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SWR4 Abendgedanken

26JAN2024
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Als ich von dem jungen Mann Christopher Schacht erfahren habe, da habe ich wirklich gestaunt. Christopher Schacht war 19 Jahre alt, als er auf eine scheinbar verrückte Idee kam. Er wollte einmal um die ganze Welt reisen, mit gerade einmal 50 Euro Urlaubsgeld. Mehr hatte er nicht. Nur 50 Euro. Das sollte reichen für eine Weltreise. Auf der Reise wollte der junge Mann arbeiten oder darauf hoffen, dass ihn freundliche Menschen bei sich aufnahmen. Ich dachte: Das kann doch gar nicht funktionieren! Aber es hat funktioniert. Vier Jahre war Christopher Schacht unterwegs, hat 45 Länder bereist, 100.000 Kilometer zurückgelegt und danach ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben.

Mit 50 Euro hat der junge Mann eine Weltreise gemacht. Mit ganz wenig hat er viel erreicht. In der Bibel gibt es auch Geschichten, die davon erzählen, dass Menschen mit ganz wenig ganz viel erreichen. Zum Beispiel die Geschichte von David. David war ein kleiner, unbedeutender Hirtenjunge. Aber dann musste er in einem Krieg dem kampferprobten Soldaten Goliath gegenüber treten. Eigentlich hatte er keine Chance gegen diesen brutalen Riesen. Goliath war bis an die Zähne bewaffnet. Die einzige Waffe, die David besaß, war eine Steinschleuder. Aber die reichte für den Sieg. David besiegte Goliath mit einer Steinschleuder. Und der Krieg war vorbei. Mit ganz wenig hat David ganz viel erreicht.

Solche Geschichten lassen mich nicht nur staunen, sie machen mir auch Mut. Denn es gibt immer wieder Momente in meinem Leben, wo ich denke, dass ich den Problemen und Herausforderungen nicht gewachsen bin. Ich habe zu wenig, ich weiß zu wenig, ich kann zu wenig, um das Problem zu lösen. Die Sorgen und Probleme werden dann so groß, dass ich denke: Das schaffe ich nie. Aber dann will ich mich an Menschen wie Christopher Schacht oder den Hirtenjungen David erinnern. Die haben mit ganz wenig ganz viel erreicht. Darum vertraue ich darauf: Auch ich kann mit meinen wenigen Möglichkeiten und meiner kleinen Kraft große Herausforderungen bestehen. Weil ich glaube, dass Gott mir besteht.

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SWR4 Abendgedanken

24JAN2024
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„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ So sagt es ein Sprichwort. Und ich finde, da ist auch was dran. Es ist nicht immer gut, anderen Menschen zu vertrauen. Manchmal braucht es auch Kontrolle. Und manchmal sogar ein gesundes Misstrauen. Denn es gibt einfach zu viele Menschen, die Böses im Schilde führen. Darum bringen wir unseren Kindern auch bei, nicht zu einem Fremden ins Auto zu steigen. Auch dann nicht, wenn der Fremde freundlich aussieht und leckere Süßigkeiten anbietet. Wir mussten unseren Kindern auch erst einschärfen, in solchen Situationen vorsichtig und misstrauisch zu sein, denn von Natur aus sind Kinder zunächst einmal vertrauensselig. Kleine Kinder können sich gar nicht vorstellen, dass es jemand böse mit ihnen meinen könnte. Sie sind so voller Vertrauen, dass sie erst das Misstrauen lernen müssen.

Ich habe als Erwachsener das Misstrauen längst gelernt. Telefonanrufe, bei denen mir erklärt wird, ich hätte viel Geld gewonnen, glaube ich nicht mehr. Angebliche Anwälte, die im Namen meiner Kinder anrufen, um mir zu sagen, dass diese Kinder in einer Notsituation sind und dringend 10.000 Euro brauchen, durchschaue ich als „Enkeltrick“. Ich habe es gelernt, misstrauisch zu sein. Das Problem ist nur: Das Misstrauen ist mir so selbstverständlich geworden, dass mir jetzt es mir jetzt eher schwerfällt, anderen Menschen zu vertrauen. Ich muss Vertrauen wieder neu lernen. Sogar das Vertrauen auf Gott.  Vertraue und glaube ich wirklich, dass Gott es gut mit mir meint? Auch dann, wenn im Leben nicht alles gut verläuft und ich Unglück und Schmerz erlebe? Ich ertappe mich dann manchmal dabei, dass auch Gott gegenüber misstrauisch bin. Dann denke ich meinen Konfirmationsspruch. Er lautet: „Werft euer Vertrauen nicht weg, das eine große Belohnung hat“ (Hebr.10,35) Mein Konfirmationsspruch macht mir Mut, mein Misstrauen zu überwinden und wieder Vertrauen zu lernen. Die meisten Menschen wollen mir ja nichts Böses tun. Und Gott erst recht nicht. Gott meint es gut mit mir. Ihm kann ich wirklich absolut vertrauen.

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SWR4 Abendgedanken

23JAN2024
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Es gibt so viele schöne alte Worte, die in unserer Sprache nicht mehr vorkommen. Schabernack zum Beispiel. Das sagt heute kaum mehr jemand, aber es ist ein wundervolles Wort für Unsinn oder Spaß. Oder das Wort „Wonne“. Ich finde, das klingt noch mal ganz anders als einfach nur „Freude“. Und kennen Sie noch „Lindigkeit“? Das Wort meint in etwa das, was wir heute mit Freundlichkeit oder Sanftmut wiedergeben. - Am schönsten finde ich aber das Wort „harren“. Auch das verwendet keiner mehr. Aber manche kennen das Wort noch aus alten Gesangbuchliedern. Da heißt es zum Beispiel: „Harre, meine Seele, harre des Herrn“. Auch in der Bibel kann man das Wort finden. Im Buch des Propheten Jesaja steht: „Die auf den Herrn harren bekommen neue Kraft“ (Jes. 40,31)

Harren, das bedeutet so viel wie Warten. Aber es ist eine besondere Art des Wartens. Nicht wie ungeduldig in einer Warteschlange vor einer Kasse. Oder wie ängstliches Warten auf eine ärztliche Diagnose. Ärgerliches Warten auf dem Bahnsteig, weil der Zug Verspätung hat. Verzweifeltes Warten auf Hilfe in Not.

„Harren“ ist etwas anderes. Harren, das ist Durchhalten. Das ist eine Mischung aus sehnsuchtsvollem Warten voller Vorfreude, aber auch Ängstlichkeit. Harren bezeichnet ein Warten, bei dem ich es fast nicht aushalten kann, bis endlich das kommt, worauf ich warte.

Und nun lese ich in der Bibel, dass ich genauso auf Gott warten darf. Wenn ich in einer schwierigen Situation bin, wenn ich mir Sorgen mache um mich oder einen anderen Menschen und Gott um Hilfe und Beistand bitte; wenn mir die Kraft für das Leben fehlt, dann ist die Zeit, um zu harren. Voller Sehnsucht warte ich dann darauf, dass Gott etwas tut. Vielleicht erhört er mein Gebet. Vielleicht hilft er. Vielleicht zeigt er einen Weg. Dieses Harren ist aber nicht einfach ein Nichtstun. Sondern wenn die Bibel von Harren spricht, dann meint sie immer, dass Menschen beten, hoffen, zu Gott schreien und jeden Tag nicht aufgeben, ihr Leben weiterzuleben. Aber immer in der Hoffnung: Es lohnt sich. Wer auf den Herrn harrt, wartet nicht umsonst. Er bekommt neue Kraft.

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SWR4 Abendgedanken

22JAN2024
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Ich hasse Umwege. Ich denke immer, das ist doch verlorene Zeit. Zum Beispiel, wenn ich beim Wandern mit meiner Frau eine Wegmarkierung übersehen habe und wir darum auf den falschen Weg abgebogen sind. Oft müssen wir dann eine Extraschleife laufen. Oder unterwegs mit dem Auto: Ich bin im letzten Jahr zu einer Veranstaltung zu spät gekommen, weil ein großes Schild auf der Straße stand: „Umleitung“. Dadurch habe ich 20 Minuten länger gebraucht und mich über die verlorene Zeit ziemlich geärgert.

Umwege kosten Zeit und Kraft, auch die Umwege in meinem Leben. Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückschaue, dann fällt mir auf, dass auch dort nicht immer alles gradlinig verlaufen ist. Auch im Leben gibt es Umwege. Vor einigen Jahren hatte ich mich auf eine neue Stelle beworben, aber die bekam dann nach einem halben Jahr Bewerbungsverfahren ein anderer. Ein halbes Jahr schien umsonst. Verlorene Zeit. Oder als mein Studium zu Ende war, wollte ich unbedingt als Pfarrer in eine Gemeinde. Aber zuerst hat man mich für ein Jahr an eine Schule gesetzt, damit ich dort Religionsunterricht gebe. Auch so ein Umweg, der mich Zeit und Kraft gekostet hat. Aber ich habe gelernt, dass das Leben eben nicht einfach geradlinig verläuft, sondern eher Schritt für Schritt. Vorwärts und rückwärts und in Schleifen und manchmal, ohne dass ich weiß, wohin das alles führt.

Und trotzdem: Mancher Umweg ist für mich auch zum Segen geworden. In der Zeit an der Schule habe ich viel gelernt und ich habe Menschen kennengelernt, die mir bis heute wichtig sind. Und weil ich an der einen Stelle nach dem langen Bewerbungsverfahren nicht genommen wurde, habe ich eine andere bekommen, die mir richtig Freude macht.

Umwege kosten Zeit und Kraft. Ich suche sie mir meistens nicht aus. Aber sie gehören zu meinem Leben und prägen mich. Und manchmal sind sie sogar ein Segen. Wenn also etwas nicht so läuft, wie ich mir das vorgestellt habe, dann lohnt es sich danach zu fragen, ob darin trotzdem ein Sinn, etwas Gutes oder sogar Gottes Führung und Segen stecken könnte.

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SWR4 Abendgedanken

03NOV2023
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Ich und meine Frau hatten uns diesen Sommer mitten in den Bergen von Nordgriechenland verfahren. Trotz Straßenkarte und Navi sind wir an einer Stelle falsch abgebogen und plötzlich standen wir vor einer Straßensperrung irgendwo in den Bergen. Also haben wir nochmal die Karte genau studiert, wir haben den Fehler gefunden und haben unser Auto gewendet. Dann sind wir einige Kilometer zurückgefahren bis zu der Kreuzung, an der wir den falschen Weg gewählt hatten.

Was mit dem Auto so einfach funktioniert, das geht im Leben sonst nicht: Wenden und zurückfahren. Ich kann mein Leben immer nur in eine Richtung leben, nämlich nach vorne. Aber manchmal wünschte ich mir, ich könnte einfach in der Zeit umdrehen und nochmal in die Vergangenheit zurückreisen. Wenn ich heute zurückschaue, dann weiß ich, wo ich falsch abgebogen bin und welche meiner Entscheidungen in eine Sackgasse geführt haben. Könnte ich doch einfach wie beim Autofahren zurück an den Punkt, wo es schiefgelaufen ist und einen anderen Weg einschlagen. Welche Fehler hätte ich dann nicht gemacht? Wen nicht verletzt? Welchen Freund nicht verloren und welches Glück nicht verpasst? Aber das geht nicht. Ich kann das, was geschehen ist, nicht rückgängig machen. Ich kann Fehler meiner Vergangenheit nicht korrigieren.

Darum ist es eine der wichtigsten Lebensaufgaben, dass ich mich mit meiner Vergangenheit versöhne. Was ich nicht ändern kann, darüber muss ich inneren Frieden finden. Es hat ja keinen Sinn, sich immer wieder darüber zu grämen, was einmal passiert ist. Das zerfrisst die Seele und macht sie bitter. Ich möchte nicht bitter werden, sondern vertrauen. Vertrauen, dass Gott meine Zeit in seinen Händen hält und dass er aus allem in meinem Leben Gutes machen kann. Alles, was geschehen ist, ist in Gottes Augen nicht umsonst und sinnlos gewesen. Auch wenn ich das vielleicht im Moment noch nicht verstehe. Doch alles, was war, gehört zu mir und hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Das hilft mir, meine Vergangenheit anzunehmen und mich mit ihr auszusöhnen.

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SWR4 Abendgedanken

02NOV2023
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„Und sie bewegt sich doch!“ Das soll Galileo Galilei vor fast 400 Jahren gesagt haben. Er hat damit unsere Erde gemeint. Galileo war fest davon überzeugt, dass die Erde sich um die Sonne bewegt, und nicht umgekehrt. Für die damals mächtige Institution Kirche ein Skandal! Denn die katholische Kirche lehrte noch im 17. Jahrhundert, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums stehe und die Sonne sich um die Erde drehe. Doch Galileo hat damals schon erkannt, dass das nicht stimmt, aber seine Erkenntnis ist ihm nicht gut bekommen. Die Kirche hat ihn als Ketzer angeklagt und hat ihm den Prozess gemacht. Galileo musste damit rechnen, ins Gefängnis zu kommen oder sogar auf einem Scheiterhaufen verbrannt zu werden. Und so hat er schließlich seine Erkenntnis widerrufen. Galileo unterschrieb 1632 ein Dokument, in dem er erklärte, sich geirrt zu haben. Und als er dann aus dem Raum gegangen ist, soll er leise und trotzig gesagt haben: „Und sie bewegt sich doch!“

Es hat 360 lange Jahre gedauert, bis die Kirche öffentlich ihren Irrtum zugegeben und Galileo rehabilitiert hat. Das Urteil über ihn wurde 1992 aufgehoben. Am 2. November. Und ich denke mir: Das hat ganz schön lange gedauert. 360 Jahre -  Es ist offenbar gar nicht so leicht zuzugeben, dass man sich geirrt hat. Das fällt nicht nur Institutionen, sondern auch mir persönlich manchmal richtig schwer. Ich gebe meine Fehler nicht gerne zu. Manchmal verteidige ich so lange meine Taten oder Worte, bis ich gar nicht mehr anders kann als zuzugeben, dass ich falsch liege. Warum fällt mir das so schwer? Vielleicht liegt es daran, dass ich mir und anderen damit eingestehen muss, dass ich kein perfekter Mensch bin. Und irgendwie möchte ich vor anderen Menschen immer gut und möglichst fehlerlos dastehen. Aber natürlich weiß ich: Das ist Unsinn. Niemand ist irrtumslos und fehlerfrei. Ich als einzelner Mensch nicht und Institutionen wie die Kirche auch nicht. Aber ich bin auch dann ein wertvoller und von Gott geliebter Mensch, wenn ich Fehler mache und mich irre. Darum will ich lernen, meine Irrtümer und Fehler ehrlich zuzugeben und nicht 360 Jahre daran festhalten.

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SWR4 Abendgedanken

31OKT2023
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Manchmal kann aus etwas Schlechtem noch Gutes entstehen. Diese Erfahrung hat schon Martin Luther gemacht. Heute am 31. Oktober ist Reformationstag und wir erinnern uns als evangelische Christen an Martin Luther und an die Veränderungen, die er damals in seiner Kirche angestoßen hat. Im Jahr 1517 hatte alles begonnen. Martin Luther hatte 95 Thesen veröffentlicht, um auf die Missstände in seiner Kirche aufmerksam zu machen. Aber seine Kirche hatte nicht verstanden, was er eigentlich wollte und startete einen Ketzerprozess gegen ihn. Das ist dann für Martin Luther richtig gefährlich geworden. Lebensgefährlich. Und so musste er 1521 auf die Wartburg bei Eisenach fliehen und sich dort vor seinen Verfolgern verstecken. Er hat einen falschen Namen angenommen und musste jeden Tag fürchten, dass man ihn finden und töten würde. Aber die Hände in den Schoß legen, das wollte er auch nicht. Martin Luther hatte viel Zeit in seinem Versteck und so hat er begonnen, das griechische Neue Testament der Bibel in die deutsche Sprache zu übersetzen. Luther wollte, dass jeder Mensch in unserem Land selbst die Bibel lesen kann. Nach elf Wochen war er fertig. Rekordzeit! Martin Luther muss Tag und Nacht gearbeitet haben. Aber so ist aus etwas Schlechtem etwas Gutes entstanden. Weil Martin Luther sich aus Angst um sein Leben verstecken musste, entstand die Bibel in deutscher Sprache, ein Meisterwerk, das die weitere Geschichte unseres Landes und unsere Kultur tief geprägt hat.

Aus Schlechtem kann Gutes entstehen.

Ich finde das ermutigend. Denn auch in meinem Leben passieren immer wieder Dinge, die ich nur schwer annehmen kann. Es gibt Tage, da habe ich das Gefühl, ein Unglück kommt nach dem anderen und alles ist irgendwie gegen mich. Da macht mir die Geschichte von Martin Luther Hoffnung und Mut. Auch das, was in meinem Leben schlecht ist oder zerbrochen oder woran ich schwer trage, kann ich in Gottes Hände legen und darf dann hoffen, dass er auch in meinem Leben aus etwas Schlechtem noch Gutes machen wird. Gott kann aus Zerbrochenem Segen entstehen lassen. Das macht mir Mut.

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SWR4 Abendgedanken

30OKT2023
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Im Oktober vor zehn Jahren ist mein Vater gestorben. Und ich stelle fest: Ich habe gar nicht so viele Erinnerungen an ihn. Wenn ich an ihn zurückdenke, dann fällt mir auf, dass er selten da war. Als Kind habe ich meinen Vater nur am Abend oder am Wochenende gesehen, doch auch dann war er meistens beschäftigt. Er hat das Haus umgebaut, den Hof gepflastert, in seiner Werkstatt gebohrt und gesägt. Ich erinnere mich, dass er immer, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, seinen blauen Arbeitsanzug angezogen hat – und dann war er wieder weg, um am Haus und Hof zu arbeiten. Auch später, als er unheilbar krank wurde, war er nicht wirklich da. Erst war er oft im Krankenhaus oder in einer Rehaklinik. Später dann war er zwar viel Zuhause und trotzdem seltsam abwesend. Seine Krankheit hat ihn so belastet, dass er sich tief in sich selbst zurückgezogen hat. Mit der Zeit wurde er immer schweigsamer und hat wenig geredet. Bis er vor zehn Jahren gestorben ist.

Viele Freunde und Bekannte in meinem Alter haben etwas Ähnliches erlebt: Die Väter waren selten für sie da. Wir sind eine Generation, die mit Vätern aufgewachsen ist, die oft abwesend waren.

Vielleicht spricht mich darum das „Vaterunser-Gebet“ ganz besonders an.

Als Jesus einmal gefragt wurde, wie wir Menschen zu Gott beten sollen, da hat Jesus seinen Begleitern das Vaterunser gegeben und gesagt: So sollt ihr beten: „Vater unser im Himmel“. Jesus hat gesagt: Wenn ihr zu Gott betet, dann sagt „Vater“ zu ihm. Ganz oft hat er dann erklärt, wie unser Vater im Himmel zu uns ist. Er liebt uns. Er sucht uns und läuft uns hinterher, weil er möchte, dass wir nahe bei ihm sind. Er hört uns und kümmert sich um unsere Sorgen. Er ist nicht anderweitig beschäftigt und abwesend, sondern in jedem Moment für mich da. Irdische Väter können das nicht – auch wenn sie es noch so sehr wollen. Ich bin dankbar für die guten Erinnerungen, die ich an meinen Vater habe, auch wenn es nicht so viele sind. Und ich bin dankbar, dass ich einen Vater im Himmel habe, der mehr als alle irdischen Väter ein Vater ist, der mich liebt und mir immer nahe ist.

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SWR4 Abendgedanken

08SEP2023
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Heute am 8.September ist „Mariä Geburt“. Für katholische und orthodoxe Christen ist das heute ein wichtiger Tag. Er erinnert sie an die Geburt von Maria, der Mutter von Jesus. Und auch wenn ich evangelisch bin, so will mich trotzdem heute gerne an Maria erinnern.

Sie war nämlich durchaus eine beeindruckende Person. Die Bibel erzählt von ihr und schildert sie als eine starke, mutige Frau und treue Mutter.

Maria hatte fünf Söhne und mehrere Töchter. Ihr ältester Sohn war Jesus. Und gerade dieser Erstgeborene hat Maria viel Sorgen und Kummer bereitet. Dabei sah alles am Anfang noch normal aus. Jesus ist in Nazareth aufgewachsen, hat dort die Schule besucht und eine Lehre zum Zimmermann absolviert. Aber dann wurde er für seine Mutter zum Sorgenkind. Statt eine junge hübsche Frau aus dem Dorf zu heiraten, wie das üblich war, verließ er seine Familie, gab seinen Beruf auf und zog mit einer Schar Männer und einigen Frauen durch das Land. Er predigte, heilte Menschen, legte sich mit den Religionsführern an und wurde am Ende von den Römern zum Tod verurteilt und gekreuzigt. Für Maria war es furchtbar, das mitansehen zu müssen. Und trotzdem hielt sie ihrem Sohn immer die Treue. Sie stand am Ende unter seinem Kreuz als er starb.

Mich beeindruckt diese Treue Marias zu ihrem Sohn. Auch wenn sie nicht verstanden hat, welche Wege er eingeschlagen hat, war sie immer für ihn da. Damit ist sie mir ein Vorbild. Ich habe auch Kinder und verstehe manchmal nicht, welche Wege sie gehen. Ich weiß, welche Sorgen sich Eltern manchmal um ihre Kinder machen und welchen Kummer Kinder den Eltern bereiten können. Wer Kinder oder Enkelkinder hat, der weiß, dass sie das Leben reicher machen, aber es auch viele Konflikte und Sorgen gibt. Dennoch will ich immer zu meinen Kinder stehen. Ich will sie nicht verurteilen, auch wenn ich sie nicht verstehe. Meine Kinder sollen sich auf mich verlassen können. Das lehrt mich Maria. Und darin ist die Mutter Jesu ein Vorbild für alle Väter und Mütter.

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SWR4 Abendgedanken

07SEP2023
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Ich war nie besonders sportlich, das gebe ich gerne zu. Beim Geräteturnen in der Schule ist es mir einmal passiert, dass ich über einen Kasten springen sollte und ihn dabei einfach umgerissen habe. Und als ich eine Weile in einem Fußballverein gespielt habe, habe ich mehr Zeit auf der Bank verbracht als auf dem Spielfeld. Sportlich waren die anderen. Schlimm war das für mich in der Schule aber nur im Sportunterricht, wenn zwei Schüler als Mannschaftsführer ausgesucht wurden, und die dann immer abwechselnd andere Schüler zu sich in ihr Team gerufen haben. Natürlich riefen die beiden immer zuerst die sportlichsten Klassenkameraden in ihre Mannschaft. Und erst ganz am Ende kam auch ich irgendwann an die Reihe. Dann rief einer der beiden Mannschaftsführer auch meinen Namen und holte mich zu sich in sein Team. Es blieb ihm ja nichts anderes übrig.

In der Bibel lese ich von Gott, dass er das Volk Israel auch bei seinem Namen gerufen hat. Beim Propheten Jesaja steht der Satz: Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“ (Jes.43,1) Das sagt Gott zum Volk Israel. Das war damals ein kleines, völlig unbedeutendes Volk ohne großes Land, ohne berühmte Könige, ohne prächtige Bauwerke, ohne beeindruckende Kunst oder Literatur. Ein kleines Wüstenvolk am Rande der Welt. Genau dieses Volk ruft Gott beim Namen. Aber nicht, weil kein besseres, größeres oder mächtigeres Volk da gewesen wäre, sondern weil er dieses Volk geliebt hat. Israel war sein Volk.

So ist Gott. Die Bibel erzählt immer wieder davon, dass Gott Menschen liebt und ihnen nahe sein will, auch wenn sie nicht besonders klug, sportlich, geschickt, hübsch oder begabt sind. Ich finde das macht Mut. So kann ich daran glauben, dass Gott auch mich bei meinem Namen ruft. Auch ich bin ihm unendlich wertvoll, egal was ich bin und kann. Er liebt mich, will mir nahe sein, will mich durch mein Leben begleiten. Im Sportunterricht bin ich erstmal auf der Bank sitzen geblieben. Aber bei Gott werde ich bei meinem Namen gerufen. Das macht mich froh.

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