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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30AUG2023
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„Bin ich denn blöd?“ „Alle anderen können das doch – was die jetzt wohl über mich denken...“ „Warum kriege ich das nie hin?“

Na – erkennen Sie sich in diesen Sätzen wieder? Dann sind Sie in bester Gesellschaft. Denn die meisten Menschen schauen so kritisch auf sich selbst, dass sie den eigenen Ansprüchen nie genügen. Ich auch. Und dann sage oder denke ich schnell Dinge über mich, die so gemein sind, dass ich sie niemals zu jemand anderem sagen würde: „Typisch! Nichts kriegst du hin! Versager!“

Solche Sätze tun weh – auch, wenn man sie zu sich selbst sagt. Sie bewirken, dass die negativen Gefühle immer größer werden und man sich mit der Zeit immer kleiner fühlt. Aber das muss nicht sein.

Wenn einem Freund ein Fehler passiert, dann versuche ich, ihn zu trösten und Worte zu finden, die ihn aufbauen und ihm guttun. Genauso kann ich auch mit mir selbst umgehen. Selbstmitgefühl nennen Fachleute das.

Und das kann man lernen – unter anderem mit diesen drei Schritten:

Erstens: Hör in dich rein. Nimm die Gefühle wahr, die du nach einem Fehler in dir hast und beschreib sie genau: Bist du wütend? Schämst du dich? Das alles darf sein für den Moment. 

Zweitens: Mach dir klar: anderen Menschen passiert das auch. Sie erleben ähnliche Situationen und fühlen sich genauso.

Und zuletzt: Sei freundlich zu dir selbst. Lass die harsche Kritik und die gemeinen Worte weg. Sag dir stattdessen genau die Dinge, die du auch einem Freund sagen würdest: „Kopf hoch. Beim nächsten Mal wird’s besser. Du schaffst das.“

Das beste daran ist: Untersuchungen zeigen, dass viele Vorhaben wirklich mit der Zeit besser werden. Denn Menschen mit Selbstmitgefühl behalten auch nach Fehlern einen kühlen Kopf und lernen daraus.  

Allein deshalb lohnt es sich also, den freundlichen Umgang mit sich selbst zu üben. Ich zumindest will das jetzt versuchen. Und auch wenn es nicht sofort klappt, sage ich mir selbst mitfühlend: „Kopf hoch, das wird schon!“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29AUG2023
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Gender-Gaga, Sprachverbot! – So und ähnlich titeln Zeitschriften und Artikel in letzter Zeit häufig. Der Tenor: „Bald darf man ja gar nichts mehr sagen!“

Ich ärgere mich über solche Artikel und halte sie für übertrieben. Niemand verbietet da irgendwas.

Allerdings: Ich gebe zu: Auch ich selbst verbessere andere manchmal. Etwa, wenn jemand sagt, ich sei Pfarrer. Dann korrigiere ich und sage: „Nein, ich bin Pfarrer IN.“ Das ist mir wichtig. Weil Frauen lange dafür kämpfen mussten, Pfarrerin zu sein. Deshalb will ich heute bewusst zeigen: Ich bin eine Frau im Pfarramt. Ich bin Pfarrer-in.

Wenn ich es erkläre, versteht mein Gegenüber vielleicht, warum ich hier mit der Sprache so genau bin. Trotzdem weiß ich, dass es auch ein bisschen unangenehm ist, so verbessert zu werden. Aus eigener Erfahrung.

Gerade vor kurzem wurde ich auch verbessert. Da habe ich so was gesagt wie: „Das ist so ein Gemauschel“. Darauf hat meine Freundin gesagt: „Weißt du, dass das Wort antisemitisch ist? Darin klingt das Vorurteil an, dass Juden betrügen. Ich finde: Das Wort sollte man nicht mehr benutzen.“

Wie gesagt: Auch mir war es zuerst unangenehm, so verbessert zu werden. Trotzdem bin ich meiner Freundin dafür dankbar und ich habe nicht das Gefühl, dass sie mir damit meine Sprache verbieten möchte. Es geht vielmehr darum, Rücksicht zu nehmen auf andere und darauf, was Worte mit Menschen machen.

Denn Worte können verletzen, besonders dann, wenn dahinter eine Geschichte von Gewalt und Unterdrückung steckt.

Wenn Menschen sagen: „Es tut mir weh, wenn du diesen Ausdruck benutzt.“ Oder „Ich bitte dich, das anders zu sagen.“, dann ist das für mich kein Sprachverbot. Ich kann natürlich weiter alle Worte benutzen, die ich möchte.

Aber wenn es anderen besser geht, nur, weil ich auf bestimmte Ausdrücke verzichte oder Dinge anders benenne, dann will ich das gerne tun. Auf lange Sicht werde ich so rücksichtsvoller. Und die Menschen, mit denen ich spreche, fühlen sich wohler. Und das ist, was für mich zählt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28AUG2023
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Tagelang treibt ein Boot auf dem Mittelmeer – vollbesetzt - mehrere hundert Menschen sind an Bord: Männer, Frauen, kleine Kinder. Sie fliehen aus Ländern, in denen sie verfolgt werden, oder in denen die Lebensumstände so unerträglich sind, dass sie dort nicht bleiben können.

Einer von ihnen ist Ibrahim*. Er kommt aus Somalia und will nach Europa. Deshalb hat er die Wüste durchquert, im Flüchtlingslager ausgeharrt und ist schließlich auf das Boot gestiegen, das eigentlich gar nicht fahrtüchtig ist. Mitten auf dem Meer gerät es in Seenot.

Jetzt müssten die umliegenden Staaten so schnell wie möglich Hilfe schicken. Das internationale Seerecht besagt: Jeder Mensch muss gerettet werden, wenn er in Not gerät. Aber es kommt keine Hilfe. Das Boot kentert. Ibrahim ertrinkt. So wie mehrere tausend andere Flüchtlinge – allein in diesem Jahr.

Weil Europa nicht genug tut, um das zu verhindern und Menschen wie Ibrahim zu helfen, wurde die zivile Seenotrettung gegründet.

Freiwillige fahren mit Schiffen über das Mittelmeer und helfen, wo sie können. Finanziert wird das vor allem durch Spenden. Und eigentlich hat auch die Bundesregierung zugesagt, die Seenotrettung zu unterstützen. Aber nun wird das Geld gekürzt.

Mich macht das unfassbar wütend. Denn auf dem Mittelmeer geht es um Leben und Tod. Jeden Tag sterben dort Menschen – so wie Ibrahim. Und wir sollten alles tun, um das zu verhindern. Weil jeder Mensch ein Recht auf Leben hat und jedes Leben schützenswert ist. Als Christin glaube ich nämlich: Gott hat das Leben gemacht. Und jeden einzelnen Menschen, egal wo er herkommt.

Deshalb finde ich es richtig, dass die Evangelische Kirche seit ein paar Jahren Schiffe auf das Mittelmeer schickt, die dort Leben retten. Leben wie das von Husein.
Husein hat sich kurz nach Ibrahim auf den Weg übers Mittelmeer gemacht. Bei ihm kam die Hilfe rechtzeitig.

Es lohnt sich also, die Seenotrettung zu unterstützen. Mit Spenden, als Bündnispartner, oder indem wir andere darüber aufklären, informieren und erzählen: Geschichten, wie die von Ibrahim, der nicht gerettet wurde, und von Husein. Der lebt. Dank der Seenotrettung. 

* Imbrahims Geschichte wird erzählt in der Broschüre „Jeder Mensch hat einen Namen“ von United4Rescue.

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Anstöße sonn- und feiertags

27AUG2023
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Lara soll getauft werden und deshalb habe ich mich mit ihren Eltern zum Taufgespräch verabredet. Ich frage sie: „Was wünschen Sie Ihrer Tochter für ihr Leben?“. Laras Mutter überlegt kurz und sagt dann: „Freiheit! Lara soll sich von niemandem einschüchtern lassen, sondern mutig und frei ihren eigenen Weg durchs Leben gehen.“

Dazu passt der Taufspruch perfekt, den die Familie für Lara ausgewählt hat. „Gott spricht: Ich bin mit dir!“ Diese Worte  stammen nämlich aus einer richtigen Freiheitsgeschichte: Die geht so:

Die Israeliten waren in Ägypten gefangen und mussten dort als Sklaven arbeiten. Gott sieht das und hilft ihnen: Dazu gibt er Mose den Auftrag, den Israeliten zur Flucht zu verhelfen. Im Grunde: Eine unmögliche Aufgabe.

Aber Gott sagt zu Mose „Du schaffst das! Weil ich – Gott - mit dir bin. Das ist mein Versprechen an dich: Ich bin da. Für die Israeliten, für dich, auf deinem Weg.“

Und tatsächlich: Mit Gottes Hilfe gelingt den Israeliten die abenteuerliche Flucht aus Ägypten in die Freiheit.

„Gott spricht: Ich bin mit dir!“ Diese Worte wird nun auch die kleine Lara an ihrer Taufe hören. Das Versprechen, das Gott Mose gegeben hat, das gilt jetzt auch ihr. „Ich bin da für dich, auf deinem Weg.“

Ich finde: Dieses Versprechen bedeutet Freiheit. Es macht innerlich frei.
Es heißt nämlich: Selbst, wenn alle anderen meinen Lebensweg für falsch halten oder sich sogar von mir abwenden – ich bin trotzdem nie alleine. Weil Gott bei mir ist und mich begleitet. Deshalb kann ich zu mir selbst stehen und mutig meinen Weg durchs Leben gehen.  

Genau das wünsche ich auch der kleinen Lara. Dazu soll sie sich immer wieder an ihren Taufspruch erinnern, an die Geschichte von Mose und an Gottes Versprechen: „Ich bin mit dir – egal was kommt.“

Damit kann auch Lara ihren eigenen Weg durchs Leben gehen: mutig und vor allem frei.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

26APR2023
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„Möchten Sie vielleicht vor?“, habe ich vor kurzem einen Mann gefragt, der hinter mir an der Kasse stand. Mein Einkaufswagen war proppenvoll und er hatte nur wenig in der Hand. Der Mann hat das gerne angenommen und sich bedankt. Und er wurde tatsächlich schon abkassiert, als ich noch meine Einkäufe aufs Kassenband gelegt habe. „Danke nochmal“, hat er mir da zugerufen. Und dann lachend ergänzt: „Ich werd‘ Sie dafür in meine Abendgebete einschließen.“

Ich glaube, ganz ernst gemeint hat er das nicht. Aber trotzdem hat es mich berührt. Denn auch wenn es eher scherzhaft gemeint war, steckt für mich trotzdem eine Botschaft hinter dem Satz: Meine kleine Geste war nicht selbstverständlich für ihn. Es hat ihn gefreut. Und er möchte dafür etwas zurückgeben und mir eine Freude machen. Sein Satz „Ich werde Sie dafür in meine Abendgebete einschließen“ bedeutet für mich: Ich nehme dich wahr. Und: ich will dir etwas Gutes tun. Denn genau das ist ja ein Gebet für einen anderen, etwas, das guttut.

Ich selbst biete deshalb auch immer mal wieder Menschen an, für sie zu beten. Besonders dann, wenn ich selbst in dem Moment nichts Praktisches für sie tun kann. Ihnen aber zeigen möchte, dass ich sie wahrnehme. Wenn ich dann bete, bitte ich Gott, dass er ihnen etwas Gutes tut, dass er sie beschützt oder tröstet oder bei einer schwierigen Aufgabe die nötige Kraft gibt. Manchmal ist mein Gegenüber erstaunt über dieses Angebot. Gerade wenn er oder sie selbst eigentlich nicht betet. Aber fast immer nehmen die Menschen es gerne an und bedanken sich dafür.

Das habe ich bei dem Mann neulich an der Kasse übrigens auch gemacht. Er war kurz perplex – und hat dann gelächelt und genickt.

Vielleicht hat er mich danach tatsächlich in seine Abendgebete eingeschlossen. Schon allein der Gedanke daran, freut mich und tut mir gut. 

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

25APR2023
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„Ich stelle lieber Bewerber über 50 ein – die fragen nicht zuerst nach der Work-Life-Balance“.

Dieses Zitat von einem Firmenchef habe ich vor kurzem in der Zeitung gelesen. Der Satz ist mir im Kopf geblieben – vor allem, weil ich mich fürchterlich darüber geärgert habe. Aus gleich zwei Gründen:

Zum einen: Ich bin mir sicher: Bewerberinnen und Bewerber über 50 bringen viele Kompetenzen mit, die jüngere Kollegen noch nicht haben: sie sind erfahrener, vielleicht auch gelassener und souveräner. Das ist ein Schatz – und es ist gut, wenn Arbeitgeber das sehen und wertschätzen. Allerdings: Auf diese echten Kompetenzen älterer Bewerber geht der zitierte Firmenchef ja gar nicht ein. 

Und das ist der zweite Grund worüber ich mich ärgere: Stattdessen hebt er nämlich etwas hervor, was ältere Bewerber eher nicht tun: nämlich auf die Work-Life-Balance zu achten. Also darauf, dass Arbeit und Freizeit in einem guten Verhältnis zueinanderstehen. Dabei sind Menschen, denen das wichtig ist, nicht etwa faul, wie es der jungen Generation gerne nachgesagt wird. Sie arbeiten oft genauso hart, aber achten eben auch auf die Dinge, die jenseits der Arbeit wichtig sind: zum Beispiel ausreichend Zeit, um neue Kraft zu schöpfen, um sich zu bewegen, zu lesen, Freundinnen zu treffen oder mit den Kindern zu spielen. Wem das gelingt, der ist auf Dauer zufriedener und – davon bin ich überzeugt – auch leistungsfähiger. Denn wir Menschen brauchen Zeiten, um aufzutanken, uns zu erholen, in Balance zu kommen.

So denken übrigens nicht nur jüngere Generationen. Schon vor mehr als 2000 Jahren hat ein kluger Mensch geschrieben: „Ich sah das Tun und Mühen der Menschen. Gott hat es ihnen aufgegeben, sich anzustrengen. Aber es gibt kein größeres Glück, als sich zu freuen und sich’s gut gehen zu lassen. So soll jeder Mensch essen, trinken und glücklich sein, als Ausgleich für seine ganze Arbeit. Denn auch dies ist eine Gabe Gottes.“ (Koh 3,10+12-13)

Wenn ich beides als Gabe Gottes verstehe - Arbeit und Freizeit, Mühen und sich’s gut gehen lassen – dann muss ich es nicht gegeneinander ausspielen. Dann bedeutet das: beides wertzuschätzen, für beides dankbar zu sein und beides mit ganzem Herzen und vollem Einsatz zu tun. Und das ist doch für alle ein Gewinn.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

24APR2023
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Titel: 

Teaser: 

Ja, ich bin`s wirklich – Lisa Tumma. Mit meiner Stimme und meinen Gedanken für diesen Morgen. Warum ich das sage? Weil es heutzutage gar nicht mehr selbstverständlich ist.  Auch eine künstliche Intelligenz kann Texte für das Radio produzieren. Täuschend echt.

Das Programm ChatGPT ist so eine künstliche Intelligenz. Der sogenannte Chatbot kann Fragen beantworten und Texte schreiben wie ein Mensch. So entstehen Artikel, Seminararbeiten oder Briefe. Und auch Predigten oder eine Andacht wie diese hier kann das Programm schreiben. Ich war neugierig und habe das direkt mal ausprobiert.

Und tatsächlich: Zu jedem Thema, das ich für eine Predigt eingegeben habe, hat das Programm passende Bibelstellen und Beispiele gefunden. Aber obwohl die Texte sachlich richtig sind und einige auch ganz gut klingen, lassen sie mich kalt. Sie beeindrucken mich, aber sie berühren mich nicht. Und das ist auch kein Wunder. Schließlich erkennt eine künstliche Intelligenz zwar bestimmte Sprachmuster und hat das Wissen von mehreren Bibliotheken gespeichert, aber sie hat eben keine eigenen Gefühle und auch keinen Glauben.

Das braucht es meiner Meinung nach aber, um Menschen wirklich anzusprechen, zu trösten oder einen guten Gedanken für den Tag mitzugeben. Ich bin überzeugt: Nur etwas, was von Herzen kommt, kann auch Herzen berühren.

Das gilt erst recht, wenn es um den Glauben geht. Ein solides Grundwissen kann nützlich sein, aber es braucht auch Erfahrungen und persönliche Geschichten. Davon, wie Menschen getröstet werden, woraus sie Kraft ziehen in schweren Zeiten, oder davon, wie sie für einen Moment tief berührt sind und sich Gott ganz nah fühlen.

Wenn ich solchen Geschichten zuhöre, dann macht das was mit mir. Sie berühren mich, verändern meinen Blick auf die Welt oder vertiefen meinen Glauben.

Und ich bin überzeugt: Solche Erlebnisse wird ein Programm, egal wie intelligent es ist, nie selbst haben und nie ehrlich und persönlich davon erzählen können.

Deshalb werden Sie in den Radioandachten auch weiterhin echte Menschen hören. Menschen wie mich. Mit meinen persönlichen Gedanken und Geschichten. Mit meinen Zweifeln und Fragen. Mit dem was mich tröstet und von Herzen freut, woran ich glaube.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

12OKT2022
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„Und was machen Sie beruflich?“, fragt mich meine neue Friseurin. „Pfarrerin“, sage ich. „Dazu muss man aber auch berufen sein, ich könnte das nicht!“, meint sie. Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Wobei: ich glaube, ich bin irgendwie auch berufen.“ Und dann erzählt sie: „Für mich hat es nie etwas Anderes gegeben. Als Kind habe ich meine Puppen frisiert, später meine Freundinnen. Manche Leute haben darüber den Kopf geschüttelt, dass ich Friseurin werden wollte, weil man da ja nicht so gut verdient. Aber es war nun mal mein Traum. Allerdings: Corona ist für unsere Branche schwer gewesen. Das hat mir wirklich Angst gemacht. Deshalb habe ich dann doch mit einem Studium begonnen. Was Sicheres: gehobener Dienst, Beamtin.

Aber schon nach ganz kurzer Zeit habe ich gemerkt: Das ist zwar vielleicht sicherer, aber es macht mich nicht glücklich. Ich bin jeden Tag mit Bauchweh auf die Arbeit gegangen. Nach langem Überlegen habe ich abgebrochen. Das habe ich vorher noch nie gemacht, dafür bin ich nicht der Typ. Aber es ging einfach nicht mehr. Und dann: Der erste Tag wieder im Salon – das war für mich die Offenbarung. Seitdem gehe ich noch lieber zur Arbeit.“

Ich ziehe meinen Hut vor ihrer Entscheidung. Denn natürlich ist eine sichere Arbeitsstelle und eine gute Bezahlung wichtig, damit man weiß, wovon man leben kann. Aber meine Friseurin hat gespürt: Das reicht nicht. Geld alleine macht nicht glücklich. Es braucht auch das Gefühl: Was ich tue, hat einen Sinn. Mit meiner Arbeit tue ich mir und anderen etwas Gutes. Ich kann dabei meine Talente und Gaben einbringen. Meine Friseurin hat das Glück, dass sie dieses Gefühl bei ihrer Arbeit hat. Andere finden es woanders: Sie schenken gerne Zeit und Energie für ihre Familie, erziehen Kinder oder pflegen Angehörige. Andere widmen sich in ihrer Freizeit einem Ehrenamt.

Ganz egal wo: Ich glaube, es tut allen Menschen gut, etwas zu tun, das sich sinnvoll anfühlt, wo Gaben und Talente leuchten können. Und wo sie sagen können: Das ist meine Berufung!

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11OKT2022
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„Eher geht ja wohl ein Kamel durch ein Nadelöhr…“ – Ab und an höre ich diese Redensart. Wer das sagt, möchte damit betonen, dass etwas absolut unwahrscheinlich oder sogar ganz unmöglich ist.

Ursprünglich stammt die Redensart aus der Bibel. Ein Mann kommt zu Jesus und fragt ihn: „Was muss ich tun, um in den Himmel zu kommen?“ Jesus antwortet: „Halte dich an die Gebote.“ Der Mann sagt: „Das mache ich längst.“ und Jesus ergänzt: „Dann tu noch das: verkaufe alles, was du hast, gib den Erlös den Armen und folge mir nach.“ Der Mann ist erschrocken und geht weg. Und Jesus erklärt den Umstehenden: „Tja: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt.“

Bedeutet das also, dass reiche Menschen nicht in den Himmel kommen? Falls ja, sieht es für uns Deutsche ziemlich schlecht aus. Denn selbst, wenn wir keine Millionäre sind, gehören wir im weltweiten Vergleich zu den reichsten Menschen. Was also können wir tun?  „Folge mir nach“, sagt Jesus. In der Zeit, als die Bibel geschrieben wurde, war das ein radikaler Schritt. Es konnte bedeuten, dass man mit seiner Familie brechen oder seine Heimat verlassen muss. Und vielleicht eben auch seinen Besitz verliert.

Heute ist Christin sein in vielen Teilen der Welt nicht mehr mit einem solch hohen Risiko verbunden. Ich bin aber überzeugt: wenn mir mein Glaube wichtig ist, hat das immer noch echte Konsequenzen für mein Leben.

Jesus nachzufolgen bedeutet: Ich kann nicht die Augen davor verschließen, wie reich ich beschenkt bin und welche Privilegien ich habe. Und ich muss auch da hinschauen, wo Menschen weniger privilegiert sind als ich und überlegen, wie ich helfen kann. Auch wenn das bedeutet, zu verzichten oder Abstriche zu machen.

Ob ich es deshalb am Ende in den Himmel schaffe, kann ich trotzdem nicht sicher wissen. Aber alle, die deshalb verunsichert sind, tröstet Jesus und sagt: „Wartet ab! Für Menschen ist das nicht machbar. Aber für Gott ist nichts unmöglich!“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10OKT2022
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„Jaja, Prüfet alles und das Gute behaltet!“, hat meine Kollegin lachend gesagt, als ich ihr vorgejammert habe, dass wir bei uns ausmisten müssen. Wochenlang haben mein Mann und ich Schränke ausgeräumt und Kisten gepackt. Wir sind nämlich vor kurzem umgezogen. Von einem großen Haus mit Keller in eine Dreizimmer-Wohnung. Da war es unmöglich alles mitzunehmen, was wir in den Jahren vorher angesammelt haben.

Zuerst haben wir die Dinge aussortiert, die sowieso kaputt waren und unbrauchbar. Das ist mir auch nicht sonderlich schwergefallen. Aber das hat nicht gereicht. Also mussten wir strenger mit uns sein, so, wie meine Kollegin es gesagt hat: Prüfet alles und das Gute behaltet.

Nach und nach haben wir so alle unsere Dinge danach geprüft, ob sie uns guttun und ob wir sie wirklich brauchen. Am Anfang ist mir das ziemlich schwergefallen: Ich hänge an Gegenständen, mit denen ich schöne Erinnerungen verbinde. Aber tun mir die Kerzenständer aus meiner ersten eigenen Wohnung wirklich gut, wenn sie nur im Keller stehen? Und wie ist es mit diesen schönen Schuhen, die so unbequem sind, dass ich sie nie anziehe?

Was wir schließlich aussortiert haben, konnten wir verschenken, spenden oder auf dem Flohmarkt verkaufen, damit die Dinge neue Besitzer glücklich machen. Und in unserer neuen kleinen und jetzt gut sortierten Wohnung, fühle ich mich selbst auch richtig wohl.

Prüfet alles und das Gute behaltet: Dieser vielleicht nicht ganz ernst gemeinte Satz meiner Kollegin ist eigentlich ein uralter Ratschlag aus der Bibel, - dafür, wie das Zusammenleben von Menschen gelingen kann. Bei uns hat er auch heute noch voll ins Schwarze getroffen – zumindest was das Wohnen angeht. Und vielleicht schaffe ich es, zukünftig noch mehr Lebensbereiche danach auszurichten wie Gewohnheiten, Termine oder meine Freizeit. Immer nach dem Motto: Prüfet alles, und nur das Gute behaltet!

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