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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29SEP2021
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Die Flut an der Ahr hat eine unglaubliche Zerstörung angerichtet. Brücken, Häuser, Straßen wurden weggerissen. So viele Menschen sind umgekommen. Auch wir haben fast alles verloren.

Dazwischen gibt es aber viele Geschichten von Dingen, die wie durch ein Wunder unbeschädigt geblieben sind.

Eine Bekannte hat mir zum Beispiel erzählt: morgens beim ersten Sichten der Schäden in der Firma ist ihr das Bild ihres kürzlich verstorbenen Mannes entgegengeschwommen. Der Rahmen war nicht mehr zu gebrauchen, aber das Bild war völlig in Ordnung. Ihr hat das viel bedeutet.

Etwas ähnliches erzählen die Menschen aus Rech, einem Weindorf an der Mittelahr. Das Dorf hat es hart getroffen. Die alte Brücke mit ihren Bögen, die dort unerschütterlich gestanden hat: eingestürzt. Die ganze Uferbebauung, die Straße ins Nachbardorf: weggespült. Aber unmittelbar neben den Resten der Brücke, eingerahmt von zwei dicken, alten Linden, steht eine Kreuzigungsgruppe aus Stein: Jesus am Kreuz, Maria und Johannes sind dort zu sehen. Sie hat die Flut vollkommen unbeschadet überstanden. Einige Baumstämme hatten sich davor quergelegt und wurden von den beiden Linden gehalten. Für viele Menschen dort ist das ein Hoffnungszeichen.

Ich tue mich schwer damit, an einen Gott zu glauben, der Steinfiguren schützt, aber Menschen ertrinken lässt. Aber trotzdem tröstet mich diese Geschichte auch. Sie erinnert mich: Gott ist da. Auch in Tod und Zerstörung.

Jesu Freunde mussten damals auch ohnmächtig zuschauen bei seiner Kreuzigung. Sie waren auch in einer verzweifelten Lage. Und haben sich gefragt: Wo ist Gott? Später haben sie erfahren: Jesus lebt. Er ist auferstanden. Gott ist stärker als der Tod. Und er schenkt uns Zukunft. Das gibt mir Hoffnung. Die wünsche ich besonders auch für die Menschen im Ahrtal und in den anderen Gebieten, die von der Flut betroffen sind.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28SEP2021
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Wie kann man das Gefühl der Dankbarkeit ausdrücken? Soviele Menschen haben uns in den Tagen nach der Flut geholfen. Haben uns mit dem Nötigsten versorgt. Haben mit angepackt oder waren einfach da für uns.

Das Wort DANKE war uns immer wieder zu wenig, um den Menschen zu verstehen zu geben, wie viel das für uns bedeutet.

Einmal habe ich versucht, Roland, Christian und Andy wenigstens eine Flasche Wein in die Hand zu drücken. Den hatten wir aus dem Schlamm im Vorratskeller herausgezogen und abgewaschen. Die drei waren erschöpft und völlig verdreckt und hatten unerschrocken den ganzen Tag zwei große Kellerräume leergeräumt. Ich wollte ihnen einfach etwas zurückgeben für die schwere Arbeit. Roland hat mich völlig verständnislos angeguckt und dann lächelnd gesagt, dass er das gerne gemacht hat und dass ich mit dem Quatsch aufhören soll. Aber das fällt mir schwer: Hilfe einfach so anzunehmen. Ohne Gegenleistung.

Mein Kollege Georg hat mich auf eine Spur gebracht. „Karsten“, hat er gesagt. „Du bist doch Pfarrer und kennst das Wort Gnade.“ Georg hat mich daran erinnert, was dieses theologische Wort bedeutet: Gnade kann man sich nicht verdienen. Man kann sie auch nicht im Nachhinein bezahlen. Wer Gnade erfährt bekommt etwas geschenkt. Ohne Gegenleistung.

Mir ist das trotzdem schwergefallen. Es ist kein gutes Gefühl buchstäblich mit leeren Händen da zu stehen. Am Nullpunkt zu sein. Aber dann ist mir aufgefallen was man mit leeren Händen gut machen kann: einander umarmen! Das habe ich dann getan. Erst einmal Georg. Und dann auch oft die anderen Helferinnen und Helfer .

Das war meistens der passende Ausdruck für etwas, das bei einem Tag gemeinsamen Arbeitens neben der Hilfe auch entstanden war: Eine Nähe, die man einfach nicht durch Worte ausdrücken kann. Aber mit einer kurzen Umarmung schon.

Ich hätte diese Katastrophe wirklich nicht gebraucht, aber so habe ich gelernt: Wahre Hilfe muss ich nicht zurückzahlen: Weder Gott noch den Menschen. Ich kann mich einfach nur drüber freuen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27SEP2021
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Gott, wo bist du in der Katastrophe? In der Flutnacht, als wir fast unser ganzes Hab und Gut verloren haben, habe ich auf diese Frage keine Antwort. In den Tagen danach habe ich aber eine Spur gefunden.

Als sich das Wasser am Tag nach der Flut zurückzieht, gehe ich vorsichtig in unser Erdgeschoss und werfe einen ersten Blick in unsere Wohnung: Nichts ist mehr an seinem Platz, alles ist durcheinandergewirbelt, durchweicht, von braunem Schlamm überzogen, kaputt.

Aber mit dem großen Schmerz über den Verlust kommt fast gleichzeitig etwas anderes: Ungeahnte Hilfe von so vielen Seiten.

Es fängt mit der Frage an: Wo finden wir jetzt eine Bleibe? Unsere syrischen Freunde, denen wir 2015 bei der Integration hier in Deutschland geholfen hatten, zögern nicht und nehmen uns spontan bei sich auf. Dann kommen die ersten Nachfragen aus dem Bekanntenkreis: Wie geht es euch? Seid ihr betroffen? Braucht ihr Hilfe? Auch sie zögern nicht und fassen mit an. Gabi bringt auch noch Brötchen und Würstchen mit. Zwei Nachbarn aus dem Heimatdorf meiner Frau kommen mit einem Transporter voller Werkzeug und erster Spenden und blieben eine Woche. Andi hat gar nicht erst gefragt, sondern steht einfach mit Notstromaggregat, Benzinkanistern, Akkuscheinwerfern plötzlich vor der Tür. Er hat gewusst was wir brauchen.

Ich erinnere mich besonders auch an zwei junge Männer, die eines morgens vorbeikommen und sich als Schreiner vorstellen. Innerhalb von einer Stunde verschließen sie zwei geborstene Fensterscheiben und schreinern eine provisorische Holztür für den Keller. Sie gehen mit den Worten: „Schlüssel steckt! Wir ziehen weiter.“ Es gibt ungezählte solcher Hilfsgeschichten. Auch andere Betroffene erzählen davon. Ohne diese Hilfe hätten wir es nicht geschafft. Nicht nur die viele Arbeit nicht. Sondern auch seelisch hätten wir diese Katastrophe kaum verkraftet.  

Gott wo bist Du in der Katastrophe? Ich habe erfahren: Dort, wo Nächstenliebe geschieht. Dort wo Menschen einander beistehen in der Not – da ist Gott spürbar. Mitten in der Katastrophe.

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Anstöße sonn- und feiertags

26SEP2021
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Was ist wirklich wichtig? Das erkennt man oft erst dann, wenn einem etwas genommen wird. Das musste ich erfahren bei der Flut im Sommer, die mir viel genommen hat. Aber der Reihe nach:

Am 14. Juli war ich noch auf dem Rotweinwanderweg unterwegs. Beim Abschied in Mayschoss war die Ahr schon ein reißender Fluss.

Abends bin ich noch einmal zur Ahr gegangen. Unter den Brücken war nur noch wenig Platz, und das Wasser begann, über die Deichkrone in die Straßen zu laufen. Da habe ich noch gedacht: wir haben ja eine Pumpe im Keller, wird schon nix passieren. Als dann bei uns, ca. 500 Meter von der Ahr entfernt, das Wasser aus den Gullis kam, dachte ich mir, dass ich vielleicht mal besser kontrolliere, ob die Pumpe auch funktioniert. Das tat sie, aber wenige Minuten später fiel der Strom aus. Meine Frau und ich begannen, ein paar scheinbar wichtige Dinge wie Bilder und Leinwände hochzustellen. Als das Wasser durch die Kellerfenster brach, liefen wir um unser Leben. Der Keller war innerhalb weniger Minuten vollgelaufen. Wir haben dann noch versucht mit Handtüchern die Haustür abzudichten. Aber in der Nacht wurde auch das Erdgeschoss 2 Meter hoch geflutet.

Bilder, Leinwände, Möbel, Kleinkram… Dinge retten – wir dachten das wäre wichtig. Für viele wurde der Keller dabei zur tödlichen Falle. Es war zutiefst verstörend, dieser Naturgewalt so machtlos ausgeliefert zu sein. Zu erkennen, dass alles, was man hat, grade untergeht. Aber doch zu begreifen, wir hatten Glück, denn das Kostbarste ist uns geblieben – unser Leben.

In dieser Nacht wurde auch mein Glaube untergetaucht: Mein Glauben an einen Gott, der rettet und beschützt. Ich hab ihn gefragt: Warum tust du das?
Wo bist du? In dieser Nacht sind meine Fragen erst mal offen geblieben.

Und trotzdem habe ich damals zwei wesentliche Dinge behalten. Erstens: Es ist nicht klug, sein Herz zu sehr an materielle Dinge zu hängen. Und zweitens: Leben ist zerbrechlich und endlich, und deswegen wertvoll. Ich habe begriffen was wirklich wichtig ist.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

12JUN2021
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Die Sache mit den Teststreifen kennen wir jetzt gut. Bestimmt hat fast jeder und jede schon einmal einen Corona-Schnelltest gemacht. Zwei Striche bedeuten: Achtung, Infektion! Ein Strich: Hurra, keine Viren nachweisbar. Ist der Test negativ, dann ist das eine richtige Befreiung.

Für die Liebe gibt es auch einen Schnell-Test. Er steht in der Bibel. Da heißt es: „Furcht ist nicht in der Liebe“! Liebe und Furcht: Das geht nicht zusammen.

Ein Freund von mir hat das am eigenen Leib erfahren. Vor ein paar Jahren ist er in einer Klinik gewesen, wegen eines Burn-outs. Bei einer Sitzung mit dem Psychotherapeuten hatte er ein echtes Aha-Erlebnis. Er hatte dem Therapeuten davon erzählt, dass er vor den Sitzungen immer heftig Herzklopfen hatte. Da hat ihn der Therapeut gefragt, ob er das auch aus anderen Situationen kennt. Mein Freund musste nachdenken: „Immer vor einer Prüfung, oder einem Bewerbungsgespräch – da pocht mein Herz auch so“. „Interessant“, hat der Therapeut gesagt. „Sie haben eine Stunde Zeit mit einem Menschen, der sich ganz und gar für sie Zeit nimmt, der gut zuhört, und nur das Beste für sie will. Und sie fürchten sich, als ob sie in einer Prüfung sitzen?“

Mein Freund meint: Plötzlich konnte ich benennen, wovor ich mich fürchte: Davor, nicht gut genug zu sein, etwas falsch zu machen. Davor abgewertet zu werden und abgelehnt. Vor lauter Furcht war ich gar nicht in der Lage zu sehen, dass der Arzt mich nicht prüft oder bewertet. Er war mir freundlich zugewandt – man kann sagen: eine Form der Liebe.

Furcht ist nicht in der Liebe. Mein Freund nutzt diesen Satz seitdem wie einen Kompass. Wenn er sein Herz klopfen spürt, weil die Furcht wieder auf dem Vormarsch ist, dann erinnert er sich daran, dass er geliebt wird und lieben kann. Und daran, dass Gott ihn freundlich anschaut.

Ich kann Ihnen nur empfehlen – machen sie den biblischen Liebes Schnell-Test. Ich kann Ihnen sagen: Das ist richtig befreiend!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11JUN2021
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Bin ich schon das, was ich werden soll? Auf diese Frage bin ich bei einer Freizeit mit Soldaten gestoßen.

Wir sind eine Woche in Brandenburg gewesen, um gemeinsam Bögen zu bauen und das intuitive Bogenschießen zu erlernen. Unter der fachkundigen Anleitung von Herbert haben wir einen Haselnussstock bearbeitet: Einen Tag lang haben wir gesägt, gehobelt, geschliffen – und zum Schluss eine Sehne angepasst und den Bogen vorsichtig gespannt. Abends hatte jeder einen ganz eigenen, individuellen Bogen hergestellt. Auch meinen Bogen hat Herbert immer wieder sorgsam geprüft und ihn mir zum Schluss mit einem bedeutsamen Satz in die Hand gedrückt. „Sei behutsam. Dieses Holz weiß noch nicht, dass es ein Bogen ist.“

Ich habe spontan einen gedanklichen Bogen zu uns Menschen gespannt: „Wir Menschen wissen auch oft noch nicht, was wir eigentlich sind.“ Klar: Von der Biologie oder der Genetik her sind wir Menschen. Wir können Dinge, die nur Menschen können. Und in Deutschland leben wir in einer Gemeinschaft, die sich darauf geeinigt hat, dass jeder Mensch Würde hat.

Die Bibel geht noch ein bisschen weiter. Sie formuliert den Glauben, dass wir durch Gottes Geist eine bestimmte Qualität haben: Wir sind Gottes Kinder. Herberts Worte machen mir deutlich, dass es ein Lernprozess ist, in diese Wirklichkeit hineinzuwachsen. Ich muss erst lernen, begreifen, verstehen, muss erst noch das werden, was ich schon bin: Ein Kind Gottes.

Ein Kind Gottes zu sein bedeutet: Ich bin geliebt. Das wiederum bedeutet: ich bin wertvoll. So wie ich bin. Nicht erst durch das, was ich mir aneigne oder leiste, was ich habe oder kann. Ich bleibe es, auch wenn ich vom Weg abkomme, mich verlaufe, Schaden anrichte.

Ich muss das lernen, weil es andere Stimmen gibt, die das Gegenteil behaupten. Dass Gott zu mir sagt „Du bist mein Kind“, das richtet mich auf und gibt mir Spannkraft. So kann ich ganz anders in den Tag und durch mein Leben gehen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10JUN2021
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„Sich ins rechte Licht rücken“ sagen wir, wenn sich jemand gut darstellen will. Meistens ein bisschen besser, als er in Wirklichkeit ist. Das ist vielleicht nicht so ganz ehrlich, aber ganz normal:

Ich wollte lernen, wie ich socialmedia für meine Arbeit nutzen kann. Uns wurde gezeigt, wie wichtig die richtige Beleuchtung ist, wenn man ein Foto oder ein kleines Video machen will. Mein erster Versuch war nicht so gelungen: „Schau mal: Das Licht kommt von oben. Dadurch liegen die Augen im Schatten und verlieren ihre Lebendigkeit“, hat der Lehrer gesagt. Also habe ich mir ein Ringlicht bestellt, mit dem man ein Gesicht schön ausleuchten kann. So habe ich mich ins rechte Licht gerückt.

Das erste Bild habe ich gleich meiner Tochter geschickt. Sie war ganz überrascht: „Willst du jetzt Influencer werden?“ – Influencer – das sind Leute, die socialmedia als Plattform nutzen und dabei teilweise ein Millionenpublikum haben. Manche zeigen dabei aber immer nur die schönen, attraktiven Seiten des Lebens. Rücken eben alles ins rechte Licht. Ich habe mich ein bisschen ertappt gefühlt. Ich will nicht besser dastehen, als ich bin. Die gute Beleuchtung soll einfach nur helfen, gut gesehen zu werden. Ein schmaler Grat?

Wie man sich auf gute Weise ins rechte Licht rücken kann, habe ich kurz darauf erfahren durch ein altes Gebet aus der Bibel: „Die auf Gott schauen, werden strahlen vor Freude.“ – Viele haben die Erfahrung gemacht, dass Gott wie ein Licht ist, das strahlt, glänzt, leuchtet. Wenn man also in seine Richtung schaut, hellt sich Gesicht auf. Es spiegelt diesen Glanz wider, beginnt selbst zu leuchten. Wir sagen ja auch: „Du strahlst ja!“ – wenn jemand mit einem Lächeln im Gesicht den Raum betritt. Die positive Energie – sie ist auf meinem Gesicht zu sehen.

Das kann man auch darunter verstehen: „Sich ins rechte Licht zu rücken“. Ich lasse mich von Gottes Licht anleuchten. Dadurch stehe ich nicht besser da, als ich bin. Aber das Schöne, Helle, das mich berührt hat, gebe ich ganz natürlich weiter. Und dann wird es ein bisschen heller ringsherum. In dem Sinne bin ich dann auch gerne ein Influencer.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17FEB2021
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Heute am Aschermittwoch geht traditionell die Fastnacht zu Ende. Und auch wenn in diesem Jahr alles etwas anders ist, fängt mit dem Aschermittwoch eine neue Zeit an.

In vielen Regionen wird das normalerweise mit einem Gottesdienst begangen. Vor allem katholische Christen holen sich dann in der Kirche ein Aschekreuz. Das wird vom Priester gut sichtbar auf die Stirn gemalt. Die Asche steht für zweierlei. Zum einen ist sie ein Zeichen für Vergänglichkeit. Alles geht mal zu Ende und nichts bleibt ewig.

Asche ist aber auch ein Zeichen der Reue: „Asche auf mein Haupt“ sagt man, wenn man zugibt, dass man etwas falsch gemacht hat.

Das Aschekreuz sagt mir: Mensch, stell dich der Tatsache, dass du endlich bist und dass du Fehler machst. Das kann helfen mich selbst besser einzuschätzen und die eigenen Grenzen besser anzunehmen.

Asche ist aber noch mehr: Sie ist auch ein Segenszeichen. – Das habe ich in Ein Gedi am Toten Meer gelernt. Oben, in den Felsen, entspringen mehrere Quellen. Überall, wo das Wasser entlangläuft, zieht sich ein grünes Band üppiger Vegetation mitten durch die Wüste. Kurz vor meinem zweiten Besuch hatte es gebrannt. Ich war total erschüttert, als ich die Zerstörungen gesehen habe. Verkohlte Baumstümpfe, und wo sonst üppiges Schilf stand, waren jetzt nur noch schwarze Flächen.

Zwei oder drei Jahre nach dieser Katastrophe machte ich wieder eine Reise nach Israel. Ich traute meinen Augen nicht, als ich nach Ein Gedi kam: Alles schien noch mehr zu sprießen, zu blühen und zu wachsen. Aus der Asche war neues Leben entstanden – ein Wunder!

Daran muss ich immer denken, wenn ich mir an Aschermittwoch ein Aschekreuz geben lasse: Gott kann aus der Asche neues Leben wachsen lassen. Während ich noch klage, traurig bin oder zerknirscht, lässt mich das hoffen: Gott bahnt schon längst etwas Neues für mich.

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16FEB2021
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Einmal aus der Rolle fallen und den festgefahrenen Trott verlassen. Normalerweise geht das in der Faschingszeit. Menschen verkleiden sich und können in andere Rollen schlüpfen. Und als Prinzessin, Pirat oder Pandabär einmal ganz anders sein.

Meine Frau hat mir von ihrer Mitstudentin Petra erzählt, die völlig entrüstet war, dass ihre rheinische Uni eine Seminarwoche mitsamt Prüfung genau in die Zeit zwischen Weiberfastnacht und Fastnachtsdienstag gelegt hat. „Da bin ich nicht da!“ hat Petra entschlossen gerufen. Meine Frau konnte es nicht glauben, aber Petra hat ernst gemacht – oder verrückt gespielt, das ist Auslegungssache. Jedenfalls ist sie ihrer Rolle als strebsame Studentin nicht gefolgt. Petra war 5 Tage nicht zu sehen.

Wir haben herzhaft über diese Geschichte gelacht und uns gefragt: Wer war denn jetzt närrisch? Petra, weil sie aus der Rolle gefallen ist und eine wichtige Prüfung aufs Spiel gesetzt hat? Die Professoren, weil sie eine Prüfungswoche genau in die Fastnachtszeit gelegt haben? Oder meine Frau, weil sie weitergemacht hat und nicht auch mal aus der Rolle gefallen ist.

In diesem Jahr gibt es viel weniger Möglichkeiten, miteinander aus der Rolle fallen. Oder wie Petra auszubrechen. Trotzdem lädt diese Zeit dazu ein, die Rollen zu hinterfragen, die ich spiele. Denn diese Rollen haben immer mit Erwartungen zu tun, die an mich gerichtet werden. Und das kann auch einengen.

Ich glaube, neben dem närrischen Treiben gibt es gibt noch etwas, das mich von Rollenerwartungen frei machen kann. Das ist die Freiheit im Glauben: Ich bin immer ein Kind Gottes. Egal was ich tue, egal welche Rollen ich sonst noch im Leben spiele. Gott ist in mich vernarrt! „Ich reiße dich heraus, denn ich habe Lust zu dir“, sagt Gott. Mir hilft das, mich aus Rollen zu befreien, die mich unfrei machen. Nicht nur an Fasching, aber Fasching ist ein wunderbarer Anlass, das zu üben. Bei Gott bin ich frei, neue Rollen auszuprobieren – auch in diesem Jahr.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

15FEB2021
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Man muss nicht am Rhein geboren sein, um von der Fastnacht begeistert zu sein. Ich kann mich noch gut erinnern, als wir letztes Jahr am Flughafen in der Schlange standen. Hinter uns war ein sympathischer junger Mann. Wie sich herausstellte, war er extra aus Südafrika angereist, um in Mainz ins närrische Treiben einzutauchen. Vor über 10 Jahren hatte er hier studiert. Was er damals auf den Straßen und in der Stadt erlebt hat, hat ihn so begeistert, dass er seither jedes Jahr wiederkommt. Warum ihn Fasching fasziniert, hat er so beschrieben: „Im Fasching spielt es keine Rolle, woher du kommst, welche Sprache du sprichst, ob du an Gott glaubst oder nicht oder welche Hautfarbe du hast. Alle sind Narren. Du feierst, bist komplett raus aus dem Alltag und bist wildfremden Menschen nahe. Alle sind lustig, freundlich und offen.“

In diesem Jahr konnte er wohl nicht nach Mainz kommen. Denn Corona und Fastnacht - das geht nicht zusammen. Auf jeden Fall nicht so, wie Menschen es lieben und gewohnt sind.
Dieses Gefühl, wenn etwas ganz Wichtiges ausfällt, begleitet uns nun schon eine ganze Weile. Die Pandemie hat in den vergangenen Monaten viel vereitelt. Das ist traurig und anstrengend und nervt. Aber was ich bei allem Verdruss doch bemerkenswert finde: was sich Menschen alles ausdenken, damit die schönen Dinge trotzdem stattfinden können. Vielleicht kleiner. Vielleicht anders. Aber im Kern doch bei der Sache. Und so stelle ich mir das auch heute vor: Kleine Karnevalszeichen.

Zum Beispiel: Verkleidet zum Einkaufen gehen. In der Sparkasse Konfetti streuen. Die Zapfsäule an der Tankstelle mit Luftschlangen und Luftballons schmücken. Den Mitarbeitern vom Ordnungsamt Bonbons zuwerfen. Oder vielleicht fällt ihnen etwas anderes Närrisches ein? Kleine Zeichen, dass wir uns die Freude nicht nehmen lassen und wir miteinander auch diese Zeit bestehen.   

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