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SWR4 Abendgedanken

30SEP2022
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„Ich brauch noch das richtige Werkzeug, dann bekomme ich es hin!“ Das ruft mir meine Frau begeistert aus der Küche zu. Sie liegt mit dem Handy unter der Spüle und ist am Werkeln. Wir haben einen neuen Wasserhahn gekauft, aber haben sowas noch nie selbst montiert. Meine Frau hat dann im Internet gesucht und ein richtig gutes Tutorial gefunden. Ein Video, in dem Schritt für Schritt erklärt wird, wie das funktioniert.

Super, dass es sowas gibt. Ich bin ein richtiger Fan von solchen Erklärvideos. Für so gut wie jedes Problem gibt es eine ausführliche Anleitung: Autoschlüssel kaputt? Keine Sorge: Schau dir an, wie du ihn auseinandernimmst, reparierst und wieder zusammenbaust. Der Pizzateig will nicht so recht gelingen? Das passende Tutorial mit hilfreichen Tipps ist nur einen Mausklick entfernt. Für alles Mögliche wird man da fündig. Das hat mich schon oft gerettet.

Es ist großartig, dass Menschen ihr spezielles Wissen und ihre Talente teilen. Dass sie ihr Können nicht horten, sondern dass sie sich denken: Das könnte auch anderen helfen. Dass sie sich Zeit nehmen und erklären. Jesus hat ja auch schon gesagt, dass man seine Talente nicht vergraben soll. Nein! Man soll mit ihnen wuchern und sie vermehren.

Deshalb ist das für mich eine Form von Solidarität und sogar Nächstenliebe, wenn jemand sein Wissen oder sein Lieblingsrezept mit der ganzen Welt teilt. Es ist ein Schritt darauf hin, dass das Leben der anderen ein kleines Bisschen leichter wird und dass Probleme gelöst werden können.

Ich freue mich auch außerhalb des Internets, wenn Menschen teilen, was sie können. Zum Beispiel, wenn der begnadete Saxophonist im Musikverein Kindern ehrenamtlich Unterricht gibt. Woche für Woche mit einer Engelsgeduld. Oder wenn die Ärztin in der Klinik sachlich und liebevoll erklärt, wie ein komplizierter Eingriff abläuft, so dass der Patient es versteht und keine Angst mehr hat. Oder wenn die Nachbarin mit dem grünen Daumen verrät, wie ihre Tomaten so wunderbar wachsen und wie man die Rosen am besten schneidet.

Wissen teilen ist Liebe! Es ist einfach toll, wenn jemand das, was er oder sie gut kann, ganz vielen zeigt und damit anderen richtig viel schenkt.

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SWR4 Abendgedanken

29SEP2022
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15 Kilo Legosteine können die Welt verändern. Rita Ebel kommt aus Hanau in der Nähe von Frankfurt und sie zeigt, dass das geht. Rita Ebel nennt sich „Lego-Oma“, denn sie baut aus den bunten Steinen Rampen für Leute im Rollstuhl. Das sind keine popligen Spielzeugbauten, sondern man kann da wirklich drüber fahren und sie halten stand. Diese Rampen sind vor Geschäften oder Restaurants aufgebaut und Menschen mit Gehbehinderung kommen dort ohne fremde Hilfe rein. Frau Ebel hat mit ihrem Team schon über 80 solcher Rampen gebaut und sie liegen zum Beispiel in Dresden oder in Erlangen. Viele Menschen unterstützen ihr Projekt und schicken ihr Legosteine zu. Weil man für eine Rampe kiloweise Steine braucht, würde es ohne diese Spenden nicht gehen. Die Lego-Oma hat die Bauanleitung in mehrere Sprachen übersetzt, so dass es auf der ganzen Welt immer mehr Lego- Rampen gibt, sogar eine auf Fuerteventura. Das ist ein tolles Beispiel für Inklusion. Denn mit jeder dieser kunterbunten Rampen wird unsere Welt ein Stückchen mehr so, dass alle daran teilhaben können. Egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht.

In der Kirchengemeinde, in der ich arbeite, wollen wir auch mehr auf Inklusion achten. Im Gottesdienst an Weihnachten übersetzt eine Dolmetscherin das, was gesagt wird, in Gebärdensprache.

Oder auf dem Zeltlager war ein Junge mit Down-Syndrom dabei. Er wollte beim Volleyball mitmachen und ich hab erstmal gedacht: „Das geht bestimmt schief.“ Überhaupt nicht, es war ein tolles Spiel. Wo es nötig war, haben die Kinder die Regeln ein bisschen verändert. Und der Junge hatte mit dem Ball einen Aufschlag mit richtig Karacho drauf. Alle haben mit den Ohren geschlackert.

Es ist schön, wenn es mit der Inklusion klappt. Und für mich hat das auch was mit Gott zu tun. Ich glaube, dass Gott jeden Menschen liebt, so unterschiedlich wir auch sind. Wir Menschen sind alle anders. Wir mögen verschiedene Dinge und haben bestimmte Talente. Manches fällt uns leichter, bei anderem haben wir Schwierigkeiten. Für Gott sind alle wertvoll. Das wird mir immer dann klar, wenn sich jemand wie Rita Ebel dafür einsetzt, dass alle unkompliziert zusammenleben können.

Deshalb finde ich die Rampen aus Lego so toll. Sie fallen im Stadtbild auf und machen sensibler dafür, dass Menschen ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben. Und natürlich bauen sie ganz konkret Barrieren ab und machen die Welt besser und bunter.

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SWR4 Abendgedanken

28SEP2022
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Einmal im Jahr mach ich Urlaub mit Gott. Also wahrscheinlich ist „Urlaub“ nicht das richtige Wort, aber Gott ist dabei, wenn ich für ein paar Tage ins Kloster gehe. Das tut mir gut. Ich entspanne, denke viel nach und genieße die Stille. Und es ist für meinen Glauben wichtig, denn ich habe Zeit für Gott. Wenn ich zusammen mit den Mönchen in der Kirche bin, bete ich länger und intensiver als sonst. Dann merke ich richtig, dass Gott nah bei mir ist.

Leider diese Tage sind immer schnell vorbei und dann kommt der Alltag wieder. Ich sitze in der Lehrerkonferenz, hechte durch den Wocheneinkauf und richte das Kindergartenvesper für meine Tochter. Ich frage mich: Wo bleibt Gott da?

Ich hab lange versucht, mir jeden Tag eine halbe Stunde für Gott zu reservieren. Mal vor dem Frühstück, mal in der Mittagspause oder abends. Irgendwie hat nichts gepasst. Ich war entweder zu gestresst oder zu müde. Ich hab dann was Anderes gefunden, um im Alltag den Kontakt zu Gott zu halten. Es sind lauter kleine Rituale, die mich alle paar Stunden an Gott erinnern.

Bevor ich morgens aufstehe, mache ich das Kreuzzeichen und bitte Gott, dass ich heute offen für ihn bin. Schließlich ist er bei allem dabei, was ich mache. Zu Hause sprechen wir vor dem Mittagessen ein kurzes Tischgebet. Da machen wir uns bewusst, dass es uns gut geht und dass wir froh sind, was Leckeres auf dem Tisch zu haben.

Wenn ich Gott für jemanden bitte, der es gerade schwer hat, zünde ich eine Kerze an. Oder ich spreche ein kurzes Stoßgebet, bevor ein schwieriges Gespräch ansteht.

Und schließlich prägen meine Rituale auch das Ende des Tages: Vor dem Schlafen gehen segnen wir uns in der Familie gegenseitig und machen uns ein kleines Kreuz auf die Stirn. Und so wie ich morgens mit dem Gedanken an Gott aufstehe, geh ich auch ins Bett.

Ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn wir vor lauter Hunger mal das Tischgebet verschwitzen oder ich einfach so einschlafe. Ich bin froh, dass ich meine kleinen Rituale gefunden habe, denn sie passen gut in meinen Alltag. Und Gott hat so jeden Tag Platz in meinem Leben. Die Rituale erinnern mich daran: Gott ist da.

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SWR4 Abendgedanken

27SEP2022
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Die Wahrheit hat Kraft. Sie kann sogar Wände zum Einreißen bringen. Das ist ein Gedanke der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann. Ich habe ihn an einer Kirche gelesen. Da war ein Bild aufgehängt, auf dem Risse in einer Fassade abgebildet waren. Und daneben die poetischen Worte der Schriftstellerin: „Und doch treibt, was wahr ist, Sprünge in die Wand.“

Ich weiß nicht, warum das jemand aufgehängt hat. Ich musste dabei auf jeden Fall an die Fälle von sexuellem Missbrauch in der Kirche denken. Da bröckelt schon lange die Fassade und es sind ordentlich Risse drin. Es ist schrecklich, dass lange Zeit vertuscht wurde, nur um die Institution zu schützen. Und es ist bitter, dass man Menschen nicht zugehört hat, denen so viel Gewalt angetan wurde. Mit jedem Gutachten der Kirchen kommt die Wahrheit hoffentlich mehr und mehr ans Licht.

So entstehen Risse in der Wand oder eben Sprünge. Und das ist gut so. Denn das heile Bild von Kirche gibt es nicht mehr. Viel zu lange hat es einen heiligen Schein gegeben, hinter dem gelogen und vertuscht wurde. Die Betroffenen wurden mit ihrem Schmerz oft allein gelassen. Und deshalb haben viele Menschen kein Vertrauen mehr, wenden sich ab und treten aus der Kirche aus.

Ich habe engagierte Kolleginnen und Kollegen, die sich dafür einsetzen, dass Betroffenen endlich zugehört wird und sie die Hilfen bekommen, die sie brauchen. Die sich um eine Kirche bemühen, die ein sicherer Ort ist und sich für die Täter und Täterinnen verantwortlich fühlt. Dass sie für Veränderung und Gerechtigkeit kämpfen, motiviert mich. Und diese Bemühungen sind ein erster wichtiger Schritt. Doch das reicht noch nicht aus. Die Kirche kann das nicht aus eigener Kraft aufarbeiten, sondern braucht Hilfe und Druck von außen.

Ich muss wieder an den Satz von Ingeborg Bachmann denken: „Und doch treibt, was wahr ist, Sprünge in die Wand.“ Ich hoffe, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Und dass die Sprünge, die dabei entstehen, auch eine Chance für Veränderung sind. Jesus war nicht den Starken und Mächtigen nahe, sondern den Verletzten und Schwachen. Sie müssen im Mittelpunkt stehen. Denn es reicht nicht, die Risse in der Kirche kosmetisch zu zu spachteln. Es reicht nicht, wenn Bischöfe betroffen reden und doch alles beim Alten bleibt. Wir müssen in der Kirche grundlegend anders mit Macht, Verantwortung und Sexualität umgehen. Für mich ist das ein Hoffnungssatz geworden: „Und doch treibt, was wahr ist, Sprünge in die Wand.“

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SWR4 Abendgedanken

26SEP2022
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Jetzt gleich, wenn diese Abendgedanken vorbei sind, kommen wie immer Nachrichten: Klimakrise, Inflation, Krieg. Richtig schwer fühlt sich das an. Alles scheint schlimm und im Katastrophenmodus zu sein. Und ich fühle mich hilflos.

 

Gut, dass ich eine App für mein Smartphone gefunden habe, die mir mit den schlechten Nachrichten hilft. Sie heißt „Good News“ – auf Deutsch: „Gute Nachrichten“. Die App schickt mir jeden Abend eine Handvoll gute Nachrichten aufs Handy: Zum Beispiel, dass in Indien heute viel mehr Menschen Zugang zu einer Wasserleitung haben als noch vor wenigen Jahren. Dass Aktivistinnen in Kabul eine Bibliothek für Frauen eröffnet haben oder dass sich die Korallen vor der australischen Küste erholen.

Das sind alles Schlagzeilen, die es oft nicht in die 19 Uhr Nachrichten schaffen oder die ich in der Zeitung überlese. Psychologen können erklären, warum das so ist. Unser Gehirn reagiert auf schlechte Nachrichten stärker als auf gute. Das hat sich über viele Jahrtausende so entwickelt. Und das war in früheren Zeiten ja auch sinnvoll, um zu überleben: Die Nachricht, dass ein gefährliches Tier vor der Höhle sitzt, war damals wichtiger , als die Information, dass es gerade einen schönen Sonnenuntergang gibt. Das hat sich tief in uns Menschen eingeprägt und die schlechten Informationen bleiben eher hängen als die guten. Heute ist das problematisch: Weil wir alle halbe Stunde Nachrichten hören können, ist unser Hirn dauernd gefordert, wenn es ständig mit was Neuem Dramatischen konfrontiert ist.

Und deshalb helfen mir die „Good News“. Natürlich ist die App kein Ersatz dafür, dass ich Zeitung lese oder Nachrichten höre. Ich bin froh, dass es gute Journalistinnen gibt, die recherchieren, die vor Ort sind und auch dann berichten, wenn die Lage kritisch ist. Doch die „Good News“ schaffen bei mir einen kleinen Ausgleich und machen deutlich, dass auch diese guten Nachrichten wichtig sind.

So schaue ich positiver auf die Welt und auf mein Leben. Denn auch dort fallen mir schlechte Dinge stärker auf als gute. Aber auch in meinem nahen Umfeld gibt es ja vieles, was gut und schön ist. Wie es meinen Kindern gefallen hat, dieses Jahr das erste Mal im Meer zu schwimmen. Wenn mir beruflich was gelungen ist. Oder wie lecker ein Teller dampfende Kürbissuppe schmeckt.

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SWR4 Abendgedanken

18FEB2022
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Erfolgreich einkaufen? Alles eine Frage der richtigen Vorbereitung. Und ich bin da ein echter Stratege. Ich gehe immer in denselben Supermarkt und kenne mich dort aus: Kaffee gibt’s direkt am Eingang, dann Äpfel, gegenüber Olivenöl und so weiter. Und in genau dieser Reihenfolge schreibe ich die Sachen auf meinen Einkaufszettel. Zielstrebig fülle ich den Wagen und muss nicht unnötig im Laden hin und her laufen.

Ganz anders fühlt sich Einkaufen an, wenn ich im Urlaub bin. Da genieße ich meinen Besuch im Supermarkt richtig. Lasse mir Zeit und schaue mich um. Ich habe ja auch keine Ahnung, in welchem Gang die Sachen sind. Und so schlendere ich gemütlich durch die Regale und lasse mich überraschen. Und dabei entdecke ich neue und meistens leckere Sachen: Beim letzten Urlaub zum Beispiel eine neue Schokocreme fürs Frühstücksbrot oder eine ausgefallene Gewürzmischung.

Was ich nach einem solchen gemütlichen Einkauf im Wagen habe, ist abwechslungsreicher als beim möglichst effektiven Wocheneinkauf. Wenn ich mir mehr Zeit nehme und Dinge mal anders mache als sonst, kann ich tolle Sachen entdecken. Und das funktioniert nicht nur beim Einkaufen: Wenn ich mich bei der Arbeit nicht immer mit derselben Kollegin unterhalte, sondern den Kollegen anspreche, mit dem ich sonst nicht so viel zu tun habe. Das kann ein richtig gutes Gespräch geben. Oder wenn ich auf einer Strecke, die ich sonst immer mit dem Auto fahre, mal zu Fuß unterwegs bin. Dann sehe ich endlich diesen einen schönen Garten oder entdecke einen witzigen Aufkleber an einer Straßenlaterne.

So eine Offenheit tut mir auch in meinem Glaubensleben gut. Wenn ich im Gottesdienst mal wieder genau hinhöre, was gesungen oder gebetet wird. Oder bei einer Bibelstelle, die ich eigentlich gut kenne, darauf achte, was da steht.

Das Leben birgt so viel Schönes und Interessantes. Doch wenn ich im Stress bin oder alles möglichst effektiv machen will, laufe ich wie mit Scheuklappen durch die Gegend. Und sehe gar nicht wirklich, wer oder was mir begegnet.

Damit mir das besser gelingt, kann ich auch bei ganz alltäglichen Dingen in den Urlaubs-Einkaufs-Modus schalten. Gleich morgen früh probiere ich’s aus. Mit einer unsortierten Einkaufsliste. Dann bin ich ganz bewusst ohne Strategie unterwegs und mit offenen Augen.

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SWR4 Abendgedanken

17FEB2022
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Meine Tochter verkündet: „Ich will noch mehr Warzen auf der Nase haben!“. Es geht um ihre neue Hexenmaske. In meiner Familie haben wir alle so eine. Meine Tochter ist fünf Jahre alt und will jetzt auch ihr eigenes Kostüm, mit Maske. Und so sitzen wir am Basteltisch und bauen aus Drahtgestell und Pappmache ein kleines Hexengesicht.

Heute in einer Woche ist schmutziger Donnerstag. Und Fastnacht ist nicht nur bei uns in der Familie eine große Sache, sie hat auch einen festen Platz im kirchlichen Kalender. Denn sie kommt im Kirchenjahr vor der Fastenzeit. Schon im Mittelalter ist der Brauch entstanden, dass man es vor dem Verzicht nochmal so richtig krachen lässt.

Deshalb geht es an Fastnacht verrückt zu. Das hat auch meine Tochter verstanden, wenn sie als Hexe unterwegs sein will. Mit gruseliger Visage und bucklig durch die Straßen ziehen. Was sonst gar nicht so reinpasst, soll an Fastnacht erst recht sein. Und meine Tochter darf mal die Böse spielen und anderen einen kleinen Schreck einjagen. Das macht ihr riesigen Spaß.

Wir feiern an Fastnacht das pralle Leben: Fanfarenzüge ziehen durch die Straßen, man ernährt sich eine Woche lang von Süßkram und Bratwurst und die Menschen lachen und tanzen. Und auch das gehört zur christlichen Botschaft: Dass das Leben ein Geschenk ist und dass es oft schön ist. Dass man sich aneinander freuen darf und dass es einfach gut tut, miteinander zu feiern und beieinander zu sein. Und das gilt im dritten Jahr der Pandemie ganz besonders. Wieder gibt es wegen Corona nicht die gewohnte Straßenfastnacht und keine rauschenden Partys. Aber es ist großartig, wie kreativ die Narren sind und was sie sich alles einfallen lassen, damit trotzdem Stimmung aufkommt. Da werden Christbäume zu Narrenbäumen umfunktioniert und es gibt wieder närrische Videos im Internet. In meinem Ort bringt die Narrenzunft sogar Pakete mit Luftschlangen und Konfetti in die Kindergärten. Dann haben es die Kinder dort auch lustig und bunt.

Es kommt die Zeit, in der die Fastnacht wieder so gefeiert werden kann wie früher. Ganz bestimmt. Und bis dahin gibt’s Fastnacht im kleinen Kreis: in der Familie, in der Schulklasse oder mit den Nachbarn im Garten. Meine Tochter jedenfalls freut sich über jede einzelne Warze auf ihrem Hexengesicht. Recht hat sie. Denn das Leben lässt sich auch im Kleinen feiern.

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SWR4 Abendgedanken

16FEB2022
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An Weihnachten war ich mit meinen Gedanken bei der Krippe in Bethlehem und weit draußen im Weltall. Denn am 25.12. wurde das James-Webb-Weltraumteleskop ins All geschossen. Ich hab das Ganze gespannt verfolgt. Das Teleskop war lange unterwegs und ist inzwischen an seinem Ziel angekommen. Es ist jetzt etwa viermal so weit von der Erde entfernt wie die Erde vom Mond. Bevor das Teleskop erste Bilder senden kann, muss es noch abkühlen. Doch dann hoffen Astronomen auf der ganzen Welt, dass sie so weit ins Universum blicken können wie noch nie zuvor. Sie wollen Verborgenes hinter Staubwolken entdecken, wollen herausfinden, aus was die Atmosphäre fremder Planeten besteht und sogar das Licht der ersten Sterne sehen.

Man konnte man die Mission immer wieder live übers Internet verfolgen. Ich hab das gemacht, vor allem am 25. Dezember. Da war die Anspannung der ganzen Raumfahrtcrew riesig. Und als das Teleskop dann erfolgreich gestartet ist, waren alle einfach glücklich.

Das Leuchten der Sterne und das begeisterte Leuchten in den Augen der Crewmitglieder: Beides erinnert mich an Gott. Denn ich glaube, dass Gott der Ursprung von allem ist. Dass er den Anstoß dafür gegeben hat, dass die Galaxien und Himmelskörper entstanden sind. Den Anstoß dafür, dass es überhaupt Leben gibt. Das James-Webb-Weltraumteleskop zeigt, wie unglaublich riesig und faszinierend unser Universum ist. Das sind so große Entfernungen und Zeiträume, dass ich mir das alles gar nicht vorstellen kann.

Ich finde das faszinierend und ich bin überzeugt, dass Gott den Menschen den Verstand gegeben hat. Kluge Köpfe auf der ganzen Welt haben so unglaublich filigrane und komplexe Technik entwickelt. Und mit diesem brillanten Instrument können wir Milliarden von Jahren in die Vergangenheit schauen. Das ist genial. Ich glaube auch, dass Gott die Menschen neugierig geschaffen hat und daraus dieser enorme Forschergeist entsteht. Ein Forschergeist, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über Kontinente hinweg verbindet, so wie beim neuen Weltraumteleskop.

Wenn ich mir das bewusst vor Augen halte, macht mir das Mut. Dann bin ich zuversichtlich, dass wir Menschen auch andere riesige Herausforderungen angehen können, wie den Klimawandel zum Beispiel. Und zwar mit dem, was Gott uns gegeben hat. Wenn die ganze Menschheit ihren Verstand und ihre Neugierde einsetzt. Wenn wir forschen, uns zusammentun und etwas wagen.

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SWR4 Abendgedanken

15FEB2022
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Ich hab noch tausend Wackelaugen auf Vorrat. Wackelaugen – das sind diese kleinen schwarz-weißen Plastik-Dinger, bei denen man die Folie auf der Rückseite abzieht und dann kann man sie irgendwohin kleben. Ich hab klitzekleine Augen und solche, die so groß sind wie eine Geldmünze. Und ich hab immer welche in der Jackentasche dabei. Wenn gerade niemand schaut, klebe ich die Augen an die verschiedensten Stellen. Auf die Ü-Pünktchen bei einem Büro-Schild, auf eine Banane im Obstkorb oder einen Jogurt im Kühlschrank. Ich mach das zu Hause oder bei der Arbeit. Dann entstehen kleine Gesichter, zum Beispiel, wenn ich zwei Augen über ein Schlüsselloch klebe, oder an einen Lichtschalter. Ich bin dann gespannt, wie lange die Augen da bleiben bis sie jemand wieder abmacht. Und ich freue mich immer dabei zu sein, wenn sie jemand entdeckt: Die meisten schauen zuerst total irritiert, wenn sie sehen, dass da etwas Augen hat. Aber dann müssen eigentlich alle lachen. Und ich auch.

Ich hab mit diesem Schabernack angefangen, weil nach bald zwei Jahren Pandemie vieles immer noch ernst ist und es manchmal wenig Anlass gibt, dass Leute sich an was freuen. Natürlich herrscht auch bei mir schon lange nicht mehr der absolute Ausnahmezustand, wie in den ersten Wochen von Corona. Aber trotzdem finde ich die Gesamtsituation oft ganz schön belastend.

Das geht mit den Wackelaugen natürlich nicht weg. Aber mich bringt mein ganz eigener Blödsinn auf andere Gedanken und zum Lachen. Und das finde ich wichtig. Ich glaube, dass gerade in diesen Zeiten jeder so etwas braucht. Dinge, die einfach guttun und auf die man sich freut. Das kann auch ein Spaziergang mit der besten Freundin sein. Oder ein neues Hobby. Ein Kollege hat sich mit Erklär-Videos im Internet handwerklich weitergebildet und zeigt mir begeistert seine selbst renovierte Küche. Und ein Freund hat sich im Sommer eine Kamera gekauft und dreht jetzt wunderbar kitschige Videos von Sonnenuntergängen am See. Das sind alles keine weltbewegenden Sachen. Aber es sind Kleinigkeiten, die Freude machen und die irgendwie wichtig geworden sind.

Und weil ich das mit den Wackelaugen so herrlich witzig und blödsinnig finde, hab ich meinen Kolleginnen im Büro eine ganze Handvoll Augen aus meinem Vorrat abgegeben. Die kleben sie jetzt auch irgendwohin. Denn mit so ein paar Wackelaugen kann man richtig viel Lächeln in die Welt zaubern.

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SWR4 Abendgedanken

14FEB2022
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110 Millionen Rosen sollen heute weltweit verschenkt werden. Das passt, heute ist ja Valentinstag. wer der heilige Valentin genau war, kann man gar nicht sicher sagen. Wahrscheinlich war er ein Priester oder Bischof und hat im dritten Jahrhundert in Rom gelebt. Viele Paare und Ratsuchende haben sich wohl an Valentin gewandt. So ist er im Laufe der Zeit zum Schutzheiligen der Liebenden geworden.

Am Valentinstag denke ich erstmal an verliebte Pärchen, die sich Blumen oder Pralinen schenken und sich bei einem romantischen Abendessen ihre Liebe schwören. Ein bisschen kitschig, aber das ist das, was ich im Fernsehen und in der Werbung so sehe. Und ich denke auch noch an eine ganz bestimmte Liebesgeschichte und die ist aus dem wahren Leben. Es ist die Geschichte eines Mannes, den ich letztes Jahr beerdigt habe. Seine Frau ist ein paar Jahre vor ihm gestorben und er ist nach ihrem Tod täglich auf den Friedhof gegangen und hat ihr Grab besucht. Fünf Jahre lang hat er keinen Tag ausgelassen. Auch wenn sich der Schmerz und das Vermissen im Laufe der Zeit verändert haben, war ihm das immer ganz wichtig. Und jedes Jahr am 14. Februar hatte er Blumen dabei.

Was für eine lebendige Liebesgeschichte. Sie zeigt mir so viel: Nämlich welche große Kraft Liebe hat. Dass sie Menschen auch über den Tod hinaus verbinden kann. Und dass sie vielschichtiger und mehr ist als Herzchen und Hollywood-Klischees. Natürlich ist es wunderschön, wenn man verliebt ist. Und wie glücklich kann man sich schätzen, wenn man jemanden liebt und auch zurückgeliebt wird. Aber mit Liebe hängt noch viel mehr zusammen.

Und das alles gehört für mich heute zum Valentinstag dazu, denn der Tag ist für alle Liebenden da: Auch für die Menschen, die gerade in einer schwierigen Beziehung stecken und unter ihrer Liebe leiden. Für alle, die früher voller Liebe waren, aber deren Partnerschaft zerbrochen ist und die gerade keine Liebe mehr in sich spüren. Auch für die, die unglücklich verliebt sind oder sich danach sehnen, endlich jemanden zu finden, dem sie ihre Zuneigung schenken können. Und ich denke auch an alle, die um einen geliebten Menschen trauern und vielleicht heute Rosen auf den Friedhof gebracht haben.

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