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SWR4 Abendgedanken

31OKT2025
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„Wir sind Bettler, das ist wahr“. Das sind die letzten Worte im Leben von Martin Luther. Er hat sie am 18. Februar 1546 auf einen Zettel geschrieben, den man nach seinem Tod auf seinem Schreibtisch gefunden hat. Mich erstaunen diese Worte und sie berühren mich jedes Mal, wenn ich sie lese oder höre. „Wir sind Bettler, das ist wahr.“ Dabei hätte Martin Luther sich doch gar nicht als Bettler fühlen müssen. Schon materiell nicht. Als er starb, war er kein armer Mann, er hatte geheiratet, hatte Kinder geschenkt bekommen und wohnte in seinem eigenen Haus in Erfurt. Aber auch sonst hätte Martin Luther stolz sein können auf alles, was er in seinem Leben geschafft hatte. Er war Doktor der Theologie, er war mit den wichtigsten Männern seiner Zeit befreundet, er hatte viele theologische Bücher geschrieben und sogar die ganze Bibel in die deutsche Sprache übersetzt. Er hatte sich mit Kaiser und Papst gestritten und dafür gesorgt, dass die Kirche begonnen hatte, sich zu erneuern. Martin Luther war eine berühmte Persönlichkeit geworden und von vielen hoch geachtet und verehrt. Und trotzdem hat er am Ende seines Lebens so einen Satz gesagt: „Wir sind Bettler, das ist wahr“. Ich glaube, er hat diesen Satz gesagt, weil er genau gewusst hat, dass es jetzt ans Sterben ging. Und er wusste: Wenn ich sterbe, dann nützt mir alles nichts mehr, was ich in diesem Leben geleistet und geschaffen habe. Wenn ich sterbe, muss ich alles zurücklassen: Mein Haus, meine Kinder, meine Bücher, meinen Doktortitel, mein Ansehen. Wenn ich sterbe, dann trete ich vor meinen Gott. Und Gott kann ich nicht mit meinen Leistungen beeindrucken, sondern ich bin auf Gottes Gnade angewiesen. Luther wusste, dass er am Ende seines Lebens Gottes Vergebung brauchen würde für alles, was er auch falsch gemacht und wo er anderen Menschen geschadet hatte. Und Luther hat manches falsch gemacht. Und manches in seinen Schriften geschrieben, das Unheil angerichtet hat.

Darum hat Luther gewusst: Er wird vor Gott wie ein Bettler stehen, angewiesen auf Gottes Gnade und Vergebung. – „Wir sind Bettler, das ist wahr“. Ach, was bilde auch ich mir manchmal so viel ein auf das, was ich tue und leiste und habe und kann. Aber vor Gott trete auch ich einmal mit leeren Händen. Dann hoffe ich darauf, dass Gott auch mir meine Schuld vergibt und mich trotz all meinem Versagen umarmt und sagt: „Willkommen, mein geliebtes Kind, in meinem Reich“.

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SWR4 Abendgedanken

30OKT2025
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Was man aus einem Tonklumpen so alles machen kann! Ich habe im vergangenen Sommer zum ersten Mal an einem Töpferkurs teilgenommen. Und aus dem ersten feuchten Klumpen Ton, den mir die Künstlerin in die Hand gedrückt hat, habe ich eine Schale geformt. Daraus esse ich jetzt morgens mein Müsli. Ein Freund von mir hat aus seinem Tonklumpen einen Weinbecher gemacht. Und meine Frau hat sich gleich höhere Ziele gesteckt: Sie hat aus ihrem Ton einen großen Vogel mit langem Hals und spitzem Schnabel geschaffen. Der sitzt jetzt in einem Blumentopf in unserem Wintergarten. Der Fantasie sind beim Arbeiten mit Ton keine Grenzen gesetzt, eher der eigenen Begabung. Ich finde es darum faszinierend, dass in der Bibel auch von Gott als Töpfer gesprochen wird. Und von uns Menschen als Ton. So jedenfalls sagt es der Prophet Jeremia im Alten Testament. (Jer 18,6)

Nach meinem Töpferkurs im Sommer ahne ich ein wenig, was Jeremia damit meint. Er sagt: Ich bin als Mensch kein Zufallsprodukt, sondern ich bin gemacht, geformt und geschaffen worden von einem himmlischen Töpfer. Und der hat sich vorher genau überlegt, wie ich aussehen soll und zu was ich nütze sein soll. Mir hilft das, denn manchmal bin ich ja mit mir selbst nicht zufrieden und ich denke: Wenn ich doch nur sportlicher wäre, oder besser aussehen würde oder klüger wäre oder mehr Begabungen hätte. Ich schaue dann in den Spiegel und kann mich selbst gar nicht leiden. Aber das Bild vom Ton und dem Töpfer richtet mich wieder auf: Gott hat mich geformt und er hat sich richtig Mühe mit mir gegeben. Ich bin deswegen trotzdem nicht perfekt und ich habe so manche Risse und Macken, die es mir manchmal schwer machen. Aber das macht nichts. Gott kann trotzdem mit mir etwas anfangen. Und dann denke ich auch daran, wie stolz ich war, als ich meine Müslischale fertiggetöpfert hatte und wie vorsichtig ich jetzt damit umgehe. Und mir wird klar, dass das bei Gott genauso ist. Auch Gott ist stolz darauf, wie er mich geschaffen hat.

Gott als Töpfer und ich als Ton. Eine schöne Vorstellung. Sie hilft mir an Tagen, an denen ich mich mal wieder nicht leiden kann. Ich denke dann: Wenn Gott sich an mir freut, darf ich das auch.

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SWR4 Abendgedanken

29OKT2025
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Frohe Weihnachten wünsche ich. Nein, nicht Ihnen, liebe Hörer, sondern den Menschen in Venezuela. Denn die haben tatsächlich schon jetzt im Oktober Weihnachten gefeiert. Warum? Weil ihr Präsident das mit einem Dekret so bestimmt hat. Als Begründung hat er gesagt, er wolle dem Volk eine Freude bereiten. Andere sagen, dass er mit dieser Anordnung von innenpolitischen Problemen ablenken wollte. Wie auch immer: In Venezuela war schon im Oktober Weihnachten. Komisch ist das schon. Auf der anderen Seite vielleicht auch wieder nicht, denn wir feiern an Weihnachten ja die Geburt Jesu Christi. Und in der Bibel steht an keiner Stelle, an welchem Tag oder in welchem Monat Jesus geboren wurde. Und weil das niemand weiß, gab es in den ersten 400 Jahren unserer Zeitrechnung viele verschiedene Geburtstermine über das ganze Jahr verteilt. Warum also könnte Jesus nicht auch im Oktober geboren sein?

Weihnachten kann man im Grunde zu verschiedenen Zeiten feiern. Das liegt auch daran, dass die Botschaft von Weihnachten das ganze Jahr über von Bedeutung ist. An Weihnachten feiern wir, dass Jesus geboren ist und wir glauben, dass damit Gott selbst auf die Erde gekommen ist und Mensch wurde. Das ist eine aufregende Botschaft: Wir haben keinen Gott, der irgendwo im Himmel über uns thront, weit weg von unserem menschlichen Leben und unserem Glück und Leid. Sondern wir haben einen Gott, der uns ganz nahe ist und selbst Glück, Leid, Liebe, Trauer und den Tod kennengelernt hat. Ihm ist nichts Menschliches fremd. Darum kann ich darauf vertrauen, dass dieser Gott mir in jeder Lebenssituation nah ist und mich und meine Sorgen versteht. Ich kann zu ihm beten und glaube, dass er mir nahe ist und mich hört. Keine andere Religion kennt solch einen Gott, der so menschlich ist. Diese Botschaft hat an jedem Tag im Jahr Bestand. Und darum ist es im Grunde egal, wann wir seine Geburt als Mensch feiern. Nur: für die eigenen politischen Ziele sollte niemand Weihnachten missbrauchen. Und was mich betrifft: Mir ist der traditionelle Termin im Dezember sowieso viel lieber. Immerhin feiert dann fast die ganze Welt. Das verbindet uns miteinander über Länder und Nationen hinweg.

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SWR4 Abendgedanken

28OKT2025
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Ich liebe das Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“. Vor allem die dritte Strophe. Da dichtet Matthias Claudius: „Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön! So sind wohl manche Sachen, sie wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn.“ Ich finde, in diesen Worten steckt eine tiefe Wahrheit. Denn wie oft bilde ich mir ein Urteil über ein Thema oder einen Menschen und sehe dabei nur die Hälfte.

Das ist mir jetzt wieder bewusst geworden. Ich habe in der letzten Zeit oft gelesen und in Nachrichten gehört, dass die Jugendlichen heutzutage rücksichtsloser und egoistischer seien als früher. Sie seien laut, sie grölen nachts herum und stehen im Bus nicht mehr für ältere Menschen auf. So habe ich das immer wieder gehört. Und natürlich habe ich Erfahrungen gemacht, die dazu gepasst haben.

Aber jetzt weiß ich: Das ist nur die halbe Wahrheit. Als ich vor einiger Zeit mit der S-Bahn nach Karlsruhe gefahren bin, da hat an einer Haltestelle eine ältere Frau mit einem Rollator versucht, noch die Bahn zu erreichen. Aber sie war noch so weit weg, dass sie keine Chance hatte. Das konnte jeder sehen. Es war ein junger Mann, der von seinem Sitz aufgestanden ist und sich in die Tür der Bahn gestellt hat. Er hat sie so lange blockiert, bis die ältere Frau den Einstieg erreicht hatte.

So viel Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft hätte ich von dem jungen Mann nicht erwartet. Und ich war auch ein wenig beschämt: Ich hätte das ja auch tun können. Und ich habe gemerkt: Das mit der angeblichen Rücksichtslosigkeit von jungen Leuten ist gar nicht die ganze Wahrheit. Das gibt es manchmal. Ja. Aber es gibt mindestens so oft das Gegenteil. Viele junge Menschen sind sehr wohl freundlich und hilfsbereit. Ich will mir das merken. Denn ich denke viel zu oft, ich wüsste genau, wie andere Menschen sind und warum sie so sind. Ich verurteile sie dann schnell in meinem Herzen, ohne sie und ihre Lebensgeschichte zu kennen. Ich denke, was ich sehe, ist die ganze Wahrheit. Aber oft ist es nur die halbe Wahrheit. Darum lohnt es sich, einen zweiten Blick zu wagen. Wenn ich mit Menschen ins Gespräch komme, die mir fremd sind, dann verstehe ich sie manchmal besser. Und wenn ich genauer hinsehe, dann mache ich neue Erfahrungen.  Ja, es stimmt einfach, was Matthias Claudius sagt: Manches ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön.

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SWR4 Abendgedanken

27OKT2025
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Gestern habe ich Zeit geschenkt bekommen. Und nicht nur ich; wir alle: eine ganze Stunde, weil die Uhr in der Nacht von drei auf zwei Uhr zurückgestellt worden ist. So hatte der Sonntag ausnahmsweise 25 Stunden und ich einen längeren entspannten Abend. Natürlich weiß ich, dass ich die Stunde wieder hergeben muss. Wenn im Frühjahr die Uhr wieder auf Sommerzeit vorgestellt wird, dann wird mir die Stunde wieder weggenommen, und das ist weniger angenehm und so mancher leidet darunter. Trotzdem denke ich: Wie schön wäre das, wenn ich selbst die Zeit hin und herstellen könnte, so wie ich es brauche. Wenn ich im Stau stehe oder beim Arzt im Wartezimmer festsitze, würde ich die Zeit gerne öfter mal eine Stunde vorstellen. Und wenn ich einen wundervollen Augenblick erlebe, von dem ich mir wünschte, dass er nie vergeht, dann würde ich gerne die Zeit für eine Weile anhalten. An einem Tag, an dem ich mit meiner Arbeit einfach nicht fertig werde, wünsche ich mir, ich könnte dem Tag noch zwei Stunden hinzufügen. Aber ich weiß ja: Das geht nicht. Ich kann die Zeit nicht verändern, auch meine Lebenszeit nicht. Als ich ein Kind war, konnte es mir mit dem Größer-Werden nicht schnell genug gehen. Und als erwachsener Mann hätte ich die Zeit manchmal gerne angehalten. Doch jetzt, wo ich älter werde, begreife ich mehr und mehr, dass ich auch meine Lebenszeit nicht in den Händen habe. Sie ist begrenzt.

Jesus hat einmal gefragt: „Wer von euch kann dadurch, dass er sich Sorgen macht, sein Leben auch nur um eine Stunde verlängern?“ (Mt 6,27) Die Antwort darauf lautet natürlich: Niemand! Ich bin nicht der Herr über meine Zeit. Ich kann sie nicht schneller laufen lassen und ich kann sie nicht aufhalten. Aber ich kann etwas anderes: ich kann darauf vertrauen, dass meine Zeit nicht einfach so abläuft, sondern geborgen ist in Gottes Hand. Und Gott weiß, wieviel Zeit ich brauche. Für jeden Tag und für mein ganzes Leben. In diesem Vertrauen kann ich jede Minute und jede Stunde als Geschenk begreifen und mich darin üben, meine Tage bewusst zu leben. Dabei hilft mir auch ein Satz, den die englische Ärztin Cicely Saunders gesagt hat: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“.

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25JUL2025
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Über mich und mein Leben ist ein Buch geschrieben worden. Und nicht nur über mich: Über Sie auch. Und über alle anderen Menschen. Über jeden von uns gibt es ein Buch. Da steht jeder Tag drin, den ich erlebt habe. Und jeder Tag, der noch kommt. Das beginnt schon vor meiner Geburt, als ich im Leib meiner Mutter herangewachsen bin. Auch diese Zeit steht in dem Buch. Und dann der Tag meiner Geburt, als sich meine Eltern gefreut haben, dass ich endlich da war. Nach mehreren Fehlgeburten hatten sie sich so sehr ein Kind gewünscht. Es steht auch im Buch, wie es mir in den ersten zwei Monaten erging, als ich im Brutkasten liegen musste. Jeder Tag ist aufgezeichnet. Die Tage im Kindergarten und in der Schule. Als ich mich das erste Mal verliebt habe. Mein Hochzeitstag und die Tage, an denen meine Kinder geboren wurden. Alles steht in diesem Buch. Da stehen die Tage, an denen ich glücklich war und jene, an denen ich vor Schmerz geweint habe. Tage, an denen das Leben mir düster und hoffnungslos erschien. Und Tage, als ich neuen Mut bekam. Es stehen die Tage drin, an denen ich an Gräbern gestanden bin und Abschied nehmen musste. Sogar mein letzter Tag ist dort schon verzeichnet. Ich bin überzeugt, dass in dem Buch nicht einfach nur steht, was ich erlebt habe, sondern auch, welchen Sinn das alles hatte und was Gott sich dabei gedacht hat. Und mein Buch ist absolut einmalig. Mich gibt es ja auch nur einmal. Genauso wie die Bücher aller anderen Menschen einmalig sind.

Mein ganzes Leben, aufgeschrieben in einem Buch, diese Vorstellung stammt aus der Bibel. Aus dem Psalm 139. Dort wird im Vers 16 gesagt, dass alles, das ganze Leben, in Gottes Buch aufgeschrieben steht. Ich denke dabei an die Fotobücher, die ich manchmal Freunden verschenke. In diesen Büchern sind ganz besondere Momente festgehalten: Eine Reise, ein Fest, gemeinsame Zeiten, die wir erlebt haben. Diese Fotobücher halten kostbare Momente fest und wenn ich sie verschenke, dann sage ich dem anderen, dass er mir wichtig ist. Und dass ich mich über die gemeinsame Zeit mit ihm freue. So ist es auch bei Gott. Weil wir ihm wichtig sind und wertvoll, darum gibt es im Himmel über uns Bücher. Gott hat sie geschrieben. Sie sind Ausdruck seiner Liebe zu uns.

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SWR4 Abendgedanken

24JUL2025
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Ich hasse es, wenn im Supermarkt die Waren ganz oben im Regal stehen. Dazu muss ich sagen, dass ich nicht besonders groß bin. Gerade mal über ein Meter siebzig. Wenn eine Packung Müsli im obersten Regal steht und dieses Regal zwei Meter hoch ist, dann muss ich schon auf Zehenspitzen balancieren, wenn ich die Packung erreichen will. Mein Arm ist einfach zu kurz. Aber auch, wenn ich mit meiner Enkeltochter unterwegs bin und sie rennt plötzlich direkt auf ein Auto zu, dann wünsche ich mir, ich hätte einen so langen Arm, dass ich sie am Kragen packen und festhalten könnte. Aber auch da ist mein Arm manchmal zu kurz. Ich muss dann laut nach ihr rufen, damit sie stehen bleibt.

Gott hat dieses Problem nicht. Im Buch des Propheten Jesaja habe ich den Satz gelesen: „Gottes Arm ist nicht zu kurz, als dass er nicht helfen könnte“ (Jes 59,1). Das finde ich eine ermutigende Aussage. Gottes Arm ist nicht zu kurz. Egal, ob es um Kleinigkeiten geht wie zu hohe Supermarktregale, oder um Probleme, die viel schwerwiegender sind: Gott überfordert das nicht. Wenn ich einen Fehler gemacht habe und eine falsche Entscheidung getroffen habe, dann kann Gott daraus dennoch Gutes werden lassen. Wenn eine Beziehung zu einem Menschen zerbrochen ist, kann Gott Vergebung und Heilung schenken.

Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Problem in meinem Leben unlösbar ist, hat Gott dennoch eine Lösung dafür. Das jedenfalls meint der Prophet Jesaja, wenn er sagt: Gottes Arm ist nicht zu kurz, als dass er nicht helfen könnte. Ich denke das ja manchmal, wenn ich bete und sich scheinbar nichts ändert. Warum hilft Gott nicht? Kann er nicht? Das haben die Zeitgenossen von Jesaja sich übrigens auch gefragt. Sie waren nach einem verlorenen Krieg in die Gefangenschaft verschleppt worden und hatten kaum Hoffnung, in ihre Heimat zurückzukehren. Jesaja sagt: Ihr werdet zurückkehren. Gott wird helfen. Sein Arm ist nicht zu kurz. Darauf will auch ich vertrauen. Vielleicht sieht Gottes Hilfe anders aus, als ich das gedacht habe. Vielleicht muss ich darauf noch eine ganze Zeit warten. Aber Gott kann helfen. Er wird es auch. Und wenn ich ehrlich bin: Hier und da habe ich das in meinem Leben ja auch schon erfahren. Darum: Auch wenn ich wieder vor einem Problem stehe oder eine schwierige Situation erlebe: Mein Arm ist manchmal zu kurz. Aber Gottes Arm nie.

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SWR4 Abendgedanken

23JUL2025
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Nicht jeder Lebenstraum geht in Erfüllung. Das hat auch Sabine irgendwann verstanden.

Sabines Lebenstraum war es immer gewesen, Flugbegleiterin zu werden. Schon als Kind fand sie Flugzeuge ganz toll, und manchmal ist sie mit ihrem Vater zum nahegelegenen Flughafen gefahren und hat den Maschinen beim Starten und Landen zugesehen. In so einem Flugzeug wollte sie selbst einmal mitfliegen und dabei die ganze Welt sehen. Aber als sie mit der Schule fertig war, ist sie bald ungeplant schwanger geworden. Sie hat früh geheiratet. Und als die Kinder dann schließlich aus dem Gröbsten raus waren, war es zu spät. Sie konnte ihre Ausbildung zur Flugbegleiterin nicht mehr machen und hat ihren Traum vom Fliegen begraben müssen.

Es gibt so viele Menschen wie Sabine. Menschen, die Träume vom Leben hatten, aber die äußeren Umstände haben es nicht zugelassen, dass sich ihre Träume erfüllt haben. Ich denke, vielleicht ist es sogar bei den meisten von uns so. Die einen haben keinen Partner gefunden, obwohl sie immer von der großen Liebe geträumt haben. Andere hätten gerne im eigenen kleinen Haus gewohnt, aber sie haben sich das ein Leben lang nicht leisten können. Und wieder andere sind kinderlos geblieben, wo sie sich doch so sehr eigene Kinder gewünscht haben. Es gibt so viele unerfüllte Lebensträume. Menschen können darüber verbittern, weil sie vom Leben enttäuscht sind. Oder sie machen Gott Vorwürfe, weil er ihnen nicht das Leben gegeben hat, das sie sich so sehr gewünscht haben. Allen, denen es so geht, wünsche ich, dass sie irgendwann Frieden finden über ihre unerfüllten Träume. Dabei kann es helfen, den Schmerz und die Enttäuschung im Gebet zu Gott zu bringen. Wir können ihm sagen: Gott, es tut weh, dass sich meine Träume nicht erfüllt haben. Aber ich will dir vertrauen, dass du dennoch einen guten Weg mit mir hast. Dann lese ich vielleicht Worte wie diesen Satz aus dem Psalm 37: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoff auf ihn, er wird’s wohl machen“. Ja, auch wenn sich nicht alle Träume vom Leben erfüllen, Gott hat Gutes für uns im Sinn. Darauf will ich vertrauen.

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22JUL2025
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Wenn jetzt eine gute Fee um die Ecke kommen würde und sagen würde: Du hast einen Wunsch frei, egal, was es ist! – Was würden Sie sich wünschen? Und ich frag auch mich: Was würde ich mir wünschen? Geld? Gesundheit? Eine tolle Reise? Dass es meinen Kindern gut geht? Dass endlich Frieden herrscht in der Ukraine oder anderswo auf der Welt? Ich merke schnell, dass ich viele Wünsche habe.

Aber im Märchen hat man bei einer guten Fee nur einen Wunsch frei. Oder höchsten drei, wenn man Glück hat. Bei Aladin ist es ein Geist aus der Lampe, der die Wünsche erfüllt. Im Märchen der Gebrüder Grimm vom Fischer und seiner Frau ist es ein verzauberter Fisch. Und im Kinderbuch vom Sams hat das Sams ganz viele Wunschpunkte im Gesicht. Jedes Mal, wenn man sich etwas wünscht, verschwindet einer der Punkte. Immer sind die Wünsche begrenzt, und man muss sich darum gut überlegen, wofür man sie einsetzt.

In der Bibel wird erzählt, dass es auch dem König Salomo einmal so erging. Als Salomo noch ganz jung König geworden war, da ist ihm Gott im Traum erschienen und hat gesagt: Du hast einen Wunsch frei. Und? Was hat sich Salomo gewünscht? Salomo wünschte sich ein hörendes Herz. Keinen Reichtum. Keinen Sieg über seine Feinde. Kein langes Leben. Sondern ein Herz, das offen ist für seine Mitmenschen und für Gott. Es wird erzählt, dass Gott sich über diesen Wunsch sehr gefreut hat und dem König diesen Wunsch erfüllt hat. (1.Kö. 3) Wenn ich wie Salomo auch nur einen Wunsch frei hätte, ich weiß nicht, ob ich das Gleiche gewählt hätte wie dieser König. Aber ein offenes Herz für Gott und für die Mitmenschen, das wäre wirklich eine gute Sache. Ich erlebe mein Herz oft verschlossen. Dann erkenne ich nicht, was Gott mir Gutes tut und ich bin undankbar ihm gegenüber. Oder ich bin ablehnend, sogar verletzend gegenüber meinen Mitmenschen. Mein verschlossenes Herz macht mich dann unbarmherzig und lieblos gegen andere. Auch gegen mich selbst. Darum: Ein hörendes Herz, ein Herz, das offen und empfindsam ist, das wünsche ich mir auch. Es wäre gut für meinen Glauben. Für mich und für die Menschen, mit denen ich lebe. Und Sie? Was würden Sie sich wünschen?

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SWR4 Abendgedanken

21JUL2025
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In manchen Situationen weiß ich nicht, wie ich mich entscheiden soll. Egal, was ich mache, es scheint immer falsch. Zwei gute Freunde von mir feiern Geburtstag, beide am gleichen Tag. Und ich frage mich: Was soll ich tun? Wenn ich zum einen Freund gehe, was denkt der andere? Beide Freunde sind mir wichtig, und ich will keinen verletzten oder enttäuschen. Ich kann es nur falsch machen, wie auch immer ich mich entscheide.

Und mein Problem ist noch ziemlich harmlos. Manchmal geht es um viel mehr. Es geht darum, sich selbst und seinen Überzeugungen treu zu bleiben. Es geht um Leben und Tod, und die Entscheidung hat Folgen für das Leben anderer Menschen.

In der Zeit des Nationalsozialismus stand der evangelische Pfarrer Dietrich Bonhoeffer vor so einer Entscheidung. Seine Freunde aus der Widerstandbewegung fragten ihn, ob er bei einem Attentat auf Adolf Hitler mitmachen würde. Aber darf er das? Als Christ mithelfen, dass ein Mensch getötet wird? Und sich damit zum Richter über Leben und Tod machen? Und wenn er nicht mitmacht, dann lässt er weiter zu, dass Hitler und seine Anhänger täglich Menschen in Konzentrations- und Vernichtungslager schicken und Europa weiter mit einem brutalen Krieg überziehen. Dietrich Bonhoeffer hat sich seine Entscheidung nicht leicht gemacht. Er hat mit sich gerungen und gebetet und dann hat er sich schließlich entschieden: Er beteiligt sich an den Vorbereitungen zum Attentat.

Gestern war der 20. Juli. Am 20.Juli 1944 fand dieses Attentat auf Adolf Hitler statt. Doch Hitler überlebte die Bombe, die in seinem Hauptquartier explodierte, nur leicht verletzt. Dietrich Bonhoeffer hat seine Entscheidung, sich an dieser Tat zu beteiligen, mit dem Leben bezahlt. Im April 1945 wurde er hingerichtet. Schon als er seine Entscheidung getroffen hat, hat Bonhoeffer gewusst: Es gibt keine richtige Entscheidung: „Was auch immer ich tue, ich werde schuldig“. Manchmal ist das so: Manchmal gibt es kein eindeutiges richtig oder falsch. Manchmal müssen wir uns entscheiden, ohne zu wissen, was gut ist. Das braucht Mut. Aber auch das Vertrauen auf Gott, dass er aus meiner Entscheidung am Ende etwas Gutes machen kann, auch wenn ich das jetzt noch nicht erkenne.

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