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Anstöße sonn- und feiertags

16JUL2023
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„Stellt euch bitte vor mit eurem Namen, wann ihr hier studiert habt und welches Lied ihr mit dieser Zeit verbindet.“

Nach 32 Jahren sitze ich wieder in einem Hörsaal in der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal. Dort habe ich 1991 angefangen Theologie zu studieren. Ich habe mich hier mit einer Freundin verabredet. Ich hatte sie am ersten Tag meines Studiums kennengelernt. Damals war alles neu und aufregend. Ich habe Hebräisch und Griechisch gelernt. Habe meine ersten theologischen Vorlesungen gehört und ganz viel nicht verstanden.

Die täglichen Andachten waren ein Haltepunkt für mich. Da habe ich in all dem Neuen Gottes Nähe gespürt. Als hätte Gott sich mir dort täglich neu vorgestellt und gesagt: „Ich bin der ICH BIN DA“. So, wie er sich vor mehr als 2500 Jahren Mose vorgestellt hat. Ich bin der ICH BIN DA“. Gott geht durch die Jahrtausende mit.

In meinem kleinen Leben tut das auch meine Freundin. Seit dem ersten Tag meines Studiums hat sie mich durch die Höhen und Tiefen meines Lebens begleitet. Auch heute sitzt sie neben mir. Und das ist gut so. Denn Vorstellungsrunden mag ich nicht. In jeder Runde stelle ich mir die Frage: Wer bin ich eigentlich? Oder welche Facette von mir möchte ich in dieser Runde zeigen?

Als ich in der großen Runde drankomme, erzähle ich, wann ich angefangen habe zu studieren und dass ich mit dem Beginn des Studiums das Lied „Our House“ der britischen Band Madness verbinde, weil das auf jeder Fete damals lief und ich keine ausgelassen habe.

Madness singt über das Leben in einem Haus in der Mitte der Straße. Und was da so passiert. Und dass es im Rückblick wie ein Schloss war und Halt gegeben hat, auch wenn man als Jugendlicher unbedingt da wegwollte. Das hat damals sehr gut zu meinem eigenen Lebensgefühl gepasst und tut es immer noch.

Es geht um das, was bleibt, wenn sich das Leben um einen herum verändert. Gott bleibt und geht mit. Und manchmal erfahre ich das durch Menschen oder in der Musik. Wo spüren Sie, dass Gott da ist?

Annette Bassler für Anja Behrens, Kaiserslautern, evangelische Kirche.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

24MAI2023
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Am Wochenende feiern wir Pfingsten. Gott schüttet sich in seinem Geist hinein in die Welt. Und gerade im Frühling scheint dieser Geist allgegenwärtig.

Und sooft ich kann, gehe ich jetzt eine Runde durch den Wald. Hier wird mein Herz weit, ich atme mit jeder Faser meines Körpers das Neue ein. Alle Sinne sind offen. Meine Augen sehen das frische Grün, das niemals so zart und wunderschön ist wie gerade im Mai. Meine Ohren hören das Zwitschern der Vögel, die vom Leben singen. Ich rieche den Flieder und bin wie betrunken von diesem Duft. Ich laufe durch den Wald und staune. Jedes Frühjahr neu, als sähe ich es zum ersten Mal. Und mein Herz ist voll und mein Mund singt eines meiner Lieblingsmailieder: Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottes Güt. Des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht. Und ich höre genau hin und ich weiß: Das Leben ist ein Geschenk. Und die Schöpfung in der ich lebe auch. Und gerade im Frühling habe ich den Eindruck, dass die ganze Schöpfung mitstaunt, dass sie lebt und wächst, grünt und blüht.

Doch all das Grün und das pralle Leben können nicht darüber hinwegtäuschen, wie bedroht die Schöpfung ist. Mir wird das wieder mal besonders deutlich, als ich in einer Ausstellung die Bilder eines Fotografen sehe. Er hat auf seinen Wanderungen durch den Pfälzer Wald die Folgen des Klimawandels eingefangen, vertrocknete Erde, abgestorbene Bäume, überflutete Städte. Und aus dem Staunen über die Schönheit der Schöpfung wird ein Seufzen, ein Schmerz über die Zerstörung.

Wenn ich auch in Zukunft noch durch Gottes Schöpfung laufen, staunen, loben und singen will, braucht es neben Gottes Geist auch meinen persönlichen Einsatz. Es ist nicht egal, wie ich lebe. Und jeden Tag neu kann ich mich entscheiden aus dem Staunen etwas wachsen zu lassen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

23MAI2023
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„Die Tauben haben einen neuen Platz an der Kirche gefunden.“ Eine Kollegin zeigt mir ein Nest auf der Rückseite einer Säule an der Kirchentür. „Sie sind halt clever, stehen ja nicht umsonst für Gottes Geist,“ sagt sie und freut sich ein wenig schelmisch.

Es stimmt, die Taube ist ein Symbol für Gottes Geist. Als Jesus im Jordan getauft wird öffnet sich der Himmel und der Geist Gottes kommt in Gestalt einer Taube auf ihn herab und eine Stimme erklingt: „Du bist mein geliebter Sohn.“

Wir stehen in der Küche des Pfarrhauses und blicken auf die Kirche. Die Kollegin hat mich eingeladen einen Gottesdienst mitzugestalten. Seit langer Zeit bin ich mal wieder in dieser Gemeinde. Als junge Pfarrerin war ich dort zusammen mit meinem Mann 12 Jahre tätig. Jetzt gehen wir gemeinsam durch unser ehemaliges Pfarrhaus und die Kollegin zeigt mir, wie sie und ihre Familie sich eingerichtet haben. Sehr schön sieht es hier aus und gleichzeitig ist der Besuch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Ich sehe auf einmal unsere drei Kinder als kleine Jungs durch Haus und Garten tollen, höre das Gackern der Hühner, sehe meinen Mann und mich über einem Gottesdienst brüten. Und ich bin auch ein wenig wehmütig. Wir hatten hier eine erfüllte Zeit mit Höhen und Tiefen einer jungen Pfarrfamilie.

Der Gottesdienst ist schön. Wir segnen eine junge Frau und ihre Familie. Wir singen und beten, zwei machen Musik, die früher schon in der Gemeinde musiziert haben. Ich sehe vertraute Gesichter und neue, werde umarmt und ausgefragt. Es ist viel passiert seit damals. Mein Leben hat sich sehr gewandelt. Und doch heute schwelge ich gerne in Erinnerung

Nach dem Gottesdienst feiern wir auf dem Kirchenplatz weiter. Dabei fällt mein Blick wieder auf das Taubennest. Und ich spüre in dem Moment. Im Wandel der Zeit, im Wandel des eigenen Lebens schüttet Gott seinen Geist aus und mit ihm ganz viel Liebe. Und weil es sie gibt, kann ich leben.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

22MAI2023
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„Bin gerade in der Wohnzimmerkirche… kleine Glücksnachricht.“ Das schreibt mir mein Sohn an einem Freitagabend. Seit 2 Monaten lebt er in Hamburg. Und schon bevor er umgezogen ist, hab ich ihm ständig in den Ohren gelegen: „Geh mal zur Wohnzimmerkirche. Das ist eine ganz neue Form von Gottesdienst. An einem Freitagabend mit Essen und Trinken. Statt Kirchenbänken stehen da Sofas in der Kirche, das Licht ist gedämpft, Lichterketten hängen rum.“ So habe ich ihm vorgeschwärmt. Also nicht, dass ich schon mal dort war, aber ich habe alles dazu gelesen, was ich finden konnte. Die Wohnzimmerkirche trifft meine Sehnsucht von Gottesdienst. Menschen kommen in der Kirche miteinander in Kontakt. Sie reden über Fragen des Lebens, singen miteinander, beten. Und das Ganze in Wohnzimmeratmosphäre. Hier ist gut sein und in kleinen Gruppen fällt es leichter über die Fragen des Lebens zu sprechen als in großer Runde. Keine lange Predigt, sondern der persönliche Austausch über mein Leben im Horizont meines Glaubens. Als mein Sohn die Wohnzimmerkirche besucht hat, ging es ums Glück. Was ist dir heute geglückt? Was macht dich glücklich? Mich hat seine Nachricht ganz glücklich gemacht, sie war ein Fenster zu meinem Sehnsuchtsort.

Für alle, die nicht in Hamburg wohnen, gibt es ein paar Tage später die Wohnzimmerkirche als Gottesdienst auf Instagram. Und so sitze ich an einem Sonntagabend auf meinem Sofa und feiere die Wohnzimmerkirche zum Thema Glück selbst mit. Digital kommen Menschen aus ganz Deutschland zusammen und hören Musik, beten miteinander und schreiben in die Kommentare, wo für sie das Glück wohnt, was ihnen heute geglückt ist und dass Glück auch bedeuten kann, Geld für ein Projekt zu spenden.

Für eine Stunde sind wir auf den Sofas Deutschlands eine geistliche Gemeinschaft und ich spüre, Gottes Geist kennt keine Grenzen. Digital oder analog, bei meinem Sohn in Hamburg oder bei mir in Kaiserslautern oder sonstwo. Gottes Geist verbindet und manchmal schenkt er dir mitten am Tag ein kleines Glück. Das wünsche ich Ihnen heute.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

18FEB2023
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„Baruch ata adonai eloheinu“ – Wir loben dich, ewiger einziger Gott.

Rabbi Solomon singt diese Verse in Edinburgh im New College. Dort hat in der letzten Woche die liberale jüdische Gemeinde zum ersten Mal ihren Gottesdienst gefeiert. Möglich wurde das, weil meine Freundin dort arbeitet. Und ihre Tochter hat dort in der letzten Woche ihre Bat Mitzwah gefeiert. Bat Mitzwah bedeutet Tochter des Gebots. Nach dem 13. Geburtstag werden Mädchen oder Jungen religionsmündig und in einem feierlichen Gottesdienst in die Gemeinde aufgenommen mit allen Rechten und Pflichten. Als Patentante bin ich eingeladen und ziemlich aufgeregt.

Am Morgen des Sabbats feiern dann Jüdinnen und Juden, Christinnen und Christen und Menschen, die sich zu keiner Religion bekennen, gemeinsam die Bat Mitzwah.

Im Wechsel singen der Rabbi und die Gemeinde Psalmen und Lieder. Gemeinsam beten wir das Shema Israel: Höre, o Israel: Der Ewige ist einer, er ist unser Gott. Der Ewige Gott ist Einer.

Dann wird die Tora, die Schriftrolle mit den fünf Büchern Mose enthüllt und mein Patenkind liest Verse aus dem 2. Buch Mose in Hebräisch. Sie benutzt einen Zeiger, weil die Tora nicht mit den Händen berührt werden darf. Und sie übersetzt die Verse. Ein Jahr lang hat sie sich regelmäßig mit Rabbi Salomon getroffen und hebräisch gelernt und eine eigene Übersetzung angefertigt und eine Auslegung über den Text geschrieben. Rabbi Salomon hält eine persönliche Ansprache. Und er bezieht uns alle mit ein, begrüßt die Gäste namentlich. Er betont, wie wichtig der interreligiöse Dialog gerade in diesen Zeiten ist. Dass wir uns gemeinsam einsetzen für Frieden und gegen Ausgrenzung. Dass wir in Unterschiedlichkeit zusammenstehen und dann singen wir wieder:

„Baruch ata adonai eloheinu“ – Wir loben dich, ewiger, einziger Gott.

Ich stimme mit ein und spüre in diesem Moment die Kraft des gemeinsamen Gebets, das Grenzen zwischen Ländern und Religionen überwindet. Für diesen Moment sind wir eins in unserer ganzen Verschiedenheit.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17FEB2023
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Manchmal steht eine Ahnung von Glück zwischen den Regalen im Supermarkt. Letzte Woche habe ich sie dort gefunden. Auf dem Weg nach Hause klingelt mein Telefon. „Wir haben kein Brot mehr und auch die Milch ist alle. Kannst du das auf dem Weg noch schnell mitbringen“, fragt mein Sohn. Anstatt zu sagen, dass er es selbst kaufen soll, grummle ich: „Ja, mach ich.“ Natürlich habe ich keine Tasche dabei. Im Supermarkt laufe ich dann schlechtgelaunt durch die Regale, greife vorne noch nach einer Packung Kaffee, die fehlt auch noch. Und dann sehe ich eine gute Bekannte. „Hallo“, rufe ich fast im Vorbeigehen. Sie strahlt mich an: „Wie schön dich zu sehen.“ Das tut mir schon gut. Und dann bleibe ich doch stehen und wir kommen ins Erzählen: über unsere Arbeit, unsere Familien.  Hier zwischen Waschpulver und Taschentüchern fällt es auf einmal leicht auch Schweres miteinander zu teilen. Wir kennen es beide und wissen, dass es ganz schön herausfordernd ist, alleine das Leben zu balancieren. Beruf und fast erwachsene Kinder und eigene Wünsche und Bedürfnisse unter einen Hut zu kriegen. Wir reden und reden und der Supermarkt um uns herum verschwimmt mehr und mehr. Eine Lautsprecherdurchsage reißt uns schließlich aus unserem Kontakt. Mehr als 30 Minuten sind vergangen. „Das war fast wie ein Besuch im Café“, sage ich. „Lass uns bald mal treffen“, sagt meine Bekannte. Wir lachen beide. Denn wir wissen, dass wir das schon so oft gesagt haben. Jedes Mal, wenn wir uns treffen tut es uns beiden sehr gut miteinander zu sprechen. Dann stehen wir lange zusammen und reden und reden und sagen am Ende, dass wir uns echt mal auf einen Kaffee verabreden müssen. Und dann verstreicht die Zeit.

Wir verabschieden uns und sie sagt: „Pass auf dich auf!“ Mein Herz wird leicht und warm, meine schlechte Laune ist weitergezogen. Ich laufe mit Kaffee, Brot und Milch im Arm und erfüllt von unserer Begegnung nach Hause. Dort brummt mein Telefon: „Liebe Anja, es war sehr schön dich zu treffen und mit dir zu reden. Würde mich sehr freuen, wenn wir uns bald mal wieder sehen,“ steht in der Nachricht. Und aus der Ahnung von Glück wird ein Segen für meinen Tag.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

16FEB2023
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Heute vor 20 Jahren sind unsere Zwillinge getauft worden. Sie waren damals 7 Monate alt. Es war total aufregend, viele Gäste waren gekommen, die Kirche voll und beide Kinder krank. Viel mitbekommen haben sie nicht von ihrer Taufe, gerade erst hatten sie einen Magen Darm Infekt überstanden und waren total schlapp und blass. Eine Freundin hatte uns zwei große Taufkerzen geschenkt. Die zünde ich heute zum Frühstück an, auch wenn die beiden gerade gar nicht hier sind. Und ich schreibe ihnen eine kleine Nachricht. Einen Glückwunsch zu ihrer Taufe und eine Erinnerung.

Denn die braucht es und nicht nur am Tauftag. Es tut gut sich dran zu erinnern: Ich bin getauft. Denn das bedeutet: Ich gehöre zu Gott und bin Teil der großen Gottesfamilie. Nichts und niemand kann mich von Gott trennen. Mir hat das an vielen Punkten in meinem Leben schon Kraft geschenkt. Martin Luther hat gesagt, dass es gut ist, jeden Tag wie neu aus der Taufe zu kriechen. Und mir gefällt das. Ich stelle mir da immer ein Schneckenhaus vor. Da sitze ich oft drin, in mir gefangen und zusammengekrümmt. Und dann erlaube ich es mir, dass ich jeden Morgen da aus diesem Schneckenhaus rauskrieche. Mich in die Welt wage. Ich gehöre zu Gott, ich bin getauft. Und ich richte mich langsam auf und gehe los in diesen Tag, der wie frisches Wasser vor mir liegt.

Die Evangelische Kirche in Deutschland lenkt in diesem Jahr auch einen besonderen Blick auf die Taufe. Unter dem Motto: viele Gründe, ein Segen, deine Taufe lädt sie Menschen ein, sich taufen zu lassen oder sich an die eigene Taufe zu erinnern. Ich finde das toll. Denn ich wünsche vielen Menschen, dass sie sich gestärkt und geliebt fühlen. Dass sie sich mutig ins Leben wagen, weil sie spüren: Ich gehöre zu Gott. Ich bin ein Gotteskind.

Heute ist der 20. Tauftag unserer Zwillinge. Ich zünde jetzt die Kerzen an. Haben Sie nicht Lust, sich auch eine Kerze anzumachen? Kriechen Sie doch heute wie neu aus ihrer Taufe, wagen sie sich gestärkt und geliebt in diesen Tag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37120
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10DEZ2022
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„Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Die Liebe aber ist die größte unter ihnen.“ Das wusste schon Paulus. Vor fast 2000 Jahren hat er diesen Vers in einem Brief an die Menschen in Korinth geschrieben. Er steht in der Bibel. Die Liebe ist die Größte. Dabei kommt sie manchmal ganz klein daher.

Die kleine Hand schiebt sich in meine. „Liest du mir ein Buch vor?“ Meine kleine Patentochter schaut mich mit ihren großen Augen an. Wir haben uns lange nicht gesehen. Ich bin seit langer Zeit mal wieder zu Besuch. Draußen brennt ein Feuer, ich drehe regelmäßig das Stockbrot, damit es nicht schwarz wird. Zunächst hält sie noch Abstand zu mir. Dann zeigt sie mir ihren Roller und wie toll sie schon damit durch die Gegend flitzen kann. Und kurze Zeit später essen wir gemeinsam das warme Stockbrot. Mir schmeckt es heute besonders gut.

Und das gemeinsame Essen schafft noch mehr Nähe zwischen uns. Und dann ist der Moment da: „Liest du mir ein Buch vor?“ Wir gehen ins Haus. Sie stellt ihre kleinen rosa Schuhe nebeneinander vor die Tür. „Das ist ganz wichtig“, sagt sie. „sonst ziehe ich sie später verkehrt rum an.“ Drinnen setzen wir uns aufs Sofa. Sie sucht ein ganz bestimmtes Buch. Ich bin ganz überrascht. Sie hat ein Fotobuch geholt. Wir schauen uns ganz viele Bilder an. Es sind Bilder von ihr seit sie geboren ist. Sie ist fasziniert, wie klein sie mal war. Aber sie sucht anscheinend ein ganz bestimmtes Bild. Als sie es gefunden hat, strahlt sie mich an. Es ist ein Bild von uns beiden. Es zeigt, dass wir eine Geschichte miteinander haben. Mir wird ganz warm ums Herz. Sie zeigt mir mit dem Bild, dass die Liebe bleibt.

Die Liebe bleibt und sie ist die Größte. Ja, das stimmt. Und dass sie sich im Kleinen zeigt, erlebe nicht nur ich. Genau das feiern wir in der Adventszeit. Wir warten auf Jesu Geburt. Mit dem Blick auf ein kleines schutzbedürftiges Kind verändert sich die Welt. Denn ich verändere mich. Ich möchte das Leben schützen. Ich möchte das Schlechte von ihm fernhalten. Mit dem Blick auf meine kleine Patentochter bleibt die Liebe und macht mich zu einem besseren Menschen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

09DEZ2022
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„Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei.“ Das steht in der Bibel. Paulus hat diese Worte in einer schwierigen Zeit an die Menschen in Korinth geschrieben. Was sich verändert, wenn sich die Hoffnung auf einmal mit an den Tisch setzt und dableibt, das habe ich vor kurzem erlebt.

Zu viert sind wir nach einem langen Tag spontan zum Essen zusammengekommen. Eine Freundin hat uns eingeladen zu Ofengemüse und Schafskäse. Der Tisch ist liebevoll gedeckt, die Kerzen leuchten warm in der Küche. Während wir noch auf das Essen warten, zeigt ein Freund uns das Bild seiner kleinen süßen Enkelin. „Ich bin noch immer überwältigt,“ sagt er. Er ist zum ersten Mal Opa geworden. Seine Augen leuchten. Seine Enkelin ist gerade 3 Wochen alt. Er erzählt, wie er das Warten auf das Kind aus der Ferne miterlebt hat. Er beschreibt seine Freude und seine Anspannung. Hoffentlich geht alles gut, so denkt er immer mal wieder. Und dann vor drei Wochen hat ihn seine Tochter mitten in der Nacht angerufen, dass es losgeht, dass sie jetzt ins Krankenhaus fahren. Er war gleich hellwach und ist aufgestanden. Jetzt bin ich bald Opa, so hat er gedacht. Doch die Geburt hat ganz schön lang gedauert. Erst am nächsten Tag und viel Anstrengung kam die Nachricht: Sie ist da!  Und die Mutter, das kleine Mädchen und auch der Vater sind wohlauf. Der Freund wischt auf seinem Handy und zeigt uns noch mehr Fotos. Wir anderen spüren, wie glücklich er ist. „Das verändert alles,“ sagt er plötzlich. Er sucht nach Worten. „Jetzt rückt alles andere in die 2. Reihe“, sagt er dann. „Dieser kleine Mensch lässt mich ganz neu auf meine eigenen Sorgen schauen. Es wird weitergehen, das macht mich gelassener!“ Wir drei anderen sind ganz still. Seine Worte haben uns berührt. Denn wir kennen auch seine Sorgen. Er ist selbständig. Erst hat die Coronapandemie ihm und seinem Betrieb ziemlich zugesetzt, jetzt sind es die Energiekosten.

Doch seine neugeborene Enkelin wirft für ihn auf all das ein anderes Licht. Das Licht der Hoffnung. Sie sitzt hier mit am Tisch, macht ihn glücklich und stärkt ihn. Und uns irgendwie auch.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08DEZ2022
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Was bleibt, wenn viele Krisen in unser Leben hineingreifen, wenn es dunkler ist innen und außen. „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei.“ In einer Krisenzeit hat das vor fast 2000 Jahren Paulus an Menschen in Korinth geschrieben. Ich habe mich in diesem Jahr dazu entschlossen. Im Advent schaue ich genau hin, wo mir Glaube, Hoffnung und Liebe begegnen. Und mit dem Glauben fang ich an.

„Ich fahre mit dem Rad durch Europa.“ Das hat mein Sohn Paul zu mir gesagt. Gerade erst ist er von einem Auslandsjahr in Frankreich zurückgekommen. Mir liegen 100 Einwände auf der Zunge. Ich spreche sie nicht aus aber mein Gesicht spricht anscheinend Bände. „Was schaust du so?“  Ich fühle mich ertappt, denn ich möchte gar nicht dagegenreden, ich bin nur nicht ganz so abenteuerlustig oder anders gesagt bin ich manchmal etwas ängstlich. Aber ich stelle die Angst nach hinten. Denn es ist ja gar nicht Pauls Angst. Und dann frage ich nach seinem Plan. Und Paul erzählt. Er möchte mit einem Freund von Weimar nach Athen radeln. Erst einmal. „Ich war jetzt ein Jahr an einem festen Ort, jetzt möchte ich noch einmal los. Bis Athen radeln wir gemeinsam, dann schaue ich mal.“

Von da an tüftelt er aus, wie die Sachen am Besten aufs Fahrrad passen. Er ist sehr konzentriert, gut durchdacht und strukturiert. Ich staune über meinen Sohn. Einige Tage bevor er aufbricht frage ich ihn: „Warum machst du eigentlich diese Reise?“

„Ich mache mich auf den Weg und bin offen für das, was mir begegnet,“ antwortet Paul. Daraus spricht so viel Vertrauen in das Leben und in diese Reise. Und das beeindruckt mich. Dem Weg vertrauen. Jeden Abend neu schauen, wo es einen Platz für das Zelt gibt. Vertrauen ist ein anderes Wort für glauben. Glauben christlich beinhaltet genau das. Sich Gott anvertrauen und das Leben wagen ohne zu wissen, was kommt. Weil Glaube bleibt, radelt Paul los und ich kann ihn ziehen lassen.

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