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Anstöße sonn- und feiertags

09OKT2022
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Generationen von Kindern haben von Ihren Eltern gehört: „Lüg nicht! Tu nichts, was dir verboten ist – auch nicht heimlich! Du weißt ja: Der liebe Gott sieht alles! Und eines Tages wirst Du bestraft für alle Fehler.“ Wie genau diese Bestrafung dann aussieht, war in der Regel der Angst und der kindlichen Phantasie überlassen.

Heute wird Kindern glücklicherweise nur noch selten so gedroht. Und auch die meisten Erwachsenen die ich kenne glauben nicht an den strafenden Gott.  

Mein Eindruck ist: Viele kämpfen stattdessen heute vielmehr gegen sich selbst. - gegen eine Art inneres Gericht: „Bin ich gut genug für diesen Job?“, „Sehe ich gut genug aus?“, „Kann ich die Erwartungen erfüllen, die andere an mich stellen?“

In der Bibel schreibt der Apostel Paulus: „Hört auf, so über euch zu urteilen. Wartet auf Gottes Urteil. Gott wird alles ans Licht bringen, was verborgen ist.“

Auch Paulus sagt also: Der liebe Gott sieht alles! Aber er zieht daraus ganz andere Schlüsse. Er sieht einen gütigen Gott und schreibt deshalb weiter: Gott wird alles ans Licht bringen, auch das, was Verborgen ist. Und dann wird Gott euch loben, so wie ihr es verdient.

Der Satz „Der liebe Gott sieht alles!“ bekommt so eine ganz neue Bedeutung: Gott behält das Gute im Blick. Selbst dann, wenn ich nichts Gutes mehr an mir finden kann. Gott weiß um alles, was ich lieber verstecke: meine Eitelkeit und Selbstzweifel. Aber Gott sieht gleichzeitig auch das, was ich gut kann, was mich ausmacht, wofür ich brenne, wer ich bin. Und dafür wird mich Gott eines Tages loben.

Eine großartige Vorstellung, die mich ermutigt: Denn wenn Gott mich lobt, für das, was ich tue und was mich ausmacht, dann darf auch ich ab und zu ein bisschen gnädiger mit mir selbst sein. Dann kann ich meinen Selbstzweifeln und dem inneren Gericht einfach mal eine gute Portion Lob entgegensetzen.

Und vielleicht gelingt es mir dann sogar, auch die Menschen um mich herum ein bisschen mehr so anzuschauen, wie Gott es tut: Mit einem liebevollen, wertschätzenden Blick und mit lobenden Worten auf der Zunge.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

22JUN2022
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Heute vor 250 Jahren hat der oberste britische Gerichtshof folgendes Urteil verkündet: „Ich kann nicht sagen, dass Sklaverei nach dem Gesetzt von England gerechtfertigt sei. Der Sklave muss befreit werden.“

Damit war ein großer Schritt in Richtung Menschenrecht getan. Diesen Schritt verdanken wir James Somersett. Er war von Menschenhändelern versklavt worden und nach England verschleppt. Dort hat er Granville Sharp kennengelernt. Der war ein gläubiger Christ und überzeugt: Jeder Mensch ist ein Kind Gottes. Das heißt: Von Gott aus, sind alle Menschen Geschwister. Und unter Geschwistern kann keiner über dem anderen stehen, keiner den anderen besitzen.

Damit hat er James Somersett auf eine Idee gebracht: Gemeinsam mit vielen christlichen Unterstützern hat Somersett geklagt – bis zum höchsten englischen Gericht. Und dort hat er Recht bekommen. Am 22. Juni 1772 ist der Richterspruch gefallen: Sklaverei ist in England nicht erlaubt.

Ein bahnbrechendes Urteil. Überall auf der Welt haben sich daraufhin Menschen zusammengetan um gegen die Sklaverei zu kämpfen. Gemeinsam haben sie es geschafft, dass in immer mehr Ländern die Sklaverei abgeschafft wurde. Heute ist Sklaverei weltweit verboten. Und das ist gut und wichtig. Aber es ist nicht genug

Denn trotzdem leben heute mehr Menschen in sklavenähnlichen Umständen als jemals zuvor. Es ist unerträglich, dass immer noch Menschen Zwangsarbeit leisten in Nähereien, auf Baustellen und Plantagen, in Minen oder in der Prostitution.

Um sie zu schützen braucht es noch mehr Gesetze und vor allem Kontrollen, aber auch ich kann etwas beitragen. Beim Einkaufen zum Beispiel. Viele Produkte, die ich im Alltag nutze, gibt es auch aus fairer Produktion: Bananen, Kaffee, T-Shirts, und vieles mehr.
Ich kann Elektrogeräte recyceln, sodass nicht immer neue Rohstoffe geschürft werden müssen.
Vor allem aber kann ich hinschauen, mich informieren und anderen und mir bewusstmachen: Der Kampf gegen Sklaverei und Menschenhandel hat vor mehr als 250 Jahren begonnen. Aber wir dürfen nicht aufhören ihn weiterzukämpfen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

21JUN2022
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Max und Julia wollen heiraten. Ich besuche die beiden, um mit ihnen den Traugottesdienst zu planen. Sie erzählen mir, wo sie sich kennengelernt haben, wie Max den Heiratsantrag gemacht hat und wie sie sich ihren großen Tag vorstellen.

Julia sagt: „Einen Trauspruch aus der Bibel haben wir uns auch schon ausgesucht.“ Sie liest vor: Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. […] Nur der Tod wird mich und dich scheiden. (Rut 1,16f.)

Schöne Worte haben die beiden sich da ausgesucht. In der Bibel spricht sie eine junge Frau – Rut heißt die. Aber Rut gibt dieses Treueversprechen nicht, wie man meinen würde, ihrem Liebsten. Rut spricht mit ihrer Schwiegermutter.

Die Schwiegermutter ist verwitwet. Ruts Mann ist auch früh gestorben. Die beiden Frauen sind auf sich allein gestellt, ohne, dass sie jemand versorgt. Rut weiß: Ihre Schwiegermutter wird es schwer haben. Deshalb will sie bei ihr bleiben und mit ihr gehen, als die in ihre alte Heimat zurückkehrt. Und Rut ist sich sicher: „Zusammen schaffen wir das schon.“

Als Max das hört, ist er nicht wirklich begeistert und raunt Julia zu: „Ich weiß nicht, ob das passt… Das wäre ja so, als ob ich zu deiner Mutter ziehen würde.“ Julia lacht und sagt: „Aber wir geben uns doch gegenseitig das Versprechen. Das ist es doch, warum wir heiraten wollen.“

„Stimmt schon“, antwortet Max. „Wenn es dir schlecht geht, will ich für dich da sein und dich unterstützen, so gut wie ich kann. Sogar auch, wenn das bedeutet, dass ich dafür zurückstecken muss. Also bleibt es dabei: Wir nehmen den Trauspruch.“

Mich freut das. Ich glaube, das Versprechen, füreinander da zu sein, tut Liebespaaren gut. Aber nicht nur denen: Wie Rut übernehmen Menschen Verantwortung in vielen Beziehungen. Sie sind für Angehörige da, die es schwer haben, die Unterstützung brauchen. Oder für Freundinnen und Freunde, die in einer Krise stecken.
Ihnen allen tut es gut zu hören: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Zusammen schaffen wir das schon.“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

20JUN2022
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„Gönne dir dich selbst!“ – Vor kurzem habe ich diese Worte auf einer Karte gelesen und war sofort davon angesprochen. Als wären sie direkt an mich gerichtet.

Dabei ist das Zitat schon ziemlich alt. Vor etwa 900 Jahren hat Bernhard von Clairvaux, ein Mönch und Mystiker, diese Aufforderung an den damaligen Papst geschrieben, der sein Ordensbruder und ein Freund war.

Der Papst war wohl ein richtiger Workaholic mit unzähligen Terminen und Aufgaben. Einer, der überall mit angepackt hat, wo es nötig war. So viel Engagement – das ist bewundernswert, schreibt Bernhard von Clairvaux. Aber er weiß: So viel von sich geben, das geht nur eine Zeit lang gut. Irgendwann kommt der Punkt, da kippt es. Da kann man nicht mehr.

Deshalb warnt er den Papst und schreibt: Wem nützt es, wenn du alle gewinnst, aber dich selbst verlierst? Niemandem. Deshalb: Sei so, wie du für alle anderen da bist, auch für dich selbst da. Gönne dir dich selbst!

Das ist klug, finde ich. Aber gar nicht so einfach. Wenn ich einen besonders langen Tag hatte, gönne ich mir abends schon mal etwas, ein Glas Wein oder ein Stück Schokolade. Aber mich mir selbst gönnen, das ist schwer. Es bedeutet: Ich gestehe mir selbst das zu, was ich brauche, was mir guttut. So, wie ich sonst für andere da bin, ihnen zuhöre, mich kümmere und meine Zeit verschenke – so bin ich auch mal für mich da.

Ich nehme mir Zeit für mich, höre in mich hinein: Wie fühle ich mich gerade? Und was brauche ich, damit es mir gut geht? Und dann gönne ich mir das: Ein ausgedehnter Waldspaziergang, tanzen zu meiner Lieblingsmusik, ein freier Nachmittag. Und zwar: Ohne schlechtes Gewissen. Sich etwas zu gönnen heißt, es sich mit Freude zugestehen.

Das geht natürlich nicht ständig. Anstehenden Termine und Aufgaben müssen ja erledigt werden, heute – genau wie vor 900 Jahren. Deshalb hat Bernhard von Clairvaux hat in seinem Brief an den Papst geschrieben: „Ich sage nicht: Tu das immer. Aber ich sage: Tu es immer mal wieder.“

Das nehme ich mir auch vor. Die Karte mit dem Zitat habe ich mir deshalb mitgenommen. Als Erinnerung daran, mich mir selbst zu gönnen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

19FEB2022
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„Was hast du heute so vor?“, hat mich mein Mann vor ein paar Tagen beim Frühstück gefragt. „Schule“ habe ich geantwortet und von meinem Reli-Unterricht in der dritten Klasse erzählt:

Ich übe mit den Kindern gerade gewaltfreie Kommunikation. Sie sollen lernen bei sich und bei ihren Gefühlen bleiben, wenn sie streiten. Und sie sollen Sätze sagen wie: „Ich ärgere mich darüber“ oder „Das tut mir weh“ anstatt: „Du nimmst mir immer alles weg“ oder „Du bist blöd!“

Mein Mann hat darauf die Augen verdreht, gelacht und gesagt, dass das ja wohl ganz schön naiv wäre. Er meinte: „Wenn ein Kind geärgert wird, hören die Mobber doch nicht auf, nur, weil das Kind sagt: ‚Das tut mir weh. Ich möchte das nicht.‘ In solchen Situationen muss man sich verteidigen! Das ist vielleicht nicht schön, aber so ist die Welt nun mal…“

Vielleicht stimmt das, denke ich. Vielleicht ist die Welt so. Aber so sollte sie nicht bleiben. Ich bin nämlich überzeugt: Auf Gewalt, und sei es nur zur Verteidigung, folgt neue Gewalt. Eine Spirale ohne Ende, die nur durchbrochen wird, wenn Menschen sich entscheiden, anders miteinander umzugehen.

In seiner berühmten Bergpredigt fordert Jesus: „Wehrt euch nicht gegen Menschen, die euch etwas Böses antun! Sondern wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, dann halte ihm auch deine andere Backe hin!“ (Mt 5,39)

Ich glaube nicht, dass Jesus damit meint, dass man sich alles gefallen lassen muss. Das Kind, das geärgert wird, soll sich unbedingt wehren. Aber eben ohne dabei selbst zuzuschlagen. Stattdessen könnte es etwas tun, womit in diesem Moment keiner rechnet: Den anderen direkt ansprechen: „Warum tust du das?“, ihm deutlich machen: Du tust mir weh! Und sich Hilfe holen.

Das ist ganz sicher nicht leicht. Es braucht dazu viel Selbstbewusstsein und Übung im gewaltfreien Streiten. Und es braucht die tiefe Überzeugung, dass eine Welt ohne Gewalt, möglich ist, wenn immer mehr Menschen dabei mitmachen.

Diese Überzeugung habe ich. Und die Kinder in meiner Reliklasse auch. Und ich finde: damit sind wir nicht naiv. Wir hoffen nur beharrlich auf eine friedlichere Zukunft.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

18FEB2022
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Es gibt Momente, da wünsche ich mir Superkräfte: Vor einem besonders wichtigen Gespräch, wenn die Kinder in der Grundschule mir mal wieder auf der Nase rumtanzen oder wenn ich bei all dem, was auf der To-Do-Liste steht, einfach nicht mehr durchblicke. Wie gut wäre es da, wenn plötzlich neue Energie, extra Power, meinen Körper durchfluten würde – wie im Comic.  

„Das geht!“, sagt die Psychologie-Professorin Amy Cuddy. Mit der Power-Pose. Dazu: Stell dich hin, Füße fest auf dem Boden, Hände in die Hüften stemmen und den Blick leicht heben. Also: Im Grunde genauso posen wie Wonderwoman oder Superman. In dieser Position dann ein paar tiefe Atemzüge nehmen und schon setzt die Superkraft ein: Amy Cuddy konnte in einer Studie nachweisen: Das Stresshormon Cortisol wird so weniger, dafür steigt der Testosteronwert an, also das Hormon, das für Selbstsicherheit zuständig ist.

Die Menschen in der Bibel konnten das natürlich noch nicht so genau erklären. Aber ich kann mir vorstellen, dass sie trotzdem von der Powerpose wussten. In einem meiner Lieblingsgebete aus der Bibel heißt es: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?“
Ich stelle mir vor: Der Mensch, der diese Worte aufgeschrieben hat, war in solcher Not, dass er sich auch Superkräfte gewünscht hat. Da hat er sich aufgerichtet, den Rücken durchgestreckt und den Blick gehoben – zu den Bergen oder vielleicht sogar bis in den Himmel. Und dann hat er plötzlich die Superkraft gespürt und konnte wieder darauf vertrauen: Ich schaffe das.

Aber: Anders als Amy Cuddy war dieser Mensch aus der Bibel sicher: Diese Stärke, die kommt nicht nur aus mir heraus, die wird mir von außen verliehen, von Gott. Deshalb betet er auch weiter: „Meine Hilfe kommt vom Herrn!“

Ich glaube, sie haben beide Recht: Die Psychologin und der Psalmbeter. Sicher haben unsere Hormone ganz viel damit zu tun, wie gestresst oder auch selbstbewusst wir uns fühlen. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass ein Gebet, egal in welcher Körperhaltung ich es spreche, mir auf wundersame Weise Mut und Kraft verleiht.

Deshalb mache ich, wenn ich Superkräfte brauche, einfach beides: Posen wie Wonderwomen und die dazu passenden Worte sprechen: „Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn!“ Und dann die Power-Pose und Gott mit ganzer Kraft wirken lassen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17FEB2022
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Solange ich mich erinnere, wünscht mein Mann sich einen Hund. Für mich ist das nie in Frage gekommen: da hängen eine Menge Verpflichtungen und Arbeit dran. Außerdem waren unsere Wohnungen immer zu klein und die Arbeit hat kaum Zeit gelassen.

Seit wir aber in einem großen Haus mit Garten wohnen und beide oft im Homeoffice arbeiten, sind mir immer weniger Gründe gegen einen Hund eingefallen. Deshalb habe ich schließlich nachgegeben und so ist im letzten Jahr Emmi bei uns eingezogen – ein junger Labradormischling: wild, verspielt und unglaublich niedlich.

Seitdem haben sich alle meine Befürchtungen bestätigt: Es ist eine Menge Arbeit. Überall sind Hundehaare, Schuhe und Sofakissen haben Knabberspuren und wenn ich morgens Gassi gehen muss, ist meine Laune erst mal im Keller.

Aber ich muss gestehen: Wenn ich Emmi dann dabei beobachte, wie sie Spuren erschnüffelt, über die Wiesen rennt und Haken schlägt, ist das alles fast vergessen, so sehr steckt mich ihre Freude an.

Und nicht nur die: Anders, als wir Menschen es tun, zeigt unsere Hündin immer ganz unmittelbar, was sie gerade fühlt und braucht:
Wenn sie Nähe sucht, legt sie ihren Kopf auf mein Bein. Wenn sie Angst hat, versteckt sich. Am Morgen begrüßt sie uns mit wedelndem Schwanz, als wäre es das schönste der Welt uns zu sehen. Und manchmal – wenn ihr alles zu viel wird, dann zieht sie sich zurück, zeigt notfalls sogar die Zähne, damit klar wird: Das will ich jetzt nicht.

Ein bisschen ist sie mir damit zum Vorbild geworden: Ich zeige nicht gerne, wie es mir gerade geht, sondern lächle Schweres einfach weg. Und es fällt mir nicht leicht, zu sagen, was ich gerade brauche. Oft weiß ich das nicht mal selbst, weil ich vor lauter „Ich muss noch“ und „Ich kann doch nicht“ verlernt habe, in mich rein zu hören und darauf zu achten, was mir guttut und was ich eigentlich nicht will.

Seit wir Emmi haben, gelingt mir das etwas besser. Weil sie mir ihre Bedürfnisse zeigt, denke ich öfter darüber nach, was meine Bedürfnisse sind: mal wieder ein Abend ganz für mich alleine, öfter in den Arm genommen werden, nein sagen, wenn sowieso alles gerade stressig ist.

Das dann auch zu zeigen und zu sagen, das muss ich noch ein bisschen üben. Vielleicht halte ich mich dabei einfach weiter an Emmi. Natürlich ohne bellen und Zähne zeigen – aber genauso ehrlich.

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08DEZ2021
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Seit diesem Jahr hängt in unserer Wohnung ein großer leuchtender Stern. Eigentlich gehöre ich nicht zu den Menschen, die vor Weihnachten viel dekorieren. Ein Adventskranz auf dem Tisch und die Krippe im Wohnzimmer reichen mir völlig.

Aber in diesem Jahr ist es anders. Schon zum zweiten Mal ist der Advent leiser und vor allem dunkler. Weihnachtsmärkte und andere Events, die sonst die Straßen und Plätze erleuchten, fallen aus. Und auch in mir ist es dunkler. Die Stimmung ist angespannt. Viele machen sich Sorgen um ihre Gesundheit oder ihre Existenz. Wie es weitergeht, wie Weihnachten wird, ist ungewiss. Finstere Aussichten.

Ich schätze, deshalb brauche ich in diesem Jahr mehr als sonst Lichter um mich. Ich sehne mich richtig danach. Beim Spazieren durch die dunklen Straßen bleibt mein Blick an Fenstern mit Lichterketten und Schwippbögen hängen. Und auch bei mir zu Hause gebe ich mir Mühe, es heller zu machen.

Der Prophet Jesaja geht in der Bibel noch weiter. Als die Menschen um ihn herum ähnlich dunkle Zeiten erlebt haben, hat er sie aufgefordert: „Mache dich auf: werde licht!“

Dieser Satz gefällt mir! Licht werden – das klingt für mich so, als könnte ich das Leuchten der Sterne und Lichterketten in mich aufnehmen, mich davon erfüllen lassen, leichter werden bis ich selbst anfange zu strahlen. Genau das brauche ich gerade. Aber in der aktuellen Lage fällt es mir schwer, mich leicht zu machen, zu leuchten und zu strahlen.

Das wusste auch Jesaja. Deshalb geht seine Botschaft weiter. Jesaja verspricht: „Mache dich auf, werde licht. Denn dein Licht kommt!“ (Jes 60,1). Für mich ist das die Botschaft von Weihnachten: Gott kommt. Und er bringt Licht in die Welt. Licht, das mich licht macht, leicht und leuchtend. Ich selbst muss dazu gar nichts tun.

Nur noch ein bisschen abwarten und mich gedulden. Schwer genug in dieser Zeit. Der Schmuck in den Fenstern und der leuchtende Stern in unserer Wohnung helfen mir dabei. Sie strahlen schon jetzt das Versprechen aus: Licht kommt!

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07DEZ2021
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„Dieses Jahr schenken wir uns wirklich mal gar nichts“ hat meine Schwiegermutter im vergangenen Jahr vorgeschlagen. Eine super Idee haben wir gedacht. So spart man nicht nur Geld, sondern auch viel Stress in der Vorweihnachtszeit. Noch dazu unter corona Bedingungen. Die vollen Fußgängerzonen und der Kaufrausch, in den mancher verfällt, das hat ja auch wirklich nichts mehr mit Besinnlichkeit zu tun. Haben wir gedacht. Und alle haben sich daran gehalten.

Am Weihnachtstag hat dann wirklich nichts unter dem Baum gelegen. Gar nichts. Und ganz ehrlich: Das war richtig blöd. Ich habe gemerkt: Weihnachten so ganz ohne Geschenke – da fehlt mir was.

Eine hübsch verpackte Aufmerksamkeit und kleine Überraschungen unterm Baum zeigen mir: Da hat jemand an mich gedacht und etwas Schönes ausgesucht, um mir damit eine Freude zu machen.

Das ist es schließlich, worum es von Anfang an bei Weihnachten geht. Da hat Gott auch an die Menschen gedacht und sich überlegt: Was brauchen die Menschen? Wie kann ich ihnen Freude schenken?
Und dann hat Gott das größte Geschenk der Welt gemacht: Er hat sich selbst verschenkt. In einem kleinen Baby. All seine Liebe hat Gott in dieses Kind gelegt – damit es den Menschen vom Himmel erzählt, Hoffnung verbreitet, Mut macht und tröstet. Eben echte Freude ins Leben bringt.

Die Geburt dieses Kindes ist mehr als 2000 Jahre her. Als Christin glaube ich aber: Gott denkt bis heute an die Menschen und verschenkt sich selbst. Immer wieder. Und die kleinen Aufmerksamkeiten und bunten Päckchen unterm Weihnachtsbaum helfen mir, das besser zu verstehen. Die Freude über die kleinen Geschenke erinnert mich an Gottes größtes Geschenk.

Deshalb werden wir uns in diesem Jahr doch wieder etwas schenken. Ohne Shopping-Stress und große Ausgaben – darauf haben wir uns geeinigt. Nur eine Kleinigkeit für jeden – aber die liebevoll ausgesucht. Das sorgt für Freude unterm Weihnachtsbaum und bringt Gottes Weihnachts-Freude in mein Leben.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

06DEZ2021
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Haben Sie schon einmal eine echte Nikolaus-Überraschung bekommen? So eine, mit der man gar nicht rechnet?

Ich schon: Als Studentin. Damals habe ich in einem Wohnheim gelebt, zusammen mit ganz vielen anderen. Das ist eher eine Zweckgemeinschaft gewesen – die meisten von meinen Mitbewohnern habe ich nur flüchtig gekannt. Deswegen war ich echt überrascht, als ich am Morgen des sechsten Dezembers meine Zimmertür aufgemacht habe: Da stand auf meiner Fußmatte ein silbrig-glänzender Schoko-Nikolaus! Und nicht nur bei mir, sondern vor jeder Tür auf meinem Flur stand einer. 

Ich habe sofort meine Mitbewohnerinnen gefragt ob sie wüssten, wer das war. Die meinten aber nur: „Keine Ahnung – wir waren es nicht...“ Und auch alle, die ich später danach gefragt habe, haben bloß mit den Schultern gezuckt oder den Kopf geschüttelt.

Bis heute rätsle ich jedes Jahr, wer uns damals diese heimliche Nikolaus-Überraschung beschert hat. Er oder sie hat sich auf jeden Fall den echten Nikolaus zum Vorbild genommen. Der war vor 1700 Jahren Bischof in Myra in der heutigen Türkei. Und er hat auch meistens heimlich gewirkt und geschenkt.

Bei ihm ging es dabei allerdings nicht bloß darum, eine kleine Freude zu bereiten. Seine Geschenke haben Leben gerettet und oft vor großer Not bewahrt. Zum Beispiel drei junge Frauen. Deren Vater ist furchtbar arm gewesen. Er hatte weder genug Geld um sie zu versorgen noch um sie zu verheiraten. Deshalb drohte den Frauen die Prostitution. Denn zu dieser Zeit gab es nicht viele Möglichkeiten für unverheiratete Frauen den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Bischof Nikolaus hat von der Familie gehört und hat gehandelt: der Legende nach hat er nachts drei Goldklumpen in das Zimmer der Frauen geworfen. Heimlich, denn Dank oder Anerkennung wollte er dafür nicht.

Trotzdem haben sich die guten Taten von Nikolaus rumgesprochen. Die Menschen haben ihn dafür bewundert, seine Geschichten weitererzählt und sich an ihn erinnert, indem auch sie andere heimlich überrascht und beschenkt haben.  

Deshalb: Wenn wir heute Schokolade auf Tellern, in Stiefeln oder - wie ich damals - vor der Zimmertür finden, dann hält auch das die Erinnerung wach an Nikolaus und seine guten Taten.

Und vielleicht macht das sogar Lust, andere auch heimlich zu beschenken oder dort zu helfen, wo heute Menschen in Not sind. Dazu braucht es keine Goldklumpen, sondern bloß eine kleine Spende. So kann jeder selbst zu einem echten Nikolaus werden. 

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