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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

24AUG2024
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„Wir alle sind aus Sternenstaub“ – das ist die Textzeile eines Songs*. Astrophysiker behaupten, wir Menschen bestehen mindestens zur Hälfte aus Sternenstaub. Einem Staub, der bei Sternexplosionen entstanden ist und dann durch das Weltall geschleudert wurde, mit unvorstellbarer Wucht und mit unvorstellbarer Geschwindigkeit. Dieser Sternenstaub setzt sich, laut der Wissenschaftler, zusammen aus kleinsten Elementen, die so stabil sind, dass sie die Sternexplosionen unbeschädigt überstehen und Millionen oder gar Milliarden Jahre als Staub durch das Universum wabern. Bis sie dann zum Beispiel in unserer Galaxie und damit in unserem Körper gelandet sind.

Das finde ich faszinierend und erschreckend. Erschreckend ist für mich die Größe und Unfassbarkeit dieser wissenschaftlichen Erkenntnis. Faszinierend finde ich, dass wir damit also Teile des leuchtenden Universums in uns tragen. Denn nichts Anderes ist ein Stern, ein leuchtender Himmelskörper, der Wärme abstrahlt. Vielleicht sind wir ja auch deshalb so fasziniert vom Sternenhimmel, weil wir ihn quasi in uns tragen.

Die Dichterin Rose Ausländer beschreibt dieses Phänomen für mich wunderbar in folgenden Zeilen:

 

„Über dir

Sonne Mond und Sterne

 

Hinter ihnen

unendliche Welten

 

Hinter dem Himmel

unendliche Himmel

 

Über dir

was deine Augen sehen

 

In dir

alles Sichtbare

und

das unendlich Unsichtbare“

 

Das unendlich Unsichtbare fasziniert mich. Es weist mich auf das Göttliche in der Welt hin – und das Geheimnis, das in jedem Menschen wohnt. Vielleicht ist es dieses göttliche Fünklein, das, was nicht offensichtlich ist. Der innerste Kern.

Etwas, das uns auf das Göttliche in der Welt und in uns selbst hinweist, hin-leuchtet sozusagen. Dieses Göttliche, das in der Geschichte der Menschheit eine besondere Sternstunde erfahren hat. Nämlich damals als Jesus von Nazareth geboren wurde und in dieser Welt gelebt hat. Er lässt uns Menschen bis heute erahnen wie dieser Unsichtbare, wie Gott, ist. Und er weist uns gleichzeitig darauf hin, wie kostbar, ja gottvoll jeder Mensch ist. Dass wir eben nicht nur Sternenstaub in uns haben, sondern auch Gottesfunken. Gottesfunken, die uns über uns hinauswachsen lassen.

 

Songtext von Ich+Ich, (Adel Tawil), „Vom selben Stern“

Gedicht aus: Rose Ausländer, Mutterland Einverständnis

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

23AUG2024
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Eine Stelle im Markusevangelium ist mir in diesen Tagen besonders wichtig. Dort wird berichtet, wie Jesus seine Jünger nach getaner Arbeit auffordert: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir alleine sind und ruht ein wenig aus.“ (Mk 6,31) Sie hatten zuvor weite Wege hinter sich gebracht, geheilt, gepredigt und oft vor lauter Andrang nicht mal Zeit gehabt, etwas zu essen.

Jesus will, dass sie zur Ruhe kommen…und auch er braucht offensichtlich eine Pause. Auch wenn der eine oder die andere den Kopf geschüttelt haben mag, weil da doch noch so viel zu tun war, weil so viele Menschen darauf gewartet haben, von Jesus geheilt zu werden.

Mir gibt diese klare Ansage Jesu, eine Pause zu machen, zu denken. Ich glaube, diese bewussten Unterbrechungen sind notwendig, um danach wieder besser die Not anderer zu sehen und ihnen helfen zu können. Ich kenne solche Situationen: Wenn ich zum Beispiel völlig ausgelaugt bin, kann ich in einem seelsorgerlichen Gespräch nicht mehr gut zuhören. Das verletzt mein Gegenüber und ich hadere dann mit mir selbst.

Deshalb braucht es eine Unterbrechung. In der Geschichte aus der Bibel fahren Jesus und seine Jünger an einen einsamen Ort, sie fahren über den See an das andere Ufer. Sie wechseln die Perspektive. Sie schauen mit dem nötigen Abstand auf das, was war und wie es war…und sie schärfen so den Blick neu dafür, was dran ist, und was nicht oder nicht mehr.

Der Alltag holt sie vermutlich schneller ein, als ihnen lieb ist. Aber durch diese bewusste Unterbrechung gehen sie vermutlich anders, gestärkt weiter.

Mir gefällt es, dass Jesus seine Jünger ermutigt, diese Pause einzulegen und dass er sich selbst eine Verschnaufpause gönnt.

Wenn ich vor lauter To-do Listen kein Land sehe, dann mag ich mich an diese Bibelstelle erinnern und in Gedanken mit an dieses andere Ufer fahren. Und im Gepäck habe ich dann folgende Zeilen von Dorothee Sölle:

 

„Du sollst dich selbst

unterbrechen

zwischen arbeiten und konsumieren

soll Stille sein

und Freude

dem Gruß des Engels

zu lauschen:

Fürchte dich nicht.“

 

zitiert aus: Dorothee Sölle/Luise Schottroff: Den Himmel erden.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

22AUG2024
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Ich bin immer schon gerne an Flüssen gesessen und habe dem Wasser zugeschaut. Dabei habe ich mir vorgestellt, wie es seinen Weg nimmt, vom kleinen Fluss in den größeren – unaufhaltsam dem Meer zu. Flüsse haben eine beruhigende und zugleich belebende Wirkung auf mich, solange sie nicht über ihre Ufer treten und ihr anderes Gesicht zeigen. Sie sagen mir: Es geht immer irgendwie weiter und leben hat etwas mit In-Bewegung-Bleiben zu tun.

Vor einiger Zeit habe ich in Ulm an der Donau eine ganz eigene Flusserfahrung gemacht. Dort gibt es eine kleine handbetriebene Solarfähre, die Menschen behutsam und ruhig vom einen Ufer an das andere bringt. Ich bin mehrmals hin- und hergefahren. Fasziniert davon, wie der Fährmann, ohne groß einzugreifen, sein Boot sicher durch die Strömung steuert. Er bleibt auch dann ruhig und gelassen, wenn er einmal das Ruder gut festhalten oder dagegen steuern muss, um seinen Kurs zu halten. Vielleicht, weil er weiß, dass sein Boot von einem Seil gehalten wird, damit es nicht abtreiben kann

Als ich die Donau mit der Fähre überquert habe, hatte ich das Gefühl: so ist mein Leben. Am einen Ufer beginnt es, am anderen kommt es zum Ziel. Und mitten auf dem Fluss bin ich ausgesetzt. Der Natur und dem Lauf der Welt. Da versuche ich, mein Lebensboot gut von der einen auf die andere Seite zu bringen. Manche Passagen verlaufen ganz ruhig, so dass ich mich fast treiben lassen kann, bei anderen muss ich schauen, wie ich mit der Strömung zu Rande komme und das Ruder gut festhalte. Wie lange diese Reise dauert, ist ungewiss. Manchmal bin ich unsicher, ob es mir gelingen wird, heil anzukommen. Spätestens dann wird es Zeit, dass ich auf dieses Seil schaue. Das Seil, das die ganze Zeit über mitläuft und dafür sorgt, dass mein Lebensboot nicht ziellos umhertreibt. Und ich spüre, wenn ich diese Verbindung nicht kappe, kann ich mich getrost auf die Fahrt einlassen. Für mich ist diese Verbindung mein Vertrauen in Gott. Von ihm fühle ich mich gehalten und geführt. Und dieses Vertrauen darauf gibt mir immer wieder Kraft, die Stromschnellen in meinem Leben zu meistern und die Stürme auszuhalten. Und ich setze darauf, dass er mich irgendwann an diesem anderen Ufer ankommen lässt und dann in seine Arme nimmt.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

21AUG2024
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„Das längste Sommerfest im Allgäu“ – mit diesem Slogan wirbt die Stadt Wangen für die Landesgartenschau in diesem Jahr.

Im Frühling – vor dem Start der Gartenschau, hab ich noch geschmunzelt und gedacht: schau mer mal. Inzwischen denke ich: Ja, das ist es - ein echt sonniges Fest, das schon fast vier Monate dauert, heiter ist, selbst wenn es manchmal stürmt und regnet.

Dass das so ist, liegt für mich an vielen ganz unterschiedlichen Dingen. Klar, dass dabei das wunderschön gestaltete Gelände eine wesentliche Rolle spielt, mit der Argen, unserem Fluss, als Hauptdarstellerin. Sie fließt munter dahin und lädt an vielen Stellen ein, wenigstens die Füße zu baden. Wasser als Lebenselixier … das mag ein Grund für die heitere Stimmung sein.

Ein weiterer sind für mich die vielen schönen Blumenarrangements, Beete und Gebinde, die zum Staunen einladen. Dabei wird spürbar und sichtbar, wie schön und vielfältig bunt diese Welt ist. Seelenbalsam für das äußere und innere Auge.

Dann sind da Spielplätze, originell und liebevoll gestaltet. Sie laden Kinder ein kreativ zu werden, die Zeit zu vergessen und einfach zu buddeln, zu planschen und zu spielen.

Mit das Schönste auf diesem kunter bunter munteren Fest sind für mich die vielen kleinen Ruheinseln und Plätze, wo Menschen beisammensitzen, sich freuen, zwanglos plaudern, miteinander essen…

Eine dieser Inseln ist unser Garten der Kirchen. „Sei unser Gast“ lautet die Einladung an die Besucher. Sie können sich an den Tischen unter dem Beduinenzelt ausruhen, einen Kaffee oder ein Wasser trinken, oder einfach en passant den Durst löschen.

Ehrenamtliche Helfer und Helferinnen – insgesamt sind es 200 – sind dort Tag für Tag im Einsatz, noch bis Anfang Oktober. Sie gestalten ein Mittagsgebet und stehen für ein Gespräch zur Verfügung oder füllen die Wasserflaschen der Durstigen auf.

Diese kleinen Gesten und Begegnungen und die Freude daran, etwas für- und miteinander schön zu gestalten sind es, die diese Gartenschau fürwahr zum längsten Sommerfest in Allgäu machen …bei dem nicht nur die Blumen, sondern auch die Menschen aufblühen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20AUG2024
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„Gönne dich dir selbst“, dieser Satz könnte einem Lebenshilfebuch unserer Tage entstammen. Er steht in einem Brief, den Bernhard von Clairvaux vor über 800 Jahren an den damaligen Papst Eugen schrieb.

Bernhard war Mönch und schon damals ein berühmter Theologe. Er mahnt den Papst in diesem Schreiben, in seiner Arbeit das rechte Maß zu suchen und warnt ihn davor, sein ganzes Leben und Erleben nur davon abhängig zu machen wieviel er arbeitet. „Gönne dich dir selbst!“, fordert er ihn auf, denn, „wie kannst du voll und echt Mensch sein, wenn du dich selbst verloren hast?“

„Gönne dich dir selbst“, dieser Satz treibt mich um. Vielleicht, weil ich mich frage, ob das im Moment so ein Genuss sein würde. Nach einer arbeitsintensiven Zeit müsste ich da wohl erst mal viel Müdigkeit und Leere aushalten und ein Sammelsurium an Eindrücken ordnen. Bernhard meinte sicher nicht, sich sich selbst nur ein- oder zweimal im Jahr zu gönnen – dann, wenn man fast nicht mehr kann. Es geht ihm eher darum, sich täglich eine kurze Auszeit zu nehmen. Zu schauen: Wo bin ich gerade, was beschäftigt mich?

Nicht zuletzt, um durch dieses Innehalten ein gutes Gespür für sich selbst und die anderen und das, was im Moment dran ist, zu bewahren. Gerade dann, wenn man müde und erschöpft ist.

Als ich über diesen Satz nachgedacht habe, kam mir eine junge Frau in den Sinn, die an Leukämie erkrankt war. Ein Kamerateam hat sie über mehrere Jahre hinweg begleitet und dokumentiert, wie sie mit ihrer Erkrankung umgeht. Das war beeindruckend. Mit einer unglaublichen Offenheit hat sie sich den Fragen des Kamerateams gestellt. Eine der Fragen lautete: „Gibt es etwas in ihrem Leben, das Sie anders machen würden?“ Darauf hat sie schlicht geantwortet: „Ja, ich würde mehr Zeit mit mir verbringen.“

Ich würde mehr Zeit mit mir verbringen … mich mir selber gönnen. Einfach da sein, nichts tun als schauen, hören, riechen, fühlen.

Ich würde mehr Zeit mit mir verbringen ... Gönne dich dir selbst … das Vermächtnis dieser Frau und der Appell des Hl. Bernhard fordern mich heraus und ermutigen mich, heute bewusst innezuhalten und wenigstens eine kleine Weile mit mir selbst zu verbringen.

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19AUG2024
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Ein Gedicht von Rose Ausländer begleitet mich, seit ich 20 bin. Vielleicht, weil da in wenigen Worten steht, was für mich Leben bedeutet. Es heißt „Nicht fertig werden“ und endet mit eben diesem Satz „Nicht fertig werden“. Das Gedicht geht so:

 

„Die Herzschläge nicht zählen

Delfine tanzen lassen

Länder aufstöbern

Aus Worten Welten rufen

horchen was Bach

zu sagen hat

Tolstoi bewundern

sich freuen,

trauern

höher leben

tiefer leben

noch und noch

Nicht fertig werden“

 

Ein wunderbarer Text. Es sind Bilder und Worte, die beschreiben, was für mich Leben ausmacht: Neugierig bleiben, wach sein, nicht aufgeben. Darum will ich dem noch ein wenig nachspüren. Die Herzschläge nicht zählen – das bedeutet für mich: nicht dauernd sammeln, messen, wägen und zählen, sondern das Herz ungezählt schlagen lassen, lieben, Herzenswärme einbringen ohne zu fragen, was bringt‘s. Delfine tanzen lassen – das klingt nach Lebensfreude pur, diese Vorstellung, wie sie elegant im Wasser springen. Länder aufstöbern – ein feines Bild für reisen und dabei in der Welt zu kramen wie in einer alten Kiste und sich dabei überraschen lassen. AusWorten Welten rufen – darunter verstehe ich: in einem guten Buch zu schmökern oder durch ein befreiendes Wort, das ich zu jemand sage, eine Tür aufmachen... Horchen, was Bach zu sagen hat. Diese Worte legen mir nahe, mir immer wieder Zeit zu nehmen, einfach Musik zu hören; mich von ihr berühren zu lassen und nichts Anderes nebenher zu tun, weil diese Melodie dann direkt in die Seele sprechen kann. Tolstoi bewundern – Nachspüren welch tiefe Einblicke der Schriftsteller in die Psyche des Menschen hatte und wie toll er das in Worte fassen konnte. Höher leben, tiefer leben noch und noch…das heißt für mich: träumen können und mich zum Himmel strecken. Ich vertraue darauf, dass es etwas gibt, das mein Denken übersteigt. Gleichzeitig spüre ich, dass ich fest verwurzelt in der Erde bin, dass ich trauern kann, ohne zu verzweifeln und immer wieder aufstehen und weitermachen - halt nicht fertig werden.

Gedicht aus: Rose Ausländer, Hinter allen Worten, Frankfurt 2002, S.135

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

23MRZ2024
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Morgen feiern die christlichen Kirchen Palmsonntag und erinnern an den umjubelten Einzug Jesu in Jerusalem. Auf einer Eselin ist er damals in die Stadt eingeritten, viele Menschen sind vor und hinter ihm hergegangen, haben ihre Kleider und Palmzweige auf dem Weg ausgebreitet und ihm „Hosanna – gesegnet sei er, der kommt im Namen Gottes“ zugerufen. Wie einen Helden haben sie ihn empfangen mit allem drumherum.

Dass die Stimmung damals innerhalb von wenigen Tagen gekippt ist und am Ende dieser Woche derselbe Jesus verurteilt am Kreuz stirbt, ist schwer zu begreifen und doch eine historische Tatsache, an der nicht zu rütteln ist.

Was ist passiert, dass die Passion im Sinne von Leidenschaft Jesu zu der Passion – seinem Leiden am Kreuz wurde?

Vielleicht geht es zunächst einmal darum zu schauen, was denn eigentlich die Leidenschaft Jesu war, wofür hat er gelebt und gebrannt?

Sehr verkürzt und vereinfacht: Für einen Gott, der die Menschen liebt, der barmherzig ist und niemanden aufgibt. Für einen Gott, der sich auf die Seite der Armen und Schwachen in der Gesellschaft stellt und betont, dass das Gesetz für den Menschen da ist und nicht andersherum.

Der Priester und Schriftsteller Lothar Zenetti beschreibt Jesus so:

„Wo er war begannen Menschen freier zu atmen

Blinden gingen die Augen auf

Gedemütigte wagten es zum Himmel aufzuschauen

und Gott ihren Vater zu nennen…

…Er stand dafür ein

dass keiner umsonst gelebt

keiner vergebens gerufen hat

dass keiner verschwindet namenlos

im Nirgends und Nie

dass der Letzte noch

heimkehren kann als Sohn …“

 

Dass Jesus dabei im Namen seines Gottes spricht und handelt - davon war er überzeugt und nicht bereit auch nur ein Jota davon abzuweichen.

Dass das wiederum den gesetzestreuen Machthabern nicht passte, verwundert nicht weiter. Dass er Widerstand provoziert hat, auch nicht. Das hat ihn nicht weiter erschüttert. Er ging dem Konflikt nicht aus dem Weg und ist sich und seinem Gott treu geblieben. Hat den aufrechten Gang gewagt – das hat er letztlich mit seinem Leben bezahlt.

Dass er sich so treu geblieben ist, dieser Jesus von Nazareth, ist das, was mich mit am meisten an ihm fasziniert.

Und ich hoffe, dass auch ich nicht müde werde, das, was ich von seiner frohen Botschaft verstanden habe, weiter zu erzählen und zu leben.

 

Aus: Lothar Zenetti, Auf seiner Spur, Grünewald, S.134

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

21MRZ2024
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Passwort vergessen … wie oft passiert mir das. Immer wieder nehme ich mir vor, endlich eine Liste anzulegen für all die verschlüsselten Codes, ohne die heutzutage so gut wie nix mehr geht. Kein online-banking, Fahrkarten buchen, Mails abrufen und so weiter und so fort.

Passwörter sind wichtig. Sie sind so was wie ein Schlüssel zu ganz vielen Dingen. Damit ich sie mir besser merken kann, haben meine Passwörter oft etwas mit meinem Leben zu tun: Der Geburtstag der Oma kommt drin vor, ein Ort an dem ich gerne war, oder der Titel eines Buches.

Als ich das letzte Mal ein neues Passwort kreieren musste habe ich mich gefragt: Gibt es nicht auch so was wie ein Passwort für mein Leben? Also einen Zugang oder eine Art Schlüssel?

Mir kommt dazu eine Geschichte aus der Bibel in den Sinn. Es ist die Stelle als Jesus im Jordan getauft wurde. Eindrücklich wird dort erzählt, wie sich dabei der Himmel öffnet und eine Stimme aus den Wolken sagt: „Du bist mein geliebter Sohn…an dir habe ich Gefallen“ (Mk 1, 11).

Wow – was für eine Zusage: Du bist mein geliebter Sohn. Nicht nur mein Sohn … mein geliebter Sohn. Dieses große kleine Wort geliebt steht am Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu und ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses „von Gott geliebt sein“ der Schlüssel oder das Passwort für sein Leben geworden ist. Daran hat er geglaubt und daran, dass diese Zusage allen Menschen gilt. Du Mensch bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter.

Das hat ihn bestärkt, zu handeln, sich um Arme und Schwache zu kümmern, Kranke zu heilen, Mißstände anzuprangern, Versöhnung zu stiften und Gott als liebenden Vater zu sehen.

Mir fällt es nicht immer so leicht, zu glauben, dass auch ich von Gott geliebt bin.

Geliebt werden, das kann ich nicht selbst machen, das wird mir geschenkt. Die Frage ist, ob ich dieses Geschenk annehmen kann? Gleichzeitig erlebe ich, wie gut es mir tut, wenn mich jemand spüren lässt, wie sehr er oder sie mich mag oder gar liebt. Das wärmt mich von Innen, bringt mich mir selber näher, ist wie ein Schlüssel – ein Passwort zu meiner Seele.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20MRZ2024
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Heute ist Frühlingsanfang, Tag- und Nachtgleiche, wie man früher gerne diesen Tag genannt hat, an dem es gleich lang hell wie dunkel ist. Für mich immer ein guter Wendepunkt im Jahr. Ab jetzt werden die Tage wieder spürbar länger hell sein und die dunkle, manchmal düstere, Winterszeit ist hoffentlich vorbei.

Wie gut es tut, wenn es wieder hell wird, habe ich diesen Winter auf besondere Weise erfahren. Ich bin Anfang des Jahres in Chartres gewesen, in Frankreich. Die Kathedrale dort mit ihren herrlichen Glasfenstern und dem berühmten Labyrinth hat es mir seit Langem angetan. Jetzt hatte ich die Chance dort eine Woche lang mit einer Gruppe eine spirituelle Auszeit zu verbringen. Jeden Morgen sind wir sehr früh zur Kathedrale gegangen. Es war noch völlig finster, draußen im Freien genauso wie in der Kathedrale. Nur eine einzige Kerze hat in dem riesigen Raum gebrannt. Schweigend sind wir jede und jeder für sich umhergegangen auf diesen über tausend Jahre alten Steinen, haben uns hineingetastet in den Bauch und die Winkel der Kathedrale und in den neuen Tag. In der guten halben Stunde, die wir jeweils dort gewesen sind, habe ich immer wieder neue Plätze entdeckt. Hab mich mal auf einen Stuhl im Kirchenschiff gesetzt, mich an die eine oder andere Säule gelehnt und so immer wieder eine andere Perspektive eingenommen.

Dabei hat es mich besonders berührt, wie sich der ganze bis dahin dunkle Raum völlig verändert hat als die Sonne nach und nach aufgegangen ist. Nicht nur die Konturen und Figuren sind nach und nach sichtbar geworden. Es war völlig irre, wie die Fenster plötzlich zum Leben erwacht sind. Ein Feuerwerk an rot und blau und gelb und grün. Was zuvor eher eintönig gewesen ist, wurde bunt. Die bleigrauen Fenster erzählten mit einem Mal Geschichten, ließen Personen aus der Bibel erkennen - in Farben, an denen man sich nicht satt sehen konnte.

Da wir täglich um dieselbe Zeit dort gewesen sind, haben wir erlebt, wie es immer einen Tick früher hell und bunt wurde.

Auch wenn ich natürlich weiß, dass das Licht bis zum Sommer jeden Tag ein wenig früher kommt: das so bewusst in der Kathedrale zu erleben, hat mich fasziniert. Und es hat mir Kraft gegeben, wieder neu zu vertrauen: Was immer auch passiert - es wird wieder hell - jeden Tag. Und es wird wieder bunt; jetzt, im Frühling.

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19MRZ2024
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Er steht meist im Schatten, abseits des Geschehens. Die Bibel erzählt nicht viel vom heiligen Josef, dessen Gedenktag die katholischen Kirche heute feiert. Und doch: Wenn wir die biblischen Geschichten um die Geburt Jesu herum betrachten, dann hatte er eine – wenn nicht sogar die entscheidende Rolle. Leben oder Tod für die schwangere Maria, das lag nach damals geltendem Recht in seiner Hand. Denn als seine Verlobte war sie rechtlich gesehen schon seine Ehefrau. Dass sie von einem Anderen schwanger war, bedeutete somit Ehebruch und der wurde mit Steinigung bestraft. Doch Josef ist nicht rachsüchtig. Er will nicht, dass Maria bestraft wird und stirbt. Deshalb will er sich in aller Stille von ihr trennen. Das zeugt von Größe. Die Bibel nennt Josef deshalb einen Gerechten. Wir würden ihn heute vielleicht als einen „rechten Mann“ bezeichnen. Einer, der sich selbst treu bleibt und das tut, wovon er überzeugt ist. Josef vertraut nicht nur dieser inneren Stimme seines Gewissens, er hört auch auf seine Träume. Und das ist entscheidend für den Fortgang der Geschichte: Ein Bote Gottes erkärt ihm was geschehen ist, was es mit diesem Kind auf sich hat und was er zu tun hat, um Maria und das Kind zu schützen.

Viel mehr erfahren wir nicht über ihn. Kein einziges gesprochenes Wort ist von Josef überliefert. Aber dass er für Jesus eine wesentliche Rolle gespielt hat, davon bin ich überzeugt. Nicht nur, dass der von ihm das schreinern und zimmern gelernt hat. Vermutlich war es Josef, der ihm die Heilige Schrift erklärt und ihm die religiösen Traditionen beigebracht hat. Seine Sicht auf Gott, Mensch und Natur.

Es mag reine Spekulation sein und doch liegt für mich auf der Hand, dass hinter dem wunderbaren Gleichnis Jesu vom barmherzigen Vater, seine eigene Vatererfahrung mit Josef steht. Zu ihm konnte er kommen, ganz gleich was passiert ist. Er hat ihn geprägt. Ihm vorgelebt, was es bedeutet ein „Gerechter“ zu sein. Ein Mensch mit weitem und großen Herzen, der nicht primär dem Gesetz, sondern Gott und den Menschen gerecht werden will.

Von daher ist er auch für mich ein Vorbild, dieser Josef, der unaufgeregt handelt - mit einem feinen Gespür für das, was jetzt gerade dran ist

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