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SWR2 Lied zum Sonntag

17DEZ2023
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Und unser lieben Frauen
der traumet, traumet ihr ein Traum:
wie unter ihrem Herzen gewachsen wär,
gewachsen ein Baum.             

Und wie der Baum ein Schatten gäb
wohl über alle, alle Land:
Herr Jesus Christ der Heiland also ist er,
ist er genannt.                         

Herr Jesus Christ der Heiland ist
unser Heil und Trost,
mit seiner bittern Marter
hat er uns all erlöst.                

Und unser lieben Frauen
der traumet, traumet ihr ein Traum:
wie unter ihrem Herzen gewachsen wär,
gewachsen ein Baum.   

Der Baum ist ein uraltes Symbol. Er ist in der Erde verwurzelt und ragt zugleich in den Himmel. Er verbindet also Himmel und Erde, Gott und den Menschen. Der Baum erinnert an den Baum des Lebens im Paradies. Er ist seit jeher ein Bild dafür, dass das Leben beschützt und gesegnet ist, solange die Menschen mit Gott verbunden sind.

Die Sehnsucht nach solch einem beschützten Leben ist bei vielen groß. Aber die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Menschen haben Angst vor dem, was kommt. Viele fühlen sich einsam. Jeder muss selber zusehen, wo er bleibt.

Das war schon zur Zeit Marias so, denn ihr Volk wurde politisch von den Römern unterdrückt. In diese heillose, hartherzige Welt ist Jesus von Nazareth gekommen. Maria war überzeugt: er ist der Heiland. Er kann Menschen heilen und aufrichten. Durch ihn werden sie spüren, dass Gott immer mit ihnen in Verbindung sein möchte.  

Und wie der Baum ein Schatten gäb
wohl über alle, alle Land :
Herr Jesus Christ der Heiland also ist er,
ist er genannt.

Bis hierhin hüllt mich das Lied wie in einen schönen Traum ein.

Doch mit der 3. Strophe ändert sich der Charakter. Da heißt es: Herr Jesus Christ der Heiland ist unser Heil und Trost, mit seiner bittern Marter hat er uns all erlöst.

Jesus wollte den Menschen zeigen, dass Gott ihnen nahe ist, aber er wurde nicht verstanden und am Ende gekreuzigt. Aus dem Lebensbaum im Traum ist ein Kreuzesbaum geworden.

Max Reger weicht hier von der schlichten Melodie seiner Liedvorlage ab. In hoch expressiven Harmonien drückt er aus, was letztlich unfassbar ist. Dass Jesus durch seine Marter hindurch die Menschen erlöst hat. In seiner Musik klingt seine eigene Sehnsucht nach Erlösung  an. Er hat das Lied 1912 geschrieben, nach einem schweren körperlichen Zusammenbruch. Nach seiner Genesung hat er es seinem Arzt aus Dankbarkeit gewidmet.

Reger war ein tief gläubiger Mensch, der auch mit seinem Glauben gerungen hat. Das hört man in seiner Musik. Am Ende führt er das Lied zur schlichten Harmonie des Anfangs zurück, zum Traum Marias. Dieser Schluss lädt dazu ein,  mich  von diesem Traumbild berühren zu lassen.

Herr Jesus Christ der Heiland ist
Unser Heil und Trost,
mit seiner bittern Marter
hat er uns all erlöst.               

Einspielung : Chormusik zu Advent und Weihnachten, Orpheus-Vokalensemble, Ltg. Michael  Alber, CarusVerlag,

Reger, Max; Zellner, Hans, Und unser lieben Frauen Traum. Bearbeitet für Blechbläser, Harmonic Brass M0315067-014,

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SWR2 Lied zum Sonntag

08OKT2023
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1.Die Erde ist des Herrn. Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben. Drum sei zum Dienst bereit, gestundet ist die Zeit, die uns gegeben.

2. Gebrauche deine Kraft. Denn wer was Neues schafft, der lässt uns hoffen. Vertraue auf den Geist, der in die Zukunft weist. Gott hält sie offen.

3. Verlier nicht die Geduld. Inmitten aller Schuld ist Gott am Werke. Denn der in Jesus Christ ein Mensch geworden ist, bleibt unsre Stärke.

Unsere Erde – Berge und Meere, Urwälder und Wüsten

Lebensraum für unzählige Tiere, für  einen unvorstellbaren Reichtum an Pflanzen …

Und für uns Menschen.

Ein Wunder des Lebens in der Weite des Weltalls

Wem gehört die Erde?

  1. Die Erde ist des Herrn. Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben.

Drum sei zum Dienst bereit, gestundet ist die Zeit, die uns gegeben.
 

„Die Erde ist des Herrn“  Das Lied zum Sonntag heute beginnt mit einem biblischen Zitat.

Eine Aussage, die so gar nicht dem entspricht, wie die Menschheit mit ihr umgeht, denn wir haben die Erde längst in Besitz genommen, Ackerflächen und Bodenschätze, das Wasser und die Wälder. Oft mit kriegerischer Macht, die nicht selten auch noch religiös legitimiert wurde. Bis heute geht das so. Aber es wird immer klarer, dass es nicht mehr ewig so weitergehen kann. „Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben“.  Voller Erschrecken müssen wir lernen, dass es uns am Ende selber einholt, wenn wir sie rücksichtslos ausbeuten. Dürre und gnadenlose Hitze, Überschwemmungen, Verlust der Artenvielfalt.

Was wird aus der Erde?

„Gestundet ist die Zeit, die uns gegeben“  Die Zeit, in der wir noch handeln können, wird immer knapper. Und es braucht dazu eine neue Haltung. Nicht beherrschen und ausbeuten, sondern Verantwortung übernehmen. Bereit sein, die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten dafür einzusetzen, dass die Erde bewohnbar bleibt.

  1. Gebrauche deine Kraft. Denn wer was Neues schafft, der lässt uns hoffen.

Vertraue auf den Geist, der in die Zukunft weist. Gott hält sie offen.

So heißt es in der 2. Strophe. Mir gefällt daran, dass sie gegen die Resignation angeht. Nicht tatenlos verzweifeln, sondern mit Mut und Fantasie Veränderungen voranbringen. Wir können anders leben als wir es uns in den letzten Jahrzehnten angewöhnt haben. Was wir dafür brauchen, ist ein gemeinsamer Spirit. Eine Vision von einer Lebensweise, in der wir uns wieder als Teil dieser Erde begreifen, in der auch Tiere und Pflanzen ihr Eigenrecht haben.

In der Bibel finden wir dafür die Vision vom Schalom.  Das ist der große Traum, den Gott für seine Schöpfung hat: Dass wir friedlich zusammenleben, weil es gerecht zugeht und alle Menschen an dem Reichtum der Schöpfung teilhaben. Dieser Schalom – dieser göttliche Friede - verbindet alles, was lebt. Auch Tiere und Pflanzen. Das klingt utopisch – doch Gottes Geist treibt uns an, diesen Traum zu verwirklichen. Ich spüre und sehe ihn vor allem in jungen Menschen, die sich überall auf der Erde für eine klimagerechte Welt einsetzen.

Das macht mir Mut. Und doch frage ich mich: wieviel können sie schon bewegen? Sind die Kräfte, die alles beim Alten lassen wollen, nicht viel zu mächtig?

  1. Verlier nicht die Geduld. Inmitten aller Schuld ist Gott am Werke.

Denn der in Jesus Christ ein Mensch geworden ist, bleibt unsre Stärke.

 Diese Strophe fordert mich ganz schön heraus. Geduldig bleiben und sich nicht zu radikalisieren, weil Gott am Werk ist? Das klingt nach einer bequemen Ausrede. Allerdings: wenn ich auf Jesus schaue, der radikal darauf vertraut hat, dass Gottes Reich und sein Schalom kommt, dann erkenne ich, dass beides zusammengehört: unser eigener Einsatz und Gottes Wirken. Denn Gottes schöpferische Kraft wirkt in der Welt – auch in uns. Er gibt seine Schöpfung und seine Geschöpfe nicht auf. Darauf vertraue ich.

 

Musik: Adrian Brenneisen (Klavier) Franziska Fait (Gesang)

Studenten der Musikhochschule Trossingen

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SWR2 Wort zum Tag

02SEP2023
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Christen glauben an den dreifaltigen Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Er ist der Schöpfer der Welt, er hat in Jesus sein Wesen offenbart und im Heiligen Geist ist er uns nah. So versucht die Theologie das Geheimnis Gottes zu umschreiben. Mir persönlich hilft das Kreuzzeichen, diesem dreifaltigen Gott näher zu kommen. In der katholischen Tradition ist die Gebetsformel „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ mit einer Geste verbunden: Ich berühre meine Stirn, dann mein Herz und schließlich beide Schultern und zeichne so das Kreuz auf meinen Leib. Das bedeutet: Was ich denke, fühle und tue kann mit Gott verbunden werden. 

Über Gott nachzudenken, finde ich faszinierend. In vielen Religionen wird er als der Schöpfer der Welt verehrt. Auch wenn wir über die Entstehung der Welt heute vieles wissen, so bleibt doch die Frage: Warum gibt es die Welt? Kann das alles nur Zufall sein? Oder gibt es einen Urgrund, aus dem heraus alles geworden ist? Eine verborgene, transzendente Macht? Und welche Bedeutung haben wir Menschen und die Welt für diese göttliche Macht? Als Christin glaube ich, dass Gott wie ein Vater zu uns ist und uns liebt, wie ein Vater und eine Mutter ihr Kind lieben. Vor allem Jesus hat uns diese Seite von Gott gezeigt. In den Evangelien wird erzählt, dass er Menschen geheilt hat. Dass er auf die zugegangen ist, die sich wertlos und ausgeschlossen gefühlt haben. Durch die Begegnung mit Jesus haben sie wieder Vertrauen ins Leben gefasst. Von ihm ist eine besondere Kraft ausgegangen. Etwa Göttliches. Die Menschen haben gespürt, dass Jesus ganz eins war mit Gott. Das meint der Glaubenssatz: Jesus ist der Sohn Gottes. Er zeigt uns das Herz Gottes.

Und dann gibt es noch den Heiligen Geist, die schöpferische Kraft, die von Gott ausgeht. Das deutsche Wort Geist klingt abstrakt, im Hebräischen ist das Wort dafür die Ruach. Das bedeutet ursprünglich Wind und Atem. Wenn ich die Arme ausbreite und tief einatme, dann öffne ich mich auch für die göttliche Ruach. Sie wohnt in mir und zugleich verbindet sie mich mit allem, was lebt. Was um mich herum ist, kann mir dann nicht mehr gleichgültig sein. Ich möchte, dass andere Menschen auch durch mich etwas von Gottes Geist spüren können. Etwa indem ich mich einsetze für eine gerechtere und friedlichere Welt.

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes – denken, fühlen und handeln. Im Kreuzzeichen öffnen sich für mich viele Wege zu Gott.

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SWR2 Wort zum Tag

01SEP2023
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Wenn man als Paar miteinander alt wird, kann sich da noch etwas Neues entwickeln? Mir fällt dazu die biblische Geschichte von Abraham und Sara ein. Gott hat Abraham einst gerufen, seine Heimat zu verlassen. Da waren er und seine Frau schon nicht mehr die Jüngsten. Trotzdem sind sie aufgebrochen, weil Gott ihnen Land und viele Nachkommen verheißen hat. Das liegt nun lange zurück. Sie sind im Land angekommen, doch Sara ist kinderlos geblieben. Jetzt sind sie alt und haben sich bei den Eichen von Mamre niedergelassen. Abraham sitzt im Schatten der Bäume und Sara werkelt im Zelt. Da kommen drei unbekannte Männer vorbei, und nach guter orientalischer Manier heißt sie Abraham willkommen und bewirtet sie großzügig. Sara soll schnell ein paar Brote backen. Während sie backt, lauscht sie im Zelt, was die Fremden zu erzählen haben, denn normalerweise passiert nicht mehr viel in ihrem Leben.

Auf einmal hört sie den einen fragen: „Abraham, wo ist deine Frau Sara?“ Und er fährt fort: „In einem Jahr komme ich wieder, dann wird deine Frau Sara einen Sohn haben.“ Sara ist perplex: Wie soll sie noch ein Kind bekommen? Über dieses Alter ist sie weit hinaus. Sie lacht, aber es klingt bitter. So lange hat sie schmerzlich darauf gehofft, schwanger zu werden. Der Fremde hat an dieser alten Wunde gerührt. Eigentlich hatte sie längst damit abgeschlossen.

Mich berührt diese Szene. Als erstes die Frage an Abraham: Wo ist deine Frau Sara? Weiß er überhaupt noch, wo seine Frau innerlich ist, was in ihr vorgeht? Und dann die Verheißung: Sara wird ein Kind bekommen – trotz ihres hohen Alters. Das kann ich auch symbolisch verstehen. Es wird sich etwas ereignen, das die beiden, die einander fremd geworden sind, wieder miteinander verbindet. Dazu müssen sie sich ihren Lebenswünschen stellen. Das tut weh. Aber so kommen sie auch in Bewegung. Abraham und Sara sind bereit sich zu öffnen. Abraham heißt die Fremden willkommen und Sara lauscht.

Daraus lese ich auch eine Hoffnung für alte Paare: miteinander alt zu werden muss nicht bedeuten, dass sich nichts mehr ereignet. Wenn man offen bleibt und den Sehnsüchten Raum gibt, kann das Leben immer noch einige Überraschungen parat haben.

So wie bei Sara und Abraham. Sie bekommen tatsächlich noch ein Kind, den Isaak. In dem Namen steckt das hebräische Wort für Lachen. Mit ihrem Kind im Arm sagt Sara: „Gott ließ mich lachen und jeder, der davon hört, wird mit mir lachen.“

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SWR2 Wort zum Tag

31AUG2023
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Die Sommerferien gehen allmählich zu Ende und für Viele kommt der Alltag wieder zurück. Das heißt: morgens den Wecker stellen und zur Arbeit gehen und seinen Verpflichtungen nachkommen. Arbeiten hat für die meisten Menschen einen hohen Stellenwert. Wir verdienen damit unseren Lebensunterhalt. Sie gibt unserem Leben Struktur und wir entwickeln Fähigkeiten und zeigen, was wir können.

Die Welt zu gestalten und etwas zu erarbeiten – schöpferisch tätig zu sein - das gehört zu uns Menschen und das gibt unserem Leben einen Sinn.

Nach den Ferien freue ich mich daher wieder auf meine Arbeit. Trotzdem ist es mir wichtig, dass sie mein Leben nicht völlig dominiert. Arbeit kann auch einseitig und wenig selbstbestimmt sein. So zu arbeiten macht müde und deshalb ist es wichtig, zwischendurch auszuruhen.

Sogar von Gott heißt es, dass er sich ausgeruht hat, nachdem er die ganze Welt erschaffen hat: „Am 7.Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag.“ So lesen wir es in der Bibel. Dieser alte Text wirkt bis heute weiter. Ein freier Tag pro Woche lässt uns Menschen aufatmen. Wir dürfen an dieser Gottesruhe teilhaben.

Ich frage mich, wie es für mich sein wird, wenn in ein paar Jahren mein Ruhestand beginnt. Wird mir die bisherige Arbeit fehlen? Der Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen? Oder werde ich es genießen, endlich mehr Zeit für alles zu haben, was mir neben der Arbeit auch noch am Herzen liegt? Wahrscheinlich beides.

Ich hoffe, dass ich dann zufrieden mit dem bin, was ich durch meine Arbeit geschaffen habe. Dass etwas davon bleibt und weiter wirkt. Und es wäre schön, wenn das auch von anderen anerkannt und gewürdigt wird. Dann kann ich mich erschöpft zurücklehnen, und die Arbeit den anderen überlassen.

Gleichzeitig geht mir manchmal durch den Kopf, ob ich dann auch das erreicht habe, was mir wirklich wichtig war. Oder ich habe die Sorge, dass die Dinge, für die ich mich eingesetzt habe, schon bald keine Rolle mehr spielen.

Mir hilft da die große Erzählung von der Erschaffung der Welt. Ich darf ausruhen, auch wenn nicht alles erledigt ist. Ich kann etwas beitragen, aber es hängt nicht alles von mir ab. Letztlich ist es Gott, der das Ganze vollendet. Und zwar – wie es in der Bibel steht - dadurch, dass er am siebten Tag ausruht. So kann ich gelassen an seiner Gottesruhe teilhaben – nach meinem Tagwerk, wie dann hoffentlich auch nach meinem Arbeitsleben. 

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SWR4 Abendgedanken

18AUG2023
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Heute hätte meine Mutter Geburtstag. Aber sie ist leider schon vor einigen Jahren gestorben. Am Ende war sie sehr schwach und oft in ihrer eigenen Welt. Reden war mühsam für sie, und in ihrem Leben hat sich nicht mehr so viel ereignet. Aber jeden Abend hatte sie ein festes Ritual vor dem Schlafen gehen. Sie hat mit meinem Vater zusammen gebetet und zum Abschluss das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ gesungen.

Der Mond ist aufgegangen
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar:
Der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille,
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt.

Dieses Lied ist mir seit Kindesbeinen vertraut. Es ist eine Art Familienschatz und ich habe es auch für meine Kinder gesungen, als sie klein waren. Wenn die Nacht kommt ist es wichtig, sich behütet zu fühlen. Dann kann man leichter loslassen und in den Schlaf finden. Bei diesem Lied verschwindet alles, was uns am Tag aufgeregt hat. Durch die Bilder und die eingängige Melodie werden wir liebevoll in eine Stille eingehüllt. Ich konnte immer nur die ersten Strophen auswendig singen. Aber meine Mutter kannte durch ihr allabendliches Ritual alle Strophen - sogar dann noch, als sie am Ende ihres Lebens dement war. Bei meinen Besuchen habe ich immer gespürt, wie wichtig ihr gerade die letzten Strophen waren.

Gott, laß uns dein Heil schauen,

auf nichts Vergänglichs trauen,

nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden,
und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Wollst endlich sonder Grämen
aus dieser Welt uns nehmen
durch einen sanften Tod,
Und wenn du uns genommen,
laß uns in Himmel kommen,
Du lieber treuer frommer Gott!

Matthias Claudius, dem wir diesen Text verdanken, hat fest daran geglaubt, dass wir nach unserem Leben wieder zu Gott heimkehren dürfen. Der Tod war für ihn nicht das Ende, sondern ein Übergang aus dem irdischen in das himmlische Leben. Gerade dann, wenn die letzte Lebensphase sehr mühsam ist, ist das ein tröstlicher Gedanke. Wenn man Ängste hat und es schwerfällt, das Leben los zu lassen. Meine Mutter hat dieses Lied bis zu ihrem Tod jeden Abend gesungen. Und ich bin überzeugt, dass ihr das geholfen hat, sich am Ende ihres Lebens Gott anzuvertrauen.

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SWR4 Abendgedanken

17AUG2023
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Wenn ich mit dem Auto auf einer unbekannten Strecke unterwegs bin, dann ist ein Navi eine feine Sache, weil es mich sicher durch den Verkehr und zum Ziel führt.

Manchmal wünsche ich mir auch für mein Leben so ein Navigationsgerät, das mich sicher durch mein Leben lenkt. Ich denke zum Beispiel an meine Arbeit. Das Navi würde mir dann vielleicht an einem Tag sagen: „Setz dich ein, wag etwas, kämpfe für deine Ideen“ und an einem anderen: „Du musst auch mal nein sagen und innerlich Abstand gewinnen, sonst frisst dich deine Arbeit auf“.

Es gibt unzählige Bücher und Vorträge, die Tipps dafür geben, wie das Leben gelingt. Aber ich mit meiner ganz persönlichen Situation und mit meiner speziellen Lebenserfahrung komme darin meistens nicht vor. Doch gerade darauf käme es an. Das ist ja das Tolle am Navi: Es kann mich genau orten und mich notfalls auch aus einer verfahrenen Situation heraus zum Ziel lenken. Da kann es dann auch mal heißen: „Wenn möglich, kehren Sie um“.

Für den, der glaubt, kann Gott diese Aufgabe übernehmen, er kann uns navigieren.

Im Psalm 139 heißt es:
„Herr, du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir. Von fern erkennst du meine Gedanken. Ob ich gehe und ruhe, es ist dir bekannt; du bist vertraut mit all meinen Wegen.“ (Ps139,1-3)

Ich bin davon überzeugt: Gott kann mich orten. Er weiß, wie es um mich steht. Und er kann mir den Weg weisen. Darin liegt jedoch gleichzeitig eine Herausforderung. Ich bin es gewohnt, meine Ziele selbst zu bestimmen. Mit Gott zu gehen, heißt: mich seiner Führung anzuvertrauen. Offen zu sein für das, was ER mit mir vorhat, weil er es gut mit mir meint. Das ist nicht blinder Gehorsam. Eher ein Tasten und Suchen. Mich von Gott führen zu lassen kann dann bedeuten, mich den Fragen zu stellen, die auftauchen. Warum verläuft mein Leben gerade so und nicht anders? Kann ich darin einen Sinn entdecken? Wozu bin ich eigentlich auf der Welt? Natürlich habe ich weiterhin Ziele, die ich verfolge. Aber nicht mehr so stur und unbedingt. Manchmal führen sie mich ja auch in eine Sackgasse. Dann hilft es mir, mit Gott ins Gespräch zu kommen. Etwa beim Beten. Oder ich stoße auf einen Satz in der Bibel und denke: der ist genau für mich gemacht. Meine Erfahrung ist: Mit Gott als Navi finde ich immer wieder auf meinen Weg.

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SWR4 Abendgedanken

16AUG2023
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Hören ist für uns lebenswichtig. Das beginnt schon im Mutterleib, wo wir die Herztöne der Mutter und die Stimmen der Eltern hören und so eine erste Beziehung entsteht. Längst bevor wir auf die Welt kommen. Später lernen wir sprechen, indem wir nachahmen, was wir hören. Mit den Ohren nehmen wir wahr, was um uns herum passiert, und da wir zwei Ohren haben, können wir gut orten, woher die Geräusche kommen. Unsere Ohren sind sensible Wächter. Sie reagieren ganz fein - manchmal auf Nuancen: Was kommt mir da entgegen? Muss ich mich schützen oder kann ich offen und neugierig darauf zugehen?

Dass wir zwei Ohren haben, hat für mich noch eine weitere, symbolische Bedeutung. Bei dem einem Ohr geht es um mich. Es ist sozusagen mein Ich-Ohr, das alles aufnimmt, was für mich wichtig ist. Es hilft mir, dass ich mich in meiner Welt orientieren kann und meinen Platz finde. Dafür muss mein Ich-Ohr ständig prüfen: Muss ich jetzt aufpassen oder kann ich das vernachlässigen?

Beim anderen Ohr geht es um mein Gegenüber. Es ist mein Du-Ohr. Mit ihm höre ich zu, ohne meine Interessen und Bedürfnisse wie einen Filter über alles zu legen. Mit dem Du-Ohr höre ich hin und versuche ganz offen zu sein für mein Gegenüber. Ohne zu werten. So erfahre ich nicht nur Informationen, sondern alles, was an Gefühlen und Stimmungen mitschwingt. Dadurch entsteht zwischen uns eine Beziehung. Die braucht Vertrauen, aber sie schafft auch Vertrauen. Mit dem Du-Ohr können Beziehungen wachsen.

Mit dem Du-Ohr ist auch eine Beziehung zu Gott möglich. "Höre Israel", so beginnt das wichtigste Gebet der Juden. Beten heißt nicht zuerst, vor Gott viele Worte zu machen, sondern ganz Ohr zu sein. Still zu werden – äußerlich und innerlich - und damit dem Wort Gottes einen Raum in der eigenen Seele zu bereiten.

Dann kann es passieren, dass ein Wort aus der Bibel mich auf einmal innerlich berührt, so als wäre es direkt zu mir gesagt worden. Etwa: Fürchte dich nicht, ich bin mit dir. Ich stärke dich, ich helfe dir auch (Jes 41,10)

Das ist auch für mein Ich-Ohr eine wichtige Botschaft: Gott ist an meiner Seite und er lässt mich nicht fallen. Ich muss nicht ängstlich und voller Sorgen sein. Ich kann mir und dem Leben etwas zutrauen.

Wer Ohren hat, zu hören, der höre. So sagt Jesus. Er ermutigt uns, unsere Ohren zu öffnen. Beide. Das Ich-Ohr und das Du-Ohr. Für unsere Mitmenschen und für Gott.

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SWR4 Abendgedanken

15AUG2023
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Jetzt immer Sommer bin ich bei jeder Gelegenheit im Wasser: Ich mag es, in einem See weit hinauszuschwimmen, oder wenn ich im Meer die Kraft der Wellen spüre. Manchmal lasse ich mich auch von der Strömung in einem Fluss treiben. Wasser erfrischt und kühlt uns; ohne Wasser gibt es kein Leben. Das merken wir immer deutlicher.

Kein Wunder spielt das Wasser auch in den Religionen eine große Rolle. Im Christentum ist die Taufe das Ritual, mit dem man in die Kirche aufgenommen wird. Ursprünglich wurde man regelrecht im Wasser untergetaucht, um dann als neuer, zu Jesus Christus gehörender Mensch, wieder aufzutauchen. Sterben und auferstehen sollen dabei symoblisch erfahren werden. Wasser ist nämlich nicht nur das Ursymbol des Lebens, sondern es steht auch für Zerstörung und Tod. Und um beides geht es bei der Taufe.

Auch Jesus hat sich diesem Ritual unterzogen – im Jordan ließ er sich von Johannes taufen. Johannes hat dieses Zeichen gewählt, um deutlich zu machen, was uns Menschen nach unten zieht: die Ängste und die Aggressionen, das Böse um uns herum und in uns selbst – letztlich der Tod. Jesus ist dieser Erfahrung nicht ausgewichen. Aber als er aus dem Wasser aufgetaucht ist, da hat er die Stimme Gottes gehört: „Du bist mein geliebter Sohn“. Es gibt etwas, das stärker ist als alles, was uns nach unten zieht. Jesus hat es erfahren: Gott. Nicht einer, der irgendwo weit weg ist, sondern Gott war ihm ganz nah. Jesus ist gewissermaßen eingetaucht in Gott. Und so wurde Gott für ihn zu einer inneren Quelle, die ihn ganz erfüllt hat. Diese Quelle wollte Jesus allen Menschen erschließen. So ist er an den See Genezareth gegangen und hat Menschen um sich gesammelt. Die ersten Jünger waren Fischer, immer wieder ist Jesus mit ihnen auf den See hinausgefahren. Ob er das Wasser geliebt hat? Ob er schwimmen konnte? Wir wissen es nicht. In der Bibel steht, dass er übers Wasser ging. Und dass er einen Sturm mit einem Wort zum Schweigen bringen konnte. Unglaubliche Geschichten! Ich verstehe sie so: Das Zerstörerische, Dunkle, Chaotische hatte keine Macht über Jesus. Er stand darüber, weil er mit Gott verbunden war. Ganz eingetaucht in seine Liebe.

Wie das sein kann? Ein bisschen davon kann ich beim Schwimmen erahnen, wenn ich am ganzen Körper das Wasser spüre, das mich trägt. So trägt und umhüllt mich auch Gottes Liebe – in allen Wassern des Lebens. Ich finde, das ist eine wunderbare Zusage.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38219
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SWR4 Abendgedanken

14AUG2023
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Immer mehr Menschen leben alleine. Das hat vielfältige Gründe. Viele junge Menschen zieht es in die Ballungszentren, zunehmend mehr Menschen leben dauerhaft als Single und am Ende des Lebens bleibt auch bei einem Paar einer alleine zurück.

Allein zu leben bedeutet aber nicht automatisch beziehungslos zu leben. Allerdings: Wer allein lebt, muss sich aufmachen, etwas unternehmen, Beziehungen und Freundschaften pflegen – sonst bleibt er allein. Dann kann aus dem Alleinleben schnell Einsamkeit werden. Und die ist bitter, weil wir Menschen soziale Wesen sind. Wir brauchen den Austausch mit anderen. Wir möchten irgendwo dazu gehören. Für jemand anderen wichtig sein. Wenn das fehlt, dann kann Einsamkeit krank machen.

Wir sind nicht mehr so fest eingebunden in soziale Netze, wie das früher der Fall war. Familie und Freunde wohnen heute oft nicht am selben Ort und die Nachbarn kennt man kaum. Wenn man dann nicht mehr so mobil ist und sich nicht mehr so leicht aus dem Haus traut, wird es immer schwieriger, die Einsamkeit zu überwinden.

Was können wir da tun? Wie können die früher so selbstverständlichen Beziehungsnetze in der Nachbarschaft und im Wohnviertel neu geknüpft werden?

Ich denke, es kommt erst einmal auf uns selbst an. Etwa die Nachbarn kennenzulernen, wenn man irgendwo neu einzieht. Sich zu grüßen. Kleine Gefälligkeiten anzubieten und auch selbst darum zu bitten. Sich im Stadtteil umzuschauen, wo die Treffpunkte, die Vereine, die Kirchengemeinden sind. Wer offen für andere ist und sich einbringt, hat meist auch mehr soziale Kontakte. Aber manche Menschen tun sich damit nicht so leicht. Der erste Schritt fällt ihnen schwer. Deswegen braucht es immer auch diejenigen, die sich aktiv um den sozialen Zusammenhalt in ihrem Viertel kümmern. Mit einem offenen Ohr und einem weiten Herzen.

Für mich gehört das auch zu den Aufgaben einer Kirchengemeinde. Seelsorge bedeutet, andere Menschen im Blick zu haben. Sich für sie zu interessieren. Zu merken, wenn jemand neu dazu kommt und ihn freundlich anzusprechen. Ein Kirchencafé nach dem Gottesdienst zu organisieren, Besuchsdienste und Seniorennachmittage. Nachzufragen, wenn jemand länger nicht mehr gekommen ist. Das ist nicht nur die Aufgabe des Pfarrers oder der Verantwortlichen. Zu einer freundlichen und persönlichen Atmosphäre können viele beitragen. Mir ist das wichtig und ich versuche daher, Menschen in Beziehung zueinander zu bringen. Das ist für mich ein Stück gelebtes Christsein.

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