Zeige Beiträge 1 bis 10 von 482 »
SWR3 Worte
Der Raumfahrtingenieur Manuel Frey ist in Überlingen geboren und hat in Stuttgart geforscht. Acht Jahre lang hat er nun die Ariane 6, die neue Weltraumrakete der ESA mitentwickelt. Anfang Juli ist sie ins Weltall gestartet. Er ist auch gläubiger Christ und sagt:
„In meiner Arbeit entwickle ich Maschinen, aber wenn der Mensch ins Spiel kommt, da wird die ganze Sache doch deutlich komplexer: […] Wir berechnen zum Beispiel die Strömungen, die chemischen Reaktionen in einem Raketenantrieb und können das schon sehr genau machen, aber ich glaub es ist noch keinem gelungen, die Reaktionen eines Menschen auf irgendeine Nachricht vorherzusagen […] die Menschen, die tragen ja einen Kosmos in sich.[…] , er ist sehr komplex und […]: Glaube, Liebe, Hoffnung sind natürlich Dinge, die den Menschen fundamental von einer Maschine unterscheiden.“
Quelle: https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=40140, Ausdruck vom 11.08.2024, 19:26 Uhr.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40569SWR3 Worte
Der Komiker Teddy Teclebrhan zählt heut zu den erfolgreichsten Comedians Deutschlands. Er ist als Kind aus Eritrea nach Deutschland geflüchtet und in Mössingen in Baden-Württemberg aufgewachsen. In einem Interview erinnert er sich daran, wie Menschen ihn in seiner turbulenten Jugend nicht aufgegeben haben:
„ Ich hatte […] ein paar Leute, die mir auch wahnsinnig geholfen haben. Zwei davon haben am Stotzenhof gearbeitet, einem Jugendzentrum, in dem wir früher immer abgehangen sind […] Sozialpädagogen, die immer für uns da waren. Immer! Deren Tür war die ganze Zeit offen für all unsere Probleme. Ich habe noch immer Kontakt zu denen und ich sage ihnen regelmäßig: „Ihr wisst gar nicht, was das für uns bedeutet hat, dass ihr da wart.“ Wir waren solche Chaoten, und die hatten eine solche Geduld mit uns. Haben mir Praktika gecheckt, bei denen ich regelmäßig gescheitert bin. […] Dann haben sie mir eben ein neues Praktikum gesucht.***“
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/medien/teddy-teclebrhan-interview-neue-show-amazon-e306511/?reduced=true, Ausdruck vom 30.04.2024 um 9:31 Uhr.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40568SWR3 Worte
Die Paralympischen Spiele in Paris sind eröffnet. Der Rollstuhl-Tennisprofi Nico Langmann tritt für Österreich an. In seinem Buch „Wie man einen Traum aufgibt, um ein Leben zu gewinnen“ schreibt er, wie wichtig es für ihn und sein Umfeld war, zu akzeptieren, dass er auf den Rollstuhl angewiesen ist. Er findet:
„Ich glaube, dass es auch ein Recht auf Scheitern gibt, auf das Unperfekte. Unsere Gesellschaft lässt dafür leider nur sehr wenig Platz. Hundert Prozent sind das einzig Akzeptable. Behinderungen sind das genaue Gegenteil, der Gegenpol zum allgemeinen Zwang zur Perfektion. […] Wenn wir eine Gesellschaft sein können, die Fehler und Makel akzeptiert und als Teil des Menschseins begreift, nimmt das vielen Menschen Druck und Stress. Es ermöglicht allen ein glückliches Leben zu führen. Egal ob mit oder ohne Rollstuhl.“
Quelle:
Nico Langmann: Wie man einen Traum aufgibt um ein Leben zu gewinnen., Christian Brandstätter Verlag, Wien 2023, 1. Auflage, S.170-171.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40567SWR3 Worte
Er trägt den Titel „Schnellster Mann der Welt ohne Beine“ – Johannes Floors. Zwei Mal Gold und einmal Bronze, dazu der Weltrekord – das alles hat er geschafft. Und heute Abend bei der Eröffnungsfeier der Paralympics in Paris ist er dabei. In Tokio 2021 hatte er da eine ganz besondere Rolle. Johannes Floors erinnert sich:
„Ich glaub ich war total aufgeregt. ´Mach bloß nichts falsch Johannes´´, hab ich mir gedacht. Aber das war natürlich total die Ehre, […] nicht die nationale Flagge präsentieren zu dürfen, sondern die internationale […] Flagge mit unserem Symbol und mit den Werten, für die wir unseren Sport machen. Und ich bin ehrlich gesagt froh ein Teil davon zu sein und froh kein Teil von der perfekten ´social media´- Welt. Ich finde es schön, wenn es einfach für alle eine Bühne gibt. […] Jeder Mensch ist anders und jeder Mensch hat seine Macken und Ecken und Kanten, aber genau dafür sollte man glaub ich einfach auch jeden wertschätzen und liebhaben und nicht nur sich selbst der Nächste sein.“
Quelle: https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=34904, Ausdruck vom 12.08.2024 um 18:34 Uhr.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40566SWR3 Worte
In ihrem Buch „Radikal menschlich“ antwortet Birgit Mock, stellvertretende Vorsitzende des Zentralkomitees Deutscher Katholiken, auf die Frage: „Macht es einen Unterschied als Christ*in in der Welt zu sein?“ Birgit Mock findet:
„ Als Christ*innen haben wir einen […] Kompass im Gepäck: […] Wir sind von Gott geschaffen und geliebt, so vielfältig wie wir sind. In uns wohnt der Funke des Göttlichen. In allen Menschen. Daraus erwächst unsere unveräußerliche Würde als Menschen. Und daraus erwächst die Abkehr von jeglicher Diskriminierung.“ […] „Wenn wir an eine Gottesebenbildlichkeit glauben, haben alle Menschen die gleiche Würde. Daran können wir uns in alltäglichen Begegnungen erinnern. In der Familie und im Zusammensein mit verschiedenen Generationen, im Arbeitsleben […] , in der Freizeit oder wenn wir unterwegs sind. Und die Zusage einer würdevollen Existenz gilt auch uns selbst, in Zeiten des Zweifels oder großer Freude, im Alleinsein oder in Gemeinschaft.“
Quelle: „Radikal menschlich. Von Brüchen und Aufbrüchen in der Kirche.“, Bonifatius 2024, Paderborn, S. 91 und S.144.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40565SWR3 Worte
Seit 2014 starben fast 30.000 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer. Die Oscar-nominierte Schauspielerin Sandra Hüller ist Taufpatin für die SEA-EYE 5, einen neuen Rettungskreuzer des Bündnisses „UNITED4Rescue“. Dieses Bündnis hat die evangelische Kirche ins Leben gerufen, es zählt inzwischen über 900 Bündnispartner. Bei der Schiffstaufe in Italien im Juli 2024 sagte Sandra Hüller:
„Ich wünschte, dieses Schiff müsste nicht existieren. Ich wünschte, die Regierungen Europas und der Welt würden endlich begreifen, dass Migration nicht aufhört, wenn sie das Sterben auf den Migrationsrouten zulassen […]. Ich wünsche diesem Schiff eine friedliche See und danke der Besatzung für ihre leider notwendige Arbeit. Mögen dieses Schiff und die Menschen darauf gesegnet sein.“
Quelle: https://sea-eye.org/sandra-hueller-tauft-zivilen-rettungskreuzer-sea-eye-5/, Ausdruck vom 11.08.2024 um 17:09 Uhr.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40564SWR3 Worte
Der Moderator Stefan Gödde von „Galileo“, dem Wissensmagazin, hat in dem Buch „Entdecke, wer dich stärkt“ über Franz von Assisi geschrieben und wie der Heilige sein eigenes Leben inspiriert. Wenn er den Ort Assisi in Italien besucht, dann spürt Stefan Gödde:
„Es gibt einen Schöpfer, der es gut mit mir meint! Und gerade in diesen aufgewühlten Zeiten von Krisen und Klimawandel wird mir […] überdeutlich, was wirklich wichtig ist im Leben: Wir müssen auf unsere Mitmenschen achtgeben, auf die Tiere, auf unsere Umwelt. Sollten dabei mutig und fröhlich sein. Und selbst in dunklen Zeiten […] niemals vergessen, DANKBAR zu sein für so viel Gutes in der Welt.“
Quelle: Stefan Gödde, „Lernen von einem kleinen, sehr großen Mann“, in: Entdecke, wer dich stärkt, Bonifatius 2024, Paderborn, S. 59-60.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40563SWR1 Begegnungen
Christopher Hoffmann trifft: Rebecca Scheeres, Ehrenamtliche bei Sant´Egidio.
Die 26-jährige hat gerade ihr Studium als angehende Grundschullehrerin in Koblenz absolviert und startet nach den Sommerferien ins Referendariat im Hunsrück. Für Kinder brennt ihr Herz aber schon lange: In ihrer Heimatstadt Mönchengladbach engagiert sie sich seit über zehn Jahren ehrenamtlich, um für Kinder aus schwierigen Verhältnissen die Chancen auf Bildung zu verbessern. Organisiert wird das von der katholischen Gemeinschaft Sant´ Egidio. Dabei war Rebecca früher mit Kirche gar nicht eng verbunden, dafür aber ihre beste Freundin:
Und sie hat dann irgendwann mich ja schon überredet auch mal mitzukommen-also viel Lust hatte ich am Anfang nicht. Es geht um Samstagnachmittag und sozial benachteiligte Kinder betreuen, die ja auch nicht immer einfach sind und das war schon am Anfang eine Überwindung für mich dahinzugehen.
Inzwischen ist sie mit großer Begeisterung dabei. Aber was ist das für eine Gemeinschaft – Sant´ Egidio? 1968 wurde sie in den ärmeren Vierteln von Rom gegründet.
Das waren eine Hand voll Jugendliche eigentlich, die die Zustände in Rom gesehen haben,die gesagt haben: Was hat denn eigentlich Jesus uns gesagt? Wie sollen wir mit der Situation umgehen? Was sollen wir machen? Haben also ins Evangelium geguckt und gesagt: wir machen genau das, was da steht und gehen zu den Leuten hin, laden die ein, lernen die kennen und versuchen ihnen zu helfen und daraus ist tatsächlich was sehr Großes entstanden.
Sant´ Egidio gibt es inzwischen in über 70 Ländern auf der Welt – nicht Ordensleute, sondern Jugendliche, Senioren, Krankenpflegerinnen, Köche, Juristen, Menschen, die selbst fliehen mussten und etwas zurückgeben möchten oder eben Studentinnen wie Rebecca. Der gemeinsame Motor: Nächstenliebe…
Alle Menschen, die irgendwie Hilfe benötigen, sei es jetzt wegen Einsamkeit im Alter, sei es wegen Krankheit, sei es eben wegen Schulproblemen, wegen Integrationsschwierigkeiten-alles Mögliche: da versucht dann eben Sant´ Egidio Brücken zu bauen.
Brücken - auch an den Grenzen Europas, wo Menschen auf der Flucht ankommen. Rebecca Scheeres war schon dreimal beim so genannten „Sommer der Solidarität“ von Sant´ Egidio dabei, wo junge Menschen in riesigen Flüchtlingscamps Hilfe anbieten. Beim ersten Mal 2020 auf Moria auf der Insel Lesbos, bevor das damals völlig überfüllte Camp abgebrannt ist.
Es war wirklich ein Dschungel - ich kann es gar nicht anders sagen - aus selbstgebastelten Zelten, selbstgebastelten Abwasserkanälen, zusammengesteckt aus Tüchern, Folien , Müll teilweise, was man so finden kann. Es war sehr, sehr schwierig an Gesundheitsversorgung zu kommen. Es gab eine Hand voll Duschen, obwohl es im Sommer 40 Grad waren…
In den folgenden Sommern war sie in Athen, wo dann viele auf der Straße lebten und in Zypern: Die Zustände auch dort katastrophal – was hat das mit ihr gemacht?
Dass das auch so nah ist, dass innerhalb von Europa, also ja wirklich in der EU so furchtbare Bedingungen sind für Menschen, die vor dem Krieg fliehen – das hat sehr, sehr viel mit mir gemacht, tatsächlich, es vergeht glaub ich bis heute kein Tag an dem ich nicht darüber nachdenke, in was für Verhältnissen die Menschen leben müssen, wenn sie hier bei uns ankommen.
Ich treffe Rebecca Scheeres in Koblenz, wo sie an der Uni katholische Theologie und Deutsch studiert hat. Mit der Gemeinschaft Sant´ Egidio war die junge Frau dreimal an den Außengrenzen Europas und hat ehrenamtlich ihren Sommer in Flüchtlingscamps verbracht. In einer alten Olivenfabrik neben dem Lager Moria haben sie ein improvisiertes Restaurant eröffnet und die Menschen dorthin eingeladen.
Wir haben uns zu ihnen gesetzt, mit ihnen gesprochen, gezeigt: wir möchten euch kennenlernen. Und ein Mann hat dann einmal gesagt: Das ist das erste Mal, dass mir jemand ein Lächeln geschenkt hat seit Monaten. Und wirklich eben dieses Gefühl zu geben: du bist jemand und du bist auch etwas wert.
In Athen betreute sie mit anderen Freiwilligen 80-100 Kinder am Tag in einer Sommerschule von Sant´ Egidio:
Wo wir auch gemerkt haben, dass teilweise achtjähre Kinder noch keinen Stift halten können, weil sie noch nicht zur Schule gehen konnten und noch mal eine ganz andere Perspektive so viel mit den Kindern mitzubekommen, weil man dort wirklich stark gemerkt hat, wie die Entwicklung der Kinder auf der Strecke bleibt, wenn man auf der Flucht ist.
Und Rebecca schreibt die Biographien der ankommenden Menschen auf, gibt sie an die Gemeinschaft weiter, und Sant´ Egidio macht sich für die Idee der humanitären Korridore stark: Dabei erhalten besonders gefährdete Menschen humanitäre Visa, damit sie aus den Camps oder direkt aus den Gefahren in Kriegsgebieten herauskommen. Belgien, Italien, Frankreich und Andorra haben sich dazu bereiterklärt, sie aufzunehmen. Über 7000 geflüchtete Menschen konnten bisher dank Sant´ Egidio in Zusammenarbeit mit dem Vatikan sicher untergebracht werden.
Es gibt da jetzt echt schon viele glückliche Geschichten, auch Menschen, die ich kennenlernen durfte auf Zypern zum Beispiel, die durch diese humanitären Korridore jetzt nach Italien gekommen sind und dort leben können.
Diesen Menschen gastfreundlich begegnen, sie aufnehmen-das hat für Rebecca Scheeres ganz viel mit ihrem Glauben an Gott zu tun. Wer ist Gott sie?
Eigentlich eine permanente positive Unterstützung, ja ein Halt eigentlich. Gott heißt für mich im Ganzen eine ganz große Gastfreundschaft, also etwas , was für jeden da ist und offen ist und erreichbar ist.
Hunderte Helfer von Sant´ Egidio waren 2023 dann bei Papst Franziskus eingeladen – als Dankeschön für ihren Einsatz. Bei der Audienz waren auch Menschen, die neu nach Europa gekommen waren:
Also vor uns war eine Familie, die eben selbst über die Korridore nach Italien gekommen ist, auch ein kleiner Junge mit einer kleinen Spider-Man-Stofffigur und hat sich eben ständig zu uns umgedreht mit der Figur und dann haben wir gespielt, die Figur genommen, zu ihm hingeworfen und am Ende ist der Papst dann noch an den Leuten vorbeigefahren , hat sie persönlich gegrüßt und dann war auch der Junge ganz vorne und hat dem Papst seine Spider-Man-Figur gegeben, was ich auch wieder total berührend fand, hatte diesen Drang: Die schenk ich jetzt weiter an den alten Mann im Rollstuhl, den ich ja eigentlich gar nicht kenne. Das war wieder so eine schöne, herzliche Geste, die mal wieder gezeigt hat, was für ein großes Herz die Menschen haben – und gerade die Menschen, die hierher kommen. Trotz allem, was sie erlebt haben.
Mit ihrem großen Herz will sie nun auch in Koblenz regelmäßig die Idee eines Restaurants für geflüchtete Menschen umsetzen. Und dafür sucht die dynamische junge Frau mit dem strahlenden Lächeln und den zupackenden Händen aktuell noch Mitstreiter.
Wer Interesse hat Rebecca Scheeres in Koblenz bei ihrer Arbeit mit geflüchteten Menschen zu unterstützen kann sich bei Autor Christopher Hoffmann melden (Christopher.Hoffmann@bistum-trier.de">Christopher.Hoffmann@bistum-trier.de, 0175/7705474), der den Kontakt dann weiterleitet.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40509
SWR1 Begegnungen
Christopher Hoffmann trifft: Sophie von Bechtolsheim, Enkelin von Claus Schenk Graf von Stauffenberg.
Ihr Großvater hat am 20. Juli 1944 das gescheiterte Attentat auf Hitler ausgeführt. Vor 80 Jahren wurde er nachts im Bendlerblock ermordet. Sophie von Bechtolsheim hat viel Zeit mit ihrer Großmutter Nina verbracht. Wie hat sie ihren Ehemann erlebt?
Sie hat erzählt, dass er eine große Ausstrahlung hatte. Er war aber auch der, der mit den Kindern am Boden rumgekugelt ist und ein totaler Familienmensch war. Und das deckt sich dann mit dem, was ich dann später gelesen hab, über das, was Zeitzeugen erzählen-eben diese Fröhlichkeit, diese Zugewandtheit. Also so eine ganz große, starke Ausstrahlung, persönliches Charisma.
Sophie von Bechtolsheim ist nicht nur Enkelin, sie ist auch Historikerin. Und sie weiss, dass ihr Großvater die Machtübernahme der Nationalsozialisten zunächst staunend beobachtete, anschließend als Berufsoffizier der Wehrmacht Karriere machte:
Er war kein glühender Gegner, also leider nicht, wie Bonhoeffer, der eben schon 33 erkannt hat, dass die jüdischen Mitbürger existentiell bedroht sind und ja auch gesagt hat: wir müssen die Opfer unter dem Rad verbinden, damit natürlich die jüdischen Mitbürger gemeint hat und auch dem Rad in die Speichen fallen, also sprich den Nationalsozialisten in den Arm fallen und sie daran hindern, Macht auszuüben. Und so hat mein Großvater das wohl nicht gesehen – er musste erst mal einen Erkenntnisprozess durchlaufen.
Wann genau Stauffenberg zuerst die Erkenntnis hatte, dass Hitlers Terror gestoppt werden muss, das weiß keiner genau, betont die Enkelin. Ich erlebe die 56-Jährige in unserem langen Gespräch ohnehin sehr vorsichtig mit historischen Hypothesen. Wichtig ist ihr: Das geplante Attentat war kein Alleingang ihres Großvaters. Hinter dem 20. Juli standen viele Menschen im Widerstand gegen Hitler:
Er hat sehr viel investiert Menschen zu kontaktieren aus verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen, um dann diesen Umsturz auch gesellschaftlich vorzubereiten. Das ist leider außerhalb der Wahrnehmung, dass das wirklich ein groß angelegtes Netzwerk war.
Auch für die Familie Stauffenberg war die Operation „Walküre“, wie das Unterfangen in der Wolfsschanze genannte wurde, hochgefährlich – Claus und Nina hatten vier Kinder, mit dem fünften war sie schwanger. Ich will von der Enkelin wissen: wie stand ihre Großmutter zu den Umsturzplänen und war sie überhaupt eingeweiht?
Also meine Großmutter wusste, dass es einen Umsturz gibt, aber sie wusste nicht, dass er es ausüben würde – und wenn ich sie gefragt habe: Sag mal hast du ihm das nicht verübelt, weil ja klar war, dass euch das alle gefährdet? Da ist sie richtig sauer geworden, also da ist sie richtiggehend sauer geworden, weil sie gesagt hat: Was sollte ich ihm denn da verübeln?
Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg wird nach dem missglückten Attentat von der Gestapo in Einzelhaft genommen und muss mehrere Konzentrationslager überleben. Diese Zeit zu überstehen, dabei hat ihr auch ihr Glaube an Gott ganz zentral geholfen:
Und sie hat gesagt: da wächst einem etwas zu, von dem man vorher nicht wusste, dass man es hat, nämlich Standesgnade. Und dann hab ich gefragt: Was verstehst du darunter? Ja eben eine Kraft, die man bekommt, die man vom Himmel bekommt, um das auszuhalten und dann auch darauf zu vertrauen: Gott wird mir die Kraft schenken, das zu bewältigen.
Standesgnade – das hat nichts mit dem Adelsstand, sondern mit dem Stand als Ehefrau zu tun. Sophie von Bechtolsheim – selbst Ehefrau und Mutter von vier Söhnen, berührt das bis heute.
Ich treffe Sophie von Bechtolsheim, die Enkelin von Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Neben ihren Verwandten hat sie als Kuratoriumsmitglied der Stiftung des 20. Juli auch mit Zeitzeugen gesprochen, um mehr über ihren Großvater herauszufinden. Auch mit Ewald-Heinrich von Kleist, der als Widerstandskämpfer am 20. Juli im Bendlerblock in Berlin beim Umsturzversuch dabei war:
Was ihn so beeindruckt hat war diese wahnsinnige Nervenstärke – als eigentlich klar war, als durchgedrungen ist Hitler ist nicht tot, hat ja mein Großvater trotzdem versucht den Staatsstreich voranzutreiben - in Wien und in Paris war der ja mehr oder weniger gelungen, da hat man es geschafft die SS zu entmachten und er hat eben trotzdem felsenfest daran geglaubt oder festgehalten diesen Umsturz weiter voranzutreiben.
Sophie von Bechtolsheim ist sich sicher: Ihr Großvater hat bei der Planung der Operation „Walküre“ auf sein Gewissen gehört:
Es gibt ja diesen Satz von meinem Großvater: Wir werden als Verräter dastehen. Also mit dem Bewusstsein haben die das ja geplant und durchgeführt - mit der Überzeugung sie werden als Verräter vor den Deutschen oder der Geschichte dastehen. Aber wenn sie die Tat unterlassen, sind sie Verräter des eigenen Gewissens.
Als Theologe glaube ich: Das Gewissen ist die Stimme Gottes in uns - das teilt auch Sophie von Bechtolsheim. Und auch für ihren Großvater spielte sein christlicher Glaube eine wichtige Rolle. Gesichert ist: Stauffenberg stand in Kontakt mit dem Jesuitenpater und Widerständler Alfred Delp, der ihn in Bamberg besuchte. Am Abend vor dem 20. Juli 1944 besucht Stauffenberg eine leere Kirche um zu beten, so hat es sein Chauffeur bezeugt. Was ist für Sophie von Bechtolsheim, die Enkelin Stauffenbergs, die bleibende Botschaft des 20. Juli?
Dass der Mensch zur Freiheit berufen ist, also trotz aller Determination sind wir freie Wesen. Und wir wahrscheinlich freier sind als uns lieb ist. Und das ist für mich die Botschaft. Und aus religiöser Sicht würde ich sagen: Dass wir in dieser Freiheit rausfinden müssen, wozu uns unser Gewissen beruft. Ich glaube tatsächlich, dass das wirklich im ganz, ganz Kleinen, Alltäglichen anfängt-immer sich zu hinterfragen: was kann ich dafür tun integer zu sein? Das ist das Vermächtnis des 20. Juli.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40299SWR3 Worte
Der Fernseharzt Dr. Johannes Wimmer hat das Schlimmste erlebt, was Eltern passieren kann: Seine Tochter Maximilia starb mit nur neun Monaten an einem unheilbaren Hirntumor. Damals stand ihm und seiner Frau eine Pfarrerin zur Seite, Susanne Zingel. Johannes Wimmer erinnert sich so daran:
„Der Glaube besteht für mich aus dem, was zwischen Menschen passiert und Susanne Zingel hat das so schön gesagt: Wenn zwei Menschen im Raum sind, sind das ja nicht nur X-Liter Wasser, bisschen Calcium und noch ein bisschen Collagen, sondern da passiert ja was und da sagt sie zum Beispiel ‚Das kann man als Heiligen Geist beschreiben‘. Da passiert irgendwie mehr. Das ist ja auch das, was uns abhebt von dem Rest der Natur. Das Bezaubernde an uns Menschen […] und ich würde auch sagen, das, was dem Göttlichen am nächsten kommt, ist das Miteinander.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40209Zeige Beiträge 1 bis 10 von 482 »