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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Endlich wieder Feste feiern können, Hochzeiten, Geburtstage. Lange war das entweder gar nicht oder nur eingeschränkt möglich. Essen, trinken, singen, tanzen. Der Lebensfreude Raum geben trotz Virus, Krisen, Krieg und den alltäglichen Sorgen.
In der Nachbarschaft gibt es offensichtlich ein rauschendes Fest. Ich höre Geräusche, Stimmen, Rufe, grölende Menschen, wummer, wummer, wummer. Wenn das die ganze Nacht geht, kann das ganz schön nerven. Die Nachtruhe ist gesetzlich garantiert. Zwischen zehn Uhr abends und sechs Uhr morgens. Auch am Wochenende. Feiern die Nachbarn zu laut, müssen oft Polizisten, Anwälte und Richter sich damit beschäftigen.
Ich stelle mir vor, Jesus hat sich sicher auch einmal mit Ordnungshütern angelegt, weil das Fest, bei dem er gewesen ist, für die Nachbarn zu laut war. Die Bibel sagt, Jesus sei ein „Fresser und Säufer“ gewesen. Seine Gegner wollten ihn damit abwerten. Wenn Jesus vom Gottesreich redet, dann beschreibt er ein Festessen. Auch sein letztes Abendmahl mit seinen Freunden feiert er in einer festlichen Atmosphäre. Und bei einer Hochzeitsfeier, berichtet die Bibel, verwandelt Jesus Wasser zu Wein. Mehr als genug, vielleicht auch mehr als gesund. Was für ein Statement. Jesus war sozusagen ein Partygänger. Er war gerne unter den Leuten. Ich glaube, Jesus war es wichtig Menschen zu begegnen, gemeinsam das Leben teilen, sich austauschen, nicht nur über Gott und die Welt reden, sondern handfest erleben, dass Gott es gut mit uns meint.
Und wie gehe ich mit den Festen in der Nachbarschaft um? Ich habe festgestellt, was von anderen als Lärmbelästigung empfunden wird, deute ich als Lebenszeichen. Menschen wollen ausgelassen sein dürfen. Dazu gehört Musik, singen, lachen, tanzen. Partys sind für mich Lebenszeichen. Das Maß und die Dauer sind natürlich entscheidend. Wenn das Maß voll ist, dann wird der Lärm zum Albtraum. Aber solange ich lebe, brauche ich keine Grabesruhe. Beim letzten lauten Fest in der Nachbarschaft war ich irgendwie dabei, weil ich mir, wach liegend in meinem Bett, einfach vorgestellt habe, auf meinem Fest zu sein. In meiner Fantasie bin ich meinen Freunden begegnet, habe selber getanzt, gesungen und gelacht. Ich bin dabei eingeschlafen und es wurde ein schöner Traum. Die Geräusche aus der Nachbarschaft haben mir dabei geholfen.
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Bist Du glücklich? Eine gefährliche Frage. Kommt nicht spontan als Antwort ein klares „Ja“, dann verrät mein Gegenüber: „Eigentlich bin ich ja schon glücklich, aber … da gibt es doch so viel, was noch besser sein könnte.“ Jeder hat da andere Wünsche offen.
Ich behaupte: Glücklich sein ist eigentlich ganz einfach. Es ist eine Frage meiner inneren Haltung: Ich bin glücklich, auch wenn ich inzwischen in einem Alter bin, wo klar ist, dass ich die meiste Zeit meines Lebens schon hinter mir habe. Ich bin trotzdem glücklich, weil ich mich an viele schöne Erlebnisse erinnern kann. Es ist nicht immer alles leicht und einfach gewesen, beruflich wie privat. Oft habe ich Durststrecken durchhalten müssen. Aber im Nachhinein bin ich dankbar für diese Erfahrungen. Ich bin glücklich, auch wenn ich bewusst auf meine Gesundheit achten muss und nicht einfach alles gedankenlos essen und trinken darf. Gott sei Dank lebe ich in einem Land, in dem ich mich auf die medizinische Versorgung verlassen kann. Ich bin glücklich, auch wenn ich nicht zu der Gruppe der Superreichen gehöre und mir alles leisten kann, was mein Herz begehrt. Trotz hoher Inflationsrate muss ich mir keine Sorgen machen obdachlos zu werden oder zu verhungern oder zu verdursten, auch wenn ich arbeitslos bin. Ich bin glücklich, auch wenn ich nicht die Macht habe, unliebsame Dinge in einem Handstreich zu ändern und nicht alles bestimmen kann, so wie ich es will. Aber Gott sei Dank lebe ich in einem freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat, der mir meine persönlichen Menschenrechte garantiert. Ich bin glücklich, auch wenn ich in meinem Umfeld immer mal wieder unangenehme Begegnungen und hässliche Situationen erlebe, weil ich Gott sei Dank mit meiner Frau einen Menschen an meiner Seite habe, den ich liebe und der auch mir spiegelt, dass ich ein liebenswerter Mensch sein kann. Ich bin glücklich, auch wenn in den Nachrichten Krisen, Mord und Totschlag, Naturkatastrophen und Kriege die Schlagzeilen beherrschen, weil ich Gott sei Dank jeden Tag auch gute Nachrichten mitbekomme: eine gelungene Geburt, eine bestandene Prüfung, eine Versöhnung nach einem Konflikt. Auch wenn ich schon Freunde, Bekannte und Angehörige verloren habe, sie nur noch in Erinnerungen und auf dem Friedhof besuchen kann und auch wenn ich um meinen eigenen sicheren Tod irgendwann weiß, bin ich glücklich, weil ich Gott sei Dank jeden neuen Tag als Geschenk erlebe.
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Verletzungen zu verarbeiten und hinter sich zu lassen, lernt man nicht von selbst. Wie mache ich meinen Frieden, mit Menschen, die mich enttäuscht haben? Wie kann ich mich versöhnen mit Andersdenkenden, zum Beispiel in der Impffrage? Unverheilte Wunden können uns zusetzen. Es heißt: Verzeihen können, hilft glücklicher zu sein. Aber wie geht das?
Ein zufriedenes und glückliches Leben führen, ist nicht nur ein Geschenk, es ist auch eine bewusste Entscheidung. Die Frage ist ganz einfach: was fällt mir leichter: verzeihen oder Rache üben? – Bin ich eine von den Personen, die nie zufrieden ist und immer sofort weiß, wer oder was schuld ist: der böse Ex, die unglückliche Kindheit, der fiese Chef, wenn ich arbeitslos werde? - Oder kann ich schlechte Erfahrungen hinter mir lassen? Kann ich Tiefschläge wegstecken, immer wieder neu anfangen, ohne bitter zu werden, auch wenn die Welt es nicht immer gut mit mir meint? Versuche ich mein Leben zu gestalten, statt mich immer nur als Opfer zu verstehen? Kann ich „wieder aufstehen, Krone richten, weitergehen“, wie es ein Spruch sagt?
Verzeihen heißt nicht, besonders mild oder konfliktscheu zu sein, sondern souverän großzügig sein. Verzeihen ist ein Geschenk, das ich mir selber machen kann. Wenn ich jemandem aufrichtig verziehen habe, dann hat er keine Macht mehr über mich.
Es geht nicht um ein lässiges „Schwamm drüber“, nicht um vergessen und verdrängen. Im Gegenteil: Wer wirklich verzeihen lernen möchte, muss dahin wo es wehtut. Die eigenen Gefühle kennen: Scham, Angst, Ohnmacht, Wut. Mir hilft es aufzuschreiben, wie ich mich fühle. Oder mit jemand darüber reden. Das ist der erste Schritt. Der zweite ergibt sich daraus: Abstand gewinnen. Nicht nur betroffen sein. Sich in die Rolle der anderen hineinversetzen: Warum hat mein Gegenüber sich so verhalten? Was war vielleicht mein eigener Anteil daran, etwa beim Ende einer Beziehung? Und dann der bewusste Entschluss: ich möchte die Sache hinter mir lassen. „Wer nachträgt, trägt schwer.“ heißt es. Das beschreibt, wie belastend es sein kann, wenn man nicht verzeiht. Ich finde: verzeihen lernen lohnt sich. Denn dann kann ich meine eigene Geschichte immer wieder anders weiterschreiben. „Vergeben bedeutet, dass ich aufhöre auf eine bessere Vergangenheit zu hoffen“ sagt die Autorin Melanie Wolfers, und „Wenn ich mir selbst verzeihe, akzeptiere ich mich als unperfekten Menschen.“
Mir helfen solche Gedanken, um gelassener mit mir und meinen Mitmenschen umgehen zu können.
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Im Glaubensbekenntnis formulieren die Christen: Jesus ist „aufgefahren in den Himmel; …von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Es gibt diese christliche Vorstellung: Jesus der Weltenrichter. Er wird uns am Ende der Zeit befragen und entscheiden, wer in den Himmel kommen und wer zur Hölle fahren muss. Diese Idee eines „jüngsten Gerichts“ gibt es in vielen Religionen. Am Ende eine ausgleichende Gerechtigkeit.
Ich finde dieses „jüngste Gericht“ ist ein überholtes Bild. Es gehört aber zu der eigenartigen Spannung in der Botschaft Jesu: Einerseits predigt er die Nächstenliebe und sagt, das Reich Gottes ist mitten unter euch, andererseits ist es ein zukünftiges Ereignis. Jetzt schon da und gleichzeitig noch nicht.
Ich glaube, dass uns Christus in erster Linie jetzt, heute in unseren Mitmenschen begegnet. Ich warte nicht auf den wiederkehrenden Christus. Ich warte nicht auf das Ende der Welt, sondern: „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde. Heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn er kommt.“ Das ist der Refrain aus einem Kirchenlied. Dieses Lied ist für mich wertvoll, weil es sehr gut zusammenfasst, was Christsein bedeutet. Es ist wie ein Leitfaden für christliches Handeln: Die Strophen beschreiben den Weltenrichter, der uns Fragen stellt: „Der Herr wird nicht fragen: Was hast du gespart, was hast du alles besessen? Seine Frage wird lauten: Was hast du geschenkt, wen hast du geschätzt um meinetwillen?“ so heißt eine Strophe.
Wir häufen immer mehr Wissen an. Wir lernen stetig. Aber was nützt uns die beste Technik, wenn wir es nicht einmal schaffen, mit unseren Nachbarn in Frieden zu leben? Ist es der Sinn unseres Lebens, andere Menschen oder die Natur zu beherrschen, zu unterwerfen, ja auszubeuten? Es ist doch sonderbar: wir wollen überall hinreisen und wollen ständig erreichbar sein. Wir erforschen den Mond und die Sterne und stoßen immer tiefer ins Weltall vor. Dabei vergessen wir, dass wir hier auf diesem Planeten leben, nicht nur miteinander, sondern füreinander.
Außer Essen und Trinken und einem Dach über dem Kopf brauchen Menschen Zuneigung und Anerkennung. Als Mensch möchte ich geliebt werden. Und schließlich geht es darum, nicht nur schöne Worte zu machen. Denn: „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde. Heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, … .“
Text von Alois Albrecht mit einer Melodie von Ludger Edelkötter
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Clowns sind auffallend geschminkt, tollpatschig und oft entwaffnend ehrlich. Sie bringen uns zum Lachen. Lachen ist gesund. Lachen macht gesund. Deshalb sind Clowns auch in Kliniken und Pflegeheimen anzutreffen. Kommt einer mit roter Nase, viel zu großen Schuhen und auffälligen Klamotten ins Krankenzimmer entspannen sich die Patienten. Das ist bei Kindern genauso wie bei Erwachsenen. Ein Chefarzt sagt: "Die Klinikclowns tun uns allen gut, das Lachen lenkt von der Erkrankung ab. Und das ist manchmal die beste Medizin."
Klinikclown ist ein Beruf. Einer hat mir erzählt: „Der Bedarf an Frohsinn ist unermesslich.“ Er fühlt sich nicht als billiger Kasper, sondern versucht behutsam und einfühlsam Kontakt aufzubauen. Ein Klinikclown darf die Situation übertreiben. Es ziehen dann Freude und Humor in die Krankenzimmer ein. Eins ist sicher: Die Clownvisiten helfen Kindern und Erwachsenen die Zeit in der Klinik als weniger belastend zu erleben.
Bei chronisch Kranken beobachtet eine Ärztin, dass sie besonders dann gerne zur Behandlung ins Klinikum kommen, wenn sie wissen: die Clowns sind da. Diese gehen humorvoll, einfallsreich, liebenswürdig und offen auf die besondere Situation der kleinen und großen Patienten ein. Sie helfen, ihre Lage zu verstehen und zu verarbeiten. Sie scheuen zum Beispiel nicht die Frage: „Wollt ihr hierbleiben oder lieber heimgehen?“ Natürlich wollen alle lieber nach Hause. „Dann schreibe ich euch jetzt ein Entlassungsschreiben - So! Jetzt könnt ihr gehen.“ Die Patienten wissen sehr wohl, dass sie nicht einfach gehen können. Aber nun können sie darüber lachen. Die Clowns haben ihnen in einer naiven kindlichen Art gezeigt, dass man mit schönen Gedanken auch spielen kann – selbst wenn sie im Moment unrealistisch sind.
Der liebe Gott hat uns Menschen den Humor geschenkt. Ein Clown ist für mich wie ein Engel, wie ein Botschafter Gottes. Um sich in einen Engel zu verwandeln, braucht es eigentlich nur eine rote Nase, keine Flügel. Ich mache immer wieder die Erfahrung, wie erleichternd es sein kann, auch mal wie ein „Clown“ zu sein, das heißt mich selber auf den Arm zu nehmen, eine Situation zu übertreiben und „lachen, wenn man eigentlich nichts mehr zu lachen hat.“ Das ist „das Geheimnis einer besonderen Medizin.“
Quelle: https://www.clownkampino.de/
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Sie haben sicher schon einmal gesehen, wie ein Hund sich schüttelt. Es erfasst den ganzen Körper. Vom Kopf bis zu seiner Schwanzspitze. Mich fasziniert das bei unserem Hund. „Shake off“ heißt der Fachbegriff: „Abschütteln“. Bei Regen oder wenn der Hund aus dem Wasser kommt: Er befreit sein Fell von der Nässe. Aber er schüttelt sich auch einfach so. Zum Teil nach Situationen von Stress, wenn er aufgeregt ist, sich erschreckt hat. Oder sich ertappt fühlt, er etwas gemacht hat, das er eigentlich nicht darf. Das Schütteln wirkt wie eine Pause. Danach wirkt er wieder normal. Als ob der Hund die Situation „abschütteln“ kann. Auch nach dem Aufstehen schüttelt er sich. Er zeigt damit, dass er sich wohl fühlt, dass er mit sich und der Welt versöhnt ist.
Auch Menschen möchten versöhnt leben. Einfach nur schütteln wie ein Hund? Schön wär‘s. Meistens ist mir bewusst, wenn ich etwas falsch gemacht habe, sehe ich ein, dass ich etwas gesagt habe, das nicht in Ordnung war. Ich bereue dann so einen Fehltritt. Manchmal kostet es mich etwas Überwindung, das dann auch offen einzugestehen und auszusprechen. Ich nehme mir dann vor, solche Situationen in Zukunft zu vermeiden, und, soweit das möglich ist, versuche ich etwas dafür zu tun, es wieder gut zu machen. Das Ritual der Beichte ist im Grunde genommen nichts anderes. Es wird als „Feier der Versöhnung“ verstanden. Belastendes darf sozusagen „abgeschüttelt“ werden.
Ich weiß, die Beichte hat bei manchen einen schlechten Ruf. Sie wurde zum Beispiel als moralisches Druckmittel missbraucht. Auch haben Menschen schlechte Erfahrungen gemacht, wenn man sie zur Beichte gezwungen hat. Das ist schade.
Ich möchte mich immer wieder mit meinem Leben versöhnen können, mit Gott und den Mitmenschen ins Reine kommen. Wenn es darum geht, Gedanken oder Gefühle loszuwerden, die mich belasten und ich anders weitermachen möchte, dann ist für mich das Schütteln von unserem Hund ein Vorbild geworden. Ich bin zwar kein Hund. Aber auch ich habe einen Körper. Morgens mache ich Yoga-Übungen. Da kann ich den vergangenen Tag noch einmal Revue passieren lassen und daran denken, was mich heute alles erwartet. Meine letzte Übung ist neuerdings ein „Shake off“: Ein Schütteln im Stehen von unten bis oben. Das geht ein paar Sekunden und dann fühle ich mich wahrscheinlich wie unser Hund: Einfach freier und offener für neue Begegnungen, Überraschungen und vielleicht stressige Situationen. Es ersetzt zwar keine Beichte, aber es tut unheimlich gut.
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Heute Abend schalte ich für eine Stunde das Licht aus. Ich mache bei der „Earth Hour“ mit. Eine Stunde für unseren Planeten. Vor 15 Jahren haben ein paar Umweltschützer in Australien damit begonnen. Heute werden es über zwei Milliarden Menschen in tausenden von Städten in allen Zeitzonen sein. Eine große, symbolische Umweltschutz-Aktion, jedes Jahr am letzten Samstag im März.
Die Nähe zur Tag- und Nachtgleiche ist sicher kein Zufall. Bei uns auf der nördlichen Halbkugel ist kalendarisch Frühlingsanfang, auf der südlichen Halbkugel ist Herbstanfang. Es sind die Tage, an denen lichter Tag und dunkle Nacht etwa gleich lang sind. So ein Gleichgewicht im Ökosystem Erde haben wir offensichtlich verloren. Die Earth Hour ist für mich eine Erinnerung daran, dass wir diese Balance wiederfinden müssen, damit die Schöpfung, die uns anvertraut ist, nicht kaputt geht.
Das Prinzip ist einfach: zwischen halb neun und halb zehn lokaler Ortszeit wird Energie eingespart und die Lichtverschmutzung dadurch wenigstens für einen kurzen Moment geringer. Ein symbolisches Zeichen zum Schutz des Planeten. Nicht nur in privaten Haushalten und öffentlichen Gebäuden wird das Licht gelöscht, auch bedeutende Wahrzeichen stehen heute Abend eine Stunde lang im Dunkeln: der Eiffelturm in Paris, der Big Ben in London, der Tafelberg von Kapstadt oder die Christusstatue von Rio de Janeiro.
Die Lichtsymbolik ist für Christen ein starkes Zeichen. Nacht und Finsternis stehen oft für das Böse, für Verdammnis und Tod. Der Tag und das Licht stehen für Erlösung, Befreiung und Auferstehung. Wir sagen an Ostern: „Christus, das Licht.“ So wie wir uns nach einer kalten, dunklen Nacht über die ersten wärmenden Sonnenstrahlen freuen und nach der dunklen, kalten Jahreszeit nach der Frühlingssonne sehnen, ist Jesus Christus unsere Sonne.
Aber diese starke Symbolik ist getrübt. Kaum jemand in den hochentwickelten Ländern sehnt sich noch nach dem erlösenden Licht. Diese Sehnsucht wird durch Urlaubsreisen in den Süden, Strahlen im Sonnenstudio und künstliches Licht befriedigt. Absolute Dunkelheit kennen wir kaum noch. Seit der Elektrifizierung beuten wir unseren Planeten mit einem immer höheren Energiebedarf aus. Die künstliche Beleuchtung wird zum Problem für Umwelt und Natur. Heute geht es darum, auf zu viel Licht zu verzichten. Mir liegt etwas an der Schöpfung. Ich werde heute Abend aber nicht nur für eine Stunde das Licht ausmachen, sondern auch eine Kerze anzünden, ein Friedenslicht.
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Die biblischen Psalmen sind uralte religiöse Gesänge. Die Israeliten beschreiben zum Beispiel eine scheinbar ausweglose Situation. Sie beklagen sich, dass Gott nicht eingreift, um sie zu retten. Ein Beter erzählt von seiner Angst. Einsam und krank schreit er zum Himmel, weil er Schmerzen hat. Einer sehnt sich danach, aus seinem Alltag auszubrechen. Er geht auf eine Wallfahrt. Ein anderer Beter jubelt in einem Psalm vor Glück, weil er einem Hinterhalt entkommen ist.
Beten heißt, das durchbuchstabieren, was mich beschäftigt. Beten heißt, Kontakt mit Gott aufnehmen, Fragen stellen, Antworten suchen. Als gläubiger Mensch vertraue ich darauf, dass mein Beten kein Selbstgespräch ist.
Der persische Schriftsteller SAID schreibt moderne Psalmen. Das hört sich dann so an:
„siehe herr / ich bewege mich / du brauchst nur standhaft zu bleiben / schweige / damit du mich hörst / und die stimmen der anderen / die in deiner abwesenheit leiser geworden sind / herr / ich weiß nichts von dir / und bin doch voller verlangen / ich will nur / dass du an mich glaubst / auch wenn du von mir alles weißt“
(aus: Said, Psalmen, S.42)
Ich mag diese vorsichtige, fast stammelnde Art sich dem Göttlichen zu nähern. Einen Dialog zu suchen mit dem, was wir Gott nennen. Die traditionellen Gebete treffen oft nicht das, was ich sagen will. Aber eigene Sätze zu finden ist manchmal schwer. Wenn ich einen Psalm von SAID lese, dann ist das für mich, als würde ich in einen offenen Raum treten. Wie bei den biblischen Psalmen gibt es etwas, das für mich zwischen den Zeilen steht. Spannungen können sich lösen, Leid wendet sich. Trotz verzweifeltem Anfang besingen die Psalmen am Ende Gottes Freundschaft. Sie sprechen von Hoffnung, sprühen vor Lebensfreude. Sie loben und preisen Gott für Wunder oder staunen über die schöne Welt. Wenn Jesus am Kreuz den 22ten Psalm zu beten beginnt, beklagt er sich zwar zunächst: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen …?“ aber am Ende hat Gott in diesem Psalm das Schreien gehört und ist treu. Anders als es oft vordergründig verstanden wird, beklagt sich Jesus in seiner Todesstunde also nicht, dass Gott ihn verlassen hätte, ganz im Gegenteil: Der Jude Jesus betet und vertraut auf die Zusage Gottes: Ich bin da! Gott ist ein Weggefährte durch alle Höhen und Tiefen unseres Lebens. Dieses Bild findet sich auch in einem kurzen Psalm bei SAID, er bittet:
„herr / stehe zu mir und meiner einfalt / die mich zu dir führt / denn ich will die vertraulichkeiten der erde begreifen / sei keine flucht oh herr / aber ein gefährte / für kommende wege“
(aus: Said, Psalmen, Verlag C.H. Beck, S.47)
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Ein Unternehmer schenkt seinen Mitarbeitern einen kleinen Stoff-Hamster. Mit Käfig und Hamsterrad und einer Karte auf der steht: "Behandeln Sie dieses Tier gut und pflegen Sie es, genauso wie Ihre Gesundheit. Wenn Sie denken, Ihrem Tier geht es in seinem Käfig besser als Ihnen in der Firma, lassen sie es mich wissen. Wir werden gemeinsam Lösungen finden!" Der Unternehmer hat Humor! Aber nicht nur das, ich glaube er meint es ehrlich. Er macht sich Sorgen um seine Mitarbeiter und ist offen für unkonventionelle Lösungen.
Früher kannte jeder im Unternehmen seinen Platz ganz genau. Es stand alles in der Stellenbeschreibung. Das Bild einer Firma war das stabile Organigramm. Aber so funktioniert das heute nicht mehr. Unternehmen müssen sich immer schneller an Veränderungen anpassen, nicht nur in Pandemie-Zeiten. Es wird immer schwieriger, Aufgaben genau zu beschreiben. Rollen werden mehrdeutig, weniger vorhersehbar, Schnittstellen bleiben unklar: Kollegen oder Kunden werden missverstanden. Es kommt zu Konflikten.
Dass Menschen dabei krank werden, dass sie sich überfordert fühlen, hängt für mich auch mit dieser zunehmenden Unsicherheit am Arbeitsplatz zusammen. Nichts ist mehr selbstverständlich, vieles muss immer wieder neu besprochen und geklärt werden. Damit umzugehen ist schwer. Man kann sich nicht mehr an fixen Arbeitsabläufen und äußeren Strukturen festhalten. Ich glaube jeder muss heute, mehr als je zuvor, für sich selbst Verantwortung übernehmen, spüren, wo seine Grenzen sind, wahrnehmen was ihm guttut oder nicht.
Mir ist es manchmal schwergefallen, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen, es war leichter, mich als Opfer zu fühlen. Aber wenn ich tief in mich hineingehorcht habe, hat mir eine innere Stimme gesagt: Du kannst dich immer wieder neu entscheiden, inwieweit du dich ins Hamsterrad einspannen lässt. Ich weiß, das ist nicht einfach, wenn man zum Beispiel zwei Jobs zum Überleben braucht, oder in einem System arbeitet, wo kündigen der einzige Ausweg aus dem Hamsterrad zu sein scheint. Meine Erfahrung ist, es gibt immer mehr als nur eine Lösung und oft überraschend viel Spielraum für unkonventionelle Ideen. Mich hat es Mut gekostet eine Zeit lang nur 80% zu arbeiten. Ich hatte weniger Geld aber dafür mehr Zeit für die Familie und meine Hobbys.
Gott sei Dank gibt es Menschen, die so denken wie der Unternehmer mit den Stoff-Hamstern, der seinen Mitarbeitern humorvoll zeigen will, dass sie ihm wichtig sind und er sich für sie mitverantwortlich fühlt.
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Konflikte sind etwas Normales, ja etwas Gutes. Das war für mich nicht immer so. Als Kind wurde mir beigebracht: Konflikte sind schlecht. Ich habe mit meinen großen Brüdern gestritten. Meistens ging es um Dinge, die unter Geschwistern normal sind. Wer darf als Erster auf die Schaukel oder wer hat Recht? Wir mussten unsere Kräfte messen, es gab Krach. Unter uns Kindern war das oft hitzig und wir wurden auch mal handgreiflich. „Jeu de main, jeu de vilain!“, sagte dann mein Vater. Das ist ein französisches Sprichwort was so viel heißt wie: „Achtung, wenn Du handgreiflich wirst, wird das böse enden.“ Es wirkte wie ein Frühwarnsystem, um weitere Gewalt zu unterbinden. Der „Vilain“ war der Schurke, der den Streit begonnen hatte. Eine Ordnungsmacht musste eingreifen, um Schlimmeres zu verhindern.
„Jeu de main, jeu de vilain!“ Das wirkt bei mir heute noch. Ich lehne jede Form der Gewalt ab, um Konflikte zu lösen, auch Gewalt in der Sprache und erst recht jede kriegerische Handlung. Im Laufe meines Lebens habe ich aber auch gelernt: Konflikte als solche sind nicht nur notwendig, sondern sie sind etwas Gutes. Ein Konflikt zeigt, dass wir noch nicht die bestmögliche Lösung gefunden haben. Verschiedene Bedürfnisse sind noch nicht ausreichend befriedigt. Die Bibel erzählt davon, dass Jesus den Konflikt oft ganz bewusst sucht. Er provoziert seine Gegner. Er heilt Kranke am arbeitsfreien Sabbat, verletzt geltende Regeln. Er brüskiert die Rechtschaffenen, weil er sich mit Sündern zusammentut. Jesus wirft sogar die Händler und Wechsler in heiligem Zorn aus dem Tempel-Bezirk in Jerusalem. Diese Szene wird oft herangezogen, um Christen zu widerlegen, die sich für gewaltfreie Konfliktlösungen einsetzen. Jesus selbst war doch nicht nur sanftmütig! heißt es dann. Aber erstens weist Jesus auf schlimme Zustände im Tempel hin: Das Gotteshaus soll nicht missbraucht werden, um Geschäfte zu machen. Und zweitens fällt auf: er beleidigt nie jemanden persönlich oder wertet Menschen in ihrer Person ab.
Ich habe mich viele Jahre beruflich mit gewaltfreier Kommunikation und der friedlichen Lösung von Konflikten beschäftigt. Manchmal finden wir in Diskussionen nur Kompromisse, alle Parteien fühlen sich dann als Verlierer. Wenn wir aber offen genug sind, muss keiner als Verlierer vom Platz, alle können gewinnen. Es ist wichtig, Lösungen zu finden, bei denen alle am Ende profitieren. Das kostet Zeit und braucht Geduld und auch den guten Willen der Beteiligten. Es ist eine Frage der Streitkultur. Für mich ist offensichtlich: Wer Macht und Gewalt missbraucht, nur um nur seine eigenen Interessen durchzusetzen, dem wird das nicht gelingen.
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