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SWR4 Abendgedanken

16APR2024
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Vor gut 20 Jahren wurde ein neuer Film über das Leben Martin Luthers gedreht. Er wurde zuerst in den Kinos gezeigt. Dort kam es bei den Premieren zu ganz außergewöhnlichen Situationen. Als die Vorführung zu Ende war, standen Kinobesucher auf und klatschten. Auf Nachfrage erklärten sie, es habe sie bewegt, dass da einer zu seiner Überzeugung steht. Auch durch hohen Druck von oben ließ er sich nicht beirren. Er beharrte auf den Überzeugungen, die er in intensiven Forschungen und Bemühungen gewonnen hatte. Der Reichstag in Worms 1521 hatte ja den einzigen Sinn, Martin Luther zum Widerruf seiner veröffentlichten Schriften zu zwingen, unter Androhung härtester, sein Leben bedrohender Strafen. Aber er beendete seine Antwort wohl mit dem berühmt gewordenen Satz: Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.

Das hat Menschen 500 Jahre später angesprochen und bewegt.
Da knickt jemand vor der Obrigkeit nicht ein. Da lässt er sich nicht einschüchtern, wenn er etwas als wahr und richtig erkannt hat. Da hat jemand den Mut, aufzustehen und stehenzubleiben.

Ich gestehe, dass mich das auch berührt. Vielleicht auch deswegen, weil ich eher feige bin. Ich hätte sicher eher Angst vor den Konsequenzen und würde klein beigeben. Umso mehr überzeugt es mich, wenn jemand sagt, was er für richtig hält. Und unter allen Umständen dazu steht, nicht nachgibt, wenn Menschen mit Macht Strafe androhen. Vielleicht haben viele von denen, die in den Kinos waren und nach dem Film geklatscht haben, die gleiche Angst wie ich. Vielleicht trauen sie sich auch nicht, zu ihren Überzeugungen zu stehen, wenn das unangenehm werden könnte. Und haben den bewundert, der es getan hat.

Martin Luther hat seine abschließende Antwort auf dem Reichstag in Worms übrigens mit dem Zusatz beendet: So wahr mir Gott helfe. Es war nicht sein Mut, der ihn zu seinem Verhalten geführt hat. Sondern es war sein Gottvertrauen, das ihn standhaft bleiben ließ. Davon möchte ich in allen Situationen, in denen ich feige und unsicher bin, obwohl ich eine Überzeugung und einen Glauben habe, gerne lernen.

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SWR4 Abendgedanken

15APR2024
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Woran sparen Sie, wenn es finanziell eng wird? Worauf verzichten Sie, wenn Sie nicht mehr genug Geld haben, um sich alles wie gewohnt leisten zu können? Sicher machen es viele wie ich. Die Entscheidung fällt zwischen dem, was sein muss und dem Luxus. Dann geht es im Urlaub doch nicht in ein Hotel oder eine Ferienwohnung, sondern wir zelten.  Wir gehen doch nicht ins Restaurant, sondern kaufen ein und kochen selbst. Die geplante Anschaffung von neuen Möbeln wird noch einmal um ein paar Monate aufgeschoben.

Als das Bundesverfassungsgericht kürzlich eine Finanzplanung der Regierung ablehnte, musste plötzlich gespart werden. Nicht alles, was geplant war, durfte nun umgesetzt werden.

Mich persönlich hat es sehr verunsichert, als Vorschläge kamen, im sozialen Bereich zu sparen, also bei den Zuwendungen für die Ärmsten in der Gesellschaft.

Warum eigentlich? Ist es Luxus, sich um sie zu kümmern? Macht eine Gesellschaft das nur, wenn sie es sich leisten kann?

Der heutige 15. April ist der Gedenktag von Karoline Fliedner. Ich freue mich, dass an sie erinnert wird. Sie stammte aus einer wohlhabenden Hamburger Bürgerfamilie und gehörte zur Oberschicht der Stadt. Aber ich beruflicher Weg führte sie in die Diakonie. Ihr Leben wurde vor allem ein Dienst für kranke und benachteiligte Menschen. Sie war Oberaufseherin im Hamburger Krankenhaus St. Georg. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann Theodor Fliedner kennen.

Später wirkte sie für insgesamt 40 Jahre verantwortlich in der Diakonissenanstalt Kaiserswerth bei Düsseldorf.

Wenn ich heute an sie erinnere, dann bedeutet es für mich, auch daran zu denken, was für eine Gesellschaft wichtig ist. Nicht nur das Wirtschaftswachstum für wichtig zu halten oder steigende Börsenkurse. Sondern dass an die gedacht wird, die benachteiligt sind, die immer zu wenig Geld haben und verzichten müssen, die krank sind und am Leben nur sehr eingeschränkt teilnehmen können.

Wer weiß, vielleicht gerate ich ja selbst einmal in die Lage, dass andere an mich denken und mir helfen, wen ich es selbst nicht mehr kann.

Es ist gut zu wissen, dass es Menschen wie Karoline Fliedner gab. Und dass es auch heute Menschen gibt, die an andere denken und für sie da sind. Ich meine, dass das einer Gesellschaft guttut und dass an solchen Investitionen nicht zuerst gespart werden sollte.

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SWR4 Abendgedanken

21MRZ2023
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Wenn es irgend geht, möchte ich nicht leiden. Ich möchte gern vor Schmerzen bewahrt werden. Ich möchte nicht geschlagen oder gefoltert werden. Gott sei Dank geht es mir in der Hinsicht gut. Wenn ich im Fernsehen Bilder von leidenden Menschen sehe, dann tun sie mir so leid. Ich wünschte keiner müsste solche Schmerzen ertragen, unabhängig davon, welche Nationalität er oder sie hat, wie alt er ist, oder woran sie glaubt. Wenn es nach mir ginge, müsste keiner solche Schmerzen haben.

In der Passionszeit – das heißt übersetzt: Leidenszeit - geht es um Jesus Christus.  Von seinem Leiden und Sterben hören und lesen Menschen in christlichen Kirchen in diesen Wochen. In der Bibel wird erzählt, wie Jesus gefangen genommen wird, wie man ihn schlägt, auspeitscht, foltert. Und am Ende stirbt er den grausamen Tod am Kreuz.

Die Menschen haben darauf ganz unterschiedlich reagiert. Die einen haben gesehen, wie er leidet und es hat ihnen leidgetan. Jesus war ihnen wichtig, er war ihr Freund und darum wollten sie nicht, dass er leiden muss. Petrus vor allem war so einer. Der hat das laut und deutlich gesagt: Du sollst nicht leiden. Und als Jesus gefangen genommen wurde, hat er ein Schwert genommen und einen Soldaten angegriffen. Es war ihm also ernst damit, dass Jesus nicht leiden soll. Aber das mit dem Schwert hat Jesus ihm sofort ausgeredet. Und das mit dem Versprechen hat nicht wirklich geklappt.

Immer wollte Petrus sich zu Jesus bekennen, für ihn einstehen.
„Und wenn ich mit dir sterben müsste, ich werde niemals abstreiten, dich zu kennen und zu dir zu gehören.“ So hat er gesagt. Aber als Jesus verhaftet worden war, bekam er es doch mit der Angst zu tun und hat mehrmals abgestritten, zu Jesus zu gehören.

Es wäre leicht, ihn dafür zu kritisieren. Hätte er mal den Mund nicht so voll genommen.

Ich bin dankbar dafür, dass Petrus das Beste für Jesus wollte, obwohl er gescheitert ist. So fühle ich mich ihm ganz schön nah. Es tut mir gut, zu hören, dass er Angst hatte und schwächer war, als er von sich dachte. So erlebe ich mich ja auch. Ich habe gute Vorsätze, ich möchte gerne vertrauen und treu sein. Aber ich scheitere immer wieder. Wie Petrus. Nach Ostern verzeiht Jesus ihm und schenkt ihm große Verantwortung. Ob mein Leben gelingt und gut wird, hängt nicht an mir und meiner Kraft, sondern daran, dass Jesus mir vertraut und mir verzeiht.

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SWR4 Abendgedanken

20MRZ2023
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Heute hat offiziell der Frühling begonnen. Bei mir löst das sehr angenehme Gefühle aus. Ich freue mich darüber, dass die Tage länger hell bleiben und die Sonne häufiger scheint. Wenn ich von unserem Balkon in den Garten schaue, sehe ich die Schneeglöckchen. Narzissen und Tulpen stehen in den Startlöchern und die Vögel zwitschern. Die Natur erwacht in diesen Wochen aus dem Winterschlaf.

Für viele Menschen beginnt auch die Garten- und Balkonzeit.
Wer einen grünen Daumen hat, wird schon darauf hinfiebern, Gemüse und Obst anzupflanzen. Und wer im Sommer die Früchte seiner Arbeit erntet, freut sich am selbst gebackenen Kuchen mit Obst aus dem eigenen Garten.

Für mich hat der Frühling einen ganz besonderen Wert, er lockt mich wieder, nach draußen an die frische Luft zu gehen. Was ich dort sehe, ist bunter. Ich freue mich über wärmere Temperaturen und dass die Vögel lauter zu hören sind. Es kommt mir vor, als ob das Leben neu erwacht.

Ich weiß, dass es so ungetrübt und schön nicht mehr ist. Der von uns Menschen verursachte Klimawandel verändert das Wetter stark und die gewohnten Abläufe verschieben sich. Das bereitet sicher nicht nur mir große Sorgen. Auch, weil es überwiegend Menschen im globalen Norden sind, die dafür große Verantwortung tragen.

In einem Internet-Lexikon habe ich gelesen, dass in Europa der Frühling im Südwesten Portugals Ende Februar beginnt. Er zieht weiter nach Nordosten, wo er etwa am 20. April Baden-Württemberg erreicht. Danach zieht er im flachen Lande zügig weiter bis nach Skandinavien, das er Ende Mai erreicht. Er benötigt etwa 90 Tage für die Strecke von etwa 3600 Kilometern. Vom Süden nach Norden.

Wie schön ist das von Gott, dem Schöpfer eingerichtet. Ich schaue mit Freude und Erwartung in den Süden, ich freue mich über die Sonne, über bunte Farben und das Leben, die von dort hierherkommen. Diese Erkenntnis könnte bescheiden machen. Ich möchte dankbarer dafür werden. Und gerne mehr Verantwortung übernehmen, liebevoller mit der Schöpfung Gottes umzugehen. Er hat sie so gut gemacht. Ich finde, es lohnt sich, sie zu bewahren und sie zu genießen. Davon haben dann auch unsere Kinder und Enkel etwas. Ich freue mich darüber, dass nun (endlich) Frühling ist.

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SWR4 Abendgedanken

18OKT2022
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Vier Jahre ist es her, da sprach Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann von einer ernsthaften Bedrohung unserer Innenstädte: Horden junger ausländischer Männer. Die Botschaft kam an und wurde unterstützt oder heftig kritisiert. Aber sie hat Spuren hinterlassen. Ich denke und sehe Menschen mit mehr Vorurteilen.

Leicht fallen mir Beobachtungen auf, die diese Vorurteile unterstützen. Dann braucht es andere, also gute Erfahrungen, die das wieder aufwiegen und in ein besseres Licht stellen.

Ich saß am Bahnsteig und wartete auf den Zug, der mich wieder nachhause bringen sollte. Ich saß auf einer Bank und las in meinem Buch. Mein Lesezeichen war ein kleines Briefchen meiner Tochter, eine persönliche Geburtstagswidmung. Schon ein paar Jahre alt und leicht eingerissen. Aber für mich mit großer Bedeutung. Ein kleiner Moment Unachtsamkeit, da wehte der Wind das Briefchen weg, es landete im Gleisbett. Ich ging sofort hinterher und sah es zwischen den Schienen liegen. Aber das war mir zu tief – so sportlich, dann schnell wieder hochzukommen, bin ich nicht. Verboten ist es ja ohnehin.

Da verabschiedete ich mich innerlich schweren Herzens von diesem kleinen Zettel.

Am anderen Bahnsteig gegenüber saß eine Horde junger ausländischer Männer. Sie redeten und lachten miteinander. Aber einer von ihnen hatte mein Missgeschick sehr genau wahrgenommen. Auch, dass ich wieder vom Bahnsteig zurück zur Sitzbank gegangen war, den Zettel also aufgegeben hatte.

Plötzlich stand er auf, sprang runter in das Gleisbett, ging zu dem Zettel, der da immer noch lag, sprang auf meiner Seite wieder hoch, kam zu mir und gab mir mit einem Lächeln im Gesicht den Zettel.

Ich konnte nur von Herzen ‚Danke‘ sagen, da war er schon wieder weg auf dem Weg zu seinen Freunden.

Ich habe mich so gefreut, dass ich diese persönliche Erinnerung wiederhatte und immer noch habe. Jetzt ist es auch ein kleines, aber wichtiges Zeichen gegen meine Vorurteile.

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SWR4 Abendgedanken

17OKT2022
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Olaf Scholz, Wladimir Putin, Emmanuel Macron, Volodymyr Selenski, Queen Elizabeth, Joe Biden, Ursula von der Leyen. Sie kennen alle diese Namen. Es sind wichtige Menschen in der Politik dieser Zeit. Wichtige Menschen haben Namen, die wir kennen. Zum Beispiel aus der Politik, aber auch sehr reiche Menschen, Künstler, Sportler. Namen, die in der Öffentlichkeit auftauchen und bekannt sind.

Andere Namen kennen wir nicht. Namen von armen Menschen. Von dem Bettler z.B., der am Straßenrand liegt, der einen kleinen Pappkarton beschrieben hat mit ein paar Worten zu seiner Lebens- und Leidensgeschichte, der einen leeren Kaffeebecher dazustellt mit der Bitte, etwas hineinzutun.

Ein Armer ohne Namen. Wir kennen sie als Statistik. Wieviel Prozent an Menschen der Bevölkerung müssen unter der so genannten Armutsgrenze leben? Wir hören in diesen Tagen von 15.000.000 Hungernden im Sudan. Arme Menschen ohne Namen. So ist das in dieser Welt.

Reiche Menschen haben einen Namen. Arme sind Arme ohne Namen. Über sie weiß man nichts anderes zu sagen, als dass sie arm sind. Das setzt sich fort, wenn sie sterben. Der Reiche bekommt viele Anzeigen in der Zeitung, eine große Beerdigung und einen auffälligen Grabstein. Mit Namen. Der Arme wird schlicht beerdigt, ohne Anzeige, und oft genug bekommt er dann ein anonymes Grab. Anonym – ohne Namen, namenlos.

Am heutigen internationalen Tag zur Beseitigung der Armut rücken sie ins Blickfeld. In einer Geschichte von Jesus Christus ändert sich, was auf dieser Erde gilt. Der Arme bekommt einen Namen und der Reiche bleibt namenlos.

Der reiche Mann und der arme Lazarus. In der Bibel wird uns die Geschichte von den Beiden erzählt. Lazarus ist krank und hungrig. Er liegt vor der Tür des Reichen und hofft auf etwas Nahrung, die vom Tisch des Reichen fällt. Ihr Schicksal dreht sich um, nachdem sie gestorben sind. Der Reiche muss nach seinem Tod leiden, Lazarus sitzt getröstet und sicher in Abrahams Schoß.

Bei Jesus Christus haben die, die wichtig waren, keinen Namen. Und es werden die wichtig, die es vorher nicht waren.

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SWR4 Abendgedanken

24SEP2021
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Ich habe immer eine Wahl. Übermorgen ist es so weit. Ein neuer Bundestag wird gewählt. Und damit eine neue Regierung. Unser Land bekommt eine neue Kanzlerin oder einen neuen Kanzler. Nicht umsonst reden viele von einer entscheidenden Wahl. Es wird sich etwas ändern. Mindestens an der Spitze wird es nachher anders sein als vorher. Ob es grundsätzlich eine andere Politik geben wird, das entscheiden wir, die Wählerinnen und Wähler.
Was für ein Privileg.

Gerade war in den Nachrichten zu hören, dass die belarusische Politikerin Maria Kolesnikowa zu 11 Jahren Haft verurteilt wurde. Weil sie freie Wahlen wollte. Und dass fair ausgezählt wird. Mit offenem Ausgang. Doch sie wurde verhaftet. Mich hat das Bild beeindruckt, wie sie da in dem gläsernen Käfig stand. Lächelnd. Und mit ihren Händen formte sie ein Herz.

Schade, dass in unserem Land so viele Menschen nicht wählen. Es ist ein Geschenk, in einer Demokratie leben zu dürfen. Wir haben die Wahl und werden nicht verhaftet. Manchmal sagen enttäuschte Menschen: Mich fragt ja keiner. Doch, jetzt sind sie gefragt. Jeder von uns. Natürlich hat jeder nur eine von 60.000.000 Stimmen. Aber die Summe macht es, dass jede Stimme zählt und wichtig ist.

Das Geschenk, in einer Demokratie leben zu dürfen, führt in die Verantwortung. Gemeinsam sind wir verantwortlich für das Leben in unserem Staat. Deshalb nutze ich mein Wahlrecht.

Auch das Volk Israel hatte einmal die Wahl. Gott selbst hatte sie vor die Entscheidung gestellt: Wollt ihr mir vertrauen oder dem Gott der Nachbarn? Sie haben sich für ihn entschieden. Aber die wichtigere Wahl hat Gott getroffen. Er hat gewählt und sich für die Menschen entschieden. Er hat gesagt: „Für euch trage ich Verantwortung. Damit ihr lebt und eine Zukunft habt.“

Für Beides bin ich dankbar. Für Gottes Wahl und dafür, dass ich wählen kann. Ich habe meinen Stimmzettel schon abgegeben. Ich möchte Verantwortung übernehmen. Und jetzt hoffe ich, dass viele andere es heute auch noch tun.

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SWR4 Abendgedanken

23SEP2021
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Was für eine komische Zeit. Seit anderthalb Jahren leben wir, wie wir uns das nie vorstellen konnten. Fast habe ich mich daran gewöhnt, eine Maske zu tragen, wenn ich anderen Menschen nahe komme. Aber grundsätzlich achte ich lieber auf Abstand. Um kein Risiko einzugehen. Um nicht infiziert zu werden. Um niemanden anzustecken.

In den Gottesdiensten erlebe ich die Einschränkungen sehr deutlich. Es ist ein komisches Bild, wenn ich von der Kanzel in die Gemeinde hineinschaue, wie sie da so isoliert sitzen, jede und jeder für sich, Paare und Familien zusammen. Und alle mit einem Mund-Nase-Schutz. Ein wenig besser ist es geworden, immerhin dürfen wir wieder gemeinsam singen, wenn auch mit Maske. Aber es macht Hoffnung, dass es irgendwann wieder ohne Einschränkungen geht.

Im vergangenen Jahr habe ich nur ganz wenige Taufen gefeiert. Nicht, weil keine Kinder zur Welt gekommen wären. Sondern weil ein so besonderer Gottesdienst nicht möglich war und eine anschließende Familienfeier auch nicht.

Jetzt ist vieles leichter und einfacher. Und es wirkt, als ginge ein Seufzer durch die Reihen: Endlich! Wir wollen, dass unser Kind getauft wird. Wir hätten ja gern schon viel eher darum gebeten, aber es wirkte alles so bedrückend. Jetzt wollen wir aber nicht mehr warten.

Und nun kommen sie, eine Familie nach der anderen. Seit die Sommerferien vorüber sind, vergeht kaum ein Sonntag ohne Taufe. Dankbare und fröhliche Eltern kommen in die Kirche.

Sie freuen sich, dass ihr Kind beschenkt wird mit der Liebe und der Zusage Gottes, da zu sein. Sie haben sich danach gesehnt und fühlten sich gebremst. Jetzt endlich hat die Freude eine Möglichkeit gefunden. Und sie wird genutzt. Wie schön.

Ich freue mich für die Kinder. Ich freue mich mit den Familien. Und ich sehe, wie Gottes Wege mit seinen Menschen weitergehen. Eine Krise kann uns verunsichern. Sie kann uns einschränken und ausbremsenAber sie verhindert die Zukunft nicht. Gott sei Dank!

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SWR4 Abendgedanken

14AUG2020
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Alexander ist ein aufgeweckter Junge.

Begeisterter Fußballspieler und freundlicher Schüler.

Mit seinen 11 Jahren ist er auffällig reif.

Vielleicht liegt das an seinen besonderen Lebensumständen. Seine Eltern sind vom Balkan nach Deutschland gekommen.

Weil der Vater gewalttätig ist, hat sich die Mutter von ihm getrennt. Um ihren Sohn kümmert sie sich vorbildlich.

Die Beiden lieben einander sehr, leben aber in ständiger Angst vor dem Ehemann und Vater.

Und eines Nachts geschieht es.

Er kommt in die Wohnung und tötet seine Ehefrau.

Der Junge hat alles mitbekommen.

Der freundliche Polizist Carlos Benede begleitet ihn in der nächsten Zeit.

Der Junge sagt auf eigenen Wunsch im Prozess gegen seinen Vater aus, der ihm das Liebste im Leben genommen hat. Nie will er ihn wiedersehen.

Aber er hat keinen Menschen mehr, er muss ins Heim. So richtig gut geht es ihm dort nicht.

Eines Tages bittet der Heimleiter den Polizisten, ins Heim zu kommen. Er teilt ihm mit, Alexander habe den Wunsch geäußert, einen Vater zu haben, der so sei wie der Polizist.

Ob er ihn nicht als Pflegesohn aufnehmen wolle.

Der Polizist, unverheiratet und alleinlebend, nimmt den Jungen zu sich und kümmert sich um ihn.

Eines Tages klingelt das Telefon, der Junge geht ran.

Als er aufgelegt hat, spricht der Polizist ihn an:

„Du hast Dich mit meinem Nachnamen ‚Benede‘ gemeldet.“

„Ja“, sagt der Junge, „ich möchte so heißen wie Du.“

„Das geht aber doch nur, wenn ich dich adoptiere.“

„Das will ich“, sagt Alexander. „Du sollst mein Vater sein.“

Jemand, der für mich da ist, der mir zuhört, der mich begleitet.

Schutz und Geborgenheit für das Leben. 

Als die Jünger Jesus fragen, wie sie denn beten können, bringt er ihnen ein Gebet bei. Es ist das bekannteste Gebet auf dieser Erde geworden, Christen in aller Welt beten es: Vater unser.

Es nimmt unsere Sehnsucht auf, dass wir jemanden haben, mit dem wir reden können, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und er hört zu. So, wie Alexander es sich gewünscht und gefunden hat. Jesus Christus zeigt uns den Vater für uns alle.

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SWR4 Abendgedanken

13AUG2020
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Manchmal braucht es ganz unangenehme Erlebnisse, damit wir aufmerksam werden. Zum Beispiel auf Menschen in der Krankenpflege. Sie sind mit dem, was sie tun, immer wichtig. Aber wir merken es kaum. Wir halten ihre Arbeit für selbstverständlich. Aber sie ist es nicht.

Sie ist besonders und sie ist unverzichtbar.

Die weltweite Krise hat uns mit der Pandemie einen Berufszweig ganz neu vor Augen geführt: die Krankenpflege. Plötzlich ist der Dienst wahrgenommen und geschätzt worden. Auf einmal haben Menschen auf Balkonen und Straßen und für sie geklatscht und gesungen.

Sie haben eine Wertschätzung erlebt, die sie so noch nicht erfahren hatten.

Am heutigen 13. August jährt sich der Todestag von Florence Nightingale zum 90. Mal.

Vor mehr als 150 Jahren hat sie erstmals Hygienestandards in der Krankenpflege eingeführt. Sie hat auch für ein allgemeines Gesundheitssystem gekämpft.

Als Kind ist sie in Großbritannien aufgewachsen.

Mit 17 hat Florence Nightingale ein religiöses Erweckungserlebnis gehabt. Sie schreibtin ihr Tagebuch, dass Gott zu ihr gesprochen und sie in seinen Dienst gerufen habe. Sie interessiert sich für Mathematik, liest philosophische Schriften und beschäftigt sich mit dem Gesundheitswesen. Mit Mitte 20 entschließt sie sich endgültig, ihr Leben der Krankenpflege zu widmen.

Sie macht in Kaiserswerth - heute ein Stadtteil von Düsseldorf - einen Schnellkurs in Krankenpflege.

1854 wird sie zum Einsatz in den Krimkrieg entsandt, in den Großbritannien verwickelt ist. Das war ein entscheidender Punkt in ihrem Leben, denn dort habe Florence haarsträubende Zustände gesehen. So hätten Chirurgen nach Operationen nicht ihre Kittel gewechselt. Nightingalehat die katastrophalen Umstände aber als Chance begriffen: Hier konnte sie die Prinzipien umsetzen, an die sie geglaubt hat: Sauberkeit und Hygiene in der Krankenpflege.

Florence hat nichts von Bakterien gewusst. Sie hat gesehen, was funktioniert. Später hat sie die erste Berufsschule für Krankenschwestern am St. Thomas Hospital in London eröffnet.

Sie hat die Grundlage dafür gelegt, wovon viele Menschen heute profitieren.

Dass Menschen gut ausgebildet sind. Und dass sie sich mit ihrem Wissen und ihrem Engagement für andere einsetzen, für die Schwächsten, die Kranken und Sterbenden.

Es ist zu hoffen, dass diese Begeisterung bleibt und sich auch zeigt, in der Wertschätzung, in der Achtung und Fürsorge.

Damit sie auch angemessen bezahlt werden und nicht unangemessen arbeiten müssen.

Das könnte das Gute in der großen Krise sein, dankbar zu sein für die Menschen, die für uns da sind.

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