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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Fünfjährige lieben ihre Eltern – und meistens zeigen sie das auch ganz direkt und ungeniert. Mein fünfjähriger Enkel tut das natürlich auch. Aber er hat noch eine weitere Idee. Er findet nämlich ein langes Stück Schnur. Er überlegt kurz - und weil er doch jetzt auch schon Knoten machen kann, knotet er das eine Ende an Mamas Knöchel, und das andere an seinen eigenen Knöchel. Er gehört ja zu seiner Mama. Sagt er. Jetzt kann man das auch sehen! Glücklich sitzt er mit uns am Kaffeetisch. Die lange Schnur ringelt sich irgendwie um den Tisch herum. Wir trinken Kaffee, essen Kuchen und  das Kind ist ganz aufgeregt über seine Erfindung.  Nur -  es dauert nicht lange, da muss er mal ins Bad gehen. Jetzt aber wird es kompliziert. Die Mama muss mit aufstehen, wegen der Schnur, und sie muss vor der Tür warten, und die Schnur verklemmt sich auch noch unter der Tür. Die ist überhaupt nicht praktisch, diese Schnur, mit der sie verbunden sind. Was nun?

Da hat die Mama eine Idee. „Weißt du“, sagt sie. „Eigentlich brauchen wir doch die Schnur gar nicht. Ich hab dich ja immer lieb. Und du hast mich auch immer lieb. Und das wissen wir doch auch so. Und wir spüren es.“  Das Kind denkt nach und nickt. Und strahlt. Weil die Oma daneben steht, wird sie auch mit einbezogen. Die Oma hat ihn ja auch immer lieb. Und obwohl der Papa gerade gar nicht da ist, hat auch er sein Kind immer lieb – und so sind alle miteinander verbunden.

Und deshalb, weil das einfach so funktioniert und man dafür gar nichts braucht als ein liebendes Herz, kann das Kind die Schnur jetzt abschneiden.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

In neun Monaten ungefähr ist Weihnachten. Klingt seltsam, wenn gerade erst Ostern war.  Aber weil an Weihnachten die Geburt von Jesus gefeiert wird, wird in den katholischen Kirchen neun Monate vorher an die „Verkündigung des Herrn“ gedacht, normalerweise am 25. März – Da war aber in diesem Jahr der Palmsonntag, deshalb wurde das Fest der Verkündigung ein wenig verschoben. Verkündigung des Herrn:  Das ist der Moment, wenn die junge Maria erfährt, dass sie schwanger und die Mutter von Jesus werden soll.  Niemand weiß, wie es wirklich war. Aber diese Szene regt alle Phantasie an. Vor allem die der Maler. Die Künstler stellten sich das meistens schön vor: Wie eine schöne junge Frau in ihrem Zimmer sitzt. Ein schöner großer Engel ist bei ihr und überbringt ihr die Nachricht. Alles ist schön. Und ganz ruhig.

Ob das wirklich alles so „schön und ruhig“ war? In der Bibel beginnt die Verkündigung mit dem Gruß des Engels. „Sei begrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit Dir.“ (Lk 1,28) Und die junge Frau erschrickt darüber. Das ist auch naheliegend. Wie soll sie das einordnen? Und was will Gott von ihr, sie ist doch eine ganz normale junge Frau?  Und die muss das alles erst einmal verstehen und  den Schreck verdauen. Aber es geht gleich weiter. Der Engel, der da plötzlich bei ihr im Raum steht, sagt:  „Du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden.“ (Lk 1,31.32) Bei einer solchen Nachricht bleibt einem doch fast das Herz stehen.

Maria, die junge Frau, wird von Gott ausgewählt. Sie ist die Richtige, die Mutter von Jesus zu werden. Und würdig genug, eine so große Aufgabe zu übernehmen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie abwinkt. Dass sie an die Folgen denkt. Nein, ihr guter Ruf, und überhaupt….diese Ehre ist zu groß. Das soll jemand anderes übernehmen. Aber - Gott hat offensichtlich die Richtige gefunden.  Denn nach einigen Schreckmomenten sagt Maria Ja zu dem Plan Gottes, sie zur Mutter Jesu zu machen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe, wie du gesagt hast“.

Danke, Maria, dass Du dazu bereit gewesen bist!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Was kann ich für Sie tun?“ begrüßt mich meine Hausärztin. Sie schaut mich an, setzt sich, und dann sage ich, was los ist. Sie hört zu, notiert sich manchmal etwas, fischt die Laborwerte der vorigen Untersuchungen aus den Unterlagen, fragt weiter. Bei ihr ist die Sprechstunde wirklich noch eine Sprechstunde.

 

„Was kann ich für Sie tun?“ – allein diese Frage wirkt schon heilsam. Ich werde angeschaut. Ich werde ernstgenommen. Ich darf sagen, was mir weh tut, oder auch sagen, dass es mir besser geht. Ich darf wirklich sprechen, die Ärztin hört zu und entscheidet dann, was sie mir verordnet. Mit dieser Hausärztin habe ich großes Glück, ich weiß.

Sicherlich meinte auch Jesus einen solchen Arzt, wenn er zu seinen Jüngern sagt: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. (Lk 5,31). Er meint sich selbst, er arbeitet wie ein guter Arzt für alle, die zu ihm kommen und bei ihm Hilfe suchen. Manchmal sind es tatsächlich körperlich Kranke, aber zu Jesus kommen auch Leute, denen es aus anderen Gründen schlecht geht. Solche, die am Rand der Gesellschaft leben. Und die mit einem wenig vorzeigbaren Lebenswandel. Für sie alle war Jesus der „Arzt“. Und er ist der Arzt auch für die, die andere Hilfe suchen, weil sie von Zweifeln geplagt sind, oder nicht so recht wissen, ob sie an Gott glauben können oder wollen. Für sie alle hat Jesus damals Sprechstunde gehalten – ohne Versicherungskarte. Einfach so, aus Liebe. Aus Mitgefühl. Weil er helfen wollte. Die Bibel ist voll von solchen Erzählungen, wie Jesus die hilfesuchenden Leute gefragt hat: „Was kann ich für dich tun“.                                                                                            

Und heute – heute hält er immer noch Sprechstunde. 24 Stunden am Tag kann ich mit Jesus sprechen. Kann mein Leid klagen oder meine Fragen stellen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich alles sagen kann. Auch zum hundertsten Mal kann ich mit derselben Klage kommen. Bin ich froh, dass Jesus so viel Geduld hat und das aushält. Nicht immer werden meine Wünsche erfüllt. So einfach ist das nicht mit dem Beten. Aber ich werde gehört! Das spüre ich. Ich kriege neuen Mut. Und fühle mich schon viel besser.

 

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Fastenzeit! Das klingt nach Verzichten, Weglassen, nach schwerem Opfer. Manchmal ist das ja auch so. Das weiß jeder, der schon mal Abnehmen wollte und deshalb versucht hat, viele ungesunde Sachen wirklich wegzulassen. Die christliche Fastenzeit wird auch manchmal so verstanden: als schwere Zeit mit Verzichten, Weglassen, Opfer bringen.

Schon ewig lange gibt es da klare Vorstellungen von einer sinnvollen Fastenzeit. Zum Beispiel lese ich in der Bibel, im Alten Testament beim Propheten Jesaja die provokativen Fragen: Ist das ein Fasten, wie ich es wünsche, ein Tag, an dem sich der Mensch demütigt: wenn man den Kopf hängen lässt wie eine Binse, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten, und einen Tag, der dem Herrn gefällt? Der Prophet Jesaja bringt seinen Unwillen ziemlich deutlich auf dem Punkt. Und er bringt seine Zuhörer und Zuhörerinnen damit zum Nachdenken. Und gleich darauf, ohne eine Antwort abzuwarten, gibt er selbst eine Antwort und macht einen besseren Vorschlag: Das ist ein Fasten, wie ich es wünsche:Die Fesseln des Unrechts zu lösen,…Unterdrückte freizulassen, …dem Hungrigen dein Brot zu brechen, obdachlose Arme ins Haus aufzunehmen…einen Nackten…bekleiden, und dich deiner Verwandtschaft nicht zu entziehen.(Jes 58, 5 ff)

Diese Fastenvorschläge klingen allerdings sehr anders. Statt Verzichten und Weglassen ist hier Tun und Machen angesagt. Statt sich zu schwächen: Ärmel hochkrempeln. Erkennen, was Not tut. Und dort zugreifen. Das eigene bequeme Leben in Frage stellen. Sich die Hände schmutzig machen. Gutes tun. Vielleicht sogar eine neue Idee entwickeln. Da kann jeder Mensch selbst nachdenken und sich etwas überlegen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Leben hat viele Möglichkeiten. Ich kann mein Leben sinnvoll nutzen, es aber auch vertrödeln - kann es in die Hand nehmen oder daran vorbei leben – vielleicht kommt mir mein Leben überwiegend sinnvoll vor, oder fürchterlich sinnlos. Das ist bei jedem anders, und keine zwei Vorstellungen von Leben gleichen sich. Wahrscheinlich aber wünscht sich jeder ein sinnvolles Leben – nur was ist das? Und wo finde ich Antworten? Das fragt sich wohl jeder immer wieder. Was ist überhaupt sinnvolles Leben? Und was ist für mich sinnvolles Leben?

 

Mir fallen  Gespräche mit einem Mann ein, der sehr darum kämpft, ob er wirklich leben will und kann. Irgendwas in ihm ist da in ständigem Kampf: Darf ich – oder darf ich nicht? Und er grübelt und sucht nach Antworten und plagt sich damit. Das hat ihn schon ein paar Mal sehr krank gemacht. Aber seit einiger Zeit geht es leichter. Weil er ein neues Ziel für sich gefunden hat: Noch ohne richtig zu wissen, wie das gehen soll, hat er irgendwann gespürt: Ja, ich will leben! Jetzt endlich hat er das Leben gewählt. Und die Frage fallenlassen. Dieses ewige Nachdenken über den Sinn seines Lebens bringt ihn doch überhaupt nicht weiter. Es geht ihm viel besser, wenn er einfach lebt. Was für die meisten Menschen einfach normal ist, muss er sich noch einige Zeitlang jeden Morgen neu sagen. Seine neue Überschrift  über den ganzen Tag heißt: Ich will jetzt leben! Und das wirkt, und belebt ihn wirklich. Für ihn ist diese Frage mit Gott verbunden. Er sagt: „Mein Leben kommt von Gott. Also will Gott, dass ich lebe? – Das ist ein überraschend schöner Gedanke. Dann aber könnte ich probieren, dieses Leben auch zu wollen“. Mit diesem Gedanken hat er sich an die tägliche Frage herangetastet. Und stellt fest: es geht. Es geht sogar immer besser.

Gott will, dass ich lebe – ist auch für mich ein klares Wort für jeden Tag. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich morgens aufwache: wie schön, ich lebe noch. Gott gibt mir auch heute mein Leben. Also schau ich mal, wie es heute wird.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Vier Wochen lang habe ich einen kleinen Ohrring gesucht. Er war fort, wie vom Erdboden verschluckt. Und einfach nicht mehr zu finden. Es war ein Schmuckstück, das ich mir zu einem runden Geburtstag selbst gekauft hatte. Deshalb tat es mir sehr leid drum. Auch wenn der materielle Verlust nicht so riesig war. Trotzdem habe ich immer wieder nach dem Ohrring gesucht. Weil ich ihn vermisst habe. Aber – nichts, und wieder nichts!

In einem völlig unerwarteten Moment, beim Aufräumen, klapperte es plötzlich. Und da lag er, als hätte er die ganze Zeit auf mich gewartet. Mein Ohrring! Wo der sich versteckt hatte und wieso er plötzlich wieder aufgetaucht ist? Keine Ahnung. Aber egal. Der Ohrring ist wieder da. Ich habe mich so gefreut, dass ich es gleich meiner Schwester erzählen musste. Und dann habe ich über mich selbst gelacht. Ich mache es ja genau wie in der Bibel. Da wird von einer Frau erzählt, die eine wertvolle Münze verloren hat. Sie stellt das ganze Haus auf den Kopf, und als sie die Münze wiederfindet, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir, denn ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte. (Lk 15,8) Jesus erzählt mit dieser kleinen Geschichte von Gott. So sehr wie die Frau über ihre Münze freut sich Gott, wenn ein Mensch zu ihm zurückkehrt. So sehr wie ich nach meinem Ohrring gesucht habe, so sehr sucht Gott nach mir, wenn ich mich mal von ihm entfernt habe.  

Heute ist in der evangelischen Kirche der Buß- und Bettag. Und da geht es genau darum. Der Buß- und Bettag erinnert daran, wie sehr sich Gott freut über jeden Menschen, der zu ihm zurückkehrt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Wo Jesus hinkommt, laufen ihm die Leute nach. So erzählt es die Bibel immer wieder. Viele wollen hören, was er wohl sagt? Und was sonst noch los ist.

Einmal scheint die Menschenmenge besonders groß gewesen zu sein. Ein kleingewachsener Mann namens Zachäus will aber Jesus unbedingt sehen. Also steigt er auf einen Baum. Von oben sieht er besser. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Oben im Baum ist er auch sicher vor den Leuten. Sie mögen ihn nicht. Er ist ein Halsabschneider, zockt die Leute ab, wo er nur kann.

Jesus sieht den Zachäus oben im Baum sitzen und ruft ihn herunter. Und nicht nur das. Er wünscht sich sogar: „Ich muss heute Dein Gast sein“. Den Umstehenden bleibt da jedes Wort im Hals stecken. Was ist das denn – Jesus spricht mit diesem Lump? Das kann doch nicht wahr sein. Aber auch noch bei ihm essen wollen - das geht zu weit! Ich kann mir das Raunen und Zischen der Menge gut vorstellen.

Man kann es sich schon fast denken: Jesus pfeift darauf. Er kümmert sich nicht um die, die immer nur auf die Fehler der anderen schauen. Die alles besser wissen und aufpassen, dass nur ja alles nach der rechten Ordnung geschieht. Die andere mit ihrem ewigen Recht-Haben beschämen und beleidigen. Auch Jesus will, dass Menschen sich verändern. Aber er hat eine andere Methode, Leute zu bekehren. Statt zu schimpfen schaut er sie an, spricht mit ihnen. Statt auf Gesetzen herumzureiten interessiert er sich für sie. Oder, wie bei Zachäus, er geht zu ihm und setzt sich mit ihm zum Essen. Das ist eine Riesen-Ehre für Zachäus und seine Familie – und eine mächtige Lektion, die wirkt.

Und deshalb ändert Zachäus sich, radikal sogar!

 Ich würde mir das öfter auch in unserer Gesellschaftwünschen. Statt schimpfen und aggressiv rumpöbeln viel öfter mal zuhören. Es würde vielverändern, wenn Menschen mehr miteinander reden und versuchen, das Problem des anderen zuverstehen. Und zwar auf allen Seiten. Damit sich was verändert.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Widdewiddewit – ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“! Pippi Langstrumpf ist es, die das so laut singt. Sie ist wirklich ein sehr besonderes kleines Mädchen. Lässt sich von niemandem was sagen. Erfindet ihre eigene Lebensgeschichte. Dreht den Erwachsenen eine lange Nase. Und macht tatsächlich, was sie will.

Auch in uns Erwachsenen steckt oft viel von Pippi Langstrumpf. Da gibt es viele männliche und weibliche Exemplare, die sich die Welt gerne machen wollen, wie sie es für richtig halten. Freiheit ist auch für mich ein hohes Gut. Ein sehr hohes sogar. Aber es gibt eben Bereiche, an denen meine Freiheit endet. Aus gutem Grund. Eine Lehrerin erzählte von Abiturienten, die die Rechtschreibregeln „nicht einsehen“ und mit ihr darüber diskutieren. Sie sind empört, wenn im Aufsatz für Rechtschreibfehler Punkte abgezogen werden. Duden hin oder her. Andere berichten von Berufsanfängern, die ihren Vorgesetzten mit 35 Jahren Berufserfahrung sagen, dass sie beruflich keine Ahnung haben. Weil die sich nicht so verhalten, wie sie es für richtig halten. Auch im Kopf vieler Autorfahrer scheint sich Pippi Langstrumpf eingenistet zu haben.  In meiner Straße fährt fast niemand so langsam, wie vorgeschrieben. Die Sicherheit der Schulkinder und Kindergartenkinder in dieser Straße – geschenkt. Ich mach mir  die Welt einfach, wie sie mir gefällt.

Vermutlich haben die meisten etwas von Pippi Langstrumpf in sich. Ich jedenfalls kenne das gut. Das ist manchmal erfrischend. Aber wenn jeder sich seine eigene Welt machen will, gibt es Chaos. So funktioniert keine Familie, keine Schulklasse, keine Glaubensgemeinschaft, keine Nation. Für das Gemeinsame brauchen wir Verabredungen und Regeln, damit man sich aufeinander verlassen kann. Und nur in diesem Schutzraum von Verabredungen und Regeln ist Freiheit möglich.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Überall im Dorf hängen Wahlaufrufe. Die Männer sollen darüber entscheiden, ob zukünftig auch Frauen wählen dürfen. Vollkommen absurd, von heute aus gesehen. Aber genauso war es 1969 in der Schweiz, im Kanton Appenzell. Der Film „Die göttliche Ordnung“ greift diese wahre Situation auf. Der Wahlaufruf spaltet das Dorf. Manche Frauen sind gegen das Frauenwahlrecht. „Es geht uns doch gut.“, sagen sie. „Männer entscheiden, Frauen fügen sich. Das ist die göttliche Ordnung.“ Aber es gibt viel mehr Frauen, die haben die Nase voll davon, wie unmündige Kinder behandelt zu werden und sie tun sich zusammen. Diese Frauen nutzen die alten Strategien: treten in Streik, probieren Hosen statt Faltenröcke, üben sich im selbständigen Denken und Handeln. Und sie lernen, sich als Frauen neu zu sehen: interessant, lustvoll, sinnlich, begabt, den Männern ebenbürtig, wunderbare Gottes-Geschöpfe.

Und die Männer? Die fühlen sich provoziert. Sind sie noch Männer, wenn Frauen jetzt wählen wollen? Wer kocht, wäscht, bügelt und putzt für sie, wenn die Frauen auch arbeiten gehen? Sie sind verunsichert, wehren sich, teilweise gemein und unflätig. Aber einer von ihnen, ein muskelbepackter Zimmermann, macht in der Küche eine wundervolle Erfahrung. Sollen die Kollegen ihn als Weichei auslachen – er genießt es, seinen ersten Kuchen zu backen. Und er fängt an, seine Frau ganz neu zu sehen, und neu zu lieben.

Gott hat Frauen und Männer geschaffen – als sein Abbild und mit vielfältigen Begabungen und Kräften. Und sie sind gleichwertig und können sich die Lebensaufgaben teilen. „Die göttliche Ordnung“ wäre eher, dass Männer und Frauen sich auf Augenhöhe begegnen. Sie sollten das Leben miteinander bewältigen und sich so gegenseitig bereichern.

In Appenzell haben die Männer übrigens dann doch für das Frauenwahlrecht gestimmt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Oh, da ist das Wort schon wieder: Der Zeitgeist... Ich lese: Die Kirche darf sich nicht dem Zeitgeist unterwerfen.  Oder: die Kirche müsse sich tapfer dem Zeitgeist widersetzen. Oder: der Zeitgeist muss mit aller Kraft abgewehrt werden. Für manche in der Kirche ist der Zeitgeist offenbar schädlich und muss bekämpft werden?

Der Zeitgeist – das bedeutet, wie Menschen in einer bestimmten Zeit denken und fühlen. Aber wo finde ich diesen Zeitgeist? Plötzlich fällt mir der große Globus ein, der noch im ehemaligen Kinderzimmer steht. Wenn ich ihn drehe, sehe ich viele Farben und viele Namen: Chile, Schweden, Türkei, Japan, Guinea-Bissau und  immer weiter….und dann ist auf einmal klar: DEN einen Zeitgeist gibt es nicht. Nirgendwo. Das ist ein völlig untauglicher Begriff. Weil es so viele Länder gibt, in denen die Menschen auf ganz verschiedene Weise denken und fühlen. Und selbst in unserem Land gibt es keine einheitlichen Denkweisen. Noch dazu ist alles in Bewegung. Die politischen Zustände, die Denkweisen, die Werteordnungen, die medizinischen Erkenntnisse. Alles bewegt sich - dem können sich auch die Kirchen nicht entziehen. Denn auch wie Glauben verstanden und gelebt wird verändert sich unaufhaltsam. Weil die Menschen sich verändern. Es ist also völlig unsinnig, aus Angst vor Veränderung den Zeitgeist bekämpfen zu wollen.

Jesus ist übrigens dafür das beste Beispiel. Denn er hat von Gottes neuer Welt gesprochen. Ihm ging es um ganz viel Neues, neue Ideen, neue Verhaltensweisen, neue Werte. Er hat mit den Hardlinern um eine neue Sicht von Gott gestritten. Lehrte sie den barmherzigen statt strafenden Gott. Er hat darum gerungen, dass Gesetze für den Menschen da sind, und nicht umgekehrt. Er hat für das Leben gekämpft und für einen Glauben, der Freude macht und die Menschen hoffen lässt. Frauen und Kranke lagen ihm am Herzen und alle, die aus der Gemeinschaft der Anständigen ausgesondert waren. Dafür hat er am Ende sogar sein Leben gegeben.

Glaubende brauchen also keine Angst zu haben vor Veränderungen. Denn Jesus selber war einer, der allerhand verändert hat.

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