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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Wie würdest du dir deinen Lebenspartner wünschen?“ Diese Frage stand plötzlich im Raum. Und ich habe gemerkt, dass sie gar nicht so einfach zu beantworten ist. Ich saß mit ein paar anderen jungen Frauen zusammen in einer WG in Argentinien. Unser freiwilliges soziales Jahr sollte bald zu Ende gehen. Und wie das so ist, ging es irgendwann um das Thema Männer. Und dann eben die Frage: „Wie würdest du dir deinen Lebenspartner wünschen?“

Meine spontane Antwort war: „Gesehen zu werden“ Damals konnte ich noch nicht so gut ausdrücken, was ich damit alles meinte. Heute glaube ich, dass es die tiefe Sehnsucht war, so gesehen und akzeptiert zu werden, wie ich bin, mit allen Licht und Schattenseiten. So gesehen zu werden, dass es weit über das hinausgeht, was ich scheinbar auf den ersten Blick bin. Da gehört eine Menge Vertrauen dazu, denn manchmal ist es gar nicht so einfach, sich anschauen zu lassen, gerade wenn es mir schlecht geht, und ich mich klein und unansehnlich fühle.

Ein Musterbeispiel dafür, wie das gehen kann mit dem „gesehen werden“, gibt die Bibel in der Geschichte mit Jesus und Zachäus. Zachäus ist reich aber unbeliebt, weil er als Zöllner in die eigene Tasche wirtschaftet. Und dieser Zachäus möchte unbedingt Jesus sehen. Da viel los ist in den Straßen, steigt er auf einen Baum. Und tatsächlich: Jesus bleibt stehen, schaut ihm direkt in die Augen und nennt ihn sogar beim Namen. Jesus kehrt bei Zachäus ein, was ihm den Unmut vieler anderer beschert. Warum gerade bei einem Zöllner und Wucherer?

Jesus weigert sich, Menschen zu verurteilen oder in Schubladen zu stecken. Er muss gespürt haben, dass da jemand ist, der angesehen werden will. Jemand, der – im wahrsten Sinne des Wortes - Ansehen braucht. Jesus ist nicht blind gegenüber den Fehlern und Schwächen von Zachäus, aber er nimmt den Zöllner so an, wie er ist. Und das eröffnet für Zachäus die Möglichkeit, sich zu ändern.

Ich wünsche mir, dass Gott auch mich immer wieder mit diesem liebevollen Blick anschaut, der so vieles möglich macht. Aber ich wünsche mir auch, dass ich diesen Blick von anderen Menschen bekomme und sie selbst so sehe.

Ein Blick, der sagt: Ich sehe Dich – es ist gut, dass es Dich gibt!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Schon mein ganzes Leben tanze ich wahnsinnig gerne. Früher habe ich mich als Kind im Keller eingeschlossen, damit keiner meiner Brüder mich damit ärgern kann, wie die Bewegungen aussehen. Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass es beim Tanzen um mehr geht,  als nur ein bestimmtes Ideal zu erfüllen.

Als ich angefangen habe, Musik und Bewegung zu studieren, ist mir klar geworden: mit dem Tanzen kann ich etwas ausdrücken, wie mit einer Sprache – nur mit dem Körper. Eine wichtige Rolle hat dabei meine Tanzdozentin gespielt. Ihre Trainingseinheiten waren etwas ganz anderes, als was ich bisher kannte. Im Vordergrund stand plötzlich nicht mehr durchhalten oder mich ständig verbessern zu müssen. Sie hat mich dazu gebracht, mit meinem Körper zusammenzuarbeiten.  Es ging nicht mehr darum, dass das Bein höher oder die Bewegung schneller sein sollte, sondern es ging darum, neugierig zu sein und den Impulsen des Körpers zu folgen. Wie kann ich die Bewegung so ändern, dass sie mich nicht anstrengt, sondern sogar erfrischt, je länger ich ihr folge?

Zum ersten Mal habe ich Trainingszeiten nicht als Turnübungen erlebt, sondern als Tanz.

Diese neue Art zu tanzen, hat mich viel für mein Leben und für meinen Glauben gelehrt. Es tut mir zum Beispiel gut, spielerisch an Aufgaben heranzugehen. Ich frage dann nicht, was ich alles noch tun sollte. Im Vordergrund steht: „Wie kann ich mich so mit einer Aufgabe verbinden, dass sie mich nicht belastet, sondern bereichert?“

Diese Erfahrung findet sich in einem wunderbaren Gedicht von Madeleine Delbrêl, aus welchem ich zitieren möchte:

„Um gut tanzen zu können,

braucht man nicht zu wissen, wohin der Tanz führt.

Man darf nicht um jeden Preis vorwärts kommen wollen.

Manchmal muss man sich drehen oder seitwärts gehen.

Und man muss auch innehalten können -

oder gleiten, anstatt zu marschieren.

Und das alles wären ganz sinnlose Schritte,

wenn die Musik nicht eine Harmonie daraus machte.

Wir aber, wir vergessen so oft die Musik Deines Geistes.

Wir haben aus unserem Leben eine Turnübung gemacht.

Wir vergessen, dass es in Deinen Armen getanzt sein will,

dass Dein heiliger Wille von unerschöpflicher Phantasie ist.“

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Anstöße sonn- und feiertags

„Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Vorsätzen!“ „Wie bitte?“ – damit habe ich nicht gerechnet. Und schon gar nicht aus dem Mund einer Ordensschwester. Ich bin zum Jahreswechsel in einem Kloster – eine Zeit der Stille, um das vergangene Jahr würdig zu verabschieden und das Neue wohlvorbereitet zu beginnen. Gerade habe ich der Ordensschwester erzählt, welche schlechten Gewohnheiten ich im Neuen Jahr gerne lassen möchte. Ich muss gestehen – es sind dieselben, die bei Meinungsumfragen ganz oben auf der Liste stehen: bewusster leben, Freundschaften pflegen, mehr Sport, gesünder  essen... und so weiter.
Und  dann sagt die Schwester diesen Satz: „Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Vorsätzen!“ Ich bin total irritiert – soll ich mir etwa nichts vornehmen? Das ist doch der Sinn von Sylvester – Ich kann ein Kapitel abschließen und hoffnungsfroh ein neues aufschlagen – bei dem dann im besten Fall alles besser wird.
„Hat es denn jemals funktioniert?“ fragt mich die Schwester. Ich muss zugeben – nein! –
Und sie fragt weiter: „Und was ist geblieben?“ fragt sie weiter- ja klar – ich weiß schon, worauf sie hinaus will. Ein Haufen Frust, Enttäuschung und viel Ärger auf mich selbst sind geblieben.
Ich möchte aber noch nicht so ganz aufgeben und protestiere: „Aber wenn ich mir nichts vornehme, kann ich mich ja auch nicht ändern und weiterentwickeln!“
„Dann lass es doch!“ kommt die Antwort. Hmmm – interessanter Gedanke – irgendwie ein bisschen unheimlich – aber auch sehr verlockend, wenn ich ehrlich bin.
Ich nehme mir einfach vor, mir nichts vorzunehmen.

Es stimmt ja, wie oft merke ich, dass mich meine Erwartungen blockieren – obwohl sie mich eigentlich beflügeln sollten. Damit meine ich nicht, dass man nicht träumen sollte. Es hält mich wach und lebendig, mehr zu wollen - intensiver und achtsamer zu leben. Aber ein Vorsatz ist tatsächlich etwas anderes als ein Wunsch – er setzt mich unter den Druck, einem Ideal gerecht werden zu müssen. Der Vorsatz kann plötzlich wichtiger werden als ich selbst.

Ich habe mir dann tatsächlich nichts vorgenommen – und es war eine sehr befreiende Erfahrung. Das Verrückte war, dass ich vieles besser umsetzen konnte, was ich mir nicht vorgenommen hatte. Und die Moral von der Geschicht? Beginn das Jahr mit einem Vorsatz nicht!

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