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SWR Kultur Zum Feiertag

19JUN2025
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Fronleichnam ist ein wirklich prächtiges Kirchenfest. Über Nacht sind von gestern auf heute mit Hilfe vieler fleißiger Hände kunstvoll arrangierte Blumenteppiche entstanden. Sie schmücken nun Plätze und Straßen. Die katholische Kirche bietet heute alles auf, was sie an Personal und an Material zu bieten hat: festlich gewandete Priester, Ministranten, Erstkommunionkinder, dazu Fahnen, Baldachine und funkelnde Monstranzen. In diesen prunkvollen Schaugefäßen verbirgt sich der eher unscheinbare Kern des ganzen Spektakels: ein dünnes, etwa münzgroß gepresstes Stück Brot aus Weizenmehl: die Hostie. In der Vorstellung der Gläubigen ist das der Leib Christi, das Geheimnis des Glaubens.

Anselm Schubert ist Professor für Kirchengeschichte in Erlangen. Und Protestant mit rheinländischen Wurzeln. Mit ihm spreche ich über das, was man in einer Fronleichnamsprozession nicht sieht: über die Bedeutung der Eucharistie oder, wie wir Protestanten sagen: über das Abendmahl: 

Also man feiert die Stiftung der Kirche und der Sakramente durch Jesus von Nazareth in seinem letzten Abendmahl und tut das in einer für Protestanten manchmal etwas gewöhnungsbedürftigen, sehr nach außen getragenen, sehr hierarchischen, manchmal auch etwas hieratischen Art und Weise.

Hieratisch: Geheimnisvoll, aber auch sperrig kommt katholischen wie evangelischen Christinnen und Christen heute vieles vor, was mit dem Abendmahl oder mit der Eucharistie zu tun hat, und was sich im Lauf der Jahrhunderte um dieses Sakrament angelagert hat. Anselm Schubert nähert sich dem Thema deshalb von einer ganz anderen Seite: Er hat eine kulinarische Geschichte des Abendmahls geschrieben. Und geht darin - gut protestantisch – zuerst einmal zurück zu den Ursprüngen:

Was die biblischen Zeugnisse angeht, steht am Anfang ein Pessach-Mahl, das Jesus in der Nacht vor seinem Tod mit seinen Jüngern feiert. Es lag für die alte Kirche nahe, den Sakramentengebrauch, wie man ihn hatte, sozusagen auf ein identitätsstiftendes erstes Ereignis, das auf Jesus zurückgeht, zurückzuführen. Man traf sich in allen Religionen des hellenistischen Mittelmeerraums regelmäßig zu Gemeinschaftsmahlen: zehn bis zwölf Leute, die gemeinsam gegessen, getrunken haben und dann gebetet haben. Und die Gemeinschaftsmahle werden, so die Vermutung heute, auch für die frühen Christen die völlig selbstverständliche Form von gemeinschaftlichem Gottesdienst gewesen sein.

Zehn bis zwölf Leute: Das ist ungefähr die Gruppengröße, mit der zusammen man noch sinnvoll ein Gespräch führen kann. Alle um einen Tisch. Und so halten Essen und Trinken nicht nur Leib und Seele, sondern auch eine Gemeinschaft zusammen. Erst die immer größer werdende Zahl der Gläubigen hat schließlich andere Versammlungsorte und andere Liturgien erforderlich gemacht. Und die erstarkende Macht der Institution Kirche strebt nach Kontrolle. Die Theologie zieht mit:

Das, was Jesus ursprünglich gefeiert hat, ist ein Dankopfer. Deswegen heißt es auch eucharistia. Das ist das Dankopfer. Man dankt Gott für etwas Bestimmtes, aber mit der Entwicklung der christlichen Theologie tritt immer deutlicher in den Vordergrund, dass Christus selbst das Dankopfer ist. Christus ist das Opfer, das Gott gebracht hat, um die Welt mit sich zu versöhnen. Und insofern tritt sozusagen nicht mehr das vom Feiernden benutzte Element, sondern der Feiernde selbst, Christus, in den Vordergrund.

Und so entwickelt sich das ursprüngliche Gemeinschaftsmahl zu einer heiligen Handlung, in der sich alles auf zwei Elemente konzentriert, die eine tiefe Bedeutung in sich tragen: Brot und Wein. Es geht nicht mehr einfach nur um den Verzehr von Speisen. Aus dem gemeinsamen Mahl wird ein „Gott essen“. So lautet der bewusst provokant formulierte Titel von Anselm Schuberts Abendmahlsbuch:

Im Prinzip ist es die unmittelbare Begegnung mit Gott während eines Aktes des Essens und Trinkens. Ob sie Gott selbst essen oder ob ihnen Gott begegnet, während sie essen, das ist jetzt sozusagen eine individuelle und kontrovers theologische und konfessionsgeschichtlich unterschiedliche Interpretationsweise. Aber am Ende läuft es darauf hinaus.

Was genau es mit dem Abendmahl auf sich hat, und wie man es richtig verstehen kann, das ist Jahrhunderte lang ein Spaltpilz, der die Christus-Gläubigen trennt. Nicht nur in Katholische und Evangelische, auch im Protestantismus geht es im 16. Jahrhundert zwischen Lutheranern und Reformierten hoch her. Für die einen vollzieht sich in der Feier des Abendmahls ein nicht zu begreifendes Erleben intensiver Gottesnähe, anderen geht dieses Sich-Gott-Einverleiben entschieden zu weit. Und wo steht das Christentum heute? Gibt es in Abendmahlsfragen einen kleinsten gemeinsamen Nenner? Oder sogar einen allen Unterschieden zum Trotz gemeinsamen inneren Kern?

Ich habe den Eindruck, dass die meisten Christinnen und Christen zum Abendmahl gehen und das Mahl genießen, das Abendmahl nehmen, weil sie die Gemeinschaft erfahren wollen, die das Abendmahl ursprünglich auch ausmacht. Wenn Christus sagt, man soll das Abendmahl feiern miteinander, sagt er: Das ist mein Leib. Und er meint damit ursprünglich nicht das Stück Brot, auf das er gezeigt hat, sondern er meint die Kirche selbst, und das gemeinsame Essen stiftet die Einheit Christi als Kirche. Und ich glaube, das ist eine Interpretation, die sowohl gut biblisch ist als auch tatsächlich dem Verständnis der meisten Leute heute entspricht.

Anselm Schubert hat viel Neues entdeckt und gelernt, als er den westeuropäischen Kontext einmal hinter sich gelassen und sich auf eine kulinarische Weltreise begeben hat. Dabei war schnell klar: In vielen Gegenden der Welt scheitert die Umsetzung einer Abendmahlsfeier mit Brot und Wein schon an dem Umstand, dass Weizen oder andere Getreidesorten gar nicht angebaut werden und Grundnahrungsmittel der mitteleuropäischen Kulturen dort unbekannt sind. Andernorts ist der Genuss von Alkohol verboten, aufgrund einer mehrheitlich islamischen Bevölkerung oder in Teilen der afrikanischen Christenheit. 

Und in diesen Kirchen werden andere Getränke benutzt als Wein, und das naheliegendste wäre Wasser. Aber da Wasser auch nicht immer in diesen Ländern unter Umständen zu haben ist, so dass es sauber genug ist, dass man es teilen würde, gibt es tatsächlich Kirchen, die auf industriell gefertigte Softdrinks zurückgreifen, denn die sind in einer hygienischen Dose verpackt, und im Prinzip spricht ja nichts dagegen, Abendmahl auch mit Johannisbeerschorle zu feiern, wenn denn nichts anderes da ist.

Not macht erfinderisch. Und kreativ. Und begegnet theorielastigen Denkgebäuden oft mit einer erfrischend bodenständigen Widerständigkeit in der Praxis. Die Bedeutung des Abendmahls für die weltweite Christenheit hat durch diesen freien Umgang mit Form und Inhalt offensichtlich keinen Schaden genommen.

Im Prinzip ist es ja vollkommen richtig, dass die christliche Botschaft sich auch verändert, je nachdem, wohin sie in die Welt kommt. Das ist eine Entdeckung, die die christlichen Kirchen ja von Anbeginn gemacht haben. Dass man das Christentum nicht in der Form verbreiten kann, wie es im ersten Jahrhundert in Palästina gelebt worden ist, sondern es wandelt sich mit den Völkern, mit den Zivilisationen, mit den Kulturen, mit den Städten, mit jedem einzelnen, der es aufnimmt, in oftmals unerwartetem und sehr vielfältigem Maße.

Besonders angetan hat es mir ein Beispiel aus dem pazifischen Raum. Dort ist es zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Erbe der christlichen Missionare gekommen, die eben auch als Eroberer ins Land gekommen sind. Weizen und Alkohol werden als unerwünschte Zutaten der Kolonialzeit abgelehnt.

Und so gibt es eben etwa im pazifischen Bereich Kirchen, die mit Kokosnuss das Abendmahl feiern, weil sie sagen, das ist eigentlich das, was für Europäer Brot und Wein ist, die Grundnahrungsmittel einer ganzen Kultur. Das ist bei uns die Kokosnuss, also nutzen wir eine Kokosnuss.

Der Ausflug in die Weltkirche und ihren selbstbewussten Umgang mit Traditionen hat mich einen gelassenen Blick auf die konfessionelle Landschaft bei uns in Deutschland gelehrt. Wenn gleich die Fronleichnamsprozessionen beginnen und die Monstranzen glitzern, wünsche ich den katholischen Geschwistern, dass sie in ihrem Glauben an das, was die Seele nährt, gestärkt werden. Und Anselm Schubert gibt uns zum Schluss noch ein Bekenntnis und einen Wunsch mit auf den Weg: 

Ich bin froh, dass es das Abendmahl gibt und bin sicher, dass es das noch lange geben wird. Und ich würde mich freuen, wenn wir noch erleben würden, dass sich neue Abendmahlsformen entwickeln, die das, wie ich finde, ja sehr positive Erbe auch des sakramentalen Abendmahles verbinden lernen mit einem offeneren sozialen Zugang zum Gemeinschaftsmahl. 

 

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SWR1 Begegnungen

29MAI2025
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Prof. Dr. Christian Volkmar Witt

Martina Steinbrecher trifft Professor Christian Witt

Der Kirchenhistoriker aus Tübingen kennt sich aus mit dem wohl berühmtesten protestantischen Promipaar des 16. Jahrhunderts: Martin Luther und Katharina von Bora. Die Hochzeit der beiden am 13. Juni 1525 jährt sich bald zum 500. Mal. Dass der ehemalige Mönch eine entlaufene Nonne geheiratet hat, war für viele seiner Zeitgenossen ein echter Skandal. Und allzu viel Romantik, verrät Christian Witt, war dabei auch nicht im Spiel.

Katharina von Bora war einfach übrig. Es sind ja insgesamt zwölf Nonnen aus dem Kloster Marienthron herausgeschmuggelt worden. Luther fühlte sich nach dieser Befreiungsaktion ein Stück weit verpflichtet. Er konnte jetzt nicht sagen: Ich hab‘ sie aus dem Kloster geholt, und jetzt bleibt sie sozusagen sitzen und muss sehen, wo sie bleibt. Und wir wissen von Luther selbst, dass er auch ganz andere der damals in Wittenberg vorfindlichen Nonnen im Auge hatte. Die wollten ihn aber nicht.

Hat Luther Torschlusspanik? Plagt ihn ein schlechtes Gewissen? Oder geht er halt eine Vernunftehe ein? Wahrscheinlich von allem ein bisschen. Die Eheschließung der beiden ist aber viel mehr als eine rein persönliche Angelegenheit. Denn der Reformator bricht nicht einfach mit den Konventionen seiner Zeit, sondern stellt das jahrhundertelang vorherrschende Lebensideal der Ehelosigkeit infrage. Und rüttelt damit einmal mehr an den Grundfesten der Kirche.

Für Luther ist das eigentliche Lebensideal eben gerade die Ehe. Es ist Teil der guten Ordnung Gottes, dass wir miteinander in die Ehe treten, miteinander schlafen, Sexualität leben, miteinander Evangelium in Wort und Tat eben verkündigen.

Geht das so einfach? Vom enthaltsamen Mönch zum Partner und Familienvater? Im Luther-Film der Regisseurin Julia von Heinz aus dem Jahr 2017 ist es Katharina, die in der Hochzeitsnacht die Initiative ergreift und ihren unbeholfenen Ehemann selbstbewusst in die Geheimnisse der körperlichen Liebe einführt. Das mag ein feministischer Blick auf die beiden ist, aber in anderer Hinsicht gleicht die Ehe von Martin und Katharina durchaus modernen Vorstellungen von einer Beziehung auf Augenhöhe

Die beiden waren ein gutes Team. Luther fasst Vertrauen. Er verehrt seine Frau, er hat regelmäßig auch Angst um seine Frau er kümmert sich, er lässt ihr aber auch ihre eigenen Zuständigkeitsbereiche, und bei Katharina von Bora ist es umgekehrt genauso. Luther kannte sich schlicht mit Geld nicht aus, hatte dazu ein katastrophales Verhältnis, da lagen die Talente eben ganz klar auf der Seite seiner Frau. Er wusste das zu schätzen und ließ ihr entsprechend die Räume. Die hatten ein tiefes inneres Verständnis füreinander. Sie wusste mit ihrem Martin umzugehen, und Martin wusste eben auch mit seinem „Herrn Käthe“ umzugehen.

Martin Luther und Katharina von Bora haben ein neues Lebensmodell erprobt. Denn nicht in einer Klosterzelle, sondern in ihrer Beziehung und in ihrer Familie wollen sie ein gottgefälliges Leben führen mit allen Höhen und Tiefen. 

Von einer innovativen Lebensform hat sich die Ehe im 21. Jahrhundert längst fortentwickelt. Vielen gilt sie als ein eigentlich überholtes bürgerliches Relikt. Können Luthers Gedanken da noch etwas zur aktuellen Diskussion über Lebensformen beitragen? Christian Witt führt mindestens zwei Punkte an, die Luthers Überlegungen auch für Christen im 21. Jahrhundert anschlussfähig machen:

Luther kann die Scheidung einer vollgültigen Ehe denken. Wenn die Eheleute sich selber das Evangelium nicht mehr verkündigen oder einander stabilisierend zusprechen können in Wort und Tat, und das meint nicht, aus der Bibel vorlesen, das meint, wie gesagt, Glauben und Vertrauen einander schenken und Leben miteinander, dann ist die Ehe zu scheiden und eine Neuverheiratung zu ermöglichen.

So viel seelsorglichen Realismus im Umgang mit scheiternden Lebensentwürfen hätte man sich in den letzten Jahrzehnten auch in der evangelischen Kirche viel häufiger gewünscht. Und denkt man Luthers Eheverständnis konsequent weiter, meint Christian Witt, dann wäre er heute auch ein Befürworter für die kirchliche Trauung gleichgeschlechtlicher Paare. Denn die Ehe …

…sie ist ja gerade nicht auf Fortpflanzung primär angelegt. Schön, wenn es dazu kommt, muss aber gar nicht sein. Sie hat ihren gottgewollten Sinn und Zweck in der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat. Und dafür muss man jetzt nicht verschiedenen Geschlechts sein.

In einer vertrauensvollen Zweierbeziehung können Menschen erfahren, was Liebe ist, und zugleich eine Ahnung davon bekommen, was es heißt, dass Gott den Menschen in Liebe zugewandt ist. Deshalb sieht Christian Witt die bleibende Aufgabe der Kirche darin, Menschen immer wieder neu nahezubringen ….

… warum es ein schöner Gedanke sein kann, die Liebe, auf die man bei Gott vertrauen darf, auch in dem Menschen zu sehen und dem Menschen selbst zu gewähren, der mir da oder die mir da jeden Tag wieder gegenübersitzt, mit mir Alltag gestaltet, die mich hält, die mich birgt, die mir vertraut und der ich vertrauen darf. Ich finde, das ist ein bezaubernder Gedanke!

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

25MAI2025
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Also, wenn es einen idealen Tag zum Heiraten gibt in diesem Jahr, dann doch wohl heute, am 25.05.25. Dieses Datum vergisst man nicht mehr so leicht. Wer dafür allerdings einen Termin beim Standesamt ergattern wollte, musste früh dran sein. Schnell war alles ausgebucht. Für kurz Entschlossene gibt es aber trotzdem eine Möglichkeit, zumindest den Traum von einem Trausegen noch ganz spontan wahr werden zu lassen. Denn an vielen Orten im ganzen Sendegebiet bieten evangelische Kirchengemeinden heute kirchliche Trauungen und Segnungen an. „Einfach ja zu Dir!“, heißt der Aktionstag zum Beispiel in der Bodenseeregion. Pfarrerin Martina Stockburger erklärt, wie das abläuft:

Die Paare kommen spontan. Dann gibt es einen kleinen Fragebogen; das füllen die in Ruhe aus. Und dann gibt es 20 Minuten Gespräch mit dem Pfarrer oder der Pfarrerin, die die dann traut. Dann dürfen die noch mal 20 Minuten in den Park gehen oder einfach noch einen Kaffee trinken und dann beginnt die Trauung und die geht auch ungefähr 20 Minuten. Und die ist eben sehr festlich; das Paar hat sich einen Trauspruch ausgesucht und eine Wunschmusik. Wir ziehen gemeinsam ein. Dann gibt es wirklich so einen kleinen Gottesdienst.

Erste Ideen, ein Traugespräch, Planung und Durchführung der Feier: was oft viele Wochen und Monate in Anspruch nimmt, passiert hier alles in einer guten Stunde. Und schafft trotzdem eindrückliche Erlebnisse. Für Martina Stockburger ist es nicht die erste Aktion dieser Art. Wenn sie davon erzählt, kommt sie schnell ins Schwärmen:

Manche haben ihr Kind mitgebracht, aber manche kamen auch ganz allein, und manche kamen mit weißem Hochzeitskleid und andere kamen in Jeans …  Ein Ehepaar kam und sagte, nächstes Jahr haben wir goldene Hochzeit, wir üben schon mal, und für die war es dann so berührend, dass sie gesagt haben, sie wissen jetzt gar nicht, wie sie es dieses Jahr feiern sollen, weil eigentlich kann man das nicht toppen.

Frisch Verliebte sind genauso willkommen wie Menschen, die schon jahrelang in einer Zweierbeziehung leben oder ohne viel Tamtam ein Ehejubiläum begehen möchten. Wer standesamtlich verheiratet ist, bekommt eine kirchliche Trauung, wer einfach seine Liebe feiern möchte, wird gesegnet, egal in welcher Beziehungsform das Paar lebt. Alle kriegen auf jeden Fall eine persönliche Zeremonie an einem festlich geschmückten Ort. Was der Pfarrerin Martina Stockburger auch gefällt: Die Vielfalt der Beziehungen bringt auch Bewegung in gottesdienstliche Traditionen. Zum Beispiel bei den Traufragen:

Oft haben wir auch gemerkt, dass das gar nicht so passt, wenn die dann schon so lange verheiratet sind. Und dass es vielleicht auch einfach andere Fragen braucht, oder Liebe ist ja auch sehr unterschiedlich. Und vielleicht mussder eine der andern was anderes versprechen als sie ihm. Und das kam eben ganz oft, dass die Paare sich gegenseitig noch einmal gesagt haben: „Ich bin so froh, dass du an meiner Seite bist!“ oder: „Ich danke Gott für dich an meiner Seite“, und das kriegt eben in der Kirche nochmal einen ganz anderen Rahmen, als wenn ich das am Küchentisch, vielleicht beim Frühstück, sag: „Ich bin so froh um dich!“ Und oft haben sie sich dann nochmal was versprochen: „Ich will weiter bei dir bleiben.“ Oder: „Ich möchte unbedingt mit dir alt werden.“ Und das wurde dann gesegnet.

Heute gibt es wieder die Gelegenheit zu einer kirchlichen Hochzeit für Kurzentschlossene oder einen kirchlichen Segen für Segens-Sehnsüchtige. Zum Beispiel in Überlingen direkt am Bodensee oder, etwas weiter im Hinterland, in der Kapelle von Schloss Langenstein im Hegau. Eine große Gästeschar kriegen Sie dafür wahrscheinlich nicht mehr zusammengetrommelt, aber an einem festlichen Rahmen wird es nicht fehlen: Musik, Blumen, Sekt – alles da.

Aus meiner Gemeinde waren welche da, die haben Kaffee gekocht und haben auch Sekt ausgeschenkt. Und wir hatten dann so im Freien Stehtische aufgestellt in dieser Parklandschaft von Schloss Langenstein. Das war ganz schön, und viele sind dann geblieben, haben noch einmal angestoßen und haben dann noch gewartet, bis die nächsten aus der Kapelle kamen. Und so ist auch eine kleine Gemeinschaft entstanden.
Nicht nur die Veranstalterinnen waren von den vielen Begegnungen überwältigt, auch viele der spontanen Hochzeitspaare waren am Ende überrascht, wie nahe ihnen das Erlebnis ging.  

Ein Paar hat mir dann hinterher noch ein Selfie geschickt, wie sie da Arm in Arm in der Bank sitzen; das hat die nochmal zusammengebracht. Ein halbes Jahr später hab ich sie noch mal getroffen, da haben sie gesagt: „Es wirkt immer noch nach!“ Wenn du zu zweit in der Kirche bist, traust du dich vielleicht auch nochmal was anderes zum Partner zu sagen, als wenn da jetzt irgendwie die ganze Gesellschaft hinter dir sitzt.  Also, es hat einfach einen eigenen Charme.

Einfach Ja. Heiraten ohne jahrelange Orga. Anders als gewohnt, aber vielleicht mit der guten Erfahrung, dass man das, was einen wirklich berührt, nicht selber machen kann, sondern geschenkt bekommt. Wenn Sie jetzt neugierig geworden sind, dann nehmen Sie doch Ihren Herzensmenschen einfach an die Hand und machen sich auf. Nach Schloss Langenstein im Hegau oder nach Überlingen ins Pfarrhaus am See. Von 11.00-17.00 Uhr gibt es dort heute Segen satt.

Und auch, wenn Sie zu Hause bleiben: Einen unvergesslichen Maientag wünscht Ihnen Martina Steinbrecher von der evangelischen Kirche

 

 

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SWR Kultur Lied zum Sonntag

25MAI2025
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Als Schülerin habe ich meine Mittagspausen oft bei einer Freundin verbracht. Dort hat sich zum Essen die ganze Familie eingefunden. Und oft waren noch weitere Gäste da. Bevor es losging, sind alle noch für einen Moment hinter ihren Stühlen stehen geblieben und haben zusammen einen Tischkanon gesungen. Ich mochte dieses Ritual. Noch der schlichtesten Mahlzeit hat es einen besonderen Glanz verliehen. Heute erlebe ich es dagegen kaum noch, dass irgendwo vor dem Essen gebetet wird. Und auch wir selbst lassen mit Rücksicht auf die religiöse Gefühlslage unserer Gäste das Beten meistens weg. Es könnte ja übergriffig wirken. Wie wertvoll es ist, davon dichtet Jochen Klepper:

Der Tag ist seiner Höhe nah. Nun blick zum Höchsten auf,
der schützend auf Dich niedersah in jedes Tages Lauf.

Wie laut dich auch der Tag umgibt, jetzt halte lauschend still,
weil er, der dich beschenkt und liebt, die Gabe segnen will.

Der Mittag kommt. So tritt zum Mahl; denk an den Tisch des Herrn.
Er weiß die Beter überall und kommt zu Gaste gern.

Tischkultur und Essgewohnheiten haben sich massiv verändert. Auch ich esse und trinke oft nebenher, während ich am Schreibtisch sitze, oder ziehe mir während einer langen Autofahrt belegte Brötchen rein. Und obwohl das Lied von Jochen Klepper aus einer Zeit lange vor Fast Food und Coffee to go stammt, ruft es zu einer heilsamen Unterbrechung alltäglicher Routinen auf. Zu einer kurzen Besinnung auf das, was in jedes Tages Lauf nicht gemacht, erledigt, geschafft werden muss, sondern mir einfach geschenkt wird. Was für ein Segen!

Er segnet, wenn du kommst und gehst, er segnet, was du planst.
Er weiß auch, dass du‘s nicht verstehst und oft nicht einmal ahnst.

Wer sich nach seinem Namen nennt, hat er zuvor erkannt.
Er segnet, welche Schuld auch drängt, die Werke deiner Hand.

Heute ist der Sonntag Rogate. Er lädt dazu ein, das Beten neu für sich zu entdecken. Vielleicht durch die Wiedereinführung eines Tischgebets. Oder einer ruhigen Minute am Abend, in der ich den Tag noch einmal Revue passieren lasse; aufmerksam für die kostbaren Momente, die er gebracht hat, fürsorglich für die Menschen, die mir begegnet sind. Und am Morgen vor dem ersten Blick aufs Handy ein paar gute Gedanken für die Welt und all ihre Krisen. Denn auf solchem Beten liegt eine große Verheißung:

Die Hände, die zum Beten ruh‘n, die macht er stark zur Tat.
Und was der Beter Hände tun, geschieht nach seinem Rat.

Der Tag ist seiner Höhe nah. Nun stärke Seel und Leib,
dass, was an Segen er ersah, dir hier und dort verbleib.

Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen Martina Steinbrecher von der evangelischen Kirche

 

Musikangaben:

Text: Jochen Klepper (1938)
Musik: Fritz Werner (1949)
Aufnahme:
Der Tag ist seiner Höhe nah für Tenor und Chor a capella, Ja, ich will euch tragen. Das Solistenensemble, Leitung: Gerhard Schnitter

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SWR1 3vor8

27APR2025
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Ostern war das letzte Kirchenfest, das Dietrich Bonhoeffer erlebt hat. Der evangelische Pfarrer war als Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime verhaftet worden und hat zwei Jahre im Gefängnis gesessen. Am 9. April 1945 ist er hingerichtet worden. Das Osterfest ist in diesem letzten Kriegsjahr auf den 1. April gefallen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie die Menschen in einem völlig verwüsteten Europa das damals gefeiert haben. Und wie es bei Dietrich Bonhoeffer in seiner Gefängniszelle gewesen ist, weiß ich nicht. Ich frage mich aber, ob es ihm gutgetan hat, mit der Aussicht auf seinen bevorstehenden Tod noch einmal daran erinnert zu werden, was Christen an Ostern feiern: Dass dem Tod durch die Auferstehung von Jesus alle Macht genommen ist. Oder ist ihm das eher wie blanker Hohn vorgekommen? Dass draußen in den Trümmern der christlichen Welt mit dem Mut der Verzweiflung, Tod und Teufel verlacht und verspottet wurden, er selbst aber dem Tod und seinen Teufeln so brutal ausgeliefert war? Nur vier Wochen später, am 9. Mai 1945 hätte der ganze Spuk doch ein Ende gehabt.

„Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln.“ Dieser Satz stammt von Dietrich Bonhoeffer. Und er deutet daraufhin, dass ihm sein letztes Osterfest im Gefängnis viel Kraft gegeben hat. Vielleicht hat er in diesen Tagen in seiner Bibel die Worte aus dem ersten Petrusbrief gelesen, über die heute, eine Woche nach Ostern, in vielen evangelischen Gottesdiensten gepredigt wird. Da steht: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus. In seiner großen Barmherzigkeit hat er uns neu geboren. Denn er hat uns eine lebendige Hoffnung geschenkt, weil Jesus Christus von den Toten auferstanden ist. Es ist die Hoffnung auf ein unvergängliches Erbe, das rein ist und nie seinen Wert verliert. Das hält Gott im Himmel für euch bereit, und er bewahrt euch durch seine Macht. Aber es ist trotzdem nötig, dass ihr jetzt noch eine kurze Zeit leidet.“ Das klingt doch, als wären diese 2000 Jahre alten Zeilen ganz persönlich für ihn geschrieben worden.

Oder heute ganz persönlich für Sie. In welchen Herausforderungen Sie auch stecken mögen, ich wünsche Ihnen, dass Sie zu einer lebendigen Hoffnung finden und dass die Kraft, die von Ostern ausgeht, auch Sie erfasst und stärkt.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

26APR2025
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Der Satz hat mich getroffen wie eine Ohrfeige. Und er schmerzt mich noch immer, obwohl ich ihn schon vor einigen Monaten gehört habe. Es war Anfang des Jahres. Der Bundestag hat über Migrationspolitik diskutiert. Beide großen Kirchen hatten im Vorfeld eine gemeinsame Stellungnahme an alle Abgeordneten geschickt und darin zu den Anträgen der Unionsfraktion Stellung genommen. Im Wesentlichen ging es den Kirchen um eine menschenwürdige Gestaltung der deutschen Migrationspolitik. Als Kommentar dazu fiel dann dieser Satz vom Vizefraktionschef der CDU. Es waren nur vier Worte: „Überrascht nicht. Interessiert nicht.“ Boah! Das sitzt.

Gut, ich muss anerkennen: In Deutschland gibt es inzwischen mehr konfessionslose Menschen als Katholiken und Protestanten zusammen. Die Überzeugungskraft der Kirchen schwindet. Darüber will ich nicht jammern; mit einer pluralen, gleichberechtigten Gesellschaft kann ich gut leben. Was mich allerdings nicht nur wundert, sondern eben schmerzt, ist die Lässigkeit, mit der jahrhundertelang gewachsene und oft hart errungene Grundüberzeugungen einfach beiseite gefegt werden: Interessiert nicht, also weg damit! Ich muss dagegenhalten. Denn das christliche Menschenbild, das hier scheinbar ausgedient haben soll, hat für mich große Stärken. Und zwar nicht nur für überzeugte Christen, sondern für die ganze Gesellschaft.  

Dazu gehört für mich an erster Stelle die Einsicht: Jeder Mensch ist Gottes Ebenbild. Und, so die säkulare Schlussfolgerung, ausgestattet mit unverbrüchlicher Würde. Zweitens und davon nicht zu trennen: Jeder Mensch ist begrenzt und macht Fehler. Gottes Ebenbild, aber nicht selbst ein Gott. Auf Vergebung angewiesen und auf einen fehlerfreundlichen Umgang miteinander. Drittens darf der Mensch voller Zuversicht sein, dass Zukunft gestaltet werden kann. Denn Zuversicht ist eine Widerstandskraft gegen reale und diffuse Ängste. Und schließlich die Einsicht, dass kein politisches System das Paradies auf Erden herstellen kann, aber trotzdem für menschenwürdige Zustände verantwortlich ist. Alles nicht überraschend? Ich finde schon. Sehr sogar. Eine großartige Errungenschaft. Lassen Sie sich das von niemandem ausreden!   

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Bald ist es so weit: Am 17. Mai heiratet mein Patenkind. Schon lange vor Weihnachten ist die Einladung gekommen, und ich hab‘ mich riesig gefreut. Heiraten ist in der jungen Generation ja nicht mehr so selbstverständlich. Nun wird es sogar eine kirchliche Trauung geben; das ist noch seltener. Sie findet allerdings nicht in der Kirchengemeinde statt, zu der die beiden gehören, sondern auf einer Burg. Die bietet gleichzeitig den passenden Rahmen für die anschließende Feier.

Ich habe die Location gleich mal gegoogelt und, keine Frage, die macht was her: Der alte Rittersaal ist edel eingerichtet, aber bei schönem Wetter soll eh alles draußen stattfinden. Der Blick über die Zinnen bietet fantastische Aussichten und die alten Gemäuer eine tolle Kulisse für lange Fotostrecken. Wer will, kann im Hotel im Südflügel übernachten, alles inclusive. Ich ertappe mich allerdings bei dem Gedanken, was das wohl alles kostet. Und wer es zahlt. Ist es heute noch so, dass die Eltern für die Kosten aufkommen? Mein Patenkind ist Anfang dreißig. Da hat man vielleicht selbst schon was auf die hohe Kante gelegt.

Trotzdem: Vielleicht heiraten heutzutage auch deshalb so wenige Paare, weil die Erwartungen an ein Fest so hoch sind. Meine Nichte hat mir von den Junggesellinnen-Abschieden erzählt, mit denen sie gerade ihre Wochenenden verbringt. Ihre Freundinnen versuchen sich dabei mit den geplanten Aktionen gegenseitig zu überbieten. Geht es vielleicht noch ausgefallener, noch exquisiter, noch krasser? Bestimmt. Aber es geht auch ganz anders. I

Inzwischen bieten viele Kirchengemeinden an einem Tag im Jahr sogenannte Pop Up-Hochzeiten an. Für einen festlichen Rahmen und eine schön geschmückte Kirche sorgt die Gemeinde. Auch für die passende Musik. Ob frisch verliebt, standesamtlich verheiratet, ein Jubelpaar oder queer; alle Paare sind dabei herzlich willkommen. Nicht mehr als 90 Minuten werden für ein Vorgespräch, eine Zeremonie und einen Empfang veranschlagt. Alles an einem Tag. Und wer zum Beispiel von einem solchen Angebot der evangelischen Kirche in Überlingen am Bodensee Gebrauch machen möchte, muss nicht mal auf ein Schloss verzichten. Der Garten Eden, die Auferstehungskirche in Überlingen oder die Kapelle auf Schloss Langenstein sind bestens vorbereitet auf zahlreiche Paare, die sich segnen lassen möchten. Am 25. Mai, also genau heute in vier Wochen, heißt es dort: „Einfach Ja!“  Wäre das nicht was?

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

24APR2025
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Neulich habe ich mir im Internet eine Hülle für mein neues Handy bestellt. Keine große Sache. Die Bestätigungsmail kam prompt. Ich wollte sie gerade schließen, aber dann habe ich doch angefangen zu lesen. Und nicht mehr aufgehört. Denn da stand – kein Scherz! – der folgende, ziemlich lange Text: „Gerade als wir dachten, dass unser Tag zu Ende wäre, kam Emily total aufgeregt und wie wild in das Büro gesprintet: Es ist passiert! – rief sie außer Atem. Du fragst dich, was der Grund für all diese Aufregung war? Nur die Tatsache, dass Martina – also Du – gerade eine Bestellung bei uns aufgegeben hat!

Die Energie im Gebäude schoss sofort in die Höhe. Konfetti fiel herab, die Musik fing an zu spielen und unser Lächeln wurde von Sekunde zu Sekunde breiter. Einige von uns lachten, andere weinten und wieder andere begannen, deinen Namen laut zu rufen. Wir erwischten sogar Big J aus der IT-Abteilung – der seit Jahren nicht mehr gelächelt hatte – mit einem fetten Grinsen im Gesicht. Nachdem sich alle High-Fives und Umarmungen gegeben haben, haben wir uns sofort daran gemacht, deine Bestellung für den Versand vorzubereiten. Vertrau uns: Es wird atemberaubend! Wir könnten nicht dankbarer für deine Unterstützung sein und sind überglücklich, dich als Teil der Familie zu haben. Alles Liebe, das Firmen-Team.“

Soweit die Mail, die ja eigentlich nur eine simple Kaufbestätigung sein sollte. Ich war baff. Was für eine gnadenlose Übertreibung! Und alles wegen einer ganz normalen Handyhülle. Die spinnen doch! Andererseits: Ihre Strategie ging auf. Ich hatte die verrückte Botschaft von Anfang bis Ende gelesen. Und ganz ehrlich: Ein kleiner Funken Euphorie ist da schon übergesprungen. Und hat mich an einen erinnert, der sich auch so unbändig freuen konnte. Bei ihm klingt das so: „Und das sage ich euch: Genauso freut sich Gott im Himmel über einen Menschen, der sein Leben ändert. Er freut sich mehr als über 99 Gerechte, die es nicht nötig haben, ihr Leben zu ändern.“ Das sagt Jesus am Ende einer Geschichte, die von einem verloren gegangenen und wieder gefundenen Schaf handelt. Vielleicht würde er sie heute ja ganz anders erzählen. Mit Emily und Big J aus der IT-Abteilung, mit Konfetti, Umarmungen und High-Fives. Hauptsache, die unbändige Freude kommt rüber, die Gott empfindet, wenn ein Mensch sich von ihm finden lässt.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

23APR2025
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Zum Welttag des Buches möchte ich Ihnen gern ein Buch vorstellen. Und Sie werden lachen: nicht die Bibel. Natürlich freue ich mich, wenn Sie Entdeckungen mit dem Buch der Bücher machen, aber die passieren ja oft auch an ganz unverhofften Orten. Zum Beispiel im Zoo. Dort beginnt das Bilderbuch der Niederländerin Milja Praagman. Besser gesagt nicht im Zoo, sondern, von hinten nach vorn gelesen, im Ooz. Denn der Vogelvater in dem Buch hat sein Nest in einem Baum, der mitten im Zoo steht, und sieht das Schild von der anderen Seite. Deshalb sagt er zu seinem Vogelkind: „Liebmätzchen, heute gehen wir in den Ooz und sehen uns zusammen die Menschen an.“

Der Vogelvater beobachtet mit seinem Liebmätzchen die Menschen, so wie die Menschen sonst die Tiere im Zoo betrachten. Das Buch ist als Wimmelbuch gestaltet, und auf jeder Seite gibt es unglaublich viel zu entdecken. Nicht nur für die beiden Vögel. Sie sehen Waldmenschen und Strandmenschen und Käfigmenschen – letztere sitzen in Autos – und das kleine Liebmätzchen stellt fest, dass Menschen und Vögel trotz vieler Unterschiede auch einiges verbindet.

Die Menschen können singen, sie sind frei und sie haben Nester: “Wenn sie sich gernhaben, bauen sie ein gemeinsames Nest“, erklärt der Vogelvater: „Ihre Nester sind oft übereinander und dicht beisammen.“ Zu dieser Beschreibung fliegen die zwei über eine Doppelseite voller wunderschöner Wolkenkratzer.  Am besten gefällt mir die Stelle, wenn der kleine Vogel sagt: „Mir gefallen die Menschen. Bekomme ich einen zum Geburtstag?“ Und der Vater antwortet: „Manche Menschen haben Vögel, aber Vögel haben niemals Menschen. Außerdem ist Mama allergisch gegen Menschen.“ Ja, so hört sich das an, so sieht das aus und so fühlt sich das an, wenn man einmal die Welt aus der Vogelperspektive betrachtet. Das ist witzig, macht aber auch nachdenklich. Und es führt zurück auf eine Weisheit aus dem anderen großen Buch. In dem steht der Satz: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Vögel tun, das tut ihnen auch.“ Oder ging es doch um die Menschen? Puh, vom vielen Perspektivwechseln bin ich schon ganz durcheinander. Also schaue ich sicherheitshalber noch mal nach. In der Bibel. Matthäus sieben, Vers zwölf: Und da steht es. Schwarz auf Weiß: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut ihnen auch." 

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

21APR2025
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Carlos ist zwölf Jahre alt. Er hat noch nie in seinem Leben Schokolade gegessen. Begeistert sieht er nicht gerade aus, als er zum ersten Mal am Ohr eines Schokohasen knabbert. „Wahnsinnig süß“, sagt er schließlich ins Mikro des Reporters vom „Weltspiegel“. Sonst ernährt Carlos sich hauptsächlich von gekochten Cassava-Wurzeln, einer Art tropischer Kartoffel. Die gibt es bei ihm jeden Tag. Morgens, mittags und abends.

Wenn es ihm und seinen Freunden gelingt, ein Rattennest auszuräuchern, gibt es auch mal Fleisch: Gekochte Ratte. Carlos lebt auf einer Kakao-Plantage in der Elfenbeinküste. Geboren wurde er im Nachbarland Burkina Faso. Eine Zeitlang hat er dort sogar eine Schule besucht. Aber als er zehn wurde, haben seine Eltern ihn verkauft. Nicht aus freien Stücken, sondern aus Not. Sie haben kein Einkommen und keine andere Chance, ihre Familie zu ernähren. Für das Geld, das sie für ihren Sohn bekommen haben, muss Carlos acht Jahre lang auf der Kakaoplantage arbeiten. Ohne dort einen weiteren Cent zu verdienen. Noch nicht einmal Kost und Logis sind inbegriffen. Er haust in einer Einraumhütte, die teilt er sich mit zwei jugendlichen Kollegen. Möbel gibt es keine, nur ein paar Pappkartons, in denen das steckt, was die Jungs besitzen: Eine Machete und ein paar Klamotten. Mit der Machete schneidet Carlos Kakaofrüchte von den Bäumen, sechs Tage die Woche, stundenlang. Pestizide füllen die Jungs mit bloßen Händen in Kanister ab und versprühen sie ohne Schutzmaske zwischen den Pflanzen. Die Elfenbeinküste ist der größte Rohkakaoproduzent der Welt. Eigentlich hat sich die internationale Schokoladenindustrie bereits vor 20 Jahren selbst dazu verpflichtet, auf Kinderarbeit zu verzichten. Doch es hat sich nur wenig verändert. Selbst in zertifizierten Betrieben trifft man auf Jungs wie Carlos. Wenn er 18 ist, darf er gehen. Aber wohin?

In den deutschen Supermärkten wird es ab morgen Schokohasen zum halben Preis geben. Manche werden nochmal zuschlagen, anderen hängt der ganze Süßkram schon wieder zum Hals raus. „Wahnsinnig bitter“, muss ich denken und höre mein Gewissen rumoren.  Damit kann und will ich mich nicht abfinden. Aber was kann ich dagegen tun? Keine Schokolade mehr essen. Aus Protest. Oder Produzenten fragen, wo und wie ihre Produkte hergestellt werden. Und einfach nicht lockerlassen.  

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