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SWR1 3vor8

10MRZ2024
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Viele haben den Weckruf gehört und sind in den letzten Wochen auf die Straße gegangen: auf eine der vielen Demos gegen Rechtsradikalismus und für Demokratie. Einigen ist der Schreck wohl ordentlich in die Glieder gefahren: „Politiker, die unsere Demokratie abschaffen wollen? – So schlimm wird es schon nicht kommen.“ Oder „Mal eine Partei ganz rechts außen wählen – ist ja nicht ernst gemeint, ist nur Protest“.  Tja, von wegen!  Es ist an der Zeit, sich öffentlich zu dem zu bekennen, wofür man steht und wovon man überzeugt ist. Klare Kante zu zeigen und deutlich zu machen, wo jeder Kompromiss aufhört. Viele haben den Weckruf gehört. Er hat auch Menschen auf die Straße getrieben, die nie zuvor auf einer Demo gewesen sind.

Einen Weckruf gehört hat auch Petrus im Predigttext für den heutigen Sonntag. Da kräht frühmorgens ein Hahn, laut und eindringlich, und der Schrei fährt Petrus direkt in die Glieder. Denn noch am Abend zuvor hat er großspurig behauptet, dass er niemals von Jesu Seite weichen und sich immer und überall zu seinen Überzeugungen bekennen würde. Jesus hat darauf nur gesagt: Wart‘s ab, bis die Nacht vorbei ist und morgen früh der Hahn kräht! Du wirst noch an deine eigenen Worte denken. Und genau so ist es gekommen: Statt Farbe zu bekennen und zu dem zu stehen, an den er glaubt, hat Petrus jede Verbindung zu Jesus abgestritten. Aus Angst vor den Gegnern. Wie ein Reflex ist es aus ihm herausgeschossen, gleich dreimal: „Jesus? Nie was von gehört!“ Da hat dieser Hahn gekräht. Und Petrus im Innersten getroffen.  

Und auch wenn er zunächst geweint hat vor Wut über sich selber und aus Scham: Vernichtet hat ihn der Hahnenschrei nicht, sondern aufgerüttelt. Nie wieder hat er sich davor gedrückt, Farbe zu bekennen. Ja, er ist sogar zum Felsen einer jungen Bewegung geworden, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, in Jesu Namen auf die Straßen der Welt zu gehen und sich für Gerechtigkeit, für Frieden und Freiheit einzusetzen. Inzwischen sitzt der Hahn auf vielen Kirchtürmen. Wie ein Weckruf in Gold. Und drinnen in den Kirchen ist das alte Lied zu hören: „Es gilt ein frei Geständnis in dieser, unsrer Zeit, ein offenes Bekenntnis bei allem Widerstreit.“ Gut, wenn der Hahnenschrei uns dazu ermutigt!  

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SWR2 Lied zum Sonntag

03MRZ2024
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Schon in der Bibel findet sich ein Bericht über eine regelrechte Castingshow. Damals wird freilich nicht das nächste Topmodel, sondern der nächste König für Israel gesucht. Auf dem Jurorensessel sitzt der im Umgang mit Führungskräften erfahrene Samuel. Und hinter ihm steht Gott. Die Männer auf dem Laufsteg sehen gut aus, sie haben eine sympathische Ausstrahlung, Samuel findet einen nach dem andern gar nicht so übel. Aber Gott lässt ihn wissen: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“

Schaue hindurch, was immer du siehst.

Schaue hindurch mit deinem Herzensauge.

Gott schaut hindurch, sein Blick geht mitten ins Herz. Er lässt sich nicht ablenken von dem, was vor aller Augen liegt. Wer einstimmt in dieses Lied, bittet für sich und für andere um diese göttliche Gabe. Wünscht sich, mehr zu sehen als das, was auf den ersten Blick gefällt, wagt einen tieferen Blick hinter die vielen Fassaden. Und was für das Herzensauge gilt, funktioniert auch mit anderen Sinnesorganen:

Lausche hindurch, was immer du hörst.

Lausche hindurch mit deinem Herzensohr.

Wer durch Äußerliches hindurchschauen und hindurchhören und mehr wahrnehmen möchte als das, was offensichtlich ist, braucht Zeit. Das geht nicht auf die Schnelle. Zeit schenkt dieses Lied. Denn es wird vielfach hintereinander gesungen und dadurch leicht zu einem Herzensohrwurm. Der Komponist Helge Burggrabe bewegt sich in der musikalischen Tradition der Kommunität von Taizé. Durch das wiederholte Singen werden Sehen und Hören neu eingeübt. Was anfangs vielleicht nur als guter Vorsatz im Kopf existiert hat, geht einem so allmählich in Fleisch und Blut über.

Schaue hindurch, was immer du siehst.

Schaue hindurch mit deinem Herzensauge.

Lausche hindurch, was immer du hörst.

Lausche hindurch mit deinem Herzensohr.

Beim biblischen Königscasting hat damals übrigens der unscheinbare David gewonnen. Während Samuel von dessen großen Brüdern angetan war, hat Gottes Herzensauge im Jüngsten das verborgene Potential einer starken Persönlichkeit erkannt. Und dieser andere, dieser göttliche Blick hat Wirkung gezeigt. Bei David und bei vielen anderen. Denn wer mit Herzensaugen angeschaut wird, kann voll entfalten, was in ihm steckt.    

Schaue hindurch, was immer du siehst.

Schaue hindurch mit deinem Herzensauge.

Lausche hindurch, was immer du hörst.

Lausche hindurch mit deinem Herzensohr.

Schließen möchte ich mit einem Wunsch aus dem Epheserbrief. Da steht: Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr berufen seid und wieviel Kraft in euch steckt.  

 

Quellenangaben:

Musikangaben:

Text: Franz-Xaver Scheidegger

Melodie: Helge Burggrabe

 

Aufnahme:

BR Archiv Nr. C5096050101

Herzensauge, Herzensohr für Chor und Klavier, aus: Hagios. Ein gesungenes Gebet

Ausführende: Christof Frankhauser, Vokalensemble elbcanto

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SWR2 Lied zum Sonntag

18FEB2024
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Manchmal genügt ein einziges Wort. Manchmal sogar ein einziges kleines Wörtchen, um einem Satz die entscheidende Wendung zu geben. Josua Stegmann, der Dichter unseres heutigen Liedes zum Sonntag hat so ein Wörtchen gefunden. Die Tiefen des Lebens haben es ihm wohl zugespielt. Und er stellt es direkt an den Anfang. Es verleiht seinem Lied eine ganz eigene Intensität. Und schon wird aus einer schlichten Bitte ein flehentlicher Seufzer:

Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ,
dass uns hinfort nicht schade des Bösen Feindes List.

Ach bleib mit deinem Segen bei uns, du reicher Herr;
Dein Gnad und dein Vermögen in uns reichlich vermehr.

Das kleine Ach macht dieses Lied für mich so besonders. Sechs Mal eröffnet es jede Strophe und öffnet zugleich Gott das Herz. Ach, wer wollte sich von solchem Bitten nicht erweichen lassen? Nach diesem eindringlichen Auftaktseufzer werden die unverzichtbaren Gaben aufgezählt, die Gott bitte weiterhin reichlich gewähren möge: Seine Gnade, sein Wort, seinen Glanz, seinen Segen, seinen Schutz und seine Treue. Fast wie eine Einladung, noch weitere Strophen dazuzudichten. Es gibt ja so viele begehrenswerte Dinge, die in zwei Silben passen: Ach, bleib mit deiner Liebe, mit deiner Hilfe, mit deiner Sorge bei uns …

Ach bleib mit deinem Segen bei uns, du reicher Herr;
Dein Gnad und dein Vermögen in uns reichlich vermehr.

Ach bleib mit deiner Treue bei uns, mein Herr und Gott;
Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not.

Schön ist auch der Reichtum der Namen, mit denen Gott in diesem Lied angerufen wird: „Herr und Gott, du starker Held, Herr Jesu Christ, du wertes Licht.“ So schöpft jede Strophe auf neue Art und Weise aus der Vielfalt der biblischen Gottesbilder und appelliert dadurch an die unerschöpfliche Fülle, aus der Gott gibt. Johann Scheffler, ein Zeitgenosse unseres Liederdichters, sagt es so: „Gott, weil er groß ist, gibt am liebsten große Gaben.“ Und fügt, ebenfalls mit einem Seufzer, hinzu: „Ach, dass wir Armen nur so kleine Herzen haben.“ Beten und bitten aber können wir, und wenn uns große Worte fehlen, so hilft uns der Heilige Geist selbst „mit unaussprechlichem Seufzen“

Ach bleib mit deinem Schutze bei uns, du starker Held,
dass uns der Feind nicht trutze noch fäll die böse Welt.

Ach bleib mit deiner Treue bei uns, mein Herr und Gott;
Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not.

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Musikangaben:

Text: Josua Stegmann (1627)
Melodie: Melchior Vulpius (1609)
Strophen 1,4+6: M0481203(AMS) Komm, Herr, segne uns. Alte und neue Chorsätze zum Evangelischen Gesangbuch, Christiane Heinke, Maria Philipps, Kantorei der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin; Helmut Hoeft
Strophe 5: M0042225(AMS) Lobsingt, ihr Völker alle
Torsten Laux, Windsbacher Knabenchor, Karl-Friedrich Beringer

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SWR4 Sonntagsgedanken

04FEB2024
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Beim Kreisel am Ortseingang von Bad Boll steht seit ein paar Wochen ein großes Schild. Bauern aus der Region haben es dort aus Protest aufgestellt. Darauf steht zu lesen: „Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber sie wissen alles besser.“ Politikerinnen und Politiker dürfen sich angesprochen fühlen. Als Besserwisser. Nach Meinung der Bauern haben die nämlich viele Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen, ohne dabei wirklich einen Einblick ins Tagesgeschäft eines Landwirtes zu haben. „Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber sie wissen alles besser.“

Dieser Protest-Spruch ist die pfiffige Abwandlung eines Bibelverses aus dem Matthäusevangelium. Da lenkt Jesus den Blick auf die Vögel unter dem Himmel und sagt: „Sie säen nicht, sie ernten nicht. Trotzdem ernährt sie euer Vater im Himmel.“ Kein Vorwurf, sondern eine Bitte um Gelassenheit: Auch wenn du kein Vöglein bist, sondern ein Mensch: Hab Vertrauen! Lass dich nicht von deinen Sorgen auffressen. Glaub mir: Für dich ist gesorgt!

Leicht gesagt. Aber wohl schwer zu hören für Menschen, die Angst haben um ihre berufliche Zukunft. Die sich fragen, woher sie das Geld nehmen sollen für alles, was immer nur teurer wird. Die nicht wissen, wo sie noch eine warme Mahlzeit herkriegen, wenn am Ende des Monats die Vesperkirchen im Land wieder schließen. Wenn der Winter geht, aber die Sorgen bleiben. Wenn der Bauer im Märzen seine Felder instand setzt und aussät und sich fragt, ob das, was er im Spätjahr erntet, seinen Hof noch am Leben halten kann. Im Bibeltext, über den heute in vielen evangelischen Gottesdiensten gepredigt wird, stellt Jesus so einen Bauern in den Mittelpunkt. Und erzählt Folgendes:   

Mit dem Reich Gottes ist es wie bei einem Bauern. Er streut die Körner auf das Land, dann legt er sich schlafen und steht wieder auf –tagaus, tagein. Die Saat geht auf und wächst –aber der Bauer weiß nicht, wie das geschieht. Ganz von selbst bringt die Erde die Frucht hervor. Zuerst den Halm, dann die Ähre und zuletzt den reifen Weizen in der Ähre. Wenn das Getreide reif ist, schickt er sofort die Erntearbeiter los, denn die Erntezeit ist da. (Markus 4, 26-29, Basisbibel)

Ich frage mich, was die Bauern wohl gedacht haben, die zu Jesu Zeiten ihre Felder am Ufer des Sees Genezareth beackert haben. Wahrscheinlich hätten sie doch am Ortsausgang von Nazareth auch ein Schild aufgestellt mit der Aufschrift: „Er sät nicht, er erntet nicht, aber er weiß alles besser!“

Was trotzdem dran sein könnte an Jesu Gedanken und wie sie uns vielleicht zu mehr Gelassenheit in einer aufgeheizten Debatte verhelfen, davon gleich mehr.

In einem Gleichnis hat Jesus einmal behauptet, dass in der Landwirtschaft alles von alleine wächst. Das hört sich schräg an in diesen Wochen, in denen so viele Bäuerinnen und Bauern im Land mehr Wertschätzung für ihre lebenswichtige Arbeit fordern. Jesus verweigert ihnen diese Anerkennung nicht. Aber er stellt sie in einen größeren Zusammenhang, wenn er sagt: „Ganz von selbst bringt die Erde Frucht hervor.“ Das heißt doch: Ganz am Anfang der Nahrungskette steht nicht die landwirtschaftliche Arbeit, sondern die wunderbare Fähigkeit der Erde, Nahrungsmittel hervorzubringen. Nehmt diese Schöpferkraft wieder wahr und staunt darüber, dass die Erde Lebensmittel wachsen lässt. Davon leben wir. Das könnte uns dankbar und gelassen machen. Denn für diese Grünkraft der Erde ist von Gottes Seite her gesorgt. Sie wird auch nicht versiegen. Sie ist der Schöpfung eingeschrieben. Verlasst euch drauf. Bäuerinnen und Bauern dürfen sie in besonderer Weise hegen und pflegen und nutzen. „Sie pflügen und sie streuen den Samen auf das Land. Doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand.“ Das spricht nicht gegen die Arbeit, die auf Feldern und in Ställen tagaus tagein geleistet wird. Es spricht aber alles dafür, den Blick gelegentlich doch auf die Vögel unter dem Himmel zu lenken. Und so einen Raum zu öffnen, der mancher Sorge Flügel verleiht.  

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SWR2 Lied zum Sonntag

21JAN2024
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Wir hören gleich das Lied einer verliebten Seele. Tausend süße Worte findet sie für ihren Angebeteten. Sie hat nur Augen für ihn und seine Schönheit und hört nicht auf zu schwärmen. Als Außenstehende kommt mir das zunächst übertrieben vor. Peinlich berührt bin ich von den blank liegenden Gefühlen. Aber je länger ich dieser Stimme zuhöre, regt sich auch ein bisschen Neid. Diese Innigkeit lässt sich nicht beirren, und sie berührt mich. Die Worte gehen ihr nicht aus, sie fließen beständig aus ihr heraus, kaum kommt sie nach, den Geliebten zu preisen: „Schön und herrlich, groß und ehrlich, reich an Gaben, hoch und sehr prächtig erhaben!“ Und dann die Überraschung: Der geliebte Bräutigam ist kein Geringerer als Jesus. 

Wie schön leuchtet der Morgenstern
voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn,
die süße Wurzel Jesse.
Du Sohn Davids, aus Jakobs Stamm,
mein König und mein Bräutigam,
hast mir mein Herz besessen.
Lieblich,
freundlich,
schön und herrlich,
groß und ehrlich,
reich an Gaben,
hoch und sehr prächtig erhaben.

Der Dichter Philipp Nicolai nennt es „Ein geistlich Brautlied der gläubigen Seele von Jesu Christo, ihrem himmlischen Bräutigam“. Dabei formuliert er kühne Wünsche, projiziert auch erotische Bilder. Das hat dann leider dazu geführt, dass in der Geschichte des Liedes viele Textzeilen geglättet, man könnte auch sagen, verstümmelt wurden. Und selbst in der aktuellen Ausgabe des Evangelischen Gesangbuchs sind nicht alle Strophen in ihrer ursprünglichen Fassung abgedruckt. 

In der vierten Strophe zum Beispiel wird die Bitte laut: „Nimm mich freundlich in dein Arme und erbarme dich in Gnaden.“ Das wirkt ziemlich spröde, wenn man sich den Originaltext herholt. Da fleht die liebende Seele nämlich: „Nimm mich freundlich in dein Arme, dass ich warme werd‘ von Gnaden.“  Wie schade, dass man diese Glaubenswärme ersetzt hat!  

Zum Glück blieb die folgende Strophe aber unverändert. Sie bittet zum Tanz und öffnet endlich auch den Raum für alle, die sich mitnehmen und ja, erhitzen lassen. 

Zwingt die Saiten in Cithara,
und lasst die süße Musica
ganz freudenreich erschallen:
Dass ich möge mit Jesulein,
dem wunderschönen Bräut’gam mein
in steter Liebe wallen.
Singet
Springet
Jubilieret
Triumphieret
dankt dem Herren,
groß ist der König der Ehren. 

Musikangaben: 
Text und Melodie: Philipp Nicolai (1599)

Aufnahme: Singer Pur, aus: Der Singer Pur Adventskalender. 24 Lieder zum Advent

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SWR2 Wort zum Tag

13JAN2024
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Warum gibt es die doppelte Staatsbürgerschaft, aber keine doppelte Religionszugehörigkeit? Diese Frage hat mir einmal ein Vater bei der Anmeldung seines Sohnes zum Konfirmandenunterricht gestellt. Die Mutter, Türkin und im islamischen Glauben beheimatet, war nicht dabei. Zu groß der Schmerz, dass der Sohn sich entschieden hatte. Zur Taufe. Und für das Christentum. Von Geburt an hatten beide Eltern alles dafür getan, ihrem Sohn das Beste aus zwei Kulturen mit auf den Weg zu geben. Das hatte auch gut funktioniert, bis der ins Konfirmandenalter kam und viele seiner Freunde sich zum Konfirmandenunterricht angemeldet haben. Da war für ihn klar: Das wollte er auch. Dazugehören. Und wenn es zum Dazugehören dazugehört, wollte er auch am wöchentlichen Unterricht teilnehmen, sonntags Gottesdienste besuchen, Gemeindepraktika und Freizeiten absolvieren und am Ende mit all seinen Freunden in einem festlichen Gottesdienst konfirmiert werden. Sein Vater, evangelisch getauft und Kirchenmitglied, saß vor mir und befand sich in einer emotionalen Zwickmühle.

Die Möglichkeit einer doppelten Religionszugehörigkeit wäre für die Familie eine Lösung gewesen, mit der alle gut hätten leben können. Sie hätte niemanden ausgeschlossen und eine große Freiheit eröffnet. Aber diese Option gab es nicht. Gibt es bis heute nicht. Inzwischen frage ich mich allerdings, ob sie nicht dazu beitragen könnte, Konflikte zu lösen, die ihren Ursprung in religiöser Abgrenzung haben. Was könnte geschehen, wenn Religionszugehörigkeit nichts Exklusives wäre, das andere ausschließt? Sondern Verständnis und Zugehörigkeit, Toleranz und Akzeptanz fördern würde.  

Ich bin überzeugte Christin. Ich bin es mit Lust und Leidenschaft. Aber ich habe mich nicht nach einem längeren Auswahlprozess dafür entschieden. Ich bin in diese Religion hinein geboren und in einem christlichen Umfeld aufgewachsen, das mich begeistert hat. Wäre ich anderswo zur Welt gekommen, sähe das vielleicht ganz anders aus. Eine doppelte Religionszugehörigkeit könnte Räume öffnen für gegenseitige Toleranz.

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SWR2 Wort zum Tag

12JAN2024
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Eine Szene am Flughafen. Dazu die Stimme des Schauspielers Hugh Grant: „Wenn mich die weltpolitische Lage deprimiert, denke ich immer an die Ankunftshalle im Flughafen Heathrow.“ Warum? In Zeitlupe und Großaufnahme sieht man, wie sich Menschen bei ihrer Ankunft am Airport in die Arme fallen. Wie sie strahlen, aufeinander zulaufen, sich freuen und sich herzen. Und Hugh Grant resümiert: „Es wird allgemein behauptet, wir lebten in einer Welt voller Hass und Habgier. Aber das stimmt nicht.“

So geht der Film „Tatsächlich Liebe“ los. Der ist schon 20 Jahre alt und inzwischen ein richtiger Weihnachtsklassiker. Witzig und anrührend erzählt er von den Irrungen und Wirrungen unterschiedlichster Liebespaare. Auch beim x-ten Mal kann ich noch über viele Szenen lachen und verdrücke auch hie und da ein paar Tränchen. Aber diesmal bin ich bei dieser Anfangsszene hängen geblieben. Und frage mich: Hilft es tatsächlich, der deprimierenden weltpolitischen Großwetterlage eine Handvoll Liebesgeschichten entgegenzusetzen? Und die Welt kommt wieder ins Lot? Das ist doch eine starke Behauptung!

Aber auch die biblische Jahreslosung für das Jahr 2024 lenkt meinen Blick in diese Richtung.  „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“ Paulus, der diesen Satz geschrieben hat, weiß: Liebe ist ein starkes Mittel. Sie wirkt unmittelbar gegen Hass und Habgier. Sie lindert Schmerzen. Sie heilt Verletzungen. Und Hugh Grant hat recht: wenn mich die weltpolitische Lage wieder einmal deprimiert und mir einreden will, dass ich klein und ohnmächtig bin und gar nichts ausrichten kann, dann schaue ich mal ganz bewusst dahin, wo sich die Liebe zeigt. In der Ankunftshalle im Flughafen. Auf der Entbindungsstation eines Krankenhauses. Beim Nachbarn, der seine kranke Frau zuhause pflegt.   

Glaube, Liebe und Hoffnung hat Paulus als die größten Kräfte ausgemacht, die die Welt zum Guten verändern. Und die Liebe ist die größte unter ihnen. Also nehme ich mir vor: Ganz viel Liebe geschehen zu lassen.   

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SWR2 Wort zum Tag

11JAN2024
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Seit ein paar Tagen steckt Jesus in meiner Handtasche. Genauer gesagt eine kleine Krippenfigur mit dem in Windeln gewickelten Kind. Ich habe sie übersehen, als ich den anderen Weihnachtsschmuck wieder in Kisten verpackt und auf dem Dachboden verstaut habe. Zuerst habe ich mich geärgert. Über mich, weil ich doch jeden Raum gründlich abgesucht hatte. Und dann auch über diesen kleinen Kerl, dem es gelungen ist, meiner Gründlichkeit ein Schnippchen zu schlagen. Grinst er nicht sogar aus seiner Krippe? Als wollte er sagen: Ich lass mich doch nicht einfach abschieben!  

Das würde ja zu ihm passen, denn in der Bibel heißt es, dass Gott sich mit diesem Kind auf das größte Abenteuer seines Lebens eingelassen hat. Am eigenen Leib wollte Gott endlich erfahren, wie sich das anfühlt, eines dieser Geschöpfe zu sein, die er mit großer Liebe am Anfang der Welt geschaffen hat. Das konnte nur klappen, wenn er seine Gottheit an einen himmlischen Nagel hängte und zur Welt kam, geboren wurde von einer Frau, ein Mensch aus Fleisch und Blut. Um all das zu teilen, um alles zu erfahren, was ein Mensch im Lauf eines Lebens mitmacht. Und dann war es so weit: Da liegt es, das Kindlein, auf Heu und auf Stroh, und lässt sich nicht mehr hinausdrängen aus der Welt.

Du hast es geschafft, sage ich zu dem Krippenkind auf meiner Kommode zuhause. Du kannst bleiben. Ich werde dich mitnehmen und durch mein Leben tragen. Packe dich in meine Handtasche. Und ab und zu werde ich dich herausholen und vor mich hinstellen.

Auf die aufgeschlagene Zeitung am Morgen. Neben das Mikrofon im Studio. Unter die Windschutzscheibe im Auto. Auf den Tisch beim Essen. Und ins Laub beim Spaziergang im Wald. Und ich bin jetzt schon gespannt, was da so alles passiert. Wie du meinen Blick veränderst auf die Welt. Und ob sich die Welt verändert, wenn ich dich überall hin mitnehme. Ein Jahr mit Jesus. Ich freu mich drauf!

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SWR1 Begegnungen

07JAN2024
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Raimund Hertzsch Quelle: Ev. Brüder-Unität

Martina Steinbrecher trifft Raimund Hertzsch, der täglich in der Bibel liest, jährlich einen Bestseller in 60 verschiedenen Sprachen herausgibt und immer noch darüber staunt, wie geloste Bibelworte das Leben begleiten können.

Über der Tür hängt ein großer Herrnhuter Stern. In dem schlichten Haus am Ortsrand von Bad Boll bin ich mit Raimund Hertzsch verabredet. Er ist Direktor der dort ansässigen Brüder-Unität. In seinem Büro liegt der Bestseller der Herrnhuter Brüdergemeinde auf dem Tisch: Die Losungen. Jährlich übersetzt in mehr als 60 Sprachen.  

Ja, wir finden, es ist eine erstaunliche Erfolgsgeschichte. Seit 1731 erscheint dieses Büchlein schon jedes Jahr, also jetzt im Jahr 2024 ist es der 294. Jahrgang.

Die Losungen: Ein Andachtsbuch mit kurzen Bibelworten für jeden Tag des Jahres. Erfunden hat sie Graf Nikolaus von Zinzendorf. Auf seinem Hofgut in der Oberlausitz hat er im 18. Jahrhundert Glaubensflüchtlinge aus Mähren aufgenommen. Die nannten ihre neue Heimat Herrnhut: Unter der Obhut des Herrn.  

Am Anfang hatte Zinzendorf die Idee, den Menschen in Herrnhut einen Text, eine Art Parole für den Tag mitzugeben, über den sie dann während des Tages nachdenken konnten. Damals sind die Losungen mündlich in die Häuser hineingerufen worden.

Ein Tag, eine Losung. Selbstverständlich aus der Bibel. So haben die Leute die Bibel als lebenstauglich erlebt und sie nebenbei auch noch auswendig gelernt. Die mündliche Verbreitung kam allerdings schnell an ihre Grenzen. Deshalb werden die Losungen seit bald 300 Jahren gedruckt. Und gefunden werden die täglichen Worte aus dem Alten Testament tatsächlich durch ein Losverfahren.

Jedes Jahr um den 3. Mai herum wird im Gebäude der Kirchenleitung in Herrnhut die Losung gezogen aus einer Sammlung von reichlich 1800 Bibeltexten, eben Texten aus dem Alten Testament.

Im Livestream? Mit medienwirksamer Verbreitung auf Social Media? Raimund Hertzsch winkt ab. Das große Ereignis findet in einem feierlichen, aber überschaubaren Rahmen statt. Die eigentliche Arbeit beginnt nach dieser Ziehung. Dann machen sich nämlich Theologen ans Werk, um jedem der 365 gelosten Verse eine passende Stelle aus dem Neuen Testament zuzuordnen. Mit der Auswahl der 1800 zum Teil von Zinzendorf noch eigenhändig geschriebenen Losungen geht man dabei auch kritisch um. Bibelstellen, die Krieg oder Gewalt verherrlichen, wurden inzwischen aussortiert. Und …

… nach dem zweiten Weltkrieg sind stark Texte hineingekommen, die mit Buße und mit dem Thema Schuld und Vergebung zu tun hatten. Dann vielleicht in den 80er, 90er- Jahren war es stark auch das Thema Gerechtigkeit, Friedensthemen.

Und heute? Welche biblischen Texte können Menschen im Jahr 2024 brauchen? 

Raimund Hertzsch gehört zum Direktionsteam der Herrnhuter Brüdergemeinde, die die täglichen Losungen herausgibt. In mehr als 60 Sprachen. Manchmal findet er, passt der Bibelvers ganz wunderbar zur Situation eines Tages. Heute zum Beispiel, bevor morgen die erste Arbeitswoche des neuen Jahres beginnt:

Die Losung für den 7. Januar 2024 steht im 2. Mosebuch, Kapitel 14, Vers 13: „Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der Herr heute an euch tun wird.“

An anderen Tagen, sagt er, braucht es ein paar Überlegungen mehr, was denn diese Bibelverse für ihn bedeuten sollen.

Manchmal reibe ich mich an den Losungen, auch wenn er so gar nicht passen will zu meiner Situation. Aber meistens empfinde ich es wirklich als eine Kraftquelle, je nachdem, Ermutigung, Trost, als Anlass, selbstkritisch nachzudenken.

Passt es oder passt es nicht? Raimund Hertzsch warnt davor, die Losungen als eine Art Orakel für den Tag misszuverstehen. Im Gegensatz dazu gefällt ihm, was zum Beispiel der Theologe Fulbert Steffensky über seine Losungspraxis denkt. Er empfängt die Bibelworte wie einen fremden Gast.

Der fremde Gast kam zu mir, der fremde Text. Ich habe ihn mir nicht ausgesucht. Ich würde mir immer die aussuchen, die zu mir passen. Ich würde mich fortsetzen in den Texten, die ich mir aussuche, und stattdessen unterbrechen die Losungen die eigenen Gewohnheiten.

Raimund Hertzsch hat es aber auch schon ganz anders erlebt. Dass der Text der Losung die eigene Lebenswirklichkeit fantastisch interpretiert hat.

Ich bin ja in der DDR aufgewachsen, da waren die Losungen wirklich ganz vielen Menschen besonders wichtig. Und oft passte die Losung sehr schön zu dieser absurden Wirklichkeit des damaligen Regimes. 

Besonders gerne zitiert er dazu eine Losung aus dem Jahr 1987. Am 13. August, also ein Vierteljahrhundert nach dem Bau der Mauer, stand da zu lesen:  

„Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch“ aus dem Psalm 24. Und am 17. August, die hat sich besonders eingeprägt bei uns, die haben wir immer wieder zitiert: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“

Was für eine Erfahrung! Alte Bibelworte, zufällig für einen bestimmten Tag ausgelost, kündigen im zeitgenössischen Kontext das Ende einer Diktatur und den Fall der Berliner Mauer an. Großartig, dass Menschen mit so starken Hoffnungsbildern versorgt werden und wirklich Halt finden können.

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SWR1 Begegnungen

31DEZ2023
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Christoph Sonntag Copyright: sonntag.tv

Martina Steinbrecher trifft: Christoph Sonntag, Kabarettist, Wohltäter, einundfünfzigprozentiger Gläubiger 

(Eine Wiederholung der Sendung vom 18.09.2022)

Er hätte auch Pfarrer werden können. Neben einem passenden Namen bringt er vieles mit, was ihn statt auf die Bühne auch auf eine Kanzel hätte führen können. Der Kabarettist Christoph Sonntag stammt aus Waiblingen und ist in einem pietistisch geprägten Umfeld aufgewachsen: Er ist getauft und konfirmiert und bis heute Mitglied der evangelischen Landeskirche. Vor allem aber bescheinigt ihm seine Mutter ein „Talent zur Menschenfischerei“:

Ja, meine Mama hat jahrelang gejammert: „Ach, Kerle, wärsch doch Pfarrer worre!“ Wahrscheinlich denkt meine Mama, dass ein Pfarrer automatisch in den Himmel kommt. Und zweitens hat sie wahrscheinlich meine menschenfischende Art erkannt. Und drittens wäre es halt in der Gesellschaft wahrscheinlich besser angekommen als ein Kabarettist.

Ich kenne keinen Pfarrer, der den Begriff Menschenfischer heute auf sich bezieht. Klingt wahrscheinlich zu sehr nach „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“. Dabei gehört das Wort unbedingt in die Tradition christlicher Nachfolge. Im Lukasevangelium erkennt Jesus die menschenfischende Art von Petrus, einem Berufsfischer vom See Genezareth. „Von nun an sollst du Menschen fischen“, sagt Jesus zu ihm. Und ich höre heraus: Du kannst das: Menschen für eine Sache gewinnen, überzeugen, begeistern …

Wir haben alle eine Botschaft und möchten, glaube ich, darauf hinweisen, dass wir alle in ein Leben geschmissen wurden, wo keiner uns jetzt beweisen kann, dass es vom lieben Gott gesteuert ist. Dass es ihn überhaupt gibt, weiß keiner. Das ist eine Mutmaßung. Aber wir sind in diesem Leben und haben die Möglichkeit, Spuren zu hinterlassen.  

Christoph Sonntag sieht sich nicht als Comedian, der nur unterhalten möchte, sondern als Mensch mit einer Haltung, einer Weltanschauung. Die will er verbreiten, ohne ätzend zu sein, ohne die Leute zu belehren. Sein Vehikel ist der Humor. Und die Botschaft kommt im Beifang.

Ich bin Unterhalter. Da kommen Menschen zu mir, die haben einen ganzen Tag geschafft, die haben ihre Probleme. Die haben Probleme mit den Kindern, mit dem Job, mit der Gesundheit. Und denen möchte ich zwei Stunden lang einfach Tränenlachen bieten, damit sie mal davonschweben können. Und wenn im Beifang ein bissle Weltanschauung mit durchfließt und sie am Schluss sagen, hey, das war supergeil beim Sonntag, aber da mit der Ukraine hat er recht gehabt oder: da mit dem Umweltschutz hat er recht gehabt. Das ist doch toll. Mehr kannst du gar nicht kriegen.

Wenn ich Christoph Sonntag von seinem Beruf schwärmen höre, muss ich denken: So unterschiedlich sind die Erwartungen an Kabarettisten und Pfarrerinnen ja gar nicht. Auch zu mir in den Sonntagsgottesdienst kommen Leute mit Problemen. Und auch ich möchte, dass sie verändert nach Hause gehen, nachdenklich, wachgerüttelt, getröstet, beschwingt. Dass sie sagen: Hey, geil war`s am Sonntag. Christoph Sonntag meint:  

Ihr seid immer in der Gefahr, dass man denkt, ach, jetzt kommt was Betuliches. Ihr müsst immer dagegen ankämpfen: Hör mir doch bitte zu, weil so blöd ist es gar nicht. Aber ja, das ist halt die Bürde eures Jobs.

Ich habe eine Übereinstimmung zwischen unseren Berufen festgestellt: Hier die Pfarrerin, da der Kabarettist. Beide wollen wir den Menschen etwas mitgeben, was das Leben leichter macht. Den großen Unterschied formuliert Christoph Sonntag so:

Der Pfarrer hat seine Texte vorgeschrieben vom lieben Gott, der Kabarettist darf sie sich selber schreiben. Wir sind etwas freier.

Über die Sache mit der Freiheit muss ich lange nachdenken. Stimmt das? Klar, beim Predigen bin ich an die biblischen Texte verwiesen. Die sind zwar nicht vom lieben Gott geschrieben, aber in einer gewissen Reihenfolge für jeden Sonntag vorgegeben. In der Auslegung bin ich als Protestantin aber nur meinem Gewissen verpflichtet. Ausgerechnet der Kabarettist, der kein Pfarrer werden wollte, hat mich zu Beginn unseres Gesprächs daran erinnert. Auf der Kaffeetasse, die er mir hingestellt hat, steht „I muss gar nix!“  Und dazu meint er augenzwinkernd: „So was in der Art hat der Luther ja auch mal gesagt!“ Stimmt. Im O-Ton: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan!“ Erlebt Christenmensch Sonntag den Glauben auch als eine befreiende Kraft?

Es gibt fünfzig Prozent Chance, dass es Gott gibt, fünfzig Prozent Chance, dass es ihn nicht gibt. Ich sehe es einundfünfzig zu neunundvierzig, weil für mich sind zu viele Momente auf dieser Erde da, die mich schon erstaunen lassen und mir eine Gänsehaut machen. Diese Kraft gibt es definitiv. Diese Kraft gibt es, und sie ist für mich die göttliche Kraft, die wir anzapfen können, und wenn man sie anzapft, fließt sie. Wenn sie durch uns durchfließt, geben wir sie ab und kriegen sie zurück.

Etwas abzugeben von dem, was er bekommt, auch das ist für Christoph Sonntag wichtig. Sein gesellschaftliches Engagement könnte direkt aus der Bibel abgeleitet sein. Mit seiner Stiphtung, die sich wie sein Vorname mit ph in der Mitte schreibt, packt er Probleme dort an, wo sie ihm wie einst dem barmherzigen Samariter direkt vor die Füße fallen:

Wir kümmern uns um Obdachlose und Wohnsitzlose. Wir kümmern uns um ökologische Projekte. Wir machen im Prinzip Dinge, die wir sehen, und machen sie einfach. Also wir sind jetzt keine Stiftung, die zum Beispiel sagt, wir retten jetzt alle Straßenhunde dieser Welt. Aber wenn ein Kaninchen vorbeihoppelt, ist es uns egal, sondern wir kriegen halt mit, dass jemand in Not ist und versuchen, dann schnell zu helfen.

Und dann hat er zum Schluss noch dieses Wort vom Sonntag:

Ich hole mir meinen Kontakt zu der himmlischen Weisheit, indem ich ständig damit lebe. Indem ich ständig mit dem Wissen lebe, dass es etwas Höheres gibt, indem ich ständig mit dem Wissen lebe, dass mich das immer gemahnt, freundlich gemahnt, was ich auch richtig machen soll. Dann mache ich es falsch, dann liege ich im Bett. Und dann weiß ich, dass mir verziehen wird. Das ist geil.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39089
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