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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

07FEB2024
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Am Parkplatz vor der Böblinger Bonifatiuskirche befinden sich zwei Ladesäulen für Elektro-Autos. Fast ständig wird dort für müde Akkus Strom gezapft – so um die 30 Minuten muss man da schon rechnen. In dieser Zeit könnte man nebenan in der Kirche den seelischen Akku aufladen. Auch der macht immer mal wieder schlapp im täglichen Gerenne.

Wer die Kirchentür hinter sich schließt, betritt eine andere Welt. Wohltuend ist schon Stille, die einen plötzlich umfängt, vorausgesetzt, Sie haben Ihren Quälgeist, das Handy auf „stumm“ geschaltet. Das Tageslicht bricht sich in bunt bemalten Kirchenfenstern. Die Augen bleiben an christlichen Symbolen hängen. Nicht zu übersehen das Kreuz Jesu vorne im Chor: Zeichen dafür, dass sich der Gekreuzigte mit unserem eigenen Leiden und Sterben verbindet. Er lässt uns nicht allein. Wir dürfen ihn, den Erlöser, an unserer Seite wissen in allem, was uns an Leib und Seele bedrückt. Aber das ist nicht alles: Am Altar feiert die Gemeinde immer wieder seine und unsere Auferstehung. Von den Heiligen, deren Bilder oder Statuen die Wände schmücken, glauben wir, dass sie schon bei Gott angekommen sind.

Aber was mach ich dann in der Kirchenbank dreißig lange Minuten? Gar nichts, meine ich. Wer sich satt gesehen hat, kann die Augen schließen und sich entspannen, in sich hineinhören und dem Pochen des eigenen Herzschlags lauschen. Beten heißt einfach, da sein, sich und sein Leben Gott hinhalten. Wer will, kann direkt ein paar Worte an ihn richten. Kann ihn bitten für die Menschen an seiner Seite und besonders für jene, die es schwer haben. Vor Gott darf ich zu meiner eigenen Armseligkeit stehen, da geht es nicht um Leistung. Manchmal begegne ich in der Kirche auch betenden Menschen, die in ihrer Herzensnot still in sich hineinweinen. Tränen können lösen und befreien.

Kirchen sind „Ladesäulen“ für die Seele. Vielleicht, so hoffe ich, dürfen Sie bei einem solchen „Ladevorgang“ erfahren, dass da – wie draußen an Ihrem Fahrzeug – eine  geheimnisvolle Kraft zu fließen beginnt. Sie werden ruhiger und gelassener, schöpfen Hoffnung und Mut, so wie es der Beter in Psalm 146 verspürt hat: „Gott ist mir Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in großer Not“ (Psalm 146,2).

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06FEB2024
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Wer arbeitsfähig ist, aber zumutbare Arbeit verweigert, dem wird das Bürgergeld gestrichen. Das betrifft nur wenige, glaubt die Bundesagentur für Arbeit. Dennoch ist jeder einzelne von denen einer zu viel. Wer arbeiten kann, muss seinen Lebensunterhalt schon selbst bestreiten – das Bürgergeld ist kein „bedingungsloses Grundeinkommen“, wie manche meinen.

Ist es aber nicht zu üppig, so dass sich Arbeit gar nicht mehr lohnt? Diese Frage erhitzt immer noch die Gemüter. Nein – das Bürgergeld deckt nicht einmal das Existenzminimum ab. Doch das gilt leider auch für fast 20 Prozent der Löhne in Deutschland, und das ist der eigentliche Skandal! Daher wäre es sinnvoller, Erwerbsarbeit attraktiver zu machen, statt am Bürgergeld rumzufummeln. Leistung zu erbringen muss lohnender sein als Leistungen zu beziehen. Die Mindestlöhne anzuheben, ist das eine. Noch wichtiger wäre, die Unternehmen würden sich wieder zur Tarifbindung bekennen und Löhne und Gehälter mit den Gewerkschaften aushandeln. Dann wäre der ärgerliche „Niedriglohnsektor“ schnell ausgetrocknet.

Ob Arbeit attraktiver wird, hängt aber nicht nur von der Bezahlung ab. Arbeit muss die Menschen fordern, herausfordern, dann schenkt sie auch Freude und Erfüllung. Arbeit, die nur abstumpft, erschöpft und die Menschen ausbrennt, ist außer Geld nichts wert. Arbeitszufriedenheit hängt immer auch von Wertschätzung ab. Wer so etwas Wertvolles einbringt wie seine Arbeitskraft, seinen Fleiß, sein Können, seine Kreativität, seine Lebenszeit, verdient mehr als nur Geld, er verdient Anerkennung und Respekt. Wenn arbeitende Menschen auch noch kollegial zusammenhalten und einander menschlich verbunden sind, werden sie mit Sicherheit ihr Bestes geben.

Solche Qualitäten fallen freilich nicht einfach vom Himmel, sondern müssen von Betriebsräten und Gewerkschaften – zusammen mit den Unternehmen und ihren Verbänden – erst mühsam ausgehandelt werden. Da gibt’s noch eine Menge zu tun.

Wenn Arbeit sich wirklich lohnt – nicht nur finanziell, sondern auch menschlich, dann sind Drückeberger die Dummen und bestrafen sich selbst.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

05FEB2024
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Immer wieder sagen mir Angehörige nach dem Verlust eines nahen Menschen: Ich konnte mich gar nicht richtig verabschieden von ihm, das macht mir so zu schaffen. Sie schildern mir, wie tröstlich es für sie wäre, wenn sie noch einmal ein liebes Wort an ihn richten, ihn um Verzeihung bitten oder ihm danken könnten. Das würde ihre Trauer lindern, und sie müssten sich weniger quälen beim Gedanken, etwas versäumt zu haben. Ich glaube ja, dass Liebe, die sich verströmt, nicht einfach im Nirgendwo versandet und vielleicht ihren Adressaten findet, auch jenseits dessen, was wir verstandesmäßig begreifen können.

Aber dennoch kann ich gut verstehen, dass sich viele wünschen, sie könnten Versäumtes nachholen, nicht nur bei einem Todesfall.

Wie viele Worte bleiben ungesagt, weil wir in Eile, vergesslich oder unkonzentriert sind, weil ir auf bessere Gelegenheiten warten oder weil wir uns einfach nicht trauen. Es gibt eine Zögerlichkeit im Guten, die Gelegenheiten versäumen und Augenblicke verstreichen lässt.

Deshalb möchte ich Ihnen Mut machen, gleich den nächsten Moment zu nutzen für eine spontane Geste der Wertschätzung, für ein Lob oder ein Dankeschön aus heiterem Himmel. Rufen Sie gleich an, auch wenn das Telefonat eigentlich erst am Wochenende fällig wäre. Schreiben Sie heute noch einen Brief, auch wenn Sie das schon lange nicht mehr gemacht haben. Schicken Sie einen Gruß, in dem steht: „Einfach so, weil ich gerade an Dich gedacht habe...!“

Und wer es schafft, darf auch noch einen Schritt weitergehen, darf sich auf einen Weg machen, wo schon lange Funkstille geherrscht hat und sich vorwagen, auch wenn eigentlich der oder die andere dran wäre.

In einem Bibelvers heißt es: „Wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen ist ein Wort, gesprochen zu rechten Zeit“ (Buch der Sprüche 25,11).

Wärmt das nicht das Herz, wo so ein schönes Bild Wirklichkeit wird mitten im Alltagsgrau?

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Anstöße sonn- und feiertags

04FEB2024
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Am 4. Februar 1906, heute vor 118 Jahren, kam in Breslau der große evangelische Theologe und Bekenner Dietrich Bonhoeffer zur Welt. Er bot den Nazis die Stirn, ging in den Widerstand und wurde nach zwei Jahren Haft auf Hitlers Befehl am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg ermordet.

 

In seinen geheimen Aufzeichnungen aus dem Gefängnis macht er vor allem die Dummheit dafür verantwortlich, dass die Nationalsozialisten damals an die Macht gekommen waren. Dummheit ist „gefährlicher als Bosheit“, schreibt er. Gegen die Bosheit könne man protestieren oder sie notfalls mit Gewalt verhindern, gegen Dummheit aber sei wenig auszurichten. „Dummheit ist kein angeborener Defekt“, meint Bonhoeffer. „sie wird erworben. Menschen werden dumm gemacht, beziehungsweise lassen sich dumm machen!“ [1])

 

Mir scheint: Dummheit und Verdummung führen auch heute wieder dazu, dass man dumpf-dreisten Parolen auf den Leim geht und Rechtsradikale immer mehr Zulauf bekommen. Das Drehbuch ist stets dasselbe: „Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen“, sagt Bonhoeffer. Viele fallen heute auf Falschmeldungen herein und verbreiten sie ungeprüft übers Netz. Mit Hass-Botschaften aufgefüttert, werden Feindbilder und absurde Umsturzfantasien in Umlauf gebracht. 

 

Ist gegen Dummheit wirklich kein Kraut gewachsen? Klar – Dumme igeln sich ein, Belehrungen prallen ab. Aber Fragen kann man stellen, die verlangen nach Begründungen. Das verunsichert und macht manche doch nachdenklich. Vor allem jungen Menschen wird man viel erzählen müssen, wie das damals war, als die Dummen den Nazis zur Macht verholfen hatten. Und was daraus wurde: Ein Völkermord, in dem man über sechs Millionen Juden ums Leben brachte, und ein Weltkrieg mit 70 Millionen Kriegstoten.

 

Was vor Verdummung schützt, ist gründliche Information, etwa durch sorgfältige Zeitungslektüre. Darüber hinaus setzt Bonhoeffer auf die Kraft des Glaubens: „Die Furcht Gottes ist der Weisheit Anfang“, so zitiert er aus Psalm 111.

 

Ich meine auch: Wer an Gott glaubt, entwickelt keine blöden Allmachtsfantasien, der orientiert sich vielmehr an der Aussage Jesu: „Der Größte unter euch soll euer Diener sein“ (Matthäus-Evangelium 23,11).

 

 

 

 

[1]) Dietrich Bonhoeffer: „Widerstand und Ergebung“, hrsg. von E. Bethge, Gütersloh 1969, S. 14 f.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

09SEP2023
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Ich hab im Urlaub mal einen alten Lehrer getroffen, der mir sagte, er träume noch immer – fast 20 Jahre nach seiner Pensionierung – von der Schule. Es sei in diesen Träumen stets der erste Schultag nach den großen Sommerferien, und er habe darin immer viele Ängste.

In einer alten Erzählung von Wilhelm Raabe wird von einem Schulmeister berichtet, dem seine – Zitat – "Schlingel so grausam mitspielen, dass ihm seine Stelle am Marterpult zu einer Quelle fortwährenden Elends" wird. Er befinde sich "mit der Bande solcher junger Geister in einem immerwährenden Krieg". Am Ende seines kurzen Lebens, wie Wilhelm Raabe es beschreibt, lässt er den Lehrer sagen: "Hungrig nach Liebe bin ich gewesen, durstig nach Wissen und voller Sehnsucht". 

Diese Roman-Zeilen sind vor 160 Jahren veröffentlicht worden. Und nun beginnt am kommenden Montag auch hierzulande die Schule wieder.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen damit geht. Die meisten müssen sicher nicht mehr in eine Schule, und es muss ihnen davor auch nicht bange sein. Ich kann nur ahnen mit welchen Gefühlen Sie sich an ihre eigene Schulzeit erinnern. Jeder hätte wohl einiges zu berichten, und sicher gibt es da gute und weniger gute Geschichten von all den Erfahrungen, die Sie mit Lehrkräften, Klassenkameradinnen oder Freunden gemacht haben.

Aber auch heute finden sich in Klassen- und Lehrerzimmern, auf Pausenhöfen und Schulwegen Menschen, die hungrig nach Liebe sind, neugierig auf Wissen und voller Sehnsucht, wonach auch immer. Das möchte ich Ihnen gerne ins Gedächtnis rufen – oder, wenn es das noch gäbe, ins Poesiealbum schreiben.

Wenn Sie Eltern schulpflichtiger Kinder sind, sehen Sie die Lehrkräfte ihrer Kinder nicht nur in ihrer Rolle als Zensurverteiler, sondern als Menschen. Und wenn Sie als Lehrerin oder Lehrer nun wieder vor der Klasse stehen: Sehen Sie hinter dem Störenfried das zuwendungsbedürftige Kind. Und ihm möchte ich sagen: Verhalte dich nach Möglichkeit so, dass du nicht bereuen musst wie der biblische Sprecher im Buch der Sprüche: "dass ich nicht gehorchte der Stimme meiner Lehrer und mein Ohr nicht kehrte zu denen, die mich lehrten!" (Sprüche 5,13)

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08SEP2023
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Es kommt, wie es kommen musste: Die Bundesregierung plant für kommendes Jahr massive Einsparungen im sozialen Bereich. Elterngeld und Bafög werden eingeschränkt. Die Kindergrundsicherung auf Schmalspur. Außerdem trifft’s die häusliche Pflege und die Sozialversicherungen: Weniger Zuschüsse, also höhere Beiträge. Das sind nur ein paar Beispiele aus dem Grusel-Katalog, dem das Parlament im Herbst hoffentlich noch Einhalt gebietet.

Wenn nun bald fast jeder fünfte Euro im Bundeshaushalt in die Rüstung fließt, geht der „Wumms“ nach hinten los. Die Folgen dieses unsäglichen Krieges sind längst bei uns angekommen und machen uns schwer zu schaffen.

Meine Sorge: Mit solchen Sparmaßnahmen gefährden wir immer mehr den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den sozialen Frieden. Die Nachwehen von Corona, der Klima-Wandel und nun auch noch Krieg, Waffenlieferungen und Flüchtlingsströme verunsichern die Menschen. Die Wirtschaft schwächelt und die Inflation verharrt auf hohem Niveau. Menschen mit niedrigen Einkommen tun sich immer schwerer und fühlen sich wie auf der Verliererbank. Dort werden sie von Populisten und Rechtsradikalen eingesammelt und gehen denen mit ihren billigen Parolen auf den Leim.  

In diesen Krisenzeiten muss vor allem die Sozialpolitik, also die Sorge um die Schwächsten, den Laden zusammenhalten. Sie zu finanzieren dürfte kein Kunststück sein, wenn immer noch 10 % der reichsten Haushalte um die 60 % des gesamten Volksvermögens besitzen. Es fehlt nur am politischen Willen, einen Teil dieses Reichtums abzuschöpfen.

Solche Erschütterungen, wie sie gegenwärtig auszuhalten sind, schreien geradezu nach einem verlässlichen Sozialstaat, der nicht nur ein Existenzminimum, sondern ein angemessenes Auskommen für alle garantiert. So sehr wir den Frieden zwischen den Völkern ersehnen, so wenig dürfen wir den sozialen Frieden im Land gefährden. Ein starker Sozialstaat ist der Garant für den Zusammenhalt im Innern.    

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

07SEP2023
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Ich sitze am Rand eines kleinen Wäldchens auf einer Bank. Da kommt eine ältere Dame vorbei und nimmt neben mir Platz. Sie ist weit über 80, wie sie mir erzählt, und sei in früheren Jahren oft hier vorbeigekommen. Nun aber traue sie sich nicht mehr allein durch das Waldstück. Ob ich sie begleiten könne? - Aber sicher. Es sind ja nur ein paar Schritte.

Während wir so nebeneinander gehen, erzählt sie dies und das. Sie sei nur eine einfache Frau und habe nicht viel erlebt. Sie wundere sich allerdings von Tag zu Tag mehr über das, was in der Welt so geschehe – auch hierzulande. Wir sind bald durch, mit dem Wald und auch mit den Geschichten. Und dann gibt sie mir in einem Satz ihre Lebensweisheit mit auf den Weg: 

"Ja", meint sie, "i glaub' – d'Leit wisset heitzudag nemme, was ihne guat duad."

Seit damals habe ich diesen Satz im Ohr. Wissen Menschen heute tatsächlich oft nicht mehr, was ihnen gut tut? Tun sie für ihr eigenes Wohlergehen das Richtige oder haben sie vergessen, was "das Richtige" ist? Und gibt es das überhaupt? Ist es nicht eher doch so, dass für jeden und jede etwas anderes "richtig" ist? Was tut einem Menschen gut? Was tut ihm nicht gut?

Für andere klug zu sein, ist sicher einfacher als für sich selbst klug zu sein oder klug zu handeln. Aus meinem Lateinunterricht ist mir noch ein Spruch aus einer spätmittelalterlichen Zitatensammlung geläufig. Er lautet übersetzt so:
„Was immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende.“

Das Wikipedia-Wörterbuch übersetzt: Was du auch machst, handle vorausschauend und denke daran, wohin es führt.

Tut mir gut, was ich tue? Denke ich immer daran, wohin es mich führt? - Vielleicht geht es Ihnen wie mir. So explizit stelle ich mir diese Frage eigentlich kaum. Wenn ich nicht mit der Nase darauf gestoßen werde, agiere ich eher 'automatisch'. Tue, was getan werden muss, erledige, was ansteht, meist mehr intuitiv als reflexiv.

"D'Leit wisset heitzudag nemme, was ihne guat duad." – Was tut Ihnen gut? Wirklich gut? So gut, dass es auf Dauer gut ist? Gutes bewirkt?
Vielleicht denken wir – Sie und ich – heute mal extra darüber nach …

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06SEP2023
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Fiel einst im Mittelalter ein Ritter vom Ross, lag er wie ein Maikäfer hilflos zappelnd auf dem Rücken – außerstande, mit seiner schweren Rüstung aus eigener Kraft je wieder auf die Beine zu kommen. Dann war meistens das Ende besiegelt.

So wird es der Menschheit ergehen, wenn sie sich weiterhin systematisch zu Tode rüstet. In einem weltweiten Wettlauf der Besessenen verpulvern die Regierungen jährlich über zweitausend Milliarden US-Dollar. Mit einem Bruchteil dieser unvorstellbaren Summe, könnte man Hunger, Kindersterblichkeit und Armut überwinden. Und das „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr würde ausreichen, die Wohnungsnot zu beseitigen und marode Schulen auf Vordermann zu bringen. Stattdessen fliegen mit jeder Artilleriegranate drei voll finanzierte Kita-Plätze durch die Luft. 

Goldene Zeiten für die Rüstungsindustrie. „Bei uns fließen Milch und Honig“, frohlockte kürzlich ein Konzernherr. Voll daneben! Denn die Bibel meint mit „Milch und Honig“ gutes, friedliches Leben für alle! Einmal mehr bestätigt sich in diesen Tagen: Rüstung tötet – auch ohne Krieg! Die Ressourcen dieses Planeten werden einfach nicht ausreichen, um die Welt noch weiter aufzurüsten. Mit Hochrüstung sind schon die nächsten Kriege vorprogrammiert. Es wird immer offenkundiger: Wenn der Krieg nicht vom Erdboden verschwindet, wird die Menschheit vom Erdboden verschwinden.

Mich bedrückt diese Szenerie, und ich klammere mich hilfesuchend an ein Wort des Propheten Jeremia. Sein Volk Israel war falschen Führern nachgelaufen und dann aufgrund verfehlter Politik in babylonische Gefangenschaft geraten. Trotzdem spricht Gott: „Ich denke Gedanken des Friedens über euch, und nicht des Verderbens. Ich werde euch Zukunft und Hoffnung geben“ (Jeremia 29,11). Er hat sein Versprechen wahrgemacht, die verschleppten Stämme Israels kamen wieder frei.

Das ermutigt mich, Gott um Frieden anzuflehen. Wohl wissend, dass er gar nicht zuständig ist. Denn Kriege veranstalten wir. Und nur wir, nicht er, können Frieden schließen. Das Gebet aber, ich spüre es, stärkt die Friedenswilligen in der Welt und schweißt sie zusammen. 

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

05SEP2023
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„Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel ihre Nester, nur der Menschensohn hat keinen Ort, wohin er sein Haupt legen könnte“, klagt Jesus einmal im Matthäus-Evangelium (8,20). Er muss etwas von der Not der Obdachlosigkeit verspürt haben, auch wenn er diese als jüdischer Wander-Rabbi vermutlich freiwillig gewählt hat. Wie mag es denen ergehen, denen zwangsweise das Dach überm Kopf weggenommen wird?

Ich denke an Martha, eine 75-jährige Witwe, die man nach über 40 Jahren wegen Eigenbedarf aus ihrer Wohnung hinausklagen will. Sie hat ihr Leben lang in Schicht und Akkord gearbeitet und sich so zwar keine üppige, aber doch einigermaßen ausreichende Rente erworben. Und findet dennoch keine Wohnung. Seit bald einem Jahr eine Absage nach der anderen. Einmal hat ihr die Stadt vor der Nase eine bezahlbare Wohnung weggeschnappt, um Flüchtlinge darin unterzubringen. Vermutlich zieht Martha demnächst nach Brandenburg, von dort bekam sie günstige Angebote. Dann aber müsste sie in ihrem Alter noch einmal aufbrechen in eine neue und für sie unbekannte Welt. 

Die Wohnungsnot kommt nicht von ungefähr: Im neo-liberalen Wahn der achtziger Jahre wurde der soziale Wohnungsbau heruntergefahren und das Grundrecht auf Wohnen dem Markt überlassen. Der hat das Angebot verknappt und so die Preise hochgetrieben. Nun haben wir kaum noch bezahlbaren Wohnraum für Normalverdiener. Und nach wie vor werden ganze Wohnsiedlungen an Investmentfonds und Immobilienhaie verhökert. Die fackeln nicht lange, ekeln die Mieter raus und verwandeln einfache Wohnungen in teure Appartements. In manchen Städten liegen bebaubare Grundstücke brach, weil ihre Besitzer auf noch höhere Grundstücks-Preise spekulieren.

Ich appelliere heute an Vermieter, bedürftigen Wohnungssuchenden entgegenzukommen und nicht jeden Preis mitzunehmen, den der angespannte Markt bietet. Die Politik aber muss endlich mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen, auch wenn das kostet. „Wohnen“ ist ein Menschenrecht. Das haben die Staaten in der UN-Charta unterschrieben. Dann müssen sie auch dafür sorgen, dass alle ein Dach überm Kopf haben.    

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

04SEP2023
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Heute vor 58 Jahren starb der große Theologe, Publizist und Organist Albert Schweitzer, der berühmte Tropenarzt im afrikanischen Lambarene. Ihn hat das atomare Inferno im Jahr 1945 bis ins Mark erschüttert, als Hiroshima und Nagasaki in Schutt und Asche versanken und auf der Stelle über 100. 000 Menschen zu Tode kamen.  

Schweitzers Freund, der Physiker Albert Einstein, hatte ihn danach geradezu beschworen, mit der ganzen Autorität seiner Person auf die Politik einzuwirken, um Atomwaffen zu ächten und aus der Welt zu verbannen. Was die Großmächte nicht hinderte, die noch schrecklichere Wasserstoffbombe zu entwickeln und ein irrsinniges atomares Wettrüsten zu beginnen.

1952 erhielt Albert Schweitzer den Friedens-Nobelpreis. In seiner legendären Osloer Friedensrede stellt er fest, der Mensch sei im Blick auf die Waffentechnologie „zum Übermenschen“ geworden, leide aber an einem fatalen Defizit: Seine Vernunft habe mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Daher würden nun die Errungenschaften von Wissenschaft und Technik zur tödlichen Gefahr.

In meinen Worten: Der moderne Krieg ist uns über den Kopf gewachsen. Der Vernunft entglitten, wird er zum Monster, das uns vor sich hertreibt.

Ich fürchte, das trifft ins Schwarze. Die banale Kriegslogik, die sich wieder breit macht, gibt Albert Schweitzer recht. Viele meinen, Krieg, diese Ausgeburt der Hölle, sei nach wie vor politikfähig, als kämpften wir mit Holzsäbeln gegeneinander. Wieder andere, die das Ausmaß eines Atomschlags erahnen, ducken sich weg, schauen einfach nicht mehr hin – genau so un-vernünftig! Dabei steht die sogenannte „Weltuntergangsuhr“ neunzig Sekunden vor Zwölf.

Friedens-Ethik beginnt mit dem Gebrauch der Vernunft. Und die sagt: Krieg kennt nur Verlierer. Wenn die Vernunft nicht Einhalt gebietet und die Eskalation stoppt, wird ein Atomschlag immer wahrscheinlicher. 

Albert Schweitzer macht mir Mut, weiterhin geduldig zu argumentieren: Krieg ist jenseits aller Vernunft. Ich werde ihn – wie Papst Franziskus – ächten und demaskieren als das, was er wirklich ist: „Eine Niederlage der Menschheit.“  Der Krieg muss aus den Köpfen, erst dann wird Friede sein.   

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