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SWR2 Wort zum Tag

05SEP2023
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Was ist eine „Streiterehe“?
Ein Paar, das ständig miteinander im Clinch liegt? Das seine Konflikte laut und in aller Öffentlichkeit austrägt? Eine unangenehme Vorstellung. Aber dass es Streit gibt – in Partnerschaften und Familien – das ist kein Geheimnis. Doch das hat Graf Nikolaus von Zinzendorf nicht im Sinn gehabt, als er sich im 18. Jahrhundert für eine »Streiterehe« ausgesprochen hat.

Es gibt im Deutschen nämlich noch eine zweite Bedeutung von „streiten“:
Etwas miteinander erstreiten - im Sinn von: „etwas gemeinsam anpacken und durchstehen“. Eine gemeinsame Aufgabe zusammen vorantreiben. Und dabei füreinander einstehen. Als Team. Das hört sich für mich an wie ein Echo auf ein bekanntes Jesuswort: „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen.“ Was wörtlich übersetzt heißt: „Was Gott zusammengespannt hat, soll der Mensch nicht trennen...“ Partnerschaft also als ein Gespann, das etwas bewegt, gemeinsam an einem Strang zieht.

Für Zinzendorf und seine gleichaltrige Frau war das Bezeugen des Evangeliums ihr „gemeinsames Projekt“ – so würde man heute wohl sagen. Sie nannten ihre Ehe auch deshalb eine »Streiterehe«.
Als ich als Student auf diese Vorstellung gestoßen bin -  musste ich darüber den Kopf schütteln. Ist es doch ein sehr anderes Konzept von Partnerschaft, als jene weit verbreitete romantische Vorstellung, die auf gegenseitiger Anziehung, Zuneigung und Selbstverwirklichung basiert.

Und doch lässt mich die „Streiterehe“ und die damit verbundene Vorstellung nicht los. Wenn ich Paare sehe, die sich mit aller Kraft gemeinsam für ihre Kinder engagieren.
Wie schön ist das.  Oder wenn ich an bäuerliche Betriebe denke, wo Partnerschaft oft ein hohes Maß an beruflichem Zusammenwirken erfordert.

Und wie bereichernd und inspirierend kann es sein, wenn Paare sich in der Politik oder in der Wissenschaft gemeinsam engagieren oder als Ärzte zusammen wirken. Heute möchten viele Beruf und Partnerschaft strikt trennen. Das ist ein verständliches Bedürfnis.

Aber ich denke, es hat auch seinen Charme, wenn dieses alte Modell von einer „Streiterehe“ als Möglichkeit nicht gänzlich vergessen wird. Auch und gerade dann, wenn es mal wirklich Krach und Streit gibt. Dann sich mit einem Augenzwinkern an „die „Streiterehe“ erinnern – das kann auf eine andere Ebene führen. Und an das erinnern, wofür man zusammen ist. Mir hat das schon manchmal weitergeholfen.

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SWR2 Wort zum Tag

04SEP2023
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Wie wunderbar ist das Land, in dem ich lebe!
Wenn ich im Allgäu vom Schwarzen Grat ins Land schaue. Überall satte Wiesen.
Es wächst, sobald es regnet, sobald Sonnenschein auf das Land fällt. Und bei mir im Neckartal: Mais, Kartoffeln, Rüben und Wein. Und Obst. Die Ernte ist groß. Und der Duft des Obstes erfüllt die Luft.

Doch sobald die Frage laut wird –  Wem gehört das Land?  – wird es schwierig.
So richtig schwierig wird es, wenn das Land zu einer politischen Größe wird.
Wenn es sich mit den Ansprüchen eines Volkes und dem Programm verbindet:
„Das ist unser Land und nicht das Land der Anderen, die hier wohnen und siedeln.“

Wie viele Konflikte haben auf dieser Erde genau hier ihren Ursprung: „Das ist unser Land! Und deshalb müssen die anderen fort.“ Das gab es schon in biblischen Zeiten.
Aber in der Bibel findet sich auch ein friedensstiftendes Gegenkonzept:
Das Land gehört niemanden außer Gott allein. Gott ist gewissermaßen der Verpächter. Es bleibt sein Eigentum. (3. Mose 25,23)

Sind die Eigentumsverhältnisse so geklärt, dann geht es darum, ob sich Menschen – eine Gruppe oder ein Volk – als würdig erweisen, das Land zu bewirtschaften. Im Frieden mit und neben Anderen.

Es geht also um die Frage: Wie gehen Menschen mit dem Land um?
Menschen können sich als Pächter ihres  Landes als würdig oder unwürdig erweisen.
Sie können es bewahren oder aber verunstalten. Wer Boden und Menschen auspresst, verliert  das Land. Die Bibel sagt: Das Land spuckt ihn dann aus. (3. Mose 18,24+28)

Mir scheint, diese Einstellung könnte gerade an den Orten Frieden stiften, wo die Vorstellung von Volkszugehörigkeit und Landbesitz zu einer explosiven Verbindung wird. Wo Menschen vertrieben werden, weil sie angeblich kein Anrecht auf das Land haben – wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer Lebensweise.
Ich denke an Serbien, den Kosovo, an Israel-Palästina und andere Regionen. Die Kette von Landvertreibungen ist so fürchterlich lang.

Wie gut wäre es da, wenn sich diese andere Vorstellung verbreiten würde:
Das Land, das wir bewohnen, bebauen beackern und verwalten ist und bleibt für immer ein von Gott geliehenes Land. In seiner Schönheit und Fruchtbarkeit – eben „God´s own country“ – nämlich verliehen an die, die es bebauen und bewahren.

Die mögen dann bei ihren Feigenbäumen und Weinstocken in Frieden sicher wohnen. So eine Vision des Propheten Micha. Wie viele Menschen sehnen sich danach, dass sie das erleben können.

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SWR2 Wort zum Tag

29JUL2023
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Vor ein paar Wochen hat in Stockholm ein Iraker vor der größten Moschee der Stadt einen Koran verbrannt. Ausgerechnet am islamischen Opferfest. (ard – 28.6.2023) Als Reaktion darauf sollte es kurz darauf zu einer Tora- und Bibelverbrennung vor der israelischen Botschaft in Stockholm kommen (ard - 15.7.2023). Gewalttätige Nachwirkungen halten an. Keine Frage: Solche Bücherverbrennungen sind politisch motiviert. Sie sollen Aufmerksamkeit erregen und Hass schüren. Ich höre da auch immer Heinrich Heines Wort mit: „Wer Bücher verbrennt, verbrennt Menschen.“ In Deutschland ist es vor 80 Jahren so weit gekommen.

Ich frage mich: Was hat diesen Mann aus dem Irak dazu gebracht? Was bringt andere dazu, Heilige Schriften zu verbrennen? Hass auf die eigene Religion? Hass auf die Religion der Anderen? Hass gegen Religion in jeder Form? Welche Erfahrungen stehen dahinter?

Schwer zu sagen. Mir scheint, als handele es sich bei diesen Tätern um „Religionsverletzte“. Ist vielleicht eine tiefe Kränkung oder Verletzung der Ursprung für solche Hassausbrüche? Zerstören Religionsverletzte das, womit sie schlechte Erfahrungen gemacht haben, was sie bedroht hat. Etliche sitzen dabei irrsinnigen Vorurteilen und Zerrbildern auf. Gewissermaßen eingebildete Kranke.

Auch ich erlebe oft an Religionsverletzten, wie sie ein heiliger Zorn befällt, der sie blind macht für das Schöne und Lebensdienliche: für die Barmherzigkeit, die Liebe und die Gerechtigkeit, die im Zentrum der drei großen Religionen stehen, die sich auf Abraham berufen.  

Was könnte helfen, solche Gewaltausbrüche wie Bücherverbrennungen zu verhindern? Das eine sind Gerichte und Polizei, die dafür sorgen müssen, dass solche Untaten unterbleiben.

Ich denke, es braucht mehr: zuallererst ein Klima der gegenseitigen Toleranz. Es hat mich tief berührt, als ich unlängst im Franziskanerkloster Fojnica – unweit von Sarajewo – ein über 500 Jahre altes Dokument der Toleranz sehen konnte. Aus dem Jahr 1464! Die christlichen Franziskaner haben damals den muslimischen Sultan als ihren Herrscher anerkannt. Im Gegenzug wurde ihnen Religions- und Wirkungsfreiheit gewährt. Dieses Versprechen und dieser Respekt hatte Bestand – über Jahrhunderte.
Ich bin fest davon überzeugt: Nur so kann es ein Nebeneinander ohne gegenseitige Bedrohung und Gewalt geben. Das ist eine Voraussetzung, um die Schätze der Religion für das eigene Leben zu entdecken. Im Dialog. Dialog ist unverzichtbar, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie kostbar und lebensdienlich Religionen sein können.

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SWR2 Wort zum Tag

28JUL2023
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Vor kurzem war ich mit dem Fahrrad unterwegs - über eine kleine Anhöhe in ein Dorf. Dort steht ein Kreuz mit dem gekreuzigten Jesus.
Unten ist eine Tafel angebracht mit der Inschrift: „Rette deine Seele!“

Ich bin da schon xmal vorbeigekommen und habe gemeint, da stünde: „Rette meine Seele!“ - also ein Hilferuf an Jesus: Steh mir bei, sei mein Lebensretter in allen Nöten! Aber nein: Es ist anders. Da steht eine Aufforderung an mich: „Rette deine Seele!“

Das irritiert mich. Kann ich das denn überhaupt: Meine Seele retten?
Und was soll das heißen? Ist das etwa eine christliche Variante von: Tu was für Dich! Achte auf Dich! Lass es dir auch mal gut gehen! Aus dem Mund des Gekreuzigten hört sich so ein Appell jedenfalls seltsam an.

Zu Hause habe ich „Rette deine Seele!“ gegoogelt und dabei entdeckt, wie häufig diese Inschrift an Kreuzen ist. Und dann bin ich auf die Stelle in der Bibel gestoßen, wo das Wort herkommt. Es kommt in Wirklichkeit aus dem Mund eines Engels.

Der hat Lot und seine Familie im letzten Moment aus der Stadt Sodom herausgeführt. Sodom und Gomorrha sind in der Bibel Orte des Grauens, an denen Verbrechen gegen Frauen und Fremde an der Tagesordnung sind. Deshalb sind beide Städte dem Untergang geweiht.

Und in dem Augenblick, in dem Lot alldem mit knapper Not entkommen ist, da ruft der Engel ihm zu: „Rette deine Seele!“ – d.h. nach biblischer Vorstellung: Rette dein Leben! Zögere nicht, schau nicht zurück! Fliehe, damit du nicht umkommst! (1.Mose 19,17)

Ich lebe nicht in einer Stadt wie Sodom oder Gomorrha. Hier und heute verstehe ich diesen Appell so: Wo das Leben um dich herum vergiftet ist –wo Boshaftigkeit und Mobbing, wo Neid und Habgier vorherrschen, wo es keine Hoffnung für eine positive Wende mehr gibt: Da fliehe! Da steige aus! Da rette dein Leben und das deiner Lieben!

Ich bin eigentlich eher ein Typ fürs Durchhalten und Durchstehen. Die Geschichte von Lots Engel zeigt mir aber: Es kann auch anderes geboten sein.
Es kommt manchmal auch darauf an, rechtzeitig zu erkennen:

Du lebst in „toxischen Verhältnissen“, wie man das heute wohl nennen würde, in Beziehungen, die Gift für dich sind. Das kann in der Familie, in Partnerschaften, im Beruf, in Parteien und Vereinen vorkommen. Da gilt dann: Ehe das Gift dich verzehrt, „Rette dein Leben!“

Standhalten und Widerstehen ist eine Möglichkeit. Flüchten eine andere! Auch die kann angemessen – ja geboten sein. Als Wort unter dem Kreuz heißt das dann wohl auch. Du musst dich nicht zum Märtyrer machen: „Rette dein Leben!“ – wann und wo immer es irgendwie noch geht.

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SWR2 Wort zum Tag

27JUL2023
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Wenn ich das richtig mitbekommen habe, gibt es eigentlich keinen Lebensbereich, der nicht von Korruption durchdrungen ist. Immer wieder sorgt sie für Schlagzeilen in der Politik - in der Wirtschaft - in Schulen und Kliniken - beim Sport und in den Medien. Korruption ist wie eine Pandemie – weltweit verbreitet. Und manche Staaten wie der Sudan oder Jemen scheinen an Korruption zu zerbrechen, so sehr ist da staatliches Handeln von Korruption durchsetzt.

Warum machen Menschen da mit? Und was könnte davor schützen?
Ich denke jetzt nicht an die kleinen Schufte, die sich zum Überleben etwas ergaunern. Ich denke an solche, die im Grunde von allem, was ein Mensch zum Leben braucht, mehr als genug haben. Warum reicht ihnen das nicht?

Mir hat ein misslungener Korruptionsversuch zum Verständnis etwas weiter geholfen. Ein äußerst prominenter Fall. Von dem wird in der Bibel erzählt:

Da stehen sich Jesus und der Teufel gegenüber. Und der Teufel versucht, Jesus zu bestechen. Seine Worte klingen verführerisch: „alle Macht und Herrlichkeit der Welt will ich dir geben, wenn du vor mir auf die Knie fällst und mich anbetest!“

Aber Jesus lässt sich auf dieses Angebot nicht ein. Dem Teufel hält er ein Bibelwort entgegen: »Du sollst den HERRn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.“« (5. Mose 6,13)

Der Korruption zu widerstehen, das ist für Jesus eine Frage des Glaubens. Diese Spur führt mich zum Beginn der Erzählung. Eingangs wird in der Geschichte nämlich erwähnt, Jesus sei voll des Heiligen Geistes gewesen (Lk 4,1) – bevor er dann 40 Tage und 40 Nächte in der Wüste gefastet hat.

Diesen geistlich aufgeladenen und leiblich hungrigen Jesus stellt der Teufel auf die Probe: „Mach dir doch ein Brot aus diesem Stein, wenn du Gottes Sohn bist!“, flüstert er ihm ein.

Jesus wehrt auch diesen Versuch des Teufels ab: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, heißt es in der Bibel. Und weiter: „Der Mensch lebt von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes kommt.“ (5.Mose 8,3 // Matth. 4,4).

Ich entdecke hier in Jesus eine spirituelle Quelle, die ihn widerstehen lässt. Aus ihr schöpft er Kraft. Er muss sich nicht „auf Teufel komm raus Bereichern“. Und für mich entdecke daran: Man braucht offenbar geistliche Kräfte, mentale Energien – Glaube, Hoffnung und Liebe – um materiellen Verlockungen erfolgreich zu widerstehen.

Die Theologin Dorothee Sölle hat es einmal treffend so ausgedrückt: Wo diese Quelle versiegt, ist der „Tod am Brot allein“ nicht weit. Diese Quelle für sich zu erschließen, schafft Immunkräfte. Auch gegen so etwas wie Korruption.

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SWR2 Wort zum Tag

14JUN2023
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Eine kleine Nachricht vom letzten Monat hat mich aufhorchen lassen. Es war ein Wort aus dem Mund des Bundeskanzlers. Als neun Staats- und Regierungschefs im EU-Parlament ihre Visionen von Europa vorgestellt haben, da hat Olaf Scholz an die Mitgliedsstaaten appelliert, „in der Migrationspolitik voran zu gehen anstatt darauf zu warten, dass die Solidarität »wie der Heilige Geist« über sie komme.“ (ard – tagesschau.de – 9.5.2023).

Für mich erstaunlich: Ein Politiker erwähnt den Heiligen Geist, wenn es um praktische Politik geht. Der hat sein Neues Testament offenbar genau gelesen. Zweierlei höre ich raus:

1. Der Heilige Geist kann kommen. Und könnte Einigkeit stiften. So wie es in der Pfingstgeschichte in der Bibel steht: Menschen aus verschiedenen Völkern werden durch diesen Geist verbunden. Sprachunterschiede müssen Menschen nicht länger trennen. Sie werden vom Heiligen Geist zur Solidarität angestiftet.
Von Gütergemeinschaft und von Unterstützung für Bedürftige ist da die Rede. Und alles das schafft der Heilige Geist in Menschen. Auch Frieden und Einmütigkeit. Wie nötig wäre dieser Geist für gemeinsame Anstrengungen in Europa!

Nur – und das ist die zweite Botschaft, die ich in dieser Nachricht höre: Es dauert leider zu lange, bis er kommt. So lange können wir nicht warten. Hat der Heilige Geist etwa Verspätung? Und wann kommt er denn nun? Oder ist er längst schon da? Und wenn ja, wo? Ja, er ist schon da. Ich erlebe das so.

Da, wo Menschen aus dem Geist Gottes wachsen: Wo sie sich an seinen Weisungen für ein Leben in Frieden und Freiheit orientieren – da ist sein Geist wirksam.

Ich sehe diesen Geist in so vielen Menschen, die anderen beistehen. Die sich nicht entmutigen lassen. Die Schulen aufbauen, wo wenig Mittel da sind. Die Flüchtlingskinder unterrichten, auch wenn die Klassenzimmer dafür kaum ausreichen. Ich sehe den Geist in Menschen, die medizinische Hilfe leisten, wo sie bitter nötig ist. Die Menschen ohne Obdach Asyl gewähren, auch wenn das heftig bekämpft wird.

Gottes Geist ist schon da. In ihm ist Gott auf Erden gegenwärtig. In ihm ist Jesus mitten unter uns. Er sagt einmal: „Der Geist weht, wo er will.“ (Joh 3,8)

In aller Ungeduld ist das meine größte und manchmal auch einzige Hoffnung für unsere Zeit: Dass der Heilige Geist sich einmal ausbreitet wie der Wind, am besten rasch und sofort und überall. Darum gehört für mich die Bitte um den Heiligen Geist zu jedem Gebet und zu jedem Gottesdienst: „Komm Heiliger Geist, erfüll unsere Herzen mit dem Feuer deiner göttlichen Liebe. Uns und die ganze Welt.“

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SWR2 Wort zum Tag

13JUN2023
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Bei Trauungen in der Kirche fällt mir in letzter Zeit auf: Wenn zwei Menschen einander Treue versprechen, fließen immer häufiger die Tränen. Und das bei aller Coolness und Eheskepsis, die sonst so Konjunktur haben. Mich berührt das sehr. Und mir sagt das: Eine Partnerschaft ist offenbar eine große Geschichte – kann mehr sein als ein „Projekt“, mehr als eine Gemeinschaft zum gegenseitigen Nutzen.

Ich muss dann oft an das denken, was der Religionsphilosoph Martin Buber ein Ich-Du Verhältnis nennt. Zwei Menschen wenden sich einander zu und entdecken im Anderen eine Person, an der sie in der Begegnung wechselseitig wachsen können.

Vor hundert Jahren hat Martin Buber in seiner Schrift „Ich und Du“ die Grundlage für sein Denken gelegt. Er nannte es „Das dialogische Prinzip“. Da findet sich die markante Formulierung: „Der Mensch wird am Du zum Ich.“

Es geht nicht darum, sich zu verwirklichen oder sich zu behaupten. Martin Buber dachte dabei auch weit über den Horizont einer Partnerschaft hinaus. Eine dialogische Lebenshaltung ist für ihn fundamental für unser ganzes Verhältnis zur Welt. Es macht nämlich etwas aus, ob ich meine Gegenüber – seien es Menschen anderer Herkunft, anderer Völker oder anderer Religionen –, als Objekte ansehe, oder ob ich zu ihnen dialogisch in Beziehung trete. Das gilt genauso für andere Lebewesen, für Tiere und Pflanzen, für die ganze mich umgebende Kreatur.

Als Martin Buber diese Sätze formuliert hat, hatte er die große Katastrophe des I. Weltkriegs vor Augen. Mir scheint, seine philosophischen Entdeckungen können heute sehr wertvoll sein. Dialog wird zur Zeit in vielen Formen und Formaten beerdigt: Wo ethnische Trennungen propagiert werden, wo Religion ohne Dialog mit Anderen verkommt zu einem „Wir sind´s - die einzig wahren vor Gott “. Da wird der Unfriede früher oder später zum Programm.

Wenn ich die Welt nur als eine Ansammlung von Objekten ansehe, die ich mir zu eigen machen kann, verliere ich, vielleicht ohne es zu merken, den Boden unter den Füßen, die Schöpfung, die mich trägt.

Für Martin Buber heißt das auch: Mit den Mitkreaturen verliere ich Gott als lebendiges DU - wenn ich auch IHN wie ein Objekt ohne wirklichen Dialog in meine eigenen Vorstellungen einsperre.

Dialogische Begegnung einüben, darum ging es ihm. „Der Mensch wird am Du zum Ich.“ Eine Partnerschaft kann dafür ein lebenslanges Praxisfeld sein.

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SWR2 Wort zum Tag

12JUN2023
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Im ersten Buch Mose wird das Paradies beschrieben. Sie kennen das: Gott legt einen Garten an, bepflanzt ihn liebevoll, und setzt da die ersten Menschen hinein, dazu alle Tiere. Eine heile Welt.

Auf eine wenig beachtete Kleinigkeit will ich heute Ihren Blick lenken. Da heißt es nämlich auch: Ein Strom geht vom Garten Eden aus. Der teilt sich in vier Flüsse: in den Pischon, den Gihon, den Euphrat und den Tigris. (1.Mose 2,10-13)

Die letzten zwei kennen wir als große Ströme, die durch die Türkei, Syrien und den Irak fließen. Der Gihon ist ein kleiner Bach in Jerusalem. Der Legende nach soll er ein Reich in Nordafrika umfließen. Und über den Pischon gibt es seit jeher alle möglichen Ansichten: die einen hielten ihn für den Ganges (Josephus), andere für den Nil (Raschi), wieder andere für den Aras im Kaukasus oder für einen Wadi bei Medina.
Wenn ich mir diese Flussverläufe auf einer Landkarte vorstelle, gibt das eine völlig verrückte Anordnung und überhaupt keinen Sinn. 
Wenn ich sie aber nicht geographisch verstehe, bekommt das eine tiefe Bedeutung.
Und zwar diese: Da und dort – kann sein – erreichen Ströme aus dem Garten Eden die Menschen. Genaues kann man nicht sagen!

Freilich: In der Bibel geht es nicht nur um eine heile Welt, sondern auch um Bedrohungen und Verwüstungen. Doch immer wieder stellt sie sich quer zu der Grundstimmung, die Erde sei ein verlorener Ort und bald unbewohnbar.
Am Anfang und am Ende der Zeiten steht in der Bibel eine Welt, in der Menschen und alle Geschöpfe in Frieden beieinander leben können.

Heute scheint die Vorstellung vom Garten Eden in weite Ferne gerückt. Unerreichbar. Aber kann es nicht sein, dass das Paradies doch bis zu uns reicht – in unsere Tage?  Für mich steht dafür der vierte Fluss, der Pischon, der sich so gar nicht lokalisieren lässt. Vielleicht fließt er durch dein Land, in deiner Nähe, vor deiner Tür...

Vor kurzem habe ich an einer Studienreise durch das konfliktreiche Bosnien-Herzegowina teilgenommen. Unsere Gesprächspartner-innen sagten immer wieder: „Erzählt, wenn ihr heimkommt, nicht nur von den Spannungen, sondern auch von der Schönheit unseres Landes.“ Und genau das will ich auch vom eigenen Land tun:
Ich will davon erzählen, was für großartige Menschen hier wie dort friedlich zusammenleben. Niemand muss hungern – dort und hier nicht. Wie prächtig stehen Bäume und Büsche in frischem Grün. Wie leuchten die Augen der kleinen Kinder.

Für mich sind die vier Flüsse aus dem Garten Eden ein Hingucker: Lass dir die Welt nicht schwarzmalen! Sieh auch auf ihren wunderbaren himmlischen Glanz!

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03MAI2023
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Ein junger Mann hat unlängst in einem Interview gesagt: „Ich will nicht mehr sympathisch wirken.“
Er gehört zur Tübinger Gruppe der „Letzten Generation“ und setzt sich gegen den Abbau von Kohle ein. Er hat die Erfahrung gemacht: Mit Freundlichkeit kommt er nicht weiter. Darum hat gesagt: „Ich will nicht mehr sympathisch wirken.“ *

Ich verstehe ihn so: Bisher ging er freundlich mit seinem Anliegen in die Öffentlichkeit. Aber jetzt ist Schluss damit.  Und (2): Er muss sich das richtig vornehmen. Denn im Grunde seines Herzens möchte er sympathisch wirken.

Mich erinnert seine innere Zerrissenheit an ein Wort von Bertold Brecht:
„Ach, wir // Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit //
Konnten selber nicht freundlich sein.“

Brecht hat das im Exil in Dänemark geschrieben, wo er von 1934-38 gelebt hat. Er – und auch andere Gegner des Nationalsozialismus – wollten eigentlich freundlich sein. Doch sie mussten kämpfen, widersprechen, widerstehen.

Das hat Spuren hinterlassen. Brecht hat es so formuliert:
Auch der Hass gegen die Niedrigkeit // Verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht // Macht die Stimme heiser.

Sein Gedicht hat er so überschrieben „An die Nachgeborenen“. Und hat damit eine Hoffnung verbunden:
Ihr aber, schreibt er, wenn es soweit sein wird // Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist // Gedenkt unsrer // Mit Nachsicht.“

Doch wann ist es soweit, wann ist die Zeit für Freundlichkeit gekommen? Ich denke: Hier und heute! Denn mit verzerrten Gesichtszügen und heiseren Stimmen kann man schwer Menschen für sein Anliegen gewinnen.
Freundlichkeit sollte nicht vertagt werden - auch nicht im größten Streit.

Das hat Brecht - der schwäbische Protestant und Kommunist - als ein Liebhaber der Bibel offenbar gewusst. In der Bibel wird nämlich in Konflikt beladenen Zeiten und Situationen gemahnt: Seid freundlich zu jedermann! Zu Gleichgesinnten und anders Gesinnten. Das heißt heute: zu Polizisten und Demonstrantinnen, zu Angehörigen der „Letzten Generation“ und zu den Einsatzkräften, die sie mühsam von der Straße lösen müssen.

Hört nicht auf mit der Liebe! Wartet damit nicht auf bessere Zeiten. Jetzt ist es an der Zeit, Menschen ein Helfer zu sein. Und das gilt schon im nächsten Moment vor Ort: Beim Bäcker – in der Bahn – vor Schülern, in der Klinik – bei der nächsten Mail – beim nächsten Telefonat. Freundlichkeit, Sympathie und Wärme nicht aufschieben! Dafür ist es nie zu früh!

* Schwäbisches Tagblatt, 10.12.2022 – Moritz Riedacher, Gründer der Tübinger Gruppe „Letzte Generation“

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SWR2 Wort zum Tag

02MAI2023
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Über Deutsche wird oft gesagt, sie seien besonders ängstlich. Es gibt dafür den sprechenden Ausdruck „The German Angst“. Nun hat es in den letzten Jahren wahrlich Grund genug zu Furcht und Angst gegeben: Klimawandel, Corona Pandemie, Ukraine Krieg. Keine eingebildeten Erschütterungen sind das! Alles wirkliche Beben, die weltweit Leben bedrohen. Und doch gibt es eine spezifisch deutsche Steigerung, sich davon in Angst versetzen zu lassen.

Vor drei Jahren habe ich in meinem Stadtteil gesehen, wie zu Anfang der Pandemie ein Park, in dem Kinder spielen, mit rot-weißen Bändern abgesperrt wurde. Und wie in Kirchen Gesangbücher, die da wochenlang unberührt lagen, weggesperrt wurden, um Übertragungen des Virus zu verhindern. Da habe ich diese „German Angst“ gespürt. Angstgeburten waren das – von denen wir mittlerweile wissen, dass manche Maßnahmen übertrieben waren. Wie schnell und wie oft geht hierzulande die Welt unter...

Manchmal kommt es mir so vor, als wäre die Bibel genau für solche Menschen geschrieben, wie wir es sind. Denn das ist immer und immer wieder die zentrale Botschaft Gottes und seiner Engel – wie auch die von Jesus: Fürchtet euch nicht! Gerade so, als müsste uns das immer wieder gesagt werden.

Ich kenne das gut von mir selber: Mal habe ich schon bei kleinsten Anzeichen Angst vor einer unheilbaren Krankheit. Mal sind es unbegründete Verlustängste, mal weltweite Katastrophen, die mir unter die Haut gehen.

Doch was wirkt gegen meine Ängste? Was dämpft sie? Gibt es so etwas wie ein Medikament dagegen? In der Bibel wird eines genannt. Es heißt da: „Die Liebe treibt die Furcht aus!“ (1.Joh 4,18) Diese Liebe gibt es nicht als Nahrungsergänzungsmittel in der Apotheke. Diese Medizin hat mit Glauben und mit Gottvertrauen zu tun.

Bei mir ist das so: Wo ich mein Leben an „Gott“ orientiere, „der die Liebe ist“ – da gerate ich in sein Kraftfeld, da überträgt sich etwas von seiner Liebe in mein Herz: Frieden und Ruhe.
Wenn dieser Geist der Liebe mein Herz erreicht, schwindet die Furcht – auch die „German Angst“, die so tief in mir steckt.

Die ist dann zwar nicht ein für alle Mal weg. Sonst müsste der Ruf „Fürchte dich nicht!“ in der Bibel auch nicht so oft wiederholt werden.

Sogar nach Ostern heißt es nämlich: „Fürchtet euch nicht!“   – wo doch mit der Auferweckung Jesu eigentlich selbst die Angst vor dem Tod überwunden sein könnte. Angst und Furcht können offenbar nicht ein für allemal – sondern müssen immer wieder auf´s Neue zurückgedrängt werden. „Die Liebe treibt die Furcht aus! Das ist eine Erfahrung, die mich immer wieder neu leben lässt.

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