen geplant und durchgeführt wurde. Und die absurden Geschichten, die sich in diesem Zusammenhang abspielen, bedrücken mich. Da wird ein Museum mehr und mehr erweitert, das mit Hilfe von schönen Gegenständen von Menschen und ihrer Kultur erzählen soll, während diese Menschen gleichzeitig mit der gleichen Sorgfalt verschleppt und getötet werden? Lebendige Menschen werden in den Tod geschickt, und tote Objekte sollen von einem vergangenen Leben erzählen.
„Von schönen Gegenständen und ihren Besitzern" - mit der Geschichte im Hintergrund wird der Titel sehr sperrig. Und zum wiederholten Male wünsche ich mir: „Wie schön wäre es doch, wenn Gegenstände und Besitzer noch da wären, wo sie hingehörten! Wenn beide - ganz selbstverständlich - ein lebendiger Teil unseres Lebens und unserer Kultur wären!

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SWR2 Wort zum Tag

 Manchmal erscheint Gott sehr urwüchsig und sogar grausam. Zumindest legen manche Bibeltexte das nahe. Gleichzeitig kommt er mir ziemlich menschlich vor. In der Geschichte von Noah und der Arche jedenfalls ist das so. Gott sieht, was auf der Erde los ist, und bereut, den Menschen gemacht zu haben. Und er entscheidet sich, noch mal neu anzufangen, einen Neustart zu machen. Den einen Menschen, der auf eine gute Weise lebt, Noah, will er dabei mitnehmen.
Und dann nimmt die Geschichte ihren Lauf, Noah baut die Arche und nimmt die Tiere paarweise an Bord. Die Welt geht in der Sintflut unter. Das wird uns nicht allzu ausführlich geschildert, aber wir können uns heute dazu sehr konkrete Bilder vorstellen. Schließlich sehen wir oft genug Bilder von Tsunamis und Überschwemmungen. Und wir stellen einen solchen Gott heute sofort in Frage. Für Menschen aus der Antike war das anscheinend kein Problem und in dieser Bibelgeschichte wird das zunächst auch nicht hinterfragt.
Nach der Katastrophe fängt Gott von vorne an. Als Noah wieder festes Land unter den Füßen hat, bringt er Gott ein Opfer dar. Und von Gott wird erzählt: „Der Herr roch den beruhigenden Duft und (...) sprach bei sich: (...). Ich will künftig nicht mehr alles Lebendige vernichten, wie ich es getan habe.
Dann schließt Gott seinen Bund neu, mit den Menschen, und auch mit allen Tieren: „Nie wieder (...) soll eine Flut kommen und die Erde verderben." Gott findet ein Zeichen für diesen Bund, den Regenbogen. Er soll an diesen Bund erinnern, und zwar uns Menschen und auch Gott selbst.
Gott vermutet, dass er mal wieder in Rage gerät, weil die Menschen ihre Möglichkeiten nicht nutzen oder nur noch dummes Zeug machen. Und für diesen Fall baut er vor. Der Regenbogen soll erscheinen und Gott noch rechtzeitig erinnern.
Die Menschen, die uns diese Geschichte erzählen, haben damit ihre Welt und ihre Erlebnisse gedeutet. Sie haben sich Gott sehr menschlich vorgestellt, als jemanden, der enttäuscht und zornig ist. Doch aus seinen Erfahrungen lernt er. Er verspricht nicht, dass er gar nicht mehr zornig wird. Aber er verspricht, dass er immer noch rechtzeitig an seinen Bund denken wird.
 Dieses Versprechen macht den Regenbogen zu mehr als nur einem wunderschönen Naturschauspiel. Er ist auch nicht ein harmloses Zeichen für Gottes Bund mit uns Menschen. Ein Regenbogen wäre dann immer auch eine Erinnerung für uns, dass Gott keine Katastrophen mehr über uns Menschen kommen lassen will. Und eine Warnung, dass es an der Zeit ist, mal wieder neu anzufangen. Gott hat die Welt gut geschaffen und wir können unseren Beitrag zu dieser guten Welt leisten. Auch dafür steht der Regenbogen.

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SWR2 Wort zum Tag

Was Gott eigentlich für ihn ist, fragt sich Hape Kerkeling in seinem Buch „Ich bin dann mal weg". Viele seiner Freunde haben sich von der Kirche abgewendet, weil sie unglaubwürdig ist, erzählt er. Und mit der Kirche haben sie dann auch gleich Gott aus ihrem Leben verbannt. Kerkeling dagegen glaubt, dass es Gott gibt. Und er vergleicht ihn mit einem hervorragenden Film. Die Kirche ist für ihn das Dorfkino, in dem dieser große Film gezeigt wird. Da hängt die Leinwand schief, sie hat Löcher, die Lautsprecher knistern. Man wird gestört durch Leute, die sich unterhalten, und manchmal bekommt man ganze Handlungsstränge des Films nicht mit. Und wenn man dann aus dem Kino kommt, denkt man: „Was für ein schlechter Film!"
Dabei war nicht der Film schlecht, sondern die Vorführung. Und die ist deshalb schlecht, weil Leinwand und Lautsprecher nur das wiedergeben, was sie können. So gibt auch die Kirche nur wieder, wozu sie in der Lage ist. Das ist menschlich, und Kirche ist durch die beteiligten Menschen eben begrenzt.
Gott ist wie ein guter Film. Doch seine wahre Qualität werden wir nie ganz erfassen, weil die Vorführung von Menschen und ihren Schwächen beeinträchtigt wird. Umgekehrt würde ich diesen Film ohne die Menschen möglicherweise überhaupt nicht sehen können. Ich kann Gott nur über andere Menschen erfahren. Und diese Menschen sind eben nicht nur Bischöfe und Pfarrer. „Die Kirche" als mein Gegenüber gibt es für mich nicht. Jeder Christ gehört schließlich dazu und ist damit Kirche.
Natürlich bin ich immer wieder Zuschauer im Film, derjenige, der Gott erfahren möchte. Ich rege mich auf, dass Gottes Größe und Liebe nicht immer deutlich wird, dass da menschliches Kleinklein im Weg steht.
Gleichzeitig bin ich Teil des Kinos, weil ich an der Vorführung des Films beteiligt bin, nicht nur weil ich in der Kirche arbeite, auch weil ich sowieso dazu gehöre. Und ich bin - wie jeder Christ, vielleicht sogar jeder Mensch - aufgefordert, möglichst viel von Gott in dieser Welt sichtbar oder spürbar werden zu lassen.
Wie alle anderen Menschen, bin ich auch daran beteiligt, dass der Film nicht so gut zur Geltung kommt. Andere können nicht erkennen, dass Gott in meinem Leben wichtig ist, dass er wirklich eine Hilfe sein kann. Es wird nicht immer deutlich, dass es tatsächlich entlastend ist, mit Gott zu leben.
Wenn ich auf meine eigenen Erfahrungen, auf mein Leben blicke, nehme ich selbst oft nicht wahr, dass Gott mit im Spiel ist. Wenn alles anders kommt, als ich es mir in meinen Träumen ausgemalt habe, wenn ich den Sinn nicht erkennen kann, dann zweifle ich eben auch an Gott oder vergesse ihn.
Gott als ein großartiger Film, dieses Bild von Hape Kerkeling motiviert mich, noch mehr auf Gott zu achten und etwas nachsichtiger zu sein mit den Menschlichkeiten, die dazwischen kommen, bei anderen wie bei mir. Vielleicht gelingt es mir ja ab und zu, etwas mehr von dem großartigen Film zu sehen, der uns da gezeigt wird.

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SWR2 Wort zum Tag

Gestern war der Weltgebetstag der Frauen. Frauen auf der ganzen Welt haben den gleichen Gottesdienst gefeiert und dieselben Bibeltexte gehört. Frauen aus Malaysia haben ihn vorbereitet. Und sie lassen einen Propheten aus dem Alten Testament zu Wort kommen, den Propheten Habakuk. Sein Buch in der Bibel ist recht übersichtlich: Zunächst beklagt er sich bei Gott, weil Feinde über das Volk Israel herfallen. Dann begreift er, dass die Feinde noch bestraft werden. Und er versucht zum Abschluss einen Lobgesang auf Gott zu formulieren.
Manches aus diesem Buch Habakuk ist mir heute, hier in Deutschland, eher fremd, weil ich die bedrängende Situation kaum nachvollziehen kann. Die Frauen aus Malaysia haben diesen Propheten unter ihrem Motto „Steht auf für Gerechtigkeit" ausgewählt. Gerechtigkeit ist heute ein Thema, weltweit und auch bei uns. Und vor diesem Hintergrund kann ich die Worte des Propheten Habakuk ganz gut hören: „Wie lange, Herr, soll ich noch rufen und du hörst nicht? Ich schreie zu dir: Hilfe, Gewalt! Aber du hilfst nicht. (...) Wohin ich blicke, sehe ich Gewalt und Misshandlung (...). (...)so wird das Recht verdreht." Da will einer Rechenschaft von Gott. Was er erlebt, passt nicht in sein Gottesbild. Er ist überzeugt: „Du, Gott, kannst der Unterdrückung nicht zusehen!"
Gott so anzugehen, ihn auch in die Verantwortung zu nehmen, das gefällt mir, obwohl ich das selber nicht mache. Ich bin viel zu brav in meinem Beten. Und wenn ich mich engagiere, wenn ich mir Sorgen um dies und jenes mache, nehme ich viel zu viel Verantwortung auf mich. Doch für ganz vieles in meiner Welt bin ich nicht verantwortlich. Ich kann die Welt nicht retten. Gott schon. Und er hat auf jeden Fall mehr Verantwortung als ich. Mag sein, dass ich ihn nicht für alles verantwortlich machen kann. Aber das, was ich ihm zu viel zuschustere, das hält er - glaube ich - aus. Und er würde auch aushalten, wenn ich mich mehr bei ihm beschweren würde, wenn ich klage und jammere, wenn ich ihn anschreie und Erklärungen fordere.
Die Frauen des Weltgebetstages fordern mich mit Habakuk auf, für „Gerechtigkeit auf zu stehen", aber nicht nur, indem ich etwas dafür tue. Ich soll auch dafür beten, darf sie von Gott einfordern.
So wie Habakuk, der mit einem Loblied auf Gott schließt. Aber mit was für einem! Es klingt fast wie eine Herausforderung und ist ein einziges ‚Trotzdem': „Zwar blüht der Feigenbaum nicht, an den Reben ist nichts zu ernten, (...) im Pferch sind keine Schafe, im Stall steht kein Rind mehr. Dennoch will ich jubeln über den Herrn und mich freuen über Gott, meinen Retter. Gott, der Herr, ist meine Kraft. Er macht meine Füße schnell wie die Füße der Hirsche und lässt mich schreiten auf den Höhen."

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SWR2 Wort zum Tag

Heute ist Weltgebetstag der Frauen. Auf der ganzen Welt feiern Frauen aus allen Konfessionen den gleichen Gottesdienst. In diesem Jahr haben Frauen aus Malaysia den Gottesdienst vorbereitet.  Sie haben sich eine Witwe ausgesucht, von der Jesus im Lukasevangelium erzählt: Die Witwe kommt zu einem Richter, der Gott nicht fürchtet und auch auf keinen Menschen Rücksicht nimmt. Doch sie kommt immer wieder und fordert: „Verschaff mir Recht gegen meinen Feind!" Dem Richter ist die Frau und ihr Recht egal. Auch Gott gegenüber fühlt er sich nicht verpflichtet. Trotzdem sagt sich der Richter: „Ich will dieser Witwe zu ihrem Recht verhelfen, denn sie lässt mich nicht in Ruhe. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mir ins Gesicht." Er hat also Angst, er befürchtet, dass diese nervige Frau noch weiter geht, dass sie rabiat wird.
Ich vermute, die Frauen in Malaysia kennen das: ungerechte Situationen, die dadurch, dass nichts getan wird, nur noch ungerechter werden. Und Veränderungen, die nicht geschehen, damit es endlich gerechter zugeht, sondern vor allem, damit Ruhe herrscht. Bis dahin könnte das Gleichnis Jesu schon dazu motivieren, in ungerechten Situationen möglichst viel Krach zu schlagen, möglichst lästig zu werden, damit sich doch noch etwas ändert.
Aber dann wäre es kein Gleichnis. Jesus entwirft noch ein Gegenbild zu diesem Richter: „Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen." Jesus möchte seine Zuhörer zum Beten animieren. Und Gott wird hören, verspricht er, und schnell reagieren, nicht weil er von uns genervt ist, sondern weil ihm etwas an uns liegt.
Kommt mir ein bisschen zu einfach vor, habe ich auch noch nicht so oft erlebt. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich selten Tag und Nacht zu ihm schreie. Oft ist es mit meinen Gebeten so, dass ich einmal kurz eine Bitte formuliere und dann in meinem Alltagsgeschäft weiter mache und versuche, die Dinge selber zu lösen. Und oft kann ich Probleme lösen, ohne dass ich dann auf die Idee käme, Gott könnte etwas damit zu tun haben. Dabei weiß ich inzwischen, dass es mir nicht gut tut, mich für alles allein verantwortlich zu fühlen. Im Gegenteil, manchmal ist es besser, wenn ich Probleme anderen überlasse, und Gott ist dafür keine schlechte Adresse. Allein für mich gelesen, erzählt mir die Geschichte: Die Witwe kann vom Richter eigentlich nichts erwarten und bekommt doch Recht. Ich kann von Gott etwas erwarten, ich müsste mich nur trauen und vor allem: Gott etwas zu-trauen.

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