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SWR2 Wort zum Tag

13JUL2023
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Vor mir fliegt ein Schmetterling über den Weg. Lustig flattert er auf und nieder, bis er sich auf einer der Blumen am Rand niederläßt, um dann gleich wieder weiterzufliegen. Wir sind mit der Familie auf dem Rheindamm südlich von Speyer zu einem Spaziergang unterwegs. Auf der rechten Seite des Dammes die fruchtbaren Äcker und Streuobstwiesen von Römerberg und links der Rheinauenwald mit seinen vielen Eschen, Pappeln und Eichen auf feuchtem Grund. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und alles duftet herrlich nach Sommer.

Schon länger war ich nicht mehr zu einem Spaziergang draußen in der Natur und erst jetzt merke ich, wie sehr mir das gefehlt hat. Ich genieße die frische Luft, den blauen Himmel, die Wärme der Sonne, den fröhlichen Gesang der Vögel. Mein Schritt wird leicht und beschwingt. Ein Sommerlied kommt mir in den Sinn: Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit. Es ist von Paul Gerhardt. Vor 370 Jahren, hat er es gedichtet. Fünf Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges. Auch nach 30 Jahren Krieg und Zerstörung, Hunger, Gewalt und Seuchen, kann er sich noch, oder vielleicht gerade deswegen wieder, am Reichtum und der Schönheit der Natur freuen. Und ein Lied dichten, das das Leben und das Gottvertrauen besingt.

Geh aus mein Herz und suche Freud. Recht hat er mit seiner Aufforderung. Wer zu lange in der Stube bleibt, versauert irgendwann. Verlernt den Gang nach draußen. Sucht und sieht vielleicht gar nicht mehr das Schöne und Gute, sondern nur noch das, was alles schlecht und misslich ist.

Paul Gerhardt ermuntert dazu, die Freude zu suchen. Vielleicht gerade auch dann, wenn es einem nicht so gut geht. Der Sommer bietet so vieles, was das Herz erfrischt, und die Seele erfreut. Und in der Natur kann beim Spazierengehen so vieles entdeckt werden: „Schau an der schönen Gärten Zier“, dichtet er, „und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben“. In all der Herrlichkeit und Schönheit der Natur sieht er Zeichen von Gottes Güte.

Ja, denke ich, es ist eigentlich ganz einfach. Und ich müsste es viel öfter tun. Rausgehen. In die Natur. Und das Leben sehen. In seiner ganzen Fülle. Und so die Freude suchen und finden. Wenn die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und alles herrlich nach Sommer duftet.

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SWR2 Wort zum Tag

31MAI2023
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„Die Geschwindigkeit, mit der das Sterben voranschreitet, hat mich doch sehr überrascht“, sagt Reiner Voß, Fotograf aus Kaiserslautern, als er seine Fotografien über den Klimawandel in der Pfalz zeigt. Und sie sind eindrücklich.

Über die letzten Jahre hinweg hat er dokumentiert, was Dürre, Hitze, Wasserknappheit mit Pflanzen und Landschaft in der Pfalz anrichten können. Und wie der Grundwasserspiegel inzwischen gesunken ist.

Ich sehe Fotografien von schwer geschädigten Bäume, toten Pflanzen, rissiger Erde, Flüsse und Seen, die früher Wasser führten und auf einmal ausgetrocknet sind wie der Jagdhausweiher bei Kaiserslautern im Frühsommer 2021.

Es ist ein Einführungsvortrag für den Beschluss eines Klimaschutzgesetzes auf der Landessynode der Ev. Kirche der Pfalz. Mit Betroffenheit sehe ich diese Bilder. Und mit ebensolcher Betroffenheit höre ich die Sorgen und Ängste vieler in der sich anschließenden Diskussion. Ich höre Unverständnis, dass immer noch nicht allen die Notwendigkeit des Klimaschutzes einleuchtet.

Ich höre die wütende Frage, welchen Sinn es macht, wenn ihn nur wenige und so viele andere nicht tun.

Und ich höre die Ratlosigkeit und Angst im Blick darauf, dass noch nicht klar ist, wie das alles, selbst bei bestem Willen, überhaupt gehen soll. Wenn die Kosten für Heizung und energetische Sanierung von Gebäuden so hoch sind, dass sie von vielen Gemeinden und auch als Privatperson gar nicht aufzubringen sind.

Auch ich teile diese Sorgen. In beiderlei Hinsicht. Aber nichts tun ist für mich keine Option. Es geht für mich da auch um Glaubwürdigkeit. Für mich als einzelnen Christen und auch für meine Kirche. Wenn wir jetzt keine Schritte unternehmen, um unseren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, auch wenn dieser Beitrag im Blick auf das globale Ganze vielleicht nur gering erscheinen mag, würde uns als Christinnen und Christen und als Kirche irgendwann jede Predigt zur Erhaltung der Schöpfung als unglaubwürdig vorgeworfen werden. Und das zu Recht.

Bei allen Fragen und Sorgen in Bezug auf Kosten, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Umsetzung hat am Ende die Synode der Ev. Kirche der Pfalz auch so entschieden: Klimaschutz ist notwendig. Unbedingt. Der Weg dahin wird in jedem Fall nicht einfach. Aber es ist ein Anfang gemacht. Ein erster Schritt getan.

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SWR2 Wort zum Tag

30MAI2023
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Ich stehe an der Brüstung auf dem hohen Turm der Gedächtniskirche in Speyer. Und schaue über die Dächer der Stadt ins weite Land. Es ist früh am Morgen und der Wind ist noch frisch. Aber die Sonne scheint und die Luft ist klar. Nicht weit entfernt sehe ich den Dom, dann den Rhein und in der Ferne die Ausläufer von Odenwald und Kraichgau.

Eigentlich musste ich hier oben nur nach dem Rechten sehen. Hatte vor lauter anderer Arbeit aber gar keine Lust dazu. Aber nun, beim Anblick der wunderbaren Weite dieser Welt, spüre ich ein Gefühl von Freiheit in mir. Dabei sehe ich, wie eine Taube vom Dachreiter der Kirche mit ein paar Flügelschlägen aufsteigt, und sich dann vom Wind weiter tragen lässt, der Sonne entgegen. Wie gern würde ich es ihr gleichtun. Einfach die Flügel ausbreiten und mich tragen lassen, treiben lassen vom Wind. Über aller Welt. Ungebunden. Frei.

So muss es auch mit Gottes Geist sein. Sagt der Apostel Paulus. Der macht frei. Frei von allem, was mich bedrängt, bedrückt, gefangen hält. Weil Gottes Geist eine Kraft ist, die alle Zwänge und Verzagtheit überwinden kann. Und mich die Weite der Möglichkeiten in meinem Leben wie auch in der Welt sehen lässt. Wer sich von ihm getragen weiß, wird befreit zu neuem Leben.

Bei Paulus war das tatsächlich so. In seinen Briefen kommt das immer wieder zum Ausdruck. Er wurde verfolgt, wegen seines Glaubens in Frage gestellt, angefeindet, ins Gefängnis gesteckt und hat sich doch nicht kleinkriegen lassen. Im Gegenteil. Er hat mit unglaublicher Leidenschaft und Stärke, frank und frei, anderen Hoffnung und Mut zugesprochen. Und oft genug auch Haltung gezeigt.

Ich finde, das ist äußerst beeindruckend. Aber auch erheblich leichter gehört als tatsächlich erfahren. Gerade in den Niederungen des Lebens, in denen ich nicht vom Geist der Freiheit beflügelt dahinschwebe.

Hier oben auf dem Turm aber kann ich Freiheit spüren. Ich bin gewissermaßen auf Augenhöhe und in Sichtweite der Taube.

Vielleicht braucht es manchmal so einen Ort zwischen Himmel und Erde, den man aufsucht, um ein klein wenig etwas von diesem Geist der Freiheit erfahren zu können. Weil man für einen Moment der Welt entzogen ist.

Mir hat das unglaublich gut getan. Und mich auch nach dem Abstieg an diesem Tag getragen. Und weit darüber hinaus.

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SWR2 Wort zum Tag

19APR2023
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Was treibt mich an, morgens aufzustehen? Was treibt mich an, heute dieses und morgen jenes zu tun? Manchmal stelle ich mir diese Frage. Besonders, wenn ich noch im Bett bleiben und nicht gleich aufstehen und in den Tag gehen möchte.

Ich stelle fest: Da gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Manchmal ist es einfach die Sonne, die morgens schon durchs Fenster scheint und mich fröhlich aufwachen und in den Tag gehen lässt. Oder es gibt ein besonderes Ziel, das ich vor Augen habe und das zu erreichen mich anspornt. Ein anderes Mal fühle ich mich regelrecht getrieben. Vor lauter Angst und Sorge. Um eine Sache, einen Menschen. Und an vielen Tagen ist es einfach nur die Gewohnheit, die mich antreibt, aus dem Bett zu steigen und mein Tagwerk anzugehen.

So wie am frühen Morgen gibt es viele Motive, Situationen oder Gründe, die mich dazu bringen, etwas zu tun oder zu lassen im Leben. Manches wird durch äußere Umstände oder von anderen an mich herangetragen, anderes entspringt meinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen. Und immer wieder gibt es Momente, in denen ich mich schwertue. Ich bin dann unsicher, zweifle, hadere mit mir selbst, mit Gott und mit der Welt. Ich bin mutlos. Kleinmütig. Verzagt.

In solchen Momenten halte ich mich an einen Satz, den der Apostel Paulus gesagt hat: Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Verzagtheit, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (2.Tim 1,7).

Viele Stellen in den zahlreichen Briefen, die Paulus geschrieben hat, atmen diesen Geist. Zum Beispiel, wenn er erzählt, dass er im Gefängnis ist, sich davon aber nicht entmutigen lässt, sondern den anderen Mitgefangenen Mut und Hoffnung zugesprochen hat. Dass er für Liebe, Respekt und Vernunft eingetreten ist, gegen Hass und emotionale Unbedachtheit. Nicht getrieben vom Geist der Verzagtheit, sondern getragen, ja angetrieben von einem Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.

Ich habe das für mich selbst auch schon erfahren können. Zum Beispiel als ich einen Konflikt mit einem Kollegen hatte. Da war ich zunächst ganz verzagt und unsicher und wäre ihm am liebsten aus dem Weg gegangen. Dann habe ich aber beschlossen, die Sache im Sinne von Paulus anzugehen. Ich habe mit dem Kollegen offen gesprochen und es ist mir gelungen, den Konflikt auszuräumen. Unser Verhältnis hat darüber keinen Schaden genommen.

Ich stelle fest: Sich von einem Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit antreiben zu lassen, tut ganz schön gut.

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SWR2 Wort zum Tag

18APR2023
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Vor einiger Zeit habe ich wieder einmal alte Familienbilder angeschaut. Bilder mit den Eltern und Großeltern, von früher, als ich noch klein war. Ein Bild zeigt meinen Großvater und mich auf einem Spaziergang. Im Hintergrund erkenne ich die Burgruine Hohenschramberg. Da sind wir oft hin spaziert, wenn wir bei meinen Großeltern in Schramberg zu Besuch waren. Für uns Kinder war es immer ein großes Erlebnis, die alten Mauern zu erklettern, den einen oder anderen Geheimweg zu entdecken oder auch so manches finstre Loch zu erkunden. Und natürlich der fantastische Blick hinab ins Tal.

Als ich dieses Bild angesehen habe, war es sofort wieder da, das Gefühl der Geborgenheit von damals. Mein Großvater und ich auf einem Spaziergang und meine kleine Hand ruht in der seinen. Er hat mich gehalten, ohne mich festzuhalten, und wenn ich etwas entdeckt habe und losgerannt bin, hat er ebenfalls losgelassen und ist langsam hinterher gekommen, um mir zuzuschauen, sich mit mir zu freuen oder mir etwas zu erklären. Und dann sind wir zusammen weiter gegangen, Hand in Hand.

Aufgehoben sein, geborgen sein. Und im richtigen Moment losgelassen zu werden. Beides gehört zum Grundgefüge eines gelingenden Lebens. Wahrscheinlich wird es jeder und jede für sich auf eine andere Art und Weise erfahren und wohl auch anders definieren. Aber ich kann mir schwer vorstellen, dass es einen Menschen gibt, der in seinem Leben nicht auf solche Erfahrungen von Geborgenheit angewiesen wäre. Wir sind angewiesen auf Menschen, auf Orte, an  denen wir uns aufgehoben fühlen. Und wenn wir sie verlieren, gerät unser Leben aus den Fugen. Jeder Umzug, jede Trennung und jede Scheidung, jeder Tod und auch jedes Scheitern rüttelt an diesem Grundgefüge, bringt es ins Wanken und manchmal sogar zum Einstürzen.

Wie gut tut es dann, wenn man Menschen hat, die einem zur Seite sind. Die einen bergen können mit ihrer ganz besonderen Art, da zu sein. Weil sie die Hand halten, ohne festzuhalten. Weil sie mir zuhören, mich in den Arm nehmen, mich trösten. Und mir so, und sei es nur für einen Augenblick, das Gefühl geben, aufgehoben und geborgen zu sein. Gerade dann, wenn etwas im Leben aus den Fugen geraten ist.

Mein Großvater war für mich so ein Mensch. Durch ihn hat Gott mich seine Nähe spüren lassen. Möge Ihnen heute ein solcher Mensch begegnen, und sei es auf einem alten Familienfoto ….

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SWR2 Wort zum Tag

17APR2023
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Vor gut einer Woche habe ich meinen 57. Geburtstag gefeiert. Viele haben mir gratuliert. Und einer von den Gratulanten hat etwas flapsig, aber herzlich gemeint: na, damit bist du inzwischen auch schon ein paar Tage auf der Welt! Dieser Satz hat mich nicht mehr losgelassen: Schon ein paar Tage auf der Welt. …

Ich habe mich dann am Abend hingesetzt und nachgerechnet: Herausgekommen sind 20.805 Tage, die ich mit diesem Geburtstag schon auf der Welt bin. Zwanzigtausendachthundertundfünf! Das ist ganz schön viel. Im Grunde ist diese Zahl für mich kaum fassbar. Erst recht nicht, wenn ich versuche, mir die mit all diesen Tagen verbundenen Erlebnisse und Erfahrungen ins Gedächtnis zu rufen.

Geburtstage sind immer auch ein Anlass zur Rückschau. Und je älter man wird, desto mehr gibt es zum Zurückschauen. Natürlich kann ich mich nicht mehr an jeden einzelnen Tag in meinem Leben erinnern. Wahrscheinlich sind manche davon tatsächlich zum Vergessen gewesen. Und die allermeisten fallen auch im Kleinklein des Lebensalltags durch die doch recht großen Maschen des Netzes der Erinnerung.

Anders ist es bei einschneidenden Ereignissen. Z.B. als ich vor vielen Jahren, einen Bandscheibenvorfall hatte. Wochenlang hatte ich heftige Schmerzen und dachte, jetzt kannst du dich nie mehr richtig bewegen. In dieser Zeit waren alle Tage meines Lebens eine Qual, der Schmerz hat alles andere überschattet. Aber Dank einer guten Physiotherapie ist es wieder gut geworden und, weil ich die Übungen bis heute mache, auch geblieben. Obwohl ich es mir damals nicht vorstellen konnte, habe ich seitdem wieder so viele gute Tage erleben dürfen. Dafür bin ich Gott dankbar.

Auch für viele andere Tage voller Glück und Lebensfülle, die mir noch gut in Erinnerung sind. Im Urlaub bei sonnigem Wetter am Strand unter dem gleichmäßigen Rauschen der Wellen des Meeres. Oder beim Wandern im Herbst durch den Pfälzer Wald inmitten seiner bunten Blätterpracht. Das Zusammensein als Familie. So viele Tage, für die ich sehr dankbar bin. Mit zunehmendem Alter merke ich, wie wichtig solche Tage sind. Und wie sie einen Kontrapunkt setzen gegen das Schwere und Schwierige im Leben.

Für mich kann ich sagen: Danke für 20.805 Tage voller Leben. Und Danke für diesen Tag heute.

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SWR2 Wort zum Tag

11MRZ2023
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Gesegnet werden ist etwas Wunderbares. Und kann auf ganz alltägliche Weise geschehen. Ich stehe auf dem Bahnhof am Bahngleis und warte mit etlichen anderen Reisenden auf den Zug. Neben mir ist eine Mutter mit ihrem schon erwachsenen Sohn. Als der Zug einfährt, verabschieden sich die beiden voneinander und ich höre zufällig mit, wie sie ihm eine gute Reise wünscht: Sei behütet und bewahrt! Komm heil an!  Gott sei mit Dir, sagt sie.

Die Szene hat mich berührt. Ich spüre, auch ich hätte oft gerne Jemanden, der so etwas zu mir sagt. Und ich vermute, andere auch.

Ich stelle mir vor, es wäre Gott, der mit uns hier auf diesem Bahnsteig steht und uns alles Gute wünscht für unsere Reise. Für unsere Reise im Zug des Lebens, in den wir einsteigen und in dessen Abteilen wir uns die Sitzplätze mit all den anderen Reisenden teilen. Die Wegstrecken und Ziele sind unterschiedlich. An manchen Stationen steigen welche ein und an anderen steigen welche aus. Alle teilen die Hoffnung auf eine gute Reise und eine wohlbehaltene Ankunft.

So ist es wohl auch Abraham gegangen, als er sich im hohen Alter noch auf die weite Reise in ein neues Land gemacht hat. Die Bibel erzählt, wie Gott ihm seinen Segen zugesprochen hat und wie sich dieser Segen für ihn erfüllt hat, als er wohlbehalten dort ankommt. Und nicht nur das. Sein Herzenswunsch wird wahr. Er und seine Frau Sara bekommen tatsächlich noch ein Kind, ihren Sohn Isaak. Und werden obendrein reich an Hab und Gut.

Auch wenn am Ende alles mehr als gut ausgeht, die Geschichte von Abraham zeigt, dass es auch bei ihm immer wieder Ungewissheiten, Probleme, Schwierigkeiten gab. Hunger, Not und Streit sind Teil seiner Reise.

Segen schützt mich nicht vor schwierigen Situationen im Leben: Wege, von denen ich nicht weiß, wohin sie mich führen. Stationen, bei denen ich nicht weiß, was mich erwartet. Mitreisende, die mir das Leben schwer machen. Erlebnisse und Erfahrungen, die mich zweifeln lassen und mir Sorgen und Ängste bereiten.

Es tut gut, wenn mir dann einer Segen zuspricht. Mir sagt, dass Gott mich auf meinem Weg im Blick hat. Dass er mit mir sein wird, wohin mich meine Reise auch führen wird. Auch heute Morgen, am Bahnsteig eines neuen Tages.

So wünsche ich Ihnen eine gute Reise in den heutigen Tag. Gott möge mit Ihnen sein!

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SWR2 Wort zum Tag

10MRZ2023
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Kinder haben die wunderbare Fähigkeit, Dinge manchmal ganz anders wahrzunehmen als wir Erwachsenen. Ein Verwandter hat mir Folgendes von seinem damals noch kleinen Sohn erzählt: Der ist einmal zu viel größeren Jungs hin gegangen und hat ihnen beim Fußballspielen zugeschaut. Anschließend kam er zu seinen Eltern gesprungen und hat ganz aufgeregt gesagt:

„Die großen Buben haben mit mir gesprochen!“
„Ja, was haben sie denn gesagt?“
„Hau ab!“

Noch heute muss mein Verwandter beim Erzählen darüber lachen und auch ich habe herzlich mitgelacht. Bin aber dann auch ein wenig ins Nachdenken gekommen. Ich finde, diese Geschichte hat etwas mit dem zu tun, was Jesus einmal gesagt hat: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen“.

Neugierig wie Kinder sind, ist der kleine Junge ohne Scheu zu den großen Jungs gegangen. Und hat ihnen beim Fußballspielen zugeschaut. Und als sie zu ihm „hau ab“ gesagt haben, ist das bei ihm offensichtlich gar nicht so schroff und abweisend angekommen. Vielleicht war es auch in gutmütigem Tonfall gesagt. Jedenfalls war er ganz erfüllt davon, dass sich diese Jugendlichen mit ihm, dem Kleinen Knirps, überhaupt abgegeben haben, dass sie zu ihm und mit ihm gesprochen haben.

Die Abweisung hat ihn mit Glück und Stolz erfüllt. Typisch Kind eben, das vieles noch nicht wirklich versteht und nicht weiß, wie es in der Welt wirklich zugeht.

Aber ich glaube, genau das ist der Punkt, um den es Jesus geht. Um die Offenheit, mit der Kinder die Welt wahrnehmen. Um die Unvoreingenommenheit, mit der sie anderen begegnen. Um die große Freude , die sie empfinden und so unvermittelt weitergeben können. Eine Naivität im positiven Sinn, die Erwachsene mit ihrem Erwachsenwerden meist verloren haben.

Es geht nicht darum, Kinder zu idealisieren. Aber was wäre, wenn Erwachsene in ihrer Wahrnehmung und Begegnung mit anderen auch von einer solchen Offenheit und positiven Grundwahrnehmung geprägt wären? Wenn auch sie in der Widrigkeit einer Begegnung Glück empfinden könnten?

Wir wären wohl auf dieser Erde dem Himmel ein gutes Stück näher.

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SWR2 Wort zum Tag

09MRZ2023
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Kannst Du das mal bitte entsorgen?, sagt meine Frau zu mir und drückt mir den Mülleimerbeutel in die Hand. Wird gemacht, sage ich, ziehe meine Schuhe an und gehe hinaus zum Mülleimer. Währenddessen denke ich , dass es schon eine richtig gute Sache ist, dass  die Müllabfuhr  1x in der Woche die ganzen Abfälle abholt, die in einem Haushalt so anfallen. Angekommen bei der Mülltonne, hebe ich den Deckel hoch und lasse den Beutel in die Tonne fallen. Dann die Klappe wieder zugemacht, Müll entsorgt. Erledigt. Fertig.

Beim Zurückgehen fällt mir auf, dass in Entsorgen ja das Wort Sorge enthalten ist. Es geht eigentlich nicht nur um die Beseitigung von Abfall, sondern um das Abnehmen einer Sorge.

Und Sorgen gibt es mindestens genauso viele wie Müll. Sorgen um die Familie, einen erkrankten Freund, Herausforderungen im Beruf, Entwicklungen in Politik und Welt. Da kann mich manches ganz schön drücken. „Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen, dort wirket sie geheime Schmerzen“; hat Goethe im Faust gedichtet.

Was die Sorgenberge anlangt, hat die Bibel einen ganz guten Tipp: Alle eure Sorge werft auf Gott, denn er sorgt für euch (1.Petr.5,7). Das ist doch ein guter Gedanke, die Sorgen einfach so wegwerfen zu können, sie im wahrsten Sinne des Wortes ent-sorgen zu können. So wie ich gerade den Müll in den Mülleimer geworfen habe. Klappe zu. Erledigt. Fertig.

Aber so schön und wohltuend diese Vorstellung ist, sie trifft die Sachlage vielleicht doch nicht ganz. Wie jeder Bildvergleich hinkt auch dieser ein bisschen. Sorgen können im Herzen und in der Seele überquellen, aber sie sind kein Müll, kein Abfall.

Entsorgen heißt im übertragenen Sinn: etwas abgeben an Jemanden, der sich darum kümmert. Davon redet die Bibel: Gott trägt meine Sorgen, weil er für mich sorgt. Und darum kann ich mich ihm getrost anvertrauen.

Ich tue das im Gebet. Und habe tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass mir das Herz dann leichter wird. Die Sorgen um meinen erkrankten Freund, die Familie, die Entwicklungen in und mit der Welt sind nicht weg. Aber ich kann sie abgeben. Ent-sorgen an einen, der sich darum kümmert. Sorge trägt. Für mich.

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SWR2 Wort zum Tag

14DEZ2022
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„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell“ (Jes 9,1).

Schon vor über zweieinhalbtausend Jahren, erzählt die Bibel, hat ein Mann den Menschen in schwieriger und trostloser Zeit ein solches Licht verheißen. Der Mann hieß Jesaja und war ein großer Prophet. Mit einem Lichtwort hat er seinem Volk und allen Menschen, die das Gefühl gehabt haben, in lichtloser Zeit gefangen zu sein, Trost und Hoffnung zugesprochen.

In Tagen der Dunkelheit wächst die Sehnsucht nach Licht. Besonders jetzt im Dezember. Wenn die Nächte lang und die Tage kurz sind. Wie gut tut da ein Kerzenschein am Abend, ein Licht in dunkler Nacht. Und das Lichtwort des Propheten Jesaja hat auch nach über zweieinhalbtausend Jahren nichts an Strahlkraft eingebüßt. Ich höre es ganz neu am Ende dieses Jahres, das in vielen Bereichen so viel Dunkelheit gebracht hat.

Der Krieg in der Ukraine hat den Traum zerstört, dass wir uns in Europa für alle Zeiten in Sicherheit wiegen können. Die Energiekrise konfrontiert uns mit Sorgen und Nöten, von denen wir dachten, dass sie für immer der Vergangenheit angehören würden. Ganz zu schweigen vom Klimawandel. Dunkle Tage und Zeiten, in denen sich mancher ratlos, hilflos, trostlos fühlt. Und darum voller Sehnsucht ist nach einem Licht, das die Dunkelheit durchbricht.

Licht macht nicht nur hell. Es ist Zeichen, Symbol für Wärme. Für Hoffnung. Für Leben. Wir können viel davon gebrauchen. Weihnachten kündet mit der Geburt Jesu von einem solchen Licht. Der Stern von Bethlehem, die Engel und himmlischen Heerscharen verweisen darauf. Darum ist Weihnachten auch ein Lichterfest. Und die Zeit des Advent ein wärmender Vorschein für die Seele im Warten darauf.

Wenn ich dann im Schein einer Kerze das Lichtwort von Jesaja höre oder lese, bin ich immer wieder berührt. Von der starken Kraft und Intensität, von dem tiefen Trost und der großen Hoffnung, die von dieser Verheißung ausgeht.

Und ich freue mich auf den Heiligen Abend in der Speyerer Gedächtniskirche, wenn Jesajas Worte im Schein von zweitausend Kerzen im Lichtergottesdienst gelesen werden.

Ich weiß, dass damit nicht alle Dunkelheit vertrieben und Welt und Leben auf einmal hell und leicht und unbeschwert wären. Aber dass sich doch eine Gewissheit in mir Bahn bricht, dass es ein Licht gibt, das sich der Finsternis widersetzt und die Dunkelheit auf Erden durchbricht!

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