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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

09SEP2021
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Und schon sind die Sommerferien fast wieder zu Ende. Und mit dem September werden die Tage spürbar kürzer.

Es ist jedes Jahr dasselbe. Der Abschied vom Sommer und der warmen Jahreszeit fällt mir schwer. Und je älter ich werde desto intensiver empfinde ich das. Vielleicht weil ich mich selbst inzwischen im Spätsommer, wenn nicht Herbst meines Lebens befinde.

Wie kann ich etwas von der Fülle des Sommers konservieren? Nicht nur in Form von köstlich eingekochter Aprikosenmarmelade oder im Duft von Lavendel, den ich rieche wenn ich den Kleiderschrank aufmache?

Wie bewahre ich mir etwas Sommer im Herzen?

Goethe hat dazu folgendes geschrieben:

Auch das ist Kunst,

ist Gottes Gabe,

aus ein paar sonnenhellen Tagen

sich soviel Licht ins Herz zu tragen,

dass wenn der Sommer längst

verweht,

das Leuchten immer noch besteht.

Wenn ich mir diese Worte zu Herzen nehme, dann wird mir bewusst, was ich diesen Sommer alles an Schönem und Gutem erlebt habe. Dass ich die lebendigen Bilder, die da in mir aufsteigen, wie einen Vorrat in mir anlege, den ich mir immer wieder vor meinem inneren Auge herholen kann.

Und, dass ich mir dabei immer wieder bewusst mache, welchen Schatz an Erinnerungen ich bereits in mir trage. Lebensfülle, die mir hilft, wenn schwere oder dunkle Tage kommen.

Ich glaube wirklich, dass das eine große Kunst – vielleicht auch eine „Gottesgabe“ ist, das einzuüben und so dankbar älter werden zu können. Und je nachdem was für ein Schicksal einen ereilt ist das auch nicht selbstverständlich oder gar einfach. Wenn es jemandem richtig schlecht geht, ist es naiv oder kann sogar zynisch klingen, ihm zu raten, doch an das Schöne im Leben zu denken und für das Schöne in seinem Leben dankbar zu sein.

Ich weiß nicht, wie ich das selbst in so einer Situation empfinden würde.

Stand heute, hoffe ich, dass es mir gelingt, aus ein paar sonnenhellen Tagen so viel Licht im Herz zu haben, dass es, wenn der Sommer längst vorbei ist, in mir noch immer leuchtet.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08SEP2021
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„An Mariä Geburt fliegen die Schwalben furt“. Dieser Spruch kommt mir heute in den Sinn. Weil in der katholischen Kirche heute der Geburtstag der Gottesmutter Maria gefeiert wird. Wenn sich die Schwalben Anfang September sammeln, um zusammen gen Süden zu fliegen ist das ein eindeutiges Zeichen, dass nun der Herbst beginnt. Geradeso wie die Schwalbe rund um Mariä Verkündigung am 24. März wieder auftaucht und den Frühling mitbringt.

Ich finde es faszinierend, wie diese Vögel und alle anderen Zugvögel genau zu wissen scheinen, wann es Zeit ist, aufzubrechen, welche Route zu fliegen ist und wann die Zeit gekommen ist, zurückzukehren.

Im Tierreich gibt es dazu unzählige weitere Beispiele, Wale die wandern, Lachse, die eigentlich im Meer leben und wenn sie Nachwuchs bekommen in Flüsse hineinschwimmen, oft hunderte Kilometer den Flusslauf hinauf.

Sie tun das, weil ihre Jungen sich nur entwickeln können, wenn sie die erste Zeit ihres Lebens in Süßwasser verbringen. Danach gehen sie ins Meer und kommen erst wieder zurück, wenn sie selbst Junge bekommen. Das Verrückteste dabei ist für mich, dass jeder Fisch dabei an den Platz zurückwandert, an dem er selbst geboren wurde. Er erkennt ihn am speziellen Geruch des Wassers, meint die Wissenschaft.

Es liegt bei den Tieren in den Genen oder am Instinkt. Ob wir Menschen solche Gene auch in uns haben, einen Instinkt, ein Gespür dafür, wann es gilt aufzubrechen und gleichzeitig eine Ahnung davon, wo wir zu Hause sind, wann es gilt dorthin zurückzukehren?

Die Tiere brauchen diesen Ortswechsel um überleben zu können.

Aber wie ist es bei mir?

Ich erinnere mich gut an den Spruch meiner Mutter, dass Kinder erst einmal vom Kirchturm weg müssten, nach der Schule. Raus in die Welt. Um den Horizont zu erweitern und  auf eigenen Füßen zu stehen. 

Mir hat dieser Ortswechsel gut getan. Ich habe diesen Abstand gebraucht, um mein Leben leben zu können. Gleichzeitig habe ich nicht vergessen, wo meine Wurzeln sind. Was mein „Stallgeruch“ ist. Wohin ich immer wieder gerne zurückkehre auch wenn ich inzwischen woanders zu Hause bin. Das tut mir gut. Und dafür bin ich dankbar.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

07SEP2021
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„Fang den Tag heute nicht mit den Scherben von gestern an – schlepp´sie nicht mit dir herum.“

So lautet ein Rat des Autors Phil Bosmanns. Dieser Satz begleitet mich lange schon und kommt mir immer wieder in den Sinn. Er erinnert mich daran,  was bei uns zu Hause ein „ungeschriebenes Gesetz“ war: Abends nicht im Streit auseinander oder ins Bett zu gehen. Das war meinen Eltern wichtig. Dass möglichst nichts mehr ungut im Raum stand – auch wenn nicht jedes Problem gelöst werden konnte und jeder Konflikt beseitigt. Dass wir uns wenigstens eine gute Nacht gewünscht haben und die Möglichkeit gegeben haben am nächsten Tag noch einmal in Ruhe darüber zu sprechen.

Mir ist es bis heute wichtig, wenn es Scherben, Ärger oder Streit gegeben hat, das möglichst nicht mit ins Bett zu nehmen. Wenn etwas nicht gut gelaufen ist am Tag möchte ich die gröbsten Scherben beseitigt haben und schauen, wo was wie noch zu retten ist.

Klar gelingt das nicht immer. Und nicht alles lässt sich wieder kitten – auch wenn ich das noch so gerne möchte. Manches kann ich dann gut sein lassen, anderes quält mich länger.

Denn es gibt Scherben, die gekittet werden können, wenn ich ehrlich verzeihen kann oder mir verziehen wird. Und es gibt Scherben, die mit aller Liebe nicht wieder zusammenfügt werden können, die Scherben bleiben.

Manches bleibt also zerbrochen in meiner Lebensgeschichte. Zum Beispiel die Beziehung zu einer früheren Freundin, bei der ich bis heute nicht weiß, warum sie nichts mehr mit mir zu tun haben möchte und warum kein Gespräch darüber möglich ist.

Das muss ich akzeptieren. Es - wenn schon nicht gut - so doch wenigstens sein lassen können.

Ich kann versuchen das, was zerbrochen ist, anzunehmen und wenn möglich, auszusöhnen. So schwer und so langwierig das auch sein mag.

Und vielleicht gibt es noch eine weitere Möglichkeit damit umzugehen. Ich kann das, was ich bei aller Liebe nicht heilen kann, einem Anderen übergeben. Für mich ist das Gott. In seine Hände lege ich das, was ich aus eigener Kraft nicht aussöhnen kann.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06SEP2021
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„…wenn ich nur jeden Tag aufstehen kann…“ an diesen Satz meiner Großmutter muss ich grad oft denken. Nicht nur einmal hat sie ihn gesagt – immer und immer wieder hab ich ihn gehört. Als Zwanzigjährige hab ich nur erahnt, wieviel an Lebensqualität für sie hinter diesem Wunsch gestanden hat.

Heute ist mir deutlich bewusst, dass es alles andere als selbstverständlich ist, dass ich in der Regel jeden Morgen aus dem Bett komme und in den Tag gehen kann. Das versuche ich mir immer wieder bewusst zu machen und auch dankbar dafür zu sein. Auch für das so selbstverständliche Geschenk, dass jeden Morgen die Sonne über unserem Planeten wieder aufgeht. Oder dass ich jeden Tag die Chance habe, neu anzufangen.

Manchmal graut mir auch vor dem nächsten Morgen und das Aufstehen fällt mir schwer, weil was Schwieriges ansteht: Eine Aufgabe, der ich mich nicht gewachsen fühle, oder weil ein Problem, das die Familie umtreibt, gelöst werden sollte. Oder wenn in meinem Umfeld jemand schwer erkrankt ist, und es keine Heilung mehr gibt – dann finde ich es besonders schwer und dann kann ich den Morgen nicht gerade dankbar oder gar freudig begrüßen.

Aber heute hoffe ich auf einen Tag, in den ich dankbar gehen kann.  Ohne dabei diejenigen aus dem Blick zu verlieren, denen heute Schweres bevorsteht oder die das Bett hüten müssen.Dabei bestärkt mich ein Gedicht von Rose Ausländer, in dem sie schreibt:

Wieder ein Morgen
Ohne Gespenster
Im Tau funkelt der Regenbogen
als Zeichen der Versöhnung

Du darfst dich freuen
über den vollkommenen Bau der Rose
darfst dich im grünen Labyrinth
verlieren und wiederfinden
in klarer Gestalt

Du darfst ein Mensch sein
arglos

Der Morgentraum erzählt dir
Märchen du darfst
die Dinge neu ordnen

Farben verteilen
und wieder
schön sagen

an diesem Morgen
Du Schöpfer und Geschöpf 

„Versöhnung“ aus: Rose Ausländer, Gelassen atmet der Tag, Frankfurt 2002, S. 102 

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16JAN2021
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Einen guten Morgen wünsche ich Ihnen...

Konstantin Wecker hat ein Lied gegen die Gleichgültigkeit geschrieben. Es geht so:

Liebes Leben, fang mich ein,

halt mich an die Erde

kann doch, was ich bin nur sein,

wenn ich es auch werde.

 

Gib mir Tränen, gib mir Mut

Und von allem mehr.

Mach mich böse oder gut,

nur nie ungefähr

 

Böse oder gut. Das ist für mich keine echte Alternative. Da ist für mich klar, was ich möchte. Gut sein. Aber dieses „nur nie ungefähr…“ Daran bleib ich hängen. Das erinnert mich an meinen Vater. Wie er nicht nur einmal gesagt hat: „Ist mir egal gibt´s nicht – egal ist 88 - das kannst du drehen und wenden, wie du willst und es bleibt sich gleich.“

Er hat mich ermutigt, zu sagen, was ich denke, eine eigene Meinung zu haben, auch wenn das nicht die seine war. Und beiden Eltern war es wichtig, dass wir Kinder lernen uns zu entscheiden.

Trotzdem habe ich bis heute so meine Mühe damit. Und es nervt mich, wenn ich mich so wischi waschi erlebe. So will ich nicht sein, nicht kalt – nicht warm, eine, die sich mit „vielleicht…vielleicht auch nicht“ vor Entscheidungen drückt.

Meistens geht es mir besser, wenn ich mich klar für etwas entschieden habe. Und sei es der rote oder blaue Pullover am Morgen.

Dieses „Nicht- ungefähr –sein“ heißt für mich auch: Mir eine eigene Meinung bilden, Stellung beziehen und Profil zeigen auch wenn ich dadurch angreifbar werde und verwundbar. Das braucht Mut und kostet manchmal Tränen.

Von Jesus gibt es dazu eine klare Ansage. Er will, dass die, die ihm folgen, nicht wischi waschi sind.  „Euer Ja sei ein Ja und Euer Nein ein Nein“, fordert er auf. Und an anderer Stelle ermutigt er dazu „Salz der Erde“ zu sein. Salz hat Geschmack. Es schmeckt eindeutig salzig – nicht fad.

Salz sein das bedeutet für mich: Aufmerksam wahrnehmen was um mich herum geschieht. Mir ein Herz fassen, eingreifen, wo etwas Unrechtes geschieht. Den Mund aufmachen.

Dazu braucht es diesen Mut, den auch Konstantin Wecker sich wünscht. Und die Tränen, über die man vielleicht stolpern mag. (Wie kann man sich Tränen wünschen?) Für mich haben Tränen viel mit echtem Gefühl zu tun, damit berührbar zu bleiben und eben nicht gefühllos zu werden oder gar gleichgütig.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

15JAN2021
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Mein Großonkel und ich hatten zu Beginn des neuen Jahres immer ein schönes Ritual: Wir haben Geburtstage und andere wichtige Gedenktage vom alten in den neuen Kalender übertragen. Das hat oft Stunden gedauert, denn mit den Namen waren Erlebnisse verbunden, an die er sich erinnert hat. Und ich habe die Geschichten aus seiner Ministrantenzeit und wie er als junger Mann in die Welt gezogen ist und schließlich sein eigenes Geschäft aufgebaut hat, gern gehört. Manchmal gab es dabei auch traurige Momente, wenn einer von den lieben Freunden oder Verwandten im Lauf des vergangenen Jahres verstorben war. Dessen Name wurde dann mit einem Kreuz markiert und auch der Sterbetag festgehalten.

Inzwischen habe ich diese Tradition für mich übernommen. In einer ruhigen Stunde im Januar übertrage auch ich den Kalender.

Klar könnte ich mir auch einen immerwährenden Geburtstagskalender zulegen.

Das würde die Sache erleichtern und verkürzen. Aber es würde mir auch etwas Kostbares nehmen. Dieses Innehalten, ist mir wichtig, zu schauen, wer gehört alles zu meinem Leben, wer hat einen Platz in meinem Herzen, wer kommt neu dazu, von wem musste ich mich verabschieden.

In den letzten Jahren sind bei uns in der Groß-Familie einige Kinder geboren worden, das ist schön und tröstlich, zumal wir auf der anderen Seite auch mehr und mehr Tote zu beklagen haben. Auch die gehören weiter zu meinem Leben. Aber anders.

Wenn ich die Geburtstage übertrage, merke ich, dass ich mit dem einen oder anderen noch ganz frisch Erlebnisse im vergangenen Jahr verbinde. Bei manchen herrscht aber auch schon seit längerer Zeit Funkstille.

Ob ich sie dennoch in den neuen Kalender übernehmen soll. Mich mal wieder melden? Oder ist die gemeinsame Zeit einfach vorbei?

Irgendwie habe ich eine gewisse Scheu davor, sie auszumustern. Vielleicht, weil sie einfach zu meinem Leben dazugehören, auch wenn der Kontakt eingeschlafen ist oder die Beziehung auf Sparflamme lebt. Das liegt ja oft auch an mir selbst oder der Tatsache, dass ich nicht alle Beziehungen gleich intensiv hegen und pflegen kann.

Wenn ich an meine Beziehung zu Gott denke, dann bedeutet es mir viel, dass er so etwas wie einen immerwährenden Kalender zu haben scheint. Dass bei ihm niemand herausfällt und er mir zusagt: „Ich habe dich in meine Hand eingeschrieben, du gehörst zu mir“. Das macht mich dankbar. Und es bestärkt mich darin, niemand, der mir je etwas bedeutet hat, aus dem Kalender geschweige denn meinem Leben zu streichen.

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14JAN2021
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„Viel Kälte ist unter den Menschen, weil wir nicht wagen, uns so herzlich zu geben, wie wir sind“.

Dieses Zitat stammt von Albert Schweitzer, dessen Geburtstag sich heute jährt.  Im ersten Moment frage ich mich, was hindert mich eigentlich daran beherzt herzlich zu sein? Warum fehlt mir dazu manchmal der Mut?

Ist es die Scheu, aufdringlich oder gar übergriffig zu wirken? Grenzen nicht einzuhalten? Vielleicht.

Dann entdecke ich aber in der Aussage Schweitzers auch ein riesen Potential: Wir könnten es schaffen, die Welt emotional aufzuwärmen, wenn wir uns trauen herzlicher zu sein. Ein Herz füreinander zu haben ist schließlich schon in uns angelegt.

Und es gibt ja auch jede Menge herzensguter Initiativen in der Gesellschaft.

Eine davon finde ich in diesen Tagen besonders bemerkenswert.  Die der Kältebusse des Deutschen Roten Kreuzes. In Stuttgart und anderen größeren Städten engagieren sich Ehrenamtliche Nacht für Nacht und versorgen Obdachlose mit warmem Tee, Decken und Schlafsäcken. Sie tun damit etwas gegen die reale äußere Kälte und bewahren Menschen vor dem Erfrieren. Das allein ist an sich schon wunderbar.

Aber wie sie das tun, hat mich besonders berührt und beeindruckt. Es gab dazu eine Reportage im Fernsehen. Ich habe den jungen Mann, der tagsüber als Wirtschaftsingenieur arbeitet, noch deutlich vor Augen. Wie er sich bückt und einem Obdachlosen liebevoll zuwendet. Auf Augenhöhe! Da wird nicht nur mechanisch ausgeteilt und eine Liste abgearbeitet. Da ist Zeit für ein kurzes Gespräch, die Frage, „wie geht´s, was täte Ihnen jetzt gut?“

Selbst „durch den Fernseher“ wurde für mich Herzenswärme spürbar. Etwas, das nicht nur von außen, sondern auch von innen wärmt. Und offensichtlich nicht nur den, der da nachts auf der Straße friert, sondern auch die, die sich da zuwenden und mich als Zuschauerin.

Mich ermutigt diese Initiative. Ich nehme mir vor, mir nicht länger selbst im Weg zu stehen. Sondern, das was ich an Herzenswärme habe, zu verschenken. Sei es durch ein Lächeln, einen Anruf bei jemand, der alleine lebt oder einer warmen Suppe für die kranke Nachbarin.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

13JAN2021
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In letzter Zeit treibt mich vermehrt die Frage um, was geschehen müsste, dass ich am Ende meines Lebens sagen könnte: “Es war gut.

Ich habe meinen Teil dazu beigetragen, dass es auch für andere ein Segen war.“

Vielleicht ist es ganz natürlich sich mit Mitte/Ende 50 intensiver damit zu beschäftigen, weil offensichtlich und spürbar ist, dass das Leben begrenzt ist.

Was kann ich also selbst dazu beisteuern, dass ich es gut sein lassen kann, wenn’s dann soweit ist?

Beim libanesischen Priester und Dichter Simon Yussuf Assaf fand ich eine schlichte Antwort, die mich sehr berührt hat. Er schreibt:

 

 

Es hieß: Wirf deine Netze aus!

Ich tat es

Und mit Schätzen beladen zog ich sie zurück.

 

Es hieß: Säe deine Saat aus!

Ich tat es.

Nach einer Zeit des Wartens

Ging die Saat auf und brachte reiche Frucht

Es hieß: Teile deinen Besitz!

Ich tat es.

Eine Tafel vereinte Freunde und Fremde,

Reiche und Arme

Und ich fand mich beschenkt.

 

Es hieß: Hör auf deine innere Stimme!

Ich lauschte

Und entdeckte eine leise Melodie,

die der Lärm der Welt übertönt hatte.

 

Es hieß: Öffne dein Herz!

Ich trug meine Festungsmauern ab

und entfernte meine Maske.

Da wurde die Welt mein Haus

Und die Menschheit meine Familie. (aus: Simon Yussuf Assaf, Melodien des Lebens, S.67)

 

Ich glaube, im Grunde sind es eben diese ganz einfachen „Dinge“, die das Leben kostbar machen. Nicht nur für einen selbst. Zeit, mit Menschen verbringen, die man mag, gut bei sich selbst sein, Aufgaben haben, die Freude machen und herausfordern. Auch wenn sie einem nicht immer leichtfallen. Und sich ein „Erfolg“ nicht unmittelbar einstellt -  geschweige denn messen lässt. Es lohnt sich, es zu versuchen.

Und so möchte ich mich zu Beginn des neuen Jahres an den Sätzen von Assaf wie an Leitplanken orientieren. Ich nehme mir vor, „meine Netze auszuwerfen“ Menschen zu versammeln, die ein Netzwerk bilden.

Einbringen, was in mir steckt, es nicht horten. Teilen, was ich bin und habe, und Menschen um meinen Tisch versammeln,  

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

12JAN2021
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Zuversichtlich bleiben, nicht trübsinnig werden. Das ist momentan auch für mich eine echte Herausforderung.

Zum Glück gibt es die Natur. Sie tröstet ohne Worte und schenkt Zeichen, die erstaunlich sind. Kahle Bäume, die bereits Knospen haben, Schneeglöckchen, die sich durch den gefrorenen Boden kämpfen. In einer Zeit, in der es gar nicht danach aussieht besteht die Natur darauf, dass es wieder Frühling wird.

Von einem dieser Hoffnungszeichen erzähle ich Ihnen heute Morgen:

Ich hatte mir vor ein paar Wochen einen Zweig vom Kirschbaum in eine Vase gestellt, der hat dann schön geblüht. Doch anstatt ihn - nachdem er verblüht war - zu entsorgen, hab` ich ihn auf der Fensterbank im Gästezimmer zunächst vergessen.

Und das war gut so. Denn als ich ihn nach zwei Wochen endlich wegwerfen wollte, hatte dieser Zweig kleine Wurzeln getrieben und nicht nur das.

 Da ragt aus einem der ausgetrockneten Ästchen ein grüner Trieb mit frischen Blättern in die Höhe. Fast wie ein erhobener Zeigefinger streckt sich dieses grüne Etwas aus dem graubraunen Zweig.

„Da staunst Du, was?“ – und ich staune nicht schlecht, was für die Natur möglich ist. In einer Vase mit kaum Wasser bewirken Licht und Wärme ein kleines Wunder. Dieser grüne Trieb und die kleinen Wurzeln sind für mich ein Hoffnungszeichen.  Es muntert mich auf. Und es ermutigt mich, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Die Hoffnungszeichen zu sehen, die die Natur schenkt und nicht nur sie. Wieviel Positives erlebe ich im Corona-Alltag!

 Die Nachbarin, die mir ein Stück Kuchen vor die Tür stellt. Musiker, die vor dem Krankenhaus ein Ständchen spielen. Jugendliche, die am Abend ein Kerzenmeer vor einem Pflegeheim aufstellen, um zu signalisieren, wir denken an Euch.

Diese Zeichen machen mich zuversichtlich. Und sie ermutigen mich, selbst kleine Hoffnungszeichen zu setzen. Ein gutes Wort für jemand, der nicht damit rechnet, eine freundliche Geste, oder einen Brief an jemand zu schreiben, der allein oder krank ist.

Noch etwas bewirkt mein Zweig mit dem frischen Grün und seinen zarten Wurzeln: Ich will nichts und niemand zu früh abschreiben. Ich möchte Dingen eine Chance geben, die zunächst wenig aussichtsreich erscheinen. Vielleicht pflanz ich den Zweig ja ein. Wäre doch gelacht, wenn daraus nicht ein Kirschbaum würde.

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11JAN2021
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Die Theologin Dorothee Sölle beschreibt den Menschen als Wesen, das warten kann. Es gehört zu unserer Natur, dass wir uns nach etwas sehnen, es aber nicht sofort haben können. Um nicht an unseren Visionen zu verzweifeln, sondern sie wach zu halten, warten wir.

Allerdings will dieses Warten Können gelernt sein. Sölle sagt: Das ist jedem klar, der kleine Kinder beobachtet. Sie haben große Mühe zu begreifen, dass „gleich“, „später“ oder „morgen“ nicht heißt: „Niemals“. Für sie gibt es nur hier und jetzt. Deshalb haben sie manchmal auch Angst, wenn die Mama oder der Papa aus dem Zimmer geht, dass das für immer sein könnte.

Warten Können will also gelernt und eingeübt sein. Eine Übung, die uns alle nun schon seit Monaten beschäftigt, die bisweilen nervt und ungeduldig macht. Vor allem, weil eben niemand so genau sagen kann, wann der Spuk vorüber sein wird.

Für mich hat Warten Können viel mit Geduld zu tun. Ich muss aushalten, was ich momentan nicht ändern kann. Ruhe bewahren und dennoch tun, was mir möglich ist. Warten können hat für mich deshalb nichts mit „die Hände in den Schoß legen“ zu tun. Es ist mitunter echte Arbeit.

Oder wie Sölle sagt: „Alle Lebenden warten, das bedeutet nicht einfach ein Fortdauern in der Zeit, das über die Gegenwart hinausreicht. Ein Mensch kommt nicht so vom Heute ins Morgen wie ein Stein! Sich zur Zukunft verhaltend sorgt er, fürchtet er sich und er hofft.“ (aus Dorothee Sölle, Wortschätze, Stuttgart 2009)

Vor allem der letzte Satz beschäftigt mich: sich zur Zukunft verhaltend, sorgt er – fürchtet er sich – und er hofft.“  Alle drei sind für mich Fähigkeiten: sich sorgen im Sinne von sich kümmern, sich fürchten und hoffen können: Kraftquellen, die mir helfen durch schwierige Zeiten zu kommen.

Ich vertraue fest darauf, dass jeder seinen Teil dazu gibt, dass das Virus besiegt wird.  

Und ich bin nach wie vor dankbar, in einem Land leben zu dürfen, in dem so viele sich um das Wohl der älteren Menschen und Schwachen kümmern.

Dass wir auch unsere Ängste ernstnehmen. Das was uns Sorgen macht, nicht herunterspielen, sondern einander mit Respekt begegnen. Das wünsche ich mir.

Und dass wir miteinander eine Kultur des „Warten Könnens“ einüben, in der die Zuversicht die Oberhand behält.  

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