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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

15OKT2025
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Meine Mutter hatte einen Schlaganfall. Deshalb überlegen wir, wo sie nun trainieren könnte. In einer nahegelegenen Stadt gibt es eine Einrichtung dafür. Sie könnte dort einmal die Woche den Tag verbringen. Meine Mutter möchte aber nicht: fremde Umgebung, fremde Leute und morgens sehen die Nachbarn, wohin sie fährt, wenn der Fahrdienst sie abholt. Immerhin willigt sie aber ein, es sich anzuschauen.

Nach der offiziellen Besichtigung kehren wir im Begegnungscafé ein. Sofort fällt uns die große Jukebox im Raum auf. Wir fragen die Dame vom Service danach und siehe da, sie macht die Jukebox an. In dem Moment kommt eine Mitarbeiterin dazu, sie heißt Eva, macht Mittagspause und wählt direkt was aus. Ein Schlager – vielleicht aus den 1970ern – meine Mutter ist gleich hocherfreut und ruft vom Tisch aus: „Und jetzt ein Tänzchen!“. Daraufhin verneigt sich Eva vor mir und fordert mich zum Tanz auf.

Mein Kopf sagt: „Auf keinen Fall! Ich kann gar nicht tanzen.“ Aber mein Bauch sagt: „Nutz die Gelegenheit, das ist bestimmt witzig und Mama freut sich.“ Und tatsächlich sehe ich zu meiner großen Überraschung: Ich lege eine Hand in die von Eva, die andere Richtung Rücken und los geht’s. Eine tolle Sache. Meine Mutter kann’s auch nicht glauben und grinst über das ganze Gesicht.

Im Anschluss unterhalten wir uns länger mit Eva. Sie ist eine beeindruckende Frau. Neben ihrer Arbeit im sozialen Bereich – erst in der Schule, jetzt in der Pflege, engagiert sie sich ehrenamtlich im Stadtrat und in kirchlichen Gruppen.

In den folgenden Tagen merke ich: Meiner Mutter hat es gefallen. Sie erzählt von den erstaunlichen Ereignissen und den interessanten Begegnungen. Sie empfiehlt die Einrichtung sogar anderen. Ob sie selbst will? Sie sagt: Nö. Aber da warte ich mal noch ab. Neues entdecken ist nämlich spannend. Quasi eine Tugend für jedes Alter. Menschen, mit ihren Geschichten und Erfahrungen über Gott und die Welt. Sie können mich inspirieren, mich zum Nachdenken bringen. Und vielleicht ist es wie mit dem Tänzchen: Einfach mal machen! Besonders, wenn einem die Gelegenheit auf dem Silbertablett serviert wird.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

14OKT2025
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Warntage werden immer breit angekündigt. Letztens war es wieder so weit. Als dann aber um 11 Uhr die Sirenen heulen und mein Handy schrillt, habe ich es schon wieder vergessen und erschrecke mich. Ich stehe gerade an der Fleischtheke im Supermarkt. Durch die Menge an Handys um mich herum wird es ziemlich laut. Die Verkäuferin guckt mich erschrocken an. Ich sage: „Es ist doch Warntag.“ Sie antwortet: „Puh. Ach so, ja. Für einen Moment dachte ich: Putin greift an.“ Sie versucht ihren Schrecken wegzulächeln und ergänzt: „Also natürlich glaube ich das nicht wirklich, aber alles ist so furchtbar durcheinander da draußen und irgendwie gibt es gar keine guten Nachrichten mehr.“ Es wird deutlich, wie sehr sie die weltpolitische Lage verunsichert.

Im Anschluss bin ich in der Apotheke. Dort ist es ähnlich. Die Apothekerin sagt: „Ein mulmiges Gefühl bleibt. Ich kann nicht sagen, wie das alles ausgeht. Aber ich hoffe.“ Ihr Satz „aber ich hoffe“ begleitet mich noch durch den Tag. Gerne hätte ich sie gefragt, was oder worauf sie hofft.

Ich hoffe auch. Ich hoffe, dass es gut wird – klingt nach einer Floskel, ist es aber für mich nicht. Ich hoffe, dass die weltpolitische Lage ruhiger wird, nicht jeden Tag neue Konflikte und Krisen hinzukommen und bestehende endlich ein Ende finden.

Für mich als Christin ist meine Hoffnung mit Gott verbunden. Weil diese Welt von ihm gut geschaffen ist, bleibt immer die Hoffnung, dass sie auch wieder die Kurve kriegen kann. Jede und jeder Einzelne und vor allem wir alle miteinander. Das mag naiv klingen. Natürlich ist mir klar: Das geht nicht, schwups. Aber es macht für mich einen Unterschied, ob ich angesichts der Nachrichtenlage den Kopf in den Sand stecke und diese Welt schon abgeschrieben habe. Oder ob ich mich an dieser Hoffnung festhalte – so unkonkret sie auch sein mag. Festgemacht an dieser Hoffnung, komme ich besser durch den Tag.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

13OKT2025
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Auf meinem Weg in die Stadt grüßt mich eine fremde Frau. Sie deutet zum Himmel und sagt: „Schauen Sie mal! Sehen die Schäfchenwolken nicht wunderschön aus?“ Ich bleibe stehen und schaue in den Himmel. Sofort fängt sie an zu erzählen: Sie ist 93 Jahre alt und wohnt im nahegelegenen Altenheim im Betreuten Wohnen. Gerade kommt sie mit ihrem Rollator vom Einkaufen zurück. Zwei Orchideen sitzen in ihrem Körbchen. Sie sagt: „Ich mag rosa Orchideen. Allerdings ist der Weg zum Laden beschwerlich. Es gibt eine große Baustelle, aber die Bauarbeiter haben mich quasi über die Straße getragen.“

Sie berichtet von diversen Knochenbrüchen und der Entscheidung fürs Betreute Wohnen, da die Kinder sich nicht ständig kümmern können.

Ihr Fazit überrascht mich. Sie sagt: „Ich bin stolz auf mich! Ich habe mich immer wieder berappelt, das war oft schwer. Grad gings mir besser und dann bin ich schon wieder gefallen und alles ging von vorne los. Aber es nützt nichts. Ich versuche es einfach immer wieder.“

Ich denke, die Frau hat wirklich allen Grund, auf sich stolz zu sein. Sie könnte sich verkrümeln und die Decke über den Kopf ziehen. Ich weiß nicht, ob ich mich noch raustrauen würde. Es ist doch sehr beschwerlich und auch frustrierend.

Aber sie geht weiterhin raus. Den Rahmen ihrer Möglichkeiten schöpft sie offensichtlich aus. Nutzt Gelegenheiten, um sich selbst eine Freude zu machen und mag sie noch so klein sein. Und sie kann Hilfe im richtigen Moment annehmen.

Ich bin beeindruckt.

Vielleicht braucht es für einen schönen Tag gar nicht mehr als: Froh mit sich selbst zu sein, rosa Orchideen und kräftige Bauarbeiter, die einen auch mal über die Straße heben. Oder anders gesagt: etwas, das mich zum Lächeln bringt sowie Menschen, die mich im richtigen Moment unterstützen. Und natürlich Schäfchenwolken.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

12OKT2025
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Zu meinem achten Geburtstag schenkte mir meine Patentante zwei Mokka-Tässchen. Meine Begeisterung war verhalten. Bei der Küchenrenovierung habe ich sie nun wieder entdeckt. Irgendwie sind sie doch ganz hübsch. Sie sind sehr zart, haben ein Rosendekor und einen Goldrand. In einer kleinen Kaffeezeremonie habe ich sie nun eingeweiht und komme dabei ins Nachdenken.

Meine Tante und ihr Mann erkrankten vor einigen Jahre schwer. Die Erkrankungen sind unterschiedlich, aber beide schreiten voran. Für meine Tante ist es unglaublich belastend, da mein Onkel inzwischen durch seine Alzheimer-Erkrankung in einer eigenen Welt lebt. Meine Tante ist sehr gläubig und ich erlebe, wie sie aufgrund ihrer Situation mit Gott hadert und fragt, was sie verbrochen hat.

Und auch wenn Krankheit keine Strafe ist, finde ich durchaus: Sie hat jedes Recht, ihrem Ärger und vielleicht auch ihrer Wut Gott gegenüber Luft zu machen. Da kann man deutliche Worte finden. Er soll sich bitte diesen ganzen Schlamassel anschauen und vielleicht kann er im Idealfall das Gefühl geben, da nicht alleine durchzumüssen. Das kann dann auch in Form von Freundinnen und Freunden sein, die helfen, unterstützen und begleiten. Die vorbeikommen auf eine Tasse Kaffee, ein offenes Ohr haben oder einfach andere Themen mitbringen und ablenken vom schweren Alltag.

Vielleicht findet sie in der Auseinandersetzung mit Gott auch die Kraft, sich selbst nicht zu vergessen. Schließlich ist sie auch krank. Sie braucht Kraft, viel Kraft – für den Partner und für sich selbst. Dafür braucht sie Pausenzeiten zum Luftholen. Mein Onkel war nun zwei Wochen zur Kurzzeitpflege. Ich frage sie: „Wie war das für dich?“ Sie sagt: „Na ja, als ich mich etwas dran gewöhnt hatte, waren die zwei Wochen schon rum.“

Die Aussicht auf eine nächste Pausenzeit ergab sich vor ein paar Tagen spontan.

Vielleicht fährt sie mal mit nach Trier, damit sie eine Freundin besuchen kann. Und womöglich ergibt sich eine Gelegenheit für eine gemeinsame kleine Pause mit den Mokka-Tässchen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

12JUL2025
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Matthias hat sein ganzes Berufsleben als Polizist gearbeitet: 42 Dienstjahre für die Menschen in Rheinland-Pfalz. Nun ist er frisch pensioniert. Er erzählt: Er ist bei der Bereitschaftspolizei gestartet, war dann an verschiedenen Orten tätig bis hin zur Wasserschutzpolizei. Er sagt: „Wenn ich auf diese ganzen Jahre zurückschaue, bin ich wirklich zufrieden und dankbar. Und ich bin gespannt, was kommt.“

Er sagt das total zuversichtlich und tiefenentspannt. Das ist so typisch für ihn. Für mich ist Matthias die Gelassenheit in Person. Und das selbst dann, als er vor einiger Zeit schwer erkrankt gewesen ist. Damals spürte ich zwar, dass die Krankheit ihn verunsicherte. Aber trotzdem war da diese typische Ruhe, die ihn ausmacht.

Seine Haltung beeindruckt mich. Denn: Der Übergang vom Berufsleben in die Rente oder Pension ist eine Herausforderung. Dieser Übergang ist anders als der von der Ausbildung oder vom Studium in den Beruf. Schließlich kommt das Alter als Faktor hinzu – man wird ja schließlich nicht jünger.

Und es kann die Frage aufkommen: Wer bin ich denn dann noch? Wenn ich nicht mehr ständig erreichbar sein muss für dringende Einsatzlagen. Oder wenn ich nicht mehr als Krankenpfleger eine ganze Station manage. Oder wenn ich meinen Handwerksbetrieb an eine Nachfolgerin abgebe.

Es ist das mulmige Gefühl: nicht mehr wichtig zu sein. Gerade wenn die Arbeit viel Raum eingenommen hat. Als Christin bin ich allerdings davon überzeugt: Jeder Mensch ist wichtig und wertvoll, ganz unabhängig von seiner Leistung. Das klingt floskelhaft, macht aber einen zentralen Unterschied. 

Der Wechsel vom Arbeitsleben in die Rente bedeutet einen Abschied und kann traurig machen. Aber es kommt etwas anderes. Vieles davon ist ungewiss und unbekannt. Aber ich darf – wie Matthias – zuversichtlich sein, dass es gut werden kann oder sogar besser. Sicher nicht jeden Tag – das war es ja bisher auch nicht – bestimmt aber immer wieder.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

11JUL2025
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Wenn Bienen schwärmen, ist das ein faszinierendes Ereignis. Tausende Bienen sprudeln zusammen mit der alten Königin aus einem Bienenkasten. Oft setzen sie sich erstmal an den nächstbesten Baum. Von dort suchen sie nach einem neuen Zuhause – einer geeigneten Nisthöhle.

Der Biologe Thomas Seeley hat sich sein ganzes Leben mit dem Studium von Schwärmen beschäftigt. Er sagt: Ein Bienenschwarm entscheidet sich in einem demokratischen Prozess für eine neue Wohnung.

Einzelne Bienen erkunden die Landschaft nach Nisthöhlen. Sie vermessen sie sogar akribisch. Tanzend berichten diese Kundschafterinnen von ihrer Entdeckung. Schließlich stehen verschiedene Nistplätze – quasi als Kandidaten – zur Wahl. Dafür machen einzelne Bienen Werbung, also Wahlkampf. Die übrigen Bienen sind die Wählerschaft.

Ich finde diesen Prozess beeindruckend. Er kann dauern, wenn lange Zeit Uneinigkeit herrscht. Jede Biene wird angehört, keine wird ausgegrenzt. Aber die Argumente für die jeweilige Nisthöhle müssen überzeugend sein. Sie werden auch überprüft, indem andere Bienen sie sich anschauen. Leere Versprechungen werden also schnell entlarvt. Und es wird nicht nach dem eigenen Vorteil gesucht, sondern nach einer guten Lösung für das gesamte Bienenvolk. Letztlich wird die Nisthöhle genommen, die am meisten überzeugt hat. Und tatsächlich ist es in der Regel die bestmögliche Entscheidung für den Schwarm.

Diese zauberhaften kleinen Insekten gestalten auf ganz natürliche Weise einen demokratischen Prozess. Da werden wir es ja wohl schaffen, unsere Demokratie zu bewahren und nicht menschenfeindlichen und ausgrenzenden Parolen auf den Leim zu gehen.

Im alten Ägypten hieß es, Bienen seien von den Göttern geschickt. Sie sollen uns zeigen, wie wir in Süße, Schönheit und Frieden miteinander leben. Als Christin kann ich da gut mitgehen: Bienen sind für mich Geschöpfe Gottes. Und auch für uns geht es doch darum, im Miteinander die bestmögliche Lösung zu finden.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

10JUL2025
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Im Frühjahr hatte meine Mutter einen Schlaganfall und der verursachte eine halbseitige Lähmung. Es war das Szenario, vor dem sie sich immer gefürchtet hatte. Am dritten Tag im Krankenhaus war Chefarztvisite. Der Chefarzt fragte: „Wie geht es Ihnen?“ Sie sagte: „Ich will nach Hause.“

Ich biss mir auf die Lippe und wartete gespannt auf seine Antwort. Die fiel ganz anders aus als ich dachte. Er sagte: „Das ist sehr gut! Wirklich! Hauptsache, Sie wollen etwas.“ Er erklärte noch näher, was er damit meinte: „Der Großteil meiner Patientinnen und Patienten will gar nichts mehr und das ist ganz schlimm. Dann passiert auch nichts mehr. Heute und auch morgen können Sie noch nicht nach Hause. Es wird etwas dauern. Aber die Hauptsache ist: Sie wollen etwas!“

Seine Worte haben mich erstaunt und beeindruckt. Er tat ihren Wunsch nicht ab im Sinn eines Hirngespinstes, das jemand hat, der die eigene Lage offensichtlich völlig überschätzt oder falsch wahrnimmt. Schließlich war im Gehirn gerade einiges kaputtgegangen. Er nahm sie ernst und unterstützte sie. In den anschließenden Tagen und Wochen wurde mehr als deutlich, was er gemeint hatte. Es gab gute Tage mit positiven Entwicklungen, es gab schwere Tage, und es gab Tage, in denen alles auf der Kippe stand. Aber immer war da dieser Wille – auch der mal kräftiger, mal etwas angeschlagen. Mal zweifelnd, mal schimpfend, mal stolz, mal einfach guter Dinge. Aber er war immer da. Der Arzt hatte den Kern getroffen: Es braucht diesen entschlossenen Willen und ein klares Ziel. Ein Ziel, das sie für sich selbst bewahrt und das sie verteidigt – auch gegen Skepsis, Zweifel und Ängste anderer.

Inzwischen sind vier Monate vergangen. Krankenhaus, Kurzzeitpflege, Reha. Meine Mutter sagt immer: „Man geht abends gesund ins Bett und morgens ist die Welt eine ganz andere.“ Ja, das ist so. Und ich kann mich nicht wirklich auf alle Eventualitäten und Entwicklungen vorbereiten. Aber ein starker Wille kann offensichtlich ein Segen sein.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

05MRZ2025
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In meinem Freundeskreis sammeln wir gerne Sätze, die man auf ein Shirt drucken sollte. Ganz weit vorne liegt aktuell die Aussage: „Dir fehlen so viele Latten am Zaun, du solltest überlegen eine Hecke zu pflanzen.“ Dieses Shirt möchte ich gerade gerne so einigen in der Weltpolitik schenken. Und parallel dazu brauche ich ein Shirt, auf dem steht: „Gelassenheit ist unsere größte Stärke.“ Anders kann ich die momentane weltpolitische Lage nicht ertragen.

Am heutigen Aschermittwoch fällt mir ein dritter Satz ein. Er wird gesprochen, wenn in der Kirche den Gläubigen ein Kreuz aus der Asche von verbrannten Buchsbaumzweigen auf die Stirn gezeichnet wird: „Mensch bedenke, dass du Staub bist und zum Staube zurückkehrst.“

Wir alle werden irgendwann sterben. Angesichts dieser Tatsache ist Größenwahn nicht angezeigt. Jedem Menschen werden einige Jahre auf diesem Planeten geschenkt. Unzählige waren vor mir da, unzählige kommen nach mir. Ich bin nicht mehr oder weniger wichtig als irgendeiner dieser anderen Menschen. Und alle haben ganz ähnliche Bedürfnisse: Wir möchten essen, schlafen, einen Ort zum Leben haben. Wir möchten geliebt werden, Freundinnen und Freunde haben.

Darum müssen wir uns also kümmern: wir alle mit- und füreinander. Von meinem christlichen Glauben her würde ich sagen: es geht darum, einander zu dienen. Ich kümmere mich um andere, helfe, wenn ich helfen kann.

Die kommenden Wochen bis zum Osterfest sind zum Üben ideal. Leider kann ich zwar nicht direkt die Weltprobleme lösen – ich kann aber klein anfangen und mich vorarbeiten: Anstatt laut zu maulen in der Warteschlange, nutze ich die Zeit für eine gesunde aufrechte Rückenhaltung. Ich puste mich nicht auf und schreie los, wenn mir jemand meine Parklücke wegnimmt. Und vielleicht schaffe ich es und schenke einem fremden Menschen auf der Straße im Vorrübergehen einfach mal ein Lächeln.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

03MRZ2025
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Karneval ist noch nie mein Thema gewesen. Als Kind fand ich es ganz witzig mich zu verkleiden: Im Kindergarten als Fliegenpilz, in der Grundschule als Prinzessin. Das war’s dann aber auch. Daher nehme ich mir am Rosenmontag am liebsten frei und mache eine kleine Auszeit. Da in Trier an dem Tag aber Halligalli und Ausnahmezustand herrscht, fahre ich lieber etwas raus in die Eifel.

Letztes Jahr bin ich am Weinfelder Maar gewesen. Es ist eher klein, aber die Farben des Wassers sind so wunderschön: mal ganz türkis, dann dunkelblau oder hellblau. Es gibt alte Bäume, die mit ihren Zweigen bis ins Wasser hineinreichen.

Ich sitze schon eine Weile auf einer Bank und schaue fasziniert auf die Farben im Wasser, als sich eine Frau zu mir setzt. Sie sagt: „Es ist so schön hier. So schön ruhig.“ Wir unterhalten uns ein wenig. Sie ist rausgefahren, weil es ihr an diesem Tag in Koblenz zu laut ist. Dabei mag sie Karneval. Sie ist mit ihrem Mann schon oft auf Sitzungen gewesen. Vor acht Monaten ist er gestorben. Einfach so. Sie sagt: „Die Fröhlichkeit an diesem Tag ist mir heute zu laut. Meine Fröhlichkeit kommt erst langsam wieder. Sie ist noch ganz leise.“ Deswegen verbringt sie den Tag lieber draußen, abseits des Rummels in den Städten und Dörfern.

Da es im Sitzen auf der Bank recht frisch ist, gehen wir doch lieber weiter. Dabei erzählt sie mir noch von ihrem Plan für den Abend. Ein Lieblingsfilm von ihr und ihrem Mann sei der Film über die Kindheit von Hape Kerkeling gewesen, dessen Mutter starb als er noch in der Grundschule war. Und ihre Lieblingsszene sei, wo der kleine Hans-Peter verkleidet eine andere Frau nachmacht. Er winkt dabei mit einem leeren Eierlikörglas und sagt: „Ich nehme gerne noch ein Eierlikörchen. Das Leben muss doch irgendwie weitergehen.“

Die Frau lächelt mich an und sagt dann zum Abschied zu mir: „Den Eierlikör habe ich schon mal kaltgestellt.“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

30NOV2024
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Der Bauherr einer Trierer Baustelle hat mich als Imkerin gebeten, mal einen Blick auf seine Wand zu werfen, da sollen Insekten wohnen. Ich bin überrascht: „Tatsächlich! Da wohnt ein Volk von Honigbienen.“ Allerdings wird deren Einflugloch durch die Bauarbeiten bald verschlossen. Daher fragt der Bauherr: „Was können Sie tun?“

„Nun ja: Erst muss man die Wand öffnen und dann das Nest als Ganzes entnehmen. Das ist viel Arbeit und es ist teuer. Zudem ist unklar, ob das Volk vital ist oder ob es nur noch eine kleine Gruppe ist, die den Winter eh nicht überleben würde.“

Ich gehe davon aus, dass er meinen Vorschlag ablehnt und stattdessen einen Kammerjäger beauftragt, das Volk zu töten. Aber der Bauherr sagt nur: „Dann machen wir das so.“

Zwei Wochen später ist es so weit. Ein Bauarbeiter schneidet die gemauerte Wand mit einer Steinsäge auf. Dann werden Steine mit einem Bohrhammer aus der Wand geschlagen. Waben werden sichtbar. Der Bauarbeiter arbeitet sich weiter vor. Entfernt noch eine Lage Steine. Plötzlich fliegen einige wenige Bienen. Ich schaue in das Loch in der Wand: „Ja, hallo, da seid ihr ja.“ Hinter einer dünnen Mörtelschicht sehe ich eine Traube an Bienen. Etwas verstaubt, aber munter. Vorsichtig bette ich sie in ihr neues Zuhause um.

Bauarbeiter und Bauherr sind fasziniert von dem Kunstwerk in der Wand, das diese kleinen Bienen sich dort gezimmert haben.

Es ist immer noch nicht sicher, ob die Bienen den Winter überleben werden. Ein Kammerjäger wäre billiger gewesen. Aber hier gilt kein Kosten-Nutzen-Kalkül. Hier fühlt jemand mit und respektiert die Tiere – hier lebt jemand Werte.

Dieses Erlebnis ermutigt mich. Denn als Christin sehe ich das auch so: Jedes Leben – Tier wie Mensch – ist wertvoll.

Und es gibt unzählige Menschen, die das leben. Man findet sie zum Beispiel, wenn sie sich beruflich wie ehrenamtlich, um alte und kranke Menschen kümmern. Oder wenn sie Jugendlichen bessere Startbedingungen ermöglichen.

Dem Gegenüber das Gefühl geben, wertvoll zu sein. Jeder und jede kann das. Und unsere Welt kann es gerade dringend gebrauchen.

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