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SWR4 Abendgedanken BW

Die schönste Freude ist die Vorfreude. Wenn man das Ziel der Vorfreude erreicht hat, dann verliert es oft seinen Reiz, sobald man es verkostet hat. Vorfreude auf Weihnachten gehört zur Adventszeit. Man hat noch Bilder und Eindrücke im Gedächtnis vom letzten Jahr, mit den Schneemassen, mit den Lichtern und mit manchen Begegnungen an den Weihnachtstagen. Und zugleich beginnt wieder die Spannung und die Erwartung, wie es in diesem Jahr werden wird.
Zur Vorfreudegehört auch, dass man sich vornimmt, dieses Mal solle manches anders und auch besser werden als im letzten Jahr. Weniger Hetze, weniger Ereignisse an einem Tag, mehr Ruhe und Zeit für andere und für mich selbst. „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, o Gott." Diese Worte des Kirchenvaters Augustin beschreiben meine Situation. Meine Vorfreude und meine Wünsche sind noch ungeordnet, sie bereiten mir Unruhe und treiben mich um. Sie richten sich nicht nur auf die besonderen Begegnungen an den festlichen Tagen. Ich hoffe auch, dass es mich berührt, was in den biblischen Erzählungen über die Geburt des Kindes in der Krippe im Stall mitgeteilt wird. Da ist von Frieden die Rede, vom Frieden auf Erden und in mir selber - wie sehr brauchen wir den. Von der Nähe Gottes bei den Menschen - die möchte ich spüren gegenüber allen Zweifeln und aller Unsicherheit. Da gibt es ein helles Licht mitten in der Finsternis und einen Stern, der Menschen leitet. Dieses Licht ist mehr als alle hellen Beleuchtungen, in die jetzt alle Straßen getaucht sind. Damit ist Hilfe und Orientierung gemeint in den dunklen Stunden meines Lebens, wenn Einsamkeit sich breit macht und ich Gemeinschaft mit anderen suche. Zu den Weihnachterzählungen der Bibel gehören Menschen, die berührt wurden von dem Geschehen. Maria und Josef, die Hirten. Sie haben es nicht erwartet, sie waren auf ganz andere Dinge ausgerichtet, auf ihre Arbeit und auf das tägliche Überleben. Für sie war es eine besondere Begegnung mit Gott, die sie in die Zukunft begleitet hat.
Für dieses Jahr nehme ich mir vor, nach den Erfahrungen dieser Menschen zufragen. Ich will sehen, ob ich ähnliche Erfahrungen machen kann in den kommenden Weihnachtstagen. So ist meine Vorfreude voller Unruhe, aber auch voller Hoffnung und voller Erwartung. Vielleicht kann mich der Satz Augustins leiten: Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, o Gott.

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SWR4 Abendgedanken BW

„Am Heiligen Abend gehen wir auf den Friedhof." Geradezu begeistert schildert mir ein junger Mann, wie er, seine Freundin und die ganze Familie am Heiligen Abend auf dem Friedhof stehen, Kerzen und Fackeln leuchten, der Musikverein spielt, und es herrscht eine ganz besondere Stimmung. Einen Pfarrer brauche man nicht, sagt er, die Familie spüre ihr Zusammengehören, auch mit den Verstorbenen.
Anscheinend sind sie nicht die einzigen, die das so machen. Mit fällt auf, dass viel mehr Menschen besonders an Feiertagen auf den Friedhof gehen als in die Kirche. Und nicht nur wegen einer Trauerfeier. Und nicht nur am Volkstrauertag, sondern an Weihnachten oder an Ostern.
Ich glaube, das Zusammengehören der Familie im privaten Kreis hat seine Bedeutung, auch die Erinnerung an die Menschen, die einmal dazu gehört haben. Der Gottesdienst in der Kirche, etwa am Heiligen Abend mit der Christvesper ist etwas anderes und hat damit nichts zu tun.
Sicher: Eine Feier auf dem Friedhof am Ostermorgen kann ich mir gut vorstellen. Denn da gehören Abschied und Trauer in besonderer Weise zusammen mit der christlichen Hoffnung durch den Sieg Jesu über den Tod.
Aber an Weihnachten ist das für mich anders. Da blicke ich nicht zurück. Da hat das Licht in der Dunkelheit eine besondere Leuchtkraft. Da brauche ich aber auch die Botschaft von der Ursache dieses Lichtes, woher es kommt und was es mir sagen will. Die Botschaft der Engel, dass Gott in einem menschlichen Wesen, in einem Kind in einer Krippe den Menschen ganz nahe gekommen ist, ist für mich Grund der Freude, daran möchte ich teilhaben, dabei möchte ich mitfeiern: mit Liedern und Geschichten, mit den alten Texten aus den Weihnachtserzählungen und den Menschen, die in der biblischen Weihnachtsgeschichte eine besondere Rolle spielen. Dann kann ich auch genießen, was sich die meisten Menschen für diese Tage wünschen: die Gemeinschaft mit anderen, die Zeit für einander und eine große Pause nach all der Hektik der vorangegangenen Tage.
Wenn ich nun an das bevorstehende Weihnachtsfest denke, dann glaube ich, dass es gut ist, wenn beides zusammenkommt: das Gedenken an die Verstorbenen, die Gemeinschaft der Menschen, die zu mir gehören und die Pflege der Zusammengehörigkeit mit anderen auf der einen Seite. Und andererseits die Botschaft, dass Gott den Menschen ganz nahe ist. Dies ist das Licht, das in die Dunkelheit unseres Lebens hineinstrahlt und es begleitet.
Ich lade Sie deshalb schon heute ein: Planen Sie im Blick auf die Festtage auch den Gottesdienst mit ein.

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SWR4 Abendgedanken BW

„Wie sehe ich aus?" so fragt mich meine Enkelin, nachdem sie sich im Bad ausführlich am Schminkkasten ihrer Mutter bedient hat und so aus sich eine besondere Person gemacht hat. „Du siehst aus wie die berühmte Prinzessin Erbse," sage ich ihr. Und als ihr Bruder ebenso fragt: „Wie sehe ich aus?",  da sehe ich deutlich: er sieht aus wie ein Pirat.
Wie sehe ich aus - für dich? Es gibt eine Erzählung, da geht Gott auf die Reise über die Erde. Und überall fragt er: Wie sehe ich aus? Gott fragt den Regenbogen, wie er ihn sieht. Du bist für mich wie ein genialer Maler, der unbeschreiblich viele Farben nutzen kann. Wie sehe ich aus? Fragt Gott die Wolke, und sie sieht in ihm eine Kraft, die alles bewegt und hin und her wirbeln kann. Ein wunderbarer Komponist ist er für den Distelfink mit den vielen Melodien, die er erklingen lässt. Am Ende kommt Gott auch zu einem Menschen, der als Maler arbeitet. „Wie sehe ich aus für dich? Auf diese Frage beginnt der Maler ein Bild zu gestalten, aus dem am Ende ein alter Mann mit einem weißen Bart hervortritt. Da wendet sich Gott enttäuscht ab und fragt sich: „Sehe ich wirklich so aus?"
Wie sieht Gott für mich aus? Ich muss diese Frage immer wieder anders beantworten. Manchmal sieht es für mich aus wie ein großer Zauberer, manchmal auch wie der Akteur in einem Marionettentheater, der unsichtbar ist und doch die Figuren hin und her bewegt. Eine endgültige Antwort kann ich nicht geben, wenn mich einer fragt: wie sieht Gott aus? Das übersteigt mein Vorstellungsvermögen.
Jesus hat einmal eine Antwort gegeben. Er hat erzählt: Menschen sind in ganz unterschiedlichen Situationen unterwegs. Ein hungriger und durstiger Mensch bittet  darum, etwas zu essen und zu trinken zu bekommen. Ein Kranker ist auf die Hilfe, Fürsorge und Pflege anderer angewiesen ; ein Mensch sitzt im Gefängnis und hofft darauf, dass er Besuch bekommt und jemanden trifft, der zu ihm hält; man findet einen nackten Menschen, der sich schämt und der dringend Kleidung benötigt; und ein müder Wanderer ist unterwegs und klopft an die Tür eines Hauses und bittet um Gastfreundschaft. Und dann erklärt Jesus seinen Zuhörern: immer dort, wo ihr einen solchen Fremden aufgenommen, einen Kranken besucht, einen Hungernden und Durstigen versorgt und einen Kranken gepflegt habt - da habt ihr das für mich getan.
Jesus ist der Mensch, in dem Gott sich gezeigt hat. Deshalb finde ich: So ist die Frage Gottes „Wie sehe ich aus?" beantwortet.

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SWR4 Abendgedanken BW

Ein Vater bringt seinen kranken Sohn zu Jesus, damit er ihn gesund macht , erzählt die Bibel. Das Kind leidet an Epilepsie, und für Jesus und alle Beteiligten war damals klar, dass es sich bei dieser unerklärlichen Krankheit um einen Angriff von Dämonen auf einen Menschen handelt. Dämonen nannte man damals die bösen Kräfte, die das Leben zerstören, ja sie bringen Menschen dazu, sich selbst zu zerstören.
Dabei hatte schon 400 Jahre vor dieser Szene der griechische Arzt Hippokrates eine Schrift verfasst, in der er diese Krankheit nicht als ein Leiden beschreibt, das die Götter oder Dämonen schicken, sondern als eine Erkrankung im Gehirn, die man behandeln und sogar heilen kann.
Es sieht so aus, dass für uns heute diese Erzählung in der Bibel damit erledigt und der darin beschriebene Glauben an Dämonen überholt ist. Denn natürlich bauen wir auf die Medizin und rechnen nicht mit Dämonen. Dann aber macht es mich nachdenklich, wenn ich höre, wie in unserer Zeit immer wieder Kinder geschändet und Menschen einfach der Vernichtung übergeben werden - sind da nicht doch Dämonen am Werk, Kräfte des Bösen? Wenn ich höre, wie sich Menschen selbst bleibenden Schaden zufügen und so sich selbst zerstören, wie manche geradezu besessen sind von einer bösen Idee - dann kann ich dämonische Kräfte nicht einfach ignorieren.
Ich will damit nicht eine Kluft zwischen Jesus und Hippokrates aufreißen. Gegen Krankheiten aller Art ist die moderne Medizin ein Segen. Aber gegen die Kräfte, die das Leben zerstören, hilft nur der Glaube an Gott. Darum brauche beides: die moderne Medizin und die Überzeugung, dass die Kraft des Glaubens an Jesus auch gegen die Zerstörung des Lebens wirksam ist. Die Medizin erklärt mir eine Krankheit, wie die Epilepsie und treibt mir die Dämonen aus dem Kopf. Jesus jedoch will die bösen Kräfte aus der Welt verbannen.
Damals hat Jesus auf die Bitte des Vaters für sein krankes Kind geantwortet. Wenn du glaubst, wirst du und dein Kind von den Dämonen befreit. Damals wurde das Kind gesund, weil sein Vater auf Jesus vertraut hat. Und ich glaube, auch heute kann das Vertrauen zu Jesus gegen die bösen Kräfte helfen.

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SWR4 Abendgedanken BW

„Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist." An diesem Satz, den Goethe einmal formuliert hat, ist sicher viel dran. Mit freundlichem Gruß beende ich einen Brief. Dabei möchte ich dem Empfänger ganz anders begegnen. Freundlich grüßen möchte ich ihn auf keinen Fall. So harmlos ist also die Höflichkeit nicht, und vor allem hat sie etwas mit der Wahrheit zu tun. Darum fällt es oft nicht leicht, zugleich wahrhaftig zu sein und  die Formen der Höflichkeit zu wahren. Und oft kann ich es nicht vermeiden, andere zu verletzen.
Wenn ich höflich bin, bedeutet das auch immer, dass ich den anderen ernst nehme und ihn achte. Ja, wenn ich anderen höflich begegne, will ich sie nicht verletzen, ich will sie so ernst nehmen, wie mich selbst. Darum fällt es mir zum Beispiel schwer, im Hausflur stehen zu bleiben und der Nachbarin zuzuhören, weil ich weiß dass mich das jedes Mal wieder viel Zeit kosten wird. Höflich zu sein und zugleich bei der Wahrheit zu bleiben, das ist gar nicht leicht. Manchmal fällt mir nur eine gewundene und verlegene Antwort ein, wenn ich von einer lieben Verwandten ein Geschenk erhalten habe und Wochen später gefragt werde, ob es mir gefalle. Dabei habe ich es längst in die hinterste Ecke gestellt.
Höflichkeit drückt sich in meinen Gedanken und in meiner ganzen Haltung anderen gegenüber aus. Besonders aber mein Reden, meine Worte sind es, die höflich oder unhöflich, wahrhaftig oder nicht wahrhaftig sind. „So ist die Zunge ein kleines Ding und richtet doch große Dinge an, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet es an."  So lese ich es in dem kurzen Jakobusbrief in der Bibel.  Die Zunge soll aber, so fährt der Verfasser fort, nicht Übles und Giftiges von sich geben und gleichzeitig Gott loben. Sondern sie soll eindeutig sein, so wie aus einer Quelle nicht gleichzeitig süßes und bitteres Wasser fließen kann.
Man muss nicht lügen, wenn man höflich ist. Höflichkeit ist auch mehr als ein Luftkissen, in dem zwar nicht mehr als Luft enthalten ist, das aber manche Stöße mildert. Da ist viel mehr drin. Vor allem warnen die Worte des Jakobusbriefs mich davor, etwas zu sagen, was andere nicht verstehen können oder was sie gar verletzt. Die Achtung und Liebe, wie ich sie mir selber wünsche, soll ich auch anderen gegenüber wahren. Verbunden mit dem Wunsch, wahrhaftig zu bleiben, auch wenn das manchmal schwer ist. Darum kann ich einen Brief mit einem freundlichen Gruß abschließen, auch wenn ich davor meine Haltung ehrlich und offen dargelegt habe. Ich glaube, dann kann ein freundliches Verhältnis zu anderen erhalten bleiben, das für ein gutes Zusammenleben wichtig ist.

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SWR4 Abendgedanken BW

Jahreszeiten mit dem Wechsel von Sonne und Regen, Wärme und Kälte, gibt es nicht nur in der Natur und im Ablauf eines Jahres. Jahreszeiten prägen auch meinen Lebenslauf. Ich genieße im Urlaub die Sonne und den Sommer. Zugleich weiß ich, dass kältere Zeiten und herbstliche Stürme kommen werden. Auch in meiner Ehe, in meiner Familie, unter meinen Freunden gibt es immer wieder so etwas wie Frühling, vieles blüht. Und es muss auch Ernte geben, an der ich mich freuen kann, wenn eine gute Gemeinschaft ihre Früchte trägt. Ich weiß, dass manches herbstlich bunt und anderes grau werden kann. Gerade in meiner Beziehung zu anderen wird manches erkalten, und Frost und bittere Kälte werden mir zu schaffen machen.
Jede Jahreszeit in der Gemeinschaft mit anderen hat ihre wunderbaren Zeiten. Da kann ich Freude und Glück schöpfen. Und die brauche ich für die trüben und beschwerlichen Jahreszeiten des Lebens, wenn mir die Sonne des Erfolgs und des Gelingens fehlt. Darum will ich die guten Zeiten nutzen und vorsorgen für andere Zeiten.
Jesus hat öfter von Saat und Ernte geredet, von den Jahreszeiten und davon, dass es wichtig ist, zu säen oder zu ernten, oder dazwischen auch sich in Geduld zu üben und zu warten. „Wenn das Samenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht." Hat er einmal gesagt. Da gibt es also nicht nur den Herbst des Lebens, in dem man nicht mehr viel bewirken kann, nicht nur den frostigen Winter, in dem alles tot zu sein scheint. Sondern da entwickelt sich im Verborgenen, von niemandem bemerkt, etwas Neues, ein neues Leben, das zu seiner Zeit aufgeht und blüht.
Jesus beschreibt damit, wie sich seine Botschaft entwickelt, wie sie wächst und zu wirken beginnt.  Das gilt aber auch für unsere Lebenszeiten. Manchmal ist unser Glaube ein kaum sichtbares Pflänzchen, dann wiederum gelingt es, gegen alle Zweifel für die eigene  Überzeugung einzustehen und sie zu vertreten. Manchmal scheinen alle Bemühungen in der Erziehung und im Umgang mit anderen vergeblich zu sein, dann wieder ist da eine Kraft gewachsen, die sich durchsetzt, wie es niemand vermutet hatte. Das Bild vom Samenkorn hilft mir, Geduld zu haben mit meinem schwachen Glauben, und geduldig zu sein mit meinen Anstrengungen. Ich nehme mir deshalb vor: nicht verzagen, wenn zunächst anscheinend nichts wachsen will. Am Ende kann ich doch  auf viel Frucht hoffen.

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SWR4 Abendgedanken BW

Brauchen wir Helden, oder brauchen wir sie nicht? Vor einiger Zeit lief im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe eine Ausstellung „Zeit der Helden".  In dieser Ausstellung hieß es: ja, wir brauchen Helden, wir haben Helden, weil wir sie brauchen. Schon am Eingang waren ihre Namen zu lesen: Oliver Kahn, Hildegard Knef, Harry Potter, nicht nur Alexander der Große oder Martin Luther. Helden, Männer und Frauen, die etwas Besonderes geleistet haben und so zu Vorbildern für andere werden können. Menschen, die sich mit ihrem Leben oder ihren besonderen Fähigkeiten für eine Idee oder für andere Menschen einsetzen. Das kann zum Beispiel werden für viele. Es gab im Museum auch das Bild von Mutter Teresa, der Ordensfrau, die sich in Indien um Leprakranke und besonders arme Menschen gekümmert hat. Auch sie ein Vorbild. Genauso wie die unbekannte Frau, die sich im Krieg allein mit ihren Kindern auf der Flucht durchgeschlagen hat . Auch sie gehört in die Liste der Helden.
Warum haben Jesus oder Paulus gefehlt? Manchmal werden sie Heilige genannt, aber sind sie Helden? Jesus hat sein Leben gestaltet und seine Botschaft ausgerichtet hat ganz im Sinn Gottes, in dessen Namen er aufgetreten ist. Damit wird er gewiss zum Vorbild. Erst recht durch die Zeichen seiner Liebe und Hingabe für andere Menschen. Er ist die Hauptperson in der Geschichte Gottes mit den Menschen. Er zeigt, wie nahe Gott den Menschen kommen kann. Er ist ein Vorbild, eine Person, die Maßstäbe setzt und dazu auffordert, ihm nachzuleben, nachzufolgen. Aber er ist kein Held, dem ein Denkmal aufgestellt werden muss wie den Kriegshelden oder großen Persönlichkeiten. Schon eher ist Jesus ein gescheiterter Held. Am Ende seines Lebens scheinbar gescheitert, seine Gegner scheinbar die Stärkeren. Aber mit seinem Tod den Menschen am nächsten, und durch seine Auferstehung hat er neues Leben möglich gemacht. Bis heute bewegt er mit seinem Leben und seiner Botschaft viele Menschen, vielleicht macht das ihn ja doch mit anderen Helden vergleichbar.
Brauchen wir Helden? Wenn Helden  Menschen sind, denen wir folgen können, die uns dazu helfen, uns und andere zu bewegen und uns für sie einzusetzen, dann brauchen wir sie. Aber wir brauchen keine  fernen, abgehobenen Helden, an die wir nicht heranreichen können. Sondern Menschen, auch solche die wie Jesus scheinbar gescheitert sind, damit unser Leben ein Ziel und einen Sinn behält.

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SWR4 Abendgedanken BW

Vor fast dreihundert Jahren wurden die ersten Blitzableiter entwickelt und an den Häusern installiert. Der gelehrte Philosoph und Schriftsteller Georg Friedrich Lichtenberg ließ damals an seinem Gartenhaus auch so ein „Blitzschutzgerät" anbringen. Er nannte es aber anders. Für ihn war es ein „Furchtableiter". Also ein Gerät, das alles, was Menschen Angst macht, auf sich zieht und dann ableitet in die Erde. Dort kann es, wie der Blitz kein Unheil mehr anrichten.
Ein Furchtableiter, das ist ein Gerät, das man öfter gebrauchen könnte. So wie Kinder, wenn sie Angst haben, sich an einen erwachsenen Menschen klammern, damit er das Unheil abhält. Dass der Blitz einschlägt, dass das Böse sich über mir zusammen braut, kann ich nicht verhindern. Aber ich will es ableiten, es soll weggelenkt werden von mir. So etwas wie ein Furchtableiter ist für manchen das Kruzifix oder das Rosenkranzkettchen im Auto, oder ein Talisman, ein Stein oder ein alter Ring. Man weiß ja nie, ob es nicht doch nützt, das haben schon die Vorfahren getragen. So könnte man Furchtableiter heute beschreiben.
Ich kenne einen Furchtableiter, den ich seit früher Kindheit immer wieder eingesetzt habe: das ist Musik. Ein Lied, das wir gesungen haben als Kinder, eine Melodie, die ich gepfiffen habe. Ein Wanderlied, wenn ich allein war, weil es mich erinnert hat an die Gemeinschaft mit Freunden. Oder den River - Kwai - Marsch aus dem berühmten amerikanischen Film nach dem Krieg. Manchmal kann es auch ein Gebet sein .Denn wenn ich bete, wende ich mich weg von mir und zu Gott und ich glaube, dass ich dann nicht allein bin mit dem, was mir Angst macht oder Furcht einflößt. Manchmal ist die Angst aber trotzdem stärker als mein Gottvertrauen.
Dann hilft auch ein Psalmlied, das für mich zum Furchtableiter wird. Etwa wenn es in einem Psalm heißt: der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Das war mein Konfirmationsspruch, und wenn er mir ins Gedächtnis kommt, macht er mich ruhig und erinnert mich daran, dass ich nicht allein bin. Vertrauen zu Gott, auch Vertrauen zu anderen Menschen, das ist so etwas wie ein Furchtableiter, den ich immer wieder brauche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11240
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SWR4 Abendgedanken BW

Bei einer Veranstaltung während des letzten Evangelischen Kirchentags ins Dresden im Mai habe ich in der Kreuzkirche neben einem Mann gesessen, der aus der Gegend von Bonn gekommen war. Er war etwa 60 Jahre alt und zum ersten Mal in seinem Leben auf einem Kirchentag. In seiner Gemeinde war er einfach einmal mitgegangen zu einer Veranstaltung, bei der auf den Kirchentag vorbereitet wurde. „Dann wollte ich nicht mehr aussteigen, obwohl ich der einzige Mann in der Gruppe war, " sagte er. Und nun ist er von vielem begeistert. Der eigentliche Grund für seine Begeisterung aber war, dass er zusammen mit sieben anderen Personen in einem Haus privat untergebracht war, das die Besitzer einfach so den Kirchentagsteilnehmern überlassen hatten. Jeder bekam einen Schlüssel und konnte kommen und gehen, wie er wollte. Morgens war ein Frühstück gerichtet, sonst stand das ganze Haus allen zur Verfügung. „So etwas habe ich noch nie erlebt, " erklärte der Mann.  „ So viel Vertrauen und eine solche Großzügigkeit habe ich mir gar nicht erklären können."
Als er die Gastgeberin einmal getroffen hat, hat sie auf seine Frage geantwortet: „Unsere Kinder sind aus dem Haus, wir haben Platz. Unsere Kinder haben es als Studenten und Mieter so gut angetroffen, dass wir unseren Gästen ein wenig von dieser Gastfreundschaft zurück geben wollen." Dann hat sie weiter gemeint: „Die Losung des Kirchentags heißt doch: Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein." „ Meine Schätze, " sagt sie, „sind meine Kinder, an die ich täglich denke. Und die haben uns den Rat gegeben, unser Haus zu öffnen für die Gäste."  Außerdem meinte sie: „Ich habe den Eindruck, dass der Kirchentag unserer Stadt Dresden und der Bevölkerung gut tut. Und damit er gelingen kann und viele mit ganzem Herzen dabei sein können, wollen wir das Unsere dazu beitragen. Und mit dem Schatz ist doch sicher nicht nur Geld gemeint, sondern auch Menschen sind ein solcher Schatz."
Das hat mir mein Nachbar auf der Kirchenbank in der Kreuzkirche leise flüsternd erzählt. Eigentlich sollte er auf die Predigt und die Liturgie und den schönen Gesang des Kreuzchors  hören. Aber er war so voll Begeisterung, dass das alles einmal zur Sprache kommen musste. Sein Herz war erfüllt von dieser Erfahrung, die Massen  und die überfüllten Hallen haben ihm gar nichts gemacht. „Ich werde meine Erlebnisse nicht mehr vergessen, und vielleicht komme ich zum nächsten Kirchentag wieder." Mit diesen Worten ist er unvermittelt aufgestanden und hat sich verabschiedet.

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SWR4 Abendgedanken BW

Glauben? Ja, aber ohne Kirche! Über 1000 Menschen haben sich in einer großen Halle während des letzten Deutschen Evangelischen Kirchentags in Dresden versammelt, um über diese Frage nachzudenken und zu diskutieren. Viele denken so, dass man einen Glauben haben muss. Aber ob man dazu eine Kirche braucht, ist ihnen zweifelhaft. Denn man glaubt, die Antworten schon zu kennen, die man in der Kirche bekommt. Oder man hält die Kirche für alt und unmodern. Darum sind die anderen Angebote so attraktiv:  fernöstliche Religionen, Pilgerwege oder  Anleitungen zu Meditation und mystischer Versenkung.  Vielleicht hilft mir das, weniger Hektik zu erleben, mehr Geborgenheit zu erfahren und auf meine Fragen Antwort zu erhalten.
Ich glaube aber, dass man es gerade auch in der Kirche probieren kann, glauben zu lernen. Denn auch hier gelingen viele Versuche zu glauben. Gerade beim Kirchentag in Dresden haben viele  die Kirche einmal anders erlebt, als sie es gewohnt waren. Und hilfreich war es natürlich, dabei das Gefühl zu haben: wir sind viele, und andere suchen wie ich auch nach Antworten auf diese Frage. Weil sich hier die Kirche in einer ganz ungewohnten Form gezeigt hat. Weil man hier zu der Einsicht kam: Glauben kann man ausprobieren. Glauben auf Probe - das möchte ich einmal versuchen. Das geht auch in der Kirche und auch nach dem Kirchentag. Vielleicht könnte ich einmal das  Vaterunser vor dem Einschlafen ganz langsam Satz für Satz für mich sprechen und überlegen, was mir dabei wichtig ist. Ich könnte die Bekannte wieder einmal anrufen, die mit dem Tod ihres Mannes nicht fertig wird und mit Gott  und ihrem Glauben hadert wegen ihres Schicksals. Vielleicht kommen wir zusammen ein Stück weiter, und vielleicht treffe ich gerade in der Gemeinde Menschen, denen es ähnlich geht. Ich könnte die Gelegenheit nutzen und beim nächsten Sommerfest meiner Gemeinde wieder einmal morgens in den Gottesdienst gehen und danach zum Essen bleiben. Denn dabei hatte ich früher ganz gute Gespräche.
Glauben zu versuchen, das geht aber nicht allein.  Denn glauben, sich verlassen und vertrauen - das geht nur mit anderen Menschen. In Gemeinschaft mit anderen, mit denen ich reden kann, die ich fragen kann, denen ich vertrauen will, so kann Glauben wachsen. Mit anderen zusammen kann ich ausprobieren, ob Vertrauen tragfähig ist und ob ich dabei ein Stück Geborgenheit erlebe. Das habe ich vom Kirchentag mitgenommen.  Glauben ja! Und in der Kirche ist Platz dafür. Denn die Kirche gibt es viele verschiedene Gruppen und Möglichkeiten. Mehr als ich oft wahrnehme.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11238
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